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Grundsätze Grüner Kulturpolitik für Bayern


Wir leben in Zeiten, wo nichts mehr sicher scheint. Wir müssen uns mit plötzlich auftretenden Krisen
und weltumgreifenden Problemen auseinandersetzen. In solchen Zeiten müssen wir umdenken.
Manche scheinen auf Kultur als Erstes verzichten zu wollen.
Dass uns Kultur im Umgang mit Problemen aber hilft und gerade ihr Fehlen rückwirkend Krisen
vertieft, merken wir erst später.
Das Schützen und Fördern von Kultur ist deshalb am Vorabend neuer, großer Herausforderungen so wichtig wie nie.
Nicht allein deshalb fördern wir Kunst und Kultur der Vergangenheit und Gegenwart. Wir fördern
Kunst in ihrer Vielfalt und Komplexität. Wir fördern das Experiment und den Gang ins Risiko. Wir
fördern Kultur als Motor für Standorte, Regionen und ein künstlerisches Forschen.
Internationaler Austausch und Spitzen-Kultur sind dabei ebenso wichtig wie der Austausch der
Regionen und die Kooperation von Stadt und Land. Sie befruchten sich gegenseitig.
Bayerns Kunst und Kultur sind reich, vielfältig und kraftvoll. Sie sind der Spiegel unserer
Gesellschaft. Diesen Schatz gilt es zu bewahren und in die Zukunft zu tragen. Und zwar so, dass alle
Menschen, die in Bayern leben, daran teilhaben können.
Der Zugang zu Kunst und Kultur ist ein universelles Menschenrecht. Alle Menschen sollen sowohl
teilhaben an den vielfältigen Ergebnissen künstlerischen Schaffens als auch selbst die Chance
haben, ihr kreatives Potential zu entfalten. Nur so kann Kunst inmitten unserer Gesellschaft
Diskursraum und Experimentierfeld unserer Demokratie sein.
Ein zentraler Baustein unserer Kulturprogramme ist deshalb die Vermittlung.
Den Zugang zu den Schätzen unseres reichen bayerischen Sammlungserbes und Brauchtums wollen
wir für alle Menschen in Bayern ausbauen. Das bedeutet, das Wissen um unsere Sammlungen zu
verbreiten, die Wertschätzung und das Verständnis für ihre Relevanz zu vertiefen und bei allem
Barrierefreiheit zu garantieren.
Bei allen Prozessen staatlicher Initiativen und Institutionen, bei allen Zielen, Entscheidungen und
Maßnahmen muss eines selbstverständlich sein: Transparenz.

Kunst ist frei. Kunst dient niemandem. Sie lässt sich nicht auf ihren materiellen Wert reduzieren. Kunst ist
vielfältig, deutungsoffen und nie homogen, sie ist dynamisch, hybrid und niemals statisch. […] Wir
schützen die Freiheit der Künste und wenden uns dagegen, Kultur und die Künste vereinheitlichen zu
wollen oder alleinige Deutungshoheit über sie zu beanspruchen.“

Grundsatzprogramm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

BOTTOM UP – DIALOG KOMMT ZUERST


Ein zentraler Schatz von Kunst und Kultur ist der Diskursraum, den sie eröffnen. Entsprechend soll
Dialog die Basis von Kulturpolitik sein.
Dabei reicht es nicht, Verbändeanhörungen abzuhalten, in engem Kontakt zur Kulturszene des
Landes zu stehen, fleißig Kulturorte zu besuchen und Landtags-Anhörungen auszuwerten.
Es braucht Strukturen, die regelmäßig Kreative wie Publikum einbeziehen und diese auf Augenhöhe
miteinander in Dialog treten lassen. Mit den Ergebnissen können dann Leitplanken für
kulturpolitische Entwicklungen gesetzt werden und Handlungsfelder für Kulturpolitik in einer sich
wandelnden Welt immer wieder neu erkannt und nachgeschärft werden. Bottum up: Entscheidungen,
Ideen, Lösungen kommen von unten, von individuellen Beteiligten und werden nicht von
Entscheidungsbefugten aufgepfropft.
Dabei müssen Kommunen, Regionen, Kulturschaffende, Verbände und Zivilgesellschaft in diesen
dialogischen Formaten als Querschnitt aller Menschen unseres Landes zum Beispiel auch
Jugendliche, Studierende und Menschen mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen
einbeziehen.
Dialogforen können regionalisiert stattfinden oder Regionen vernetzen. Sie können Kooperationen
verbessern, Potentiale entdecken und helfen, neue Standards für die Kulturpolitik festzulegen.
Dokumentation und Auswertung der dialogischen Arbeit ist die Basis, um kulturpolitische
Handlungsfelder immer wieder neu zu definieren.


Unser Anspruch:

  • Dialogprozesse zwischen Politik, Entscheidungsbefugten, Kreativen und Publikum starten
  • gemeinsam Leitplanken für kulturpolitische Entwicklungen setzen
  • dauerhafte Strukturen für dialogische kulturpolitische Formate schaffen

FREIE KUNST UND KULTUR BRAUCHT VERLÄSSLICHE STRUKTUREN


Das Grundsatzprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert: „Kultur und die Künste brauchen
öffentliche Förderung auf Grundlage transparenter Kriterien“ in einem Umfeld, das Kultur als Rohstoff
von Demokratie respektiert und ermöglicht.
Für Bayern bedeutet das, klare Ziele staatlicher Kulturpolitik zu formulieren.
Unser Kulturbegriff ist dabei offen und breit. Er umfasst Musik, Theater, Tanz, Museen, Bildende
Kunst, Literatur, Soziokultur, Jugendkultur, Film und Medien, Performance und Sound, Archivwesen,
Laienmusik und Amateurtheater, Festivals, Nachtkultur und Kinos, Brauchtum und die Tradition
unserer Feste und Märkte; alle künstlerischen Sparten und alle Typen von Kultur, von Institutionen,
Initiativen, Vereinen und Bräuchen in ganz Bayern – ob frisch angekommen oder schon lange hier
beheimatet.
Um die Freiheit der Kunst zu bewahren, braucht es für „Kulturschaffende eine verlässliche und
angemessene soziale Absicherung“ (Grundsatzprogramm).
Mindestgage muss selbstverständliche Minimalanforderung bei freier Tätigkeit sein, genau wie
tarifvertragliche Bezahlung bei Festanstellung.
Öffentliche Finanzierung darf keine prekären Verhältnisse fördern! Das betrifft freiberufliche
Leistungen in allen Kulturbereichen, auch in Sparten, die bisher keine Honorare vorsehen, wie z.B.
Ausstellungen. Bei staatlichen Aufträgen nehmen wir deshalb die Honorierung der beteiligten
Kreativen besonders in den Blick.
Die Gestaltung der Verträge muss sich hierbei orientieren an sozialer Nachhaltigkeit, insbesondere
Geschlechtergerechtigkeit und Familienfreundlichkeit. Auch die Höhe und Bedingungen von
Stipendien und Preisen, die zum Beispiel oft nicht kompatibel sind mit der Lebenswirklichkeit von
Eltern, überprüfen wir.
Für Daueraufgaben wie Bildungs- und Beratungsangebote an staatlichen und nichtstaatlichen
Museen richten wir Dauerstellen ein. In der freien Kulturarbeit geht unser Ziel weg von Dauer-
Projektisierung hin zu einer nachhaltigen Entwicklung, Festigung und Verstetigung von Strukturen.
Dazu gehört auch, den Staatshaushalt im Vorjahr des jeweiligen Haushaltsjahres zu verabschieden,
damit Gelder rechtzeitig zur Verfügung stehen, wenn sie ausgegeben werden müssen.


Unser Anspruch:

● angemessene soziale Absicherung für Kunst- und Kulturschaffende durch
Mindesthonorare in allen Sparten, insbesondere für Solo-Selbstständige, durch faire
Verträge auf Augenhöhe und durch Nachwuchsprogramme überall, wo staatliche
Mittel fließen
● Verankerung von Grundsätzen sozialer Nachhaltigkeit in staatlichen
Förderrichtlinien, insbesondere Geschlechtergerechtigkeit und
Familienfreundlichkeit
● Weg von der Dauer-Projektisierung hin zur nachhaltigen Entwicklung und
Verstetigung von Strukturen

VERNETZUNG UND VERBESSERUNG VON STRUKTUREN


Unsere Welt ist schnelllebig. Auch unsere Kultur ist dem ausgesetzt: Knappe Planungshorizonte,
Unsicherheit und ständige Veränderung gehören zum Alltag.
Diese Veränderungen wirken auch auf staatliche Institutionen, auf ihren Aufbau, ihre Verwaltung,
ihre Organisation. Allerdings sind hier die Strukturen oft träge und können nicht angemessen auf
diese Veränderungen reagieren. Deshalb braucht es Transformations-Prozesse auf allen Ebenen.
Damit diese gelingen und unsere Institutionen fit für die Zukunft machen, wollen wir beim
Entwickeln solider Strukturen unterstützen.
Intern können Methoden und Strukturen immer wieder überdacht werden: Hilft es vielleicht, weg
von starren Hierarchien zu kommen und mehr Agilität zu gewinnen? Warum nicht alle die
miteinbeziehen und binden, von denen Kulturorte leben: das Publikum, das angestellte Team, die
Nachbarschaft, die Mitglieder, Aktiven oder den Freundeskreis. Sind Formate oder Strukturen
denkbar, an denen sie konkret beteiligt sind?
Aber der Blick muss auch nach außen gerichtet werden: Lassen sich Prozesse anstoßen, von denen
Gesellschaft und Institution wechselseitig profitieren? Wo zum Beispiel können sich Institutionen als
öffentlicher Raum etablieren, welche Kooperationsformen mit Schulen, Vierteln, Betrieben, etc. sind
möglich? Wen erreicht man noch nicht, und wie könnte man diese Personen noch erreichen?
Ziel ist ein Wachsen und Bestehen in dieser sich rasch wandelnden Zeit.
Wir schaffen hierfür beratende Formate für die Organisationsentwicklung, die für alle Bereiche
unseres Kulturlebens zugänglich sind.

Grundsätzlich wollen wir Bewährtes sichern und Neues ermöglichen. Eine weitere Baustelle sind hier
die Fördermodelle, die diese zentrale Aufgabe von Kulturpolitik vielfach nicht erfüllen. Häufig sind
Mittel gebunden oder werden nur für kurzfristige Projekte zur Verfügung gestellt.
Deshalb wollen wir zusätzliche Fördermöglichkeiten schaffen, die nachhaltig und verlässlich wirken.
Sie sollen mehrjährig den Aufbau neuer, besonders innovativer oder interessanter Initiativen
unterstützen und ihre Weiterentwicklung ermöglichen.
Organisationsentwicklung und die Verbesserung von Strukturen betreffen auch die staatliche
Verwaltung. Für nachgeordnete wie übergeordnete Verwaltung gilt: Jede Einheit kann sich durch
Reflektion, Analyse, Benennung von Handlungsfeldern, Zuständigkeiten und Zielen verbessern,
Doppelstrukturen vermeiden und die mannigfaltige Expertise bündeln.
Eine Verschlankung von Abläufen wird viel bewirken. Ein weiterer Punkt ist eine bessere Verzahnung
von Zuständigkeiten und Anlaufstellen.
In all den Jahrzehnten der Dominanz in Bund, Land, Bezirken und Kommunen gelang es
insbesondere der CSU nicht, die gutsherrenartige Mittelvergabe zu einer serviceorientierten
Kulturpolitik umzugestalten:
Zuständigkeiten sind zersplittert. Die Suche nach Unterstützung für Kulturschaffende ist oft eine
Tortur. Antragstellung ist selten digital möglich. Abrechnungen sind nicht standardisiert und viel zu
kompliziert.
Ein Beispiel sind hier die Initiativen der kulturellen Bildung, die für unsere Kinder und die Zukunft
unserer Gesellschaft so wichtig sind. Sie sind verwaltungsseitig schlecht vernetzt. Eine zentrale
Anlaufstelle gibt es nicht.
Es gilt aber auch für die Kultur- und Kreativwirtschaft, die sowohl im Fokus der Kultur- als auch der
Wirtschaftspolitik steht. Um im gewollten Maße zu wachsen, braucht sie eine sinnvolle Verzahnung
der Ressorts und Verwaltungsebenen.
Dabei ist es die Aufgabe der Politik, die Menschen, die ihre Expertise und Erfahrung in den Dienst
des Staates gestellt haben, bei der Weiterentwicklung unserer Staatsverwaltung zu einer agilen
Organisation zu unterstützen.

Unser Anspruch:

  • Beratungsangebote für Transformationsprozesse unserer Kulturinstitutionen
  • Verzahnung und Bündelung von Kompetenzen der Verwaltung für den kulturellen Bereich
  • Abbau von Bürokratie, einheitliche Standards zur Abwicklung und Abrechnung von Förderungen
  • Förderung von mehrjährigem Strukturaufbau für Kulturprojekte und Kulturinitiativen

RAUM FÜR KULTUR


Kulturorte gehören zu den Dritten Orten, die wir als Gesellschaft neben dem Zuhause (Erster Ort)
und dem Arbeitsplatz (Zweiter Ort) brauchen, weil sie uns Räume der Begegnung und Gemeinschaft
bieten und so unser Leben bereichern.
Waldbühne, Festival-Wiese, Kino, Wirtshaus-Nebenraum, Theater, Museum, Comic-Laden,
leerstehender Supermarkt, Bibliothek, Dorfplatz, Staatstheater, Club, Scheune, Bibliothek, Bus und
viele andere mehr: Lebendige Orte für Kultur schaffen Identität und Zusammenhalt. Auch gut
etablierte Kulturorte sind dabei oft gefährdet. Es ist Aufgabe von Kulturpolitik, sie zu sichern und zu
vernetzen.
Mehr Raum und besseren Raum für Kunst und Kultur schaffen und erhalten bedeutet: in die Zukunft
blicken, bauen, sanieren, neu und anders nutzen. Wo Räume knapp sind, soll zeitgemäße
Mehrfachnutzung gefördert werden. Laufende Bauvorhaben müssen genauso vorangetrieben werden
wie die beschlossenen und notwendigen Sanierungs- und Neubauvorhaben für Bayern, die noch
immer auf einen Startschuss warten.
Eine große Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, die Räume zeitgemäß anzupassen.
Dazu gehören die Förderung der Barrierefreiheit, energetische Sanierung, Generalsanierung und die
bedarfsgerechte Erweiterung von Liegenschaften in Staatsbesitz. In Zukunft werden die Räume für
Kultur anders aussehen, sie werden offener sein und von verschiedenen Gruppen auf
unterschiedliche Weise genutzt. Die Pläne für eine künftige Nutzung müssen Teil der Sanierung sein.
Gerade kommunale und ehrenamtliche Raum-Initiativen müssen hier unterstützt werden.
Raum für Kultur braucht örtliche Ansprechpersonen im ganzen Land, die Kultur ermöglichen und
vernetzen, die Ressourcen für öffentlichen und privaten Raum drinnen wie draußen kennen. Wir
nennen sie Regionalmanagement: Ansprechpersonen, die lokal und regional nach innen und außen
wirken, Kulturschaffende kennen, Räume vor Ort, Ehrenamtliche, den Kulturkalender vor Ort und
mehr. Aktuell ist es oft leichter, mit Kreativen im Ausland zu kooperieren, als die Oberpfalz und
Schwaben oder zwei Nachbar-Landkreise für ein gemeinsames Kulturprojekt zusammenzubringen.
Das wollen wir ändern.

„Kulturorte sind für die Gesellschaft unverzichtbar“

(Grundsatzprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Anspruch:

  • bestehende Kulturorte schützen
  • bedarfsgerechte Räume für Kulturschaffen
  • sinnvolle Mehrfachnutzungs-Konzepte staatlicher Räume
  • Sanierungsstau bayerischer Kulturinstitutionen abbauen
  • Regionalmanagement in ganz Bayern etablieren

STADT LAND CHANCE


Bayern hat in ländlichen Räumen ein gewachsenes, vielfältiges und starkes Kunst- und Kulturleben,
das häufig von engagierten Ehrenamtlichen getragen wird. Diese haben natürlich wenig Ressourcen
zur Verfügung, um steigende Mieten oder personelle Engpässe aufzufangen.
Dabei leisten Kulturorte hier viel: Sie geben Impulse für ganze Regionen. Das passiert natürlich auch
durch die Wiederbelebung leerstehender Gebäude und Ortsmitten. Eine alte Brennerei, die Bühne
wird, ein wenig genutztes Lager, das sich Lesungen öffnet, ein leerstehender Firmensitz, der
Ausstellungen beheimatet, ein von Schließung bedrohtes Kino, das sich zum Begegnungszentrum
weiterentwickelt.
Kulturorte, die aktiv sind und sich an Besonderheiten und Bedürfnissen der Gemeinschaften vor Ort
orientieren, schaffen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Auch eine staatliche Institution kann die
Gesellschaft einladen und offen sein für Kooperationen und vielfältige Nutzungen. Soziale und
kulturelle Aspekte befruchten sich gegenseitig im Zusammenspiel von Bildung und Genuss.
Kulturarbeit ist hier immer auch Soziokultur-Arbeit. Vielerorts ist der Zugang zu Kultur- und
Begegnungsorten bisher nur durch die Fahrt in das nächstgelegene Zentrum möglich. Gerade hier kann
eine soziokulturelle Nutzung von Räumen, die bislang gar nicht, kaum oder nur für einen
Zweck genutzt werden, integrative Kräfte mobilisieren und Identität stiften.
Was gewinnen wir, wenn wir neue Orte für Kultur erschließen oder bestehende breiter aufstellen?
Wir gewinnen neue Perspektiven, schaffen niederschwellige Zugänge, beziehen neue Zielgruppen
mit ein und inspirieren zu frischen Partnerschaften.
Soziokultur-Arbeit braucht hier lokale, regionale und spartenübergreifende Netzwerke, die
professionell organisiert sind, aber nach individuellem Bedarf vor Ort genutzt werden können.
Denkbar ist vieles – von Angeboten in den Ferien, Jugendkultur bis hin zu generationsübergreifenden
Projekten oder Angeboten für Menschen in hohem Alter.
Bei der Entwicklung spezieller Förderinstrumente für solche Dritten Orte kann der Freistaat in
Partnerschaft mit Landkreisen, Städten und Gemeinden von den Erfahrungen anderer Länder sowie
der Kulturstiftung des Bundes profitieren.
Unabdingbar ist dabei die Unterstützung finanzschwacher Kommunen durch die Begrenzung des
Eigenanteils. Das Programm “Aller.Land”, das die Bundesregierung im Frühjahr 2023 auf den Weg
gebracht hat, nimmt die Kulturförderung ländlich geprägter Räume in den Fokus. Hier werden
Regionen und kleine Kommunen gezielt dabei unterstützt, beteiligungsorientierte Kulturprogramme
zu entwickeln und umzusetzen. Ähnlich kann auch auf Landesebene Kulturförderung in ländlich
geprägten Regionen und kleinen Kommunen gelingen und Kulturinstitutionen vor Ort für neue
Aufgaben, Inhalte und Kooperationen öffnen. Auch hochwertige Gastspiele tragen zu einer Stärkung
der kulturellen Infrastruktur im ländlichen Raum bei. Diese wollen wir finanziell und strukturell
fördern.
Ländliche Räume und urbane Zentren brauchen passgenaue Kulturförderung. Dazu gehört
insbesondere in kleineren Kommunen auch das Bewahren einer lebendigen Nachtkultur mit ihren
Musikbühnen, Festivals, Clubs und Kinos.
Wir schaffen leicht zugängliche Beratungen zur Monetarisierung digitaler Angebote. Wir fördern
transparent technologische und nicht-technologische Innovationen. (Warum sollen nur
rückenverstellbare Kinosessel gefördert werden, nicht aber ein innovatives Kino-Seniorenprogramm
am Morgen? Andere Länder tun dies, Bayern nicht.) Die Nachtkultur unterstützen wir dabei, Barrieren
abzubauen, außerdem kümmern wir uns darum, dass diese Orte auch mit dem ÖPNV gut zu
erreichen sind. Und wir unterstützen dort, wo es zum Beispiel Nutzungs- oder andere Konflikte gibt,
durch ein allparteiliches Konfliktmanagement (AKIM).
Metropolen weltweit speisen ihre Attraktivität nicht zuletzt aus Spitzenkultur, Weltklasse
künstlerischer Leistungen, aus denen unser kulturelles Erbe hervorgehen wird und die auf Top-
Niveau zeitgenössische wie tradierte Kunst praktizieren und so auch Innovation anstoßen können.
Von Spitzenkultur mit internationaler Strahlkraft profitiert unser gesamtes Land auf
unterschiedlichen Ebenen: Arbeit für freie Kreative, Tourismus, Motor für die Wirtschaftsleistung
einer Region mit Arbeitsplätzen, Ausbildungsangebot und Kaufkraft, aber auch Ansehen, Image und
Identität.
Neben der Spitzenkultur, die in Zukunft noch tiefer in die Gesamtgesellschaft als Angebot für alle
hineinwirken sollte, darf aber das gesamte Kulturangebot in den größeren urbanen Zentren des
Freistaats in seiner Differenziertheit, Vielfalt und eigenen Innovationskraft nicht aus dem Blick
geraten.
Insbesondere die Freie Szene leistet hier seit Jahren unter oft großen persönlichen Entbehrungen
Enormes; kulturelle Bildung und soziokulturelle Arbeit finden auf hohem Niveau statt – trotz lange
fehlendem und inzwischen hart erkämpftem, schmalem Zugang zu Landesmitteln für die Freie Szene
in den beiden größten Kommunen im Land, trotz fehlender Landesförderung für Soziokultur, wie andere
Bundesländer sie leisten.

Unser Anspruch:

  • Antrags- und Abrechnungsstrukturen von Freistaat und kommunalen Ebenen harmonisieren
  • lokale und lebendige Nachtkultur bewahren und die Zugänglichkeit durch besseren ÖPNV
    und Abbau von Barrieren verbessern
  • stetig gewachsene Vielfalt regionaler Kulturangebote parallel zu bayerischer Spitzenkultur
    von Weltrang fördern
  • regionale Ansprechpersonen für Kulturschaffende, die vernetzen und koordinieren helfen
  • Landesförderung von Soziokultur wie in anderen Bundesländern

KULTURFONDS

“Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat. Er dient dem Gemeinwohl.“

Verfassung des Freistaats Bayern, Art. 3

Gut 8 Millionen Euro aus Mitteln des Kulturfonds wurden 2023 in Bayern verteilt. Bei einem
Haushaltsvolumen von 71 Milliarden Euro sind das gerade einmal 0,0112%. 2023 floss über die Hälfte der
Kulturfonds-Mittel in Bauprojekte. Mangelnde Transparenz und fehlende Jury-Verfahren
verstärken den Anschein von Kulturförderung nach Gutsherren-Art und Stimmkreis-Wahlgeschenken.
Soll der Kulturfonds allerdings allen Kulturschaffenden und Menschen in Bayern dienen, bedarf es einer
grundlegenden Reform:
Es braucht zunächst eine transparente Vergabe nach nachvollziehbaren Kriterien durch Fachjurys.
Digitale Antragsverfahren wären absolut zeitgemäß und würden endlich mehr Klarheit und Fairness
schaffen.
Eine Aufstockung des Kulturfonds ist ohnehin an der Zeit.
Einhergehend sollte er geöffnet werden für München und Nürnberg als Landeshauptstadt und
Frankenmetropole. Von deren besonders hoher Dichte an Kunstschaffenden könnte das ganze Land
profitieren – eine Synergie, wie sie die bisherigen Richtlinien des Kulturfonds nicht geschaffen
haben. Wir wollen dabei die Fördersummen analog zur Einwohnerzahl deckeln. Die Öffnung des
Kulturfonds für Kreative aus München und Nürnberg ist auch ein entscheidender Hebel beim Zugang
zur sogenannten Stadt-Land-Bund-Förderung, bei der sich Bund, Land und Kommunen jeweils
anteilig beteiligen, wenn alle drei Ebenen fördern.
Auch Künstlerhonorare und Handlungskosten sollten förderfähig sein.
Es braucht eine konsequente Öffnung für Spartenübergreifendes außerhalb der in den Richtlinien
des Kulturfonds genannten Formate. Kunst entwickelt sich in ihren Ausdrucksformen ständig weiter,
allein schon durch den Fortschritt der Technik. Neue Formate werden bislang aber nicht
berücksichtigt.
Grundsätzlich muss eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Höhe der Mittel stattfinden,
um dieses wichtige Instrument über die Jahre zu bewahren.


Unser Anspruch:

  • bayerischen Kulturfonds mit digitalem Antragsverfahren, transparenten und
    nachvollziehbaren Vergabekriterien und Fachjurys reformieren
  • Kulturfonds für die Metropolregionen Nürnberg und München gedeckelt öffnen
  • Erhöhung und regelmäßige Anpassung der Mittel des Kulturfonds
  • Öffnung des Fonds für alle Sparten und neue Form

FINANZIERUNG


Politik ist Priorisierung. Der Kultursektor krankt an struktureller Unterfinanzierung, es gibt bisher in
Bayern allerdings kaum politische Überlegungen und Leitlinien dazu, was staatliche Kulturpolitik
leisten soll und wie sich die Finanzierung dieser Aufgaben im Staatshaushalt widerspiegeln müsste.
Wenn ein Markus Söder von einer „bayerischen Documenta“ oder einer „bayerischen Berlinale“
fabulierte, folgte den Ankündigungen nie ein Handeln. Kulturpolitik muss aber mehr leisten, als alle
fünf Jahre eine neue Intendanz zu wählen und in Wahljahren die Mittel zu erhöhen.
Kulturpolitik nach Gutsherrenart ist nicht mehr zeitgemäß.
Freistaat und Kommunen teilen sich vielfach die Verantwortung für öffentliche Kulturförderung.
Während die Kommunen die lokale Kulturförderung tragen, konzentriert sich der Freistaat auf
überregional und in ganz Bayern wirkende Einrichtungen und Aktivitäten. Staat und Kommunen
ergänzen sich und handeln vielfach gemeinschaftlich oder fördern komplementär.
Aber Staat und Kommunen sind sehr ungleiche Partner: kommunale Haushalte unterliegen anderen
Bedingungen und Zwängen als staatliche, weil sie immer ausgeglichen sein müssen. Außerdem
gilt Kunst und Kultur immer noch als freiwillige Aufgabe – kommt also erst zum Zug, wenn alle Pflichtaufgaben
gedeckt sind. Andere Bundesländer sind hier schon weiter.
Eine Herausforderung der Zukunft ist deshalb, Kommunen so auszustatten, dass sie Kunst und Kultur
als Teil der Daseinsvorsorge stemmen können. Kultur darf nicht länger freiwillige Leistung sein, sie
muss kommunale Pflichtaufgabe werden.
Wie kann Finanzierung zustande kommen? Förderung von Kunst und Kultur muss als Kernaufgabe
staatlichen Handelns verstanden werden. Deshalb brauchen wir auch einen Diskurs zu Aufgaben und
Zielen staatlicher Kulturförderung. Darauf aufbauend kann dann entschieden werden, wie viele
Mittel auf den jeweiligen Ebenen für Kunst und Kultur zur Verfügung gestellt werden und woraus
diese Töpfe sich speisen.
Landeskultur-Entwicklungspläne, die Visionen und Ziele staatlichen Handelns definieren, und
Kulturfinanzberichte, die die Ausgaben für diese Ziele im Blick haben, gehören zu einem modernen
Verständnis solide legitimierter, gut finanzierter staatlicher Kulturpolitik.


Unser Anspruch:

  • Landesentwicklungspläne Kultur: Diskurs mit Zivilgesellschaft, Verbänden, Kreativen,
    Institutionen und Verwaltung zu Aufgaben und Zielen von Kulturförderung vorantreiben
    und verbindliche Leitlinien schaffen
  • Kulturfinanzberichte etablieren, wie sie in anderen Bundesländern schon existieren
  • Kommunen bei Kunst- und Kulturförderung dauerhaft stützen
  • Kultur als kommunale Pflichtaufgabe verankern

DIE KREATIVWIRTSCHAFT UND DIE KULTUR


Kunst und Kultur brauchen Raum für Experimente ohne Ziel; Raum für Scheitern und Wachsen. Die
Innovationskraft und Resilienz der Künste hat immense Bedeutung für unser Land. Vielfach öffnet
sich die Kulturszene für andere Bereiche und geht neue Partnerschaften ein, um innovativ zu
bleiben.
Diese Agilität wirkt auch in andere Sektoren unserer Gesellschaft.
Kunst und Kultur sind Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft. Wie bei Sozialunternehmen ist auch bei
Kulturunternehmen der Mehrwert nicht immer ein materieller.
Kultur- und Kreativwirtschaft generiert ökonomischen Mehrwert, eine vor Ort starke
Bruttowertschöpfung. Und sie generiert sozialen Mehrwert.
Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist Standortfaktor und wichtig für das Image einer Region –
niemand will dort leben, wo Bibliothek oder Kino eine Autostunde entfernt sind. Kultur- und
Kreativwirtschaft schafft Bildungsangebote im Sinne von lebenslangem Lernen und Krisenresilienz.
Diese enorme Kraft, die Dynamik und das große Potential der Kultur- und Kreativwirtschaft spiegeln
sich bisher nicht in adäquater und passgenauer Förderung wider. Eine koordinierte, gezielte und
strategische staatliche Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft als Teil von Standortpolitik ist
daher für Bayern überfällig:
Wir wollen einen besseren Zugang zu Wirtschaftsförderung und Förderprogrammen, die auf die
Branche zugeschnitten sind. Ein Beispiel sind Förderungen für nicht-technologische Innovationen:
Wieso gibt es bisher in Bayern zum Beispiel Geld für neue Kino-Lautsprecher, aber nicht für
innovative inhaltliche Angebote wie z.B. Kulturstreaming in den Kinosaal? Eine koordinierte,
institutionalisierte Kooperation von Wirtschaftsministerium und Kunstministerium istfür eine
gelungene Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft unabdingbar.
Die Kultur- und Kreativwirtschaft braucht wie jeder Wirtschaftszweig Forschung und Entwicklung.
Eigene künstlerische Forschung und Experiment fördern wir ebenso wie eine Zusammenarbeit der
Kultur- und Kreativwirtschaft mit Wissenschaft und Forschung, wie zum Beispiel im Bereich der
Künstlichen Intelligenz oder bei soziologischen Themen.
Grundlagen erfolgreichen Wirtschaftens sollten in Zielvereinbarungen der Ausbildung von Kreativen
fest verankert werden. Bis Kreative, die wirtschaftlich arbeiten möchten, am Markt etabliert sind,
vergehen oft viele Jahre, gleichzeitig sind Budgets in Teilbranchen der Kultur- und Kreativwirtschaft
oft deutlich geringer als in klassischen Industrien. In Förderprogrammen sind daher
Gründungsphasen zu flexibilisieren und Bagatellegrenzen möglichst zu vermeiden.
Kultur- und Kreativwirtschaft profitiert von freien Künsten: Kreative Prozesse und freie künstlerische
Arbeit verbinden innovative Wirtschaft, sich wandelnde Gesellschaft, moderne Bildung im Sinne
einer BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung) sowie agile Wissenschaft und Forschung. Kunst
und Kultur können Diskursräume öffnen und Fragen der Ethik, der Ziele wirtschaftlichen Schaffens
wie auch gesellschaftlichen Handelns und der Verantwortung verhandeln. Reallabore können dies
unterstützen. Auch freie Künste dienen so als Motor von Wirtschaft und als Teil der Kultur- und
Kreativwirtschaft.
Diese Dualität von freier Kunst und Wirtschaftskraft gilt auch für den Medien- und Filmbereich,
einen wesentlichen Teil unseres kulturellen wie wirtschaftlichen Lebens in Bayern. Und sie gilt für
Architektur und Werbung, wo Stadtbild und Zugehörigkeit verhandelt und Images für
gesellschaftliche Gruppen oder Lebensräume geschaffen werden.


Unser Anspruch:

  • Kultur- und Kreativwirtschaft als resilienten Wachstums-Motor und Standort-Faktor
    anerkennen und wie andere anerkannte Wirtschaftszweige fördern
  • Vernetzung mit anderen Branchen und der Wissenschaft voranbringen
  • Zugang zu Wirtschaftsförderung im nicht-technologischen Bereich für Kultur- und
    Kreativwirtschaft etablieren
  • wirtschaftliche Basics in Ausbildungs-Zielvereinbarungen berücksichtigen

DIGITALISIERUNG GEHÖRT DAZU


Nachhaltigkeit bedeutet auch Zukunftsfestigkeit. Digitalität ist dabei selbstverständlich Teil von
Kunst und Kultur.
Die Möglichkeiten der Monetarisierung digitaler Angebote hinkt der Nutzung digitaler Angebote
massiv hinterher. Die digitale Transformation begann lange vor der Pandemie und wurde durch
diese enorm beschleunigt.
Wie erleichternd wäre es für Kreative, von bleischweren Antrags- und Zuwendungs-Nachweis-
Papierbergen befreit zu werden. Das Publikum erfährt durch umfassende digitale Services nicht nur
ein verbessertes Kulturerlebnis, es kann auch gezielt nach veränderten Interessen oder einer
Besuchserfahrung befragt werden. Das hilft, die Angebote unserer staatlichen und staatlich
geförderten Einrichtungen weiter zu verbessern.
Bühnen, Museen, Bibliotheken, Archive, Kinos, Theater, Konzert- oder Opernhäuser: Wir stehen für
eine ganzheitliche Strategie in den Kultureinrichtungen aller Sparten, um den digitalen Wandel und
die daraus erwachsenen Bedarfe zu stemmen.
In Teams und beim Publikum brauchen in diesem Prozess Digital Natives und weniger digitalaffine
Menschen gleichermaßen Raum.

Unser Anspruch:

  • Coaching- und Beratungsleistungen für digitale Angebote lancieren
  • Monetarisierung digitaler Angebote voranbringen
  • Ehrenamts- und Profi-Kultur aller Sparten den digitalen Wandel ermöglichen
  • Anlaufstellen und Fördertöpfe für diese Transformation schaffen
  • digitale Antrags- und Abrechnungsprozesse etablieren
  • Digital Ticketing und digitale Evaluation der Besuchserfahrungen bei staatlichen Angeboten

EHRENAMT


Eine starke Demokratie lebt von den Menschen, die sie tragen. Ehrenamt und demokratisches
Engagement stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie verlässlich zu fördern, ist unsere
Aufgabe, auch im Bereich Kunst und Kultur.
Wir GRÜNE finden, bürgerschaftliches Engagement soll kein Ersatz für staatliche Förderung werden.
Aber wenn das Ehrenamt schon dort hilft, wo sich der Staat in der Vergangenheit zurückgezogen hat,
muss es zumindest unterstützt werden.
Das betrifft bei Bedarf zum Beispiel Unterstützung dabei, sich professioneller zu organisieren und zu
strukturieren.
Oft fehlen Ehrenamtlichen Ressourcen für Administration. Hier kann auch der Vorschlag der
Bundestags-Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ für den Ehrenamtsbereich helfen,
bürgerschaftliches Engagement als Eigenleistung anzuerkennen und die Verwendungsnachweise
von Mitteln zu vereinfachen.
Ein reges Engagement der Zivilgesellschaft im Ehrenamt fördert das Kunst- und Kulturverständnis
vor Ort. Alle Formen von Kooperationen zwischen Kultur und Gesellschaft sind deshalb zu fördern –
sei es inhaltlich, organisatorisch, räumlich oder finanziell.
Neben dem traditionellen Ehrenamt in gewachsenen Strukturen wächst in Bayern projektbasiertes
ehrenamtliches Engagement, aber auch die ehrenamtliche Beteiligung an Partizipationsformaten,
wie beispielsweise Open Stages. Diese neuen Formen der Beteiligung und Interaktion werden für die
gesamte Kulturszene immer wichtiger. Wir wollen darum Partnerschaften zwischen
Kultureinrichtungen, Initiativen, Vereinen, interessierten Laien, engagierten Gruppen, usw.
unterstützen und fördern.
Auch hier sollen verbesserte Qualifizierungsangebote, Abbau von Hürden in Förderstrukturen und
niedrigschwellige Beratungs- und Vernetzungsangebote Wissen bündeln und eine Grundlage für
flexiblere Förderung sein.

Unser Anspruch:

  • Ehrenamt im kulturellen Bereich inhaltlich, organisatorisch und räumlich stützen
  • neue Beteiligungs- und Partizipationsformate aufgreifen
  • Partnerschaften zwischen ehrenamtlichen und professionellen Kulturschaffenden sowie
  • Institutionen durch Qualifizierungsangebote, Abbau von Hürden in Förderstrukturen und
  • Beratungsangebote verbessern

CORONA


Die Corona-Politik der CSU-FW-Regierung hat in Bayern zu einem massiven Vertrauensverlust der
Kultur in die Politik und zu einer nie dagewesenen Schrumpfung im für die Liquidität von
Kulturbetrieb nötigen Vorverkauf geführt. Gleichzeitig ist das Publikum ins Private und Digitale
abgewandert, ohne dass es tragfähige Konzepte für die Monetarisierung digitaler Kulturangebote
gäbe. Das Ende dieser Entwicklungen deutet sich aktuell nur zögerlich an.
Entsprechend ist jetzt eine gemeinsame Anstrengung gefragt, bestehende Strukturen zukunftsfähig
zu machen, neue Publika zu erschließen und alte zurückzugewinnen.
Veränderung ist immer auch eine Chance. Die Kulturpolitik muss dabei begleiten, unterstützen und
Ressourcen für die Transformation dort, wo sie fehlen, bereitstellen. Die kulturelle Vielfalt in Land
und Stadt sicherzustellen, bleibt dabei eine wichtige Aufgabe.


Unser Anspruch:

  • die Kulturbranche nach Krisen beim Wiederaufbau unterstützen
  • die einmalige Chance zur strukturellen Transformation der Kulturbranche nutzen und
    abseits von Nachwuchssorgen und Mitteldebatten zukunftsfest machen

KUNSTFREIHEIT

Die Kunst ist frei. Sie unterliegt keinem Zweck und steht für sich selbst. Sie bildet und stärkt und
wirkt mit ihren Diskursräumen und Angeboten gegen die Kräfte, die an unserer Demokratie zerren.

„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“

Art. 5 Absatz 3 Grundgesetz

Der Nationalsozialismus markiert auch für Bayern den stärksten Bruch unserer Zivilisation und Kulturgeschichte.
Durch Mord und Vertreibung wurden verschiedene künstlerische und ästhetische Traditionslinien eliminiert,
die unsere bayerische Kunst und Kultur mitgeprägt haben. Aus diesen Erfahrungen erwächst eine
besondere Verantwortung für den elementaren Wert der Freiheit der Kunst in Werk und Wirken.
Aktuelle kulturpolitische Debatten, aber auch das reflexhafte Schließen unserer Kulturorte mit den Wellen
der Pandemie zeigen, dass die im Grundgesetz festgeschriebene Kunstfreiheit keine Selbstverständlichkeit ist.
Wir wollen ein politisches und gesellschaftliches Umfeld für Kunst und Kultur bewahren, das Kunst
nicht in den Dienst nimmt für Interessen von Ausgrenzung, Hass oder Nationalismus. Es ist unsere
Aufgabe, Kunst und Kultur als Möglichkeits-Räume zur freien und zukunftsfähigen Entwicklung zu
schaffen.


Unser Anspruch:

  • freie Erprobungs- und Möglichkeitsräume schaffen
  • Kunst und Kultur ohne Zweck, als Wert an sich fördern
  • Kunstfreiheit sichern

HISTORISCHE VERANTWORTUNG

„Die Erinnerungskultur einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft zeigt sich offen für die vielstimmigen
Geschichten und Erzählungen sowie die unterschiedlichen historischen Erfahrungen der Menschen, die hier leben.
Auch die kritische Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit und der damit verbundenen Verbrechen muss
selbstverständlicher Teil unserer (…) Erinnerungskultur sein. Das ist Voraussetzung für eine Gesellschaft, in
der alle Menschen frei von Rassismus leben können. Deutschlands Kolonialvergangenheit ist auch im
Kulturbereich viel zu wenig aufgearbeitet. “


Grundsatzprogramm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zeitgenössische Kunst ermöglichen und kulturelles Erbe bewahren – beides muss gleichzeitig gelingen, auch
wenn die Ressourcen knapp sind. Archive, Bibliotheken, Museen, aber auch Neuinterpretationen
historischer Stoffe leisten hier einen wichtigen Beitrag.
Die Aufarbeitung unserer kolonialen Geschichte und Verantwortung bleibt in engem Schulterschluss
von Museen, Hochschule, Forschung und Initiativen in Bayern und in den ehemals kolonisierten
Ländern wichtige Aufgabe.
Kooperation auf Augenhöhe und gegenseitiger Respekt dabei kann wiederum neue, produktive
Kooperationen möglich machen – international, aber auch vor Ort.
Prägend für Deutschland bleibt auch der Zivilisationsbruch der Shoa. Ein starkes Land wie Bayern
sollte denen, die es lieben, keine weiteren Überraschungen im Bereich der NS-Raubkunst kredenzen.
Oberste Priorität hat deshalb ein Ampelsystem für als unbelastet geklärte Kunst, Kunst mit unklarer
Provenienz und Raubkunst. Es braucht den politischen Willen, damit Datenbanken und Archive
endlich zugänglich gemacht werden.
Bei strittigen Fällen ist die Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-
verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts (“Limbach-Kommission”), die der Freistaat mit ins Leben
gerufen hat, anzurufen. Private Stellen sind aufgefordert, dies dem Freistaat nachzutun.
Für belastete Objekte muss rasch und unbürokratisch eine individuelle Lösung (Rückführung oder
Entschädigung) mit den Hinterbliebenen der rechtmäßigen Eigentümer*innen gefunden werden.
Digitale Datenbanken müssen künftig für alle zur Verfügung stehen. Nur dann können auch die Erben
von Eigentümer*innen aktiv werden und die Provenienzforschung selbst voranbringen. Mehr
als sechzig Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer und in Erwartung des 50. Jahrestages ihres Falls
tritt auch die Aufarbeitung dieses Teils der Geschichte in den Blick der Aufarbeitung: Pilotprojekte
wie das zur Untersuchung kritischer Provenienzen aus SBZ und DDR in nichtstaatlichen Museen des
Freistaats Bayern sind daher begrüßenswert.

Unser Anspruch:

  • Provenienz-Ampelsystem für Kunstwerke
  • Objekte noch stärker digitalisieren, Archive und Datenbanken zugänglich machen
  • Lösungen für die Hinterbliebenen der rechtmäßigen Eigentümer*innen von belasteten Objekten finden
  • Kooperation mit der Beratenden Kommission

GESCHLECHTERGERECHT UND FAMILIENFREUNDLICH!


Gleichberechtigung bedeutet Sichtbarkeit, Repräsentanz und Chancen. Strukturelle Benachteiligung
von Frauen beginnt oft mit der Elternzeit und setzt sich bei der Altersdiskriminierung junger oder
älterer Frauen fort.
Gerade im Kunst- und Kulturbereich, wo Förderungen oft ans Lebensalter gekoppelt sund, genauso
wie bei Stipendien und Residencies, wenig an die Realitäten von Menschen mit Familie angepasst
sind, braucht es Korrekturen, um strukturellen Wandel zu ermöglichen.
Kinderbetreuungsmodelle sind deshalb förderfähig zu machen, um Frauen, die immer noch einen
großen Teil der Care-Arbeit leisten, Zugang zum Arbeitsmarkt Kultur zu erleichtern.
Kinder und die Zeit, die man mit ihnen verbringt, dürfen für Stipendien und Förderungen kein
Hindernis mehr sein.
Wo Förderung und freiwillige Selbstverpflichtung nicht greifen, sind Quoten ein wichtiges
Instrument, in der Hoffnung, dass sie sich eines Tages selbst überflüssig machen.


Unser Anspruch:

  • Kriterien staatlicher Förderungen, Stipendien und Residency-Programme an die Realitäten
    von Menschen mit Familie anpassen
  • Maßnahmen zur Familienfreundlichkeit bei Kulturproduktion förderfähig machen
  • wenn nötig, Quoten als Instrument für Parität einsetzen

DIVERS!


Kulturelle Teilhabe muss für alle möglich sein. Und alle bedeutet ALLE –

  1. im kreativen Prozess, sei es in Laienkultur oder im Profibereich,
  2. in der künstlerischen Ausbildung und kulturellen Bildung,
  3. durch Sichtbarkeit in Inhalten und
  4. als Zielgruppe und Publikum

Umfassende Teilhabe mit all ihrer Diversität bereichert künstlerische Prozesse um neue
Perspektiven, Orte, Ideen und Möglichkeiten. Teilhabe ist ein Prozess. Wo sie noch nicht umgesetzt
ist, sind wir gefordert, sei es an sichtbaren Stellen oder auch in internen Strukturen.
Geschlechtergerechtigkeit und Diversität braucht es in allen Bereichen unserer Institutionen, in
Teams, aber auch in allen Führungsebenen und in der Besetzung von Gremien und Jurys. Wo
Gremien und Jurys klein sind, kann es helfen, durch Leitfäden, Schulungen oder Hinzuziehung der
Expertise Betroffener unterschiedliche Perspektiven abzubilden oder neue Zielgruppen zu
erschließen.
Öffentliche Mittel sind für alle Teile der Gesellschaft da. Deshalb darf eine Vergabe von
Fördermitteln geknüpft sein an konkrete Konzepte zur Weiterentwicklung von Institutionen und
Organisationseinheiten im Sinne von Diversität und Geschlechtergerechtigkeit.
Erfahrungen anderer Bundesländer zeigen, dass die Einbeziehung jüngerer Perspektiven und
Erfahrungen von Menschen mit unterschiedlichen Bildungsbiografien oft schon zu einer
Diversifizierung in vielen anderen Bereichen führt.
Diversitäts-Beauftragte können bei einer Öffnung hin zu mehr Teilhabegerechtigkeit helfen.
Ebenso hilfreich wäre die staatliche Förderung von Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogrammen
für Kunst- und Kultureinrichtungen und Kommunen zur teilhabeorientierten Öffnung und
diversitätsbewussten Entwicklung.


Unser Anspruch:

  • Teilhabe im kreativen Prozess, in der künstlerischen (Aus-)Bildung, der inhaltlichen
  • Repräsentation und der Rezeption ermöglichen
  • Maßnahmen für die Sensibilisierung von Entscheidungsträger*innen auf den Weg bringen
  • Konzepte für Diversität und Geschlechtergerechtigkeit bei Mittelvergabe
  • entsprechende Förderungen von Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogrammen für Kunst-
    und Kultureinrichtungen sowie Kommunen
  • Kommunikation staatlicher Kultureinrichtungen an Weltstandards anpassen und auf solide
    und zeitgemäße Füße stellen

KULTURELLE BILDUNG


Ästhetische Bildung ist eine Bildung, die das Verständnis für Kunst und Kultur und die kritische
Auseinandersetzung damit fördert. Sie hilft, kreatives Denken, Sensibilität und Analysefähigkeit zu
entwickeln. Sie sorgt gleichsam für die Entwicklung von Publika als auch für das Wachsen
künstlerischen Nachwuchses. Ästhetische Bildung wirkt ganzheitlich, gewährleistet nachhaltiges
Lernen und inneres Wachstum. Sie macht stark und klug.
Alle Gruppen der Gesellschaft sollen deshalb Zugang zu ästhetischer Bildung haben, aber auch auf
individuelle Weise von kulturellen und künstlerischen Angeboten angesprochen werden. Deshalb
gilt es, Angebote in Kulturinstitutionen, aber auch in Einrichtungen der Zivilgesellschaft – in
Gruppen, Vereinen und Initiativen – zu stärken und Zugänge zu ermöglichen.
Kulturpolitik ist immer auch Gesellschaftspolitik. Wir haben in Bayern mehrfach erlebt, wie
Ausgrenzung und Diskriminierung, Hass und Hetze in Gewalt umschlagen können. Kulturelle Bildung
stärkt Demokratie und schützt vor Diskriminierung, gruppenbezogenem Menschenhass und
Populismus. Kunst und Kultur können zwischen Kulturen vermitteln und helfen, andere zu
verstehen.

In einer Welt, die immer schneller wird, mit einem Überfluss an Angeboten ist es für Kinder
und Heranwachsende nicht leicht, eine Orientierung zu finden. Kunst und Kultur können eine solche geben.
Bei der kulturellen Bildung geht es um den ganzen Menschen, um die Bildung seiner
Persönlichkeit, um Emotionen und Kreativität. Ohne kulturelle Bildung fehlt ein Schlüssel zu wahrer Teilhabe.
Deshalb ist auf keinem Feld die Verantwortung des Staates, aber auch der Zivilgesellschaft und der
Kultureinrichtungen größer. Kulturelle Bildung macht nicht nur stark, sondern auch klug. Denn sie hat gleichermaßen
Auswirkungen auf Persönlichkeitsentwicklung und Lernfähigkeit. Ein besonderes Augenmerk auf die Belange
kultureller Bildung zu legen war deshalb für viele von uns Herzensangelegenheit. Dabei darf der Blick nicht
nur auf Kinder und Jugendliche gelegt werden.

Grundsatzprogramm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

In Institutionen wie Landesjugendkunstschulen oder Musikschulen wird bereits viel geleistet. Die
kulturelle Bildung muss aber in allen Bereichen öffentlichen Lebens als Handlungsfeld begriffen
werden, das in die Gesellschaft hineinwirken kann.
Stichwort ist hier “Outreach und Community”: Outreach als die Kommunikation nach außen – also
gezielt auf Menschen zuzugehen, um sie zu erreichen und sie teilhaben zu lassen. Community als die
Gemeinschaft – also Menschen zusammenzubringen, die bereits miteinander verbunden sind über
eine in irgendeiner Weise gemeinschaftliche Identität, lokal, regional oder auch virtuell. Dafür braucht es
eine solide Grundfinanzierung von Institutionen, die Outreach und Community, kulturelle
Bildung und Vermittlung miteinschließt.

Wir werden unserem Anspruch nicht gerecht, solange kulturelle Bildung hauptsächlich aus
Drittmitteln finanziert wird, also überhaupt nicht im Fokus der Kulturpolitik liegt.
Es gibt keine Ansprechpersonen auf höchster Ebene für kulturelle Bildung, denn sowohl das
Bildungs- als auch das Kunstministerium sind irgendwie verantwortlich, aber niemand richtig. Die
Staatskanzlei macht kulturelle Bildung, wenn es um Medien geht, das Finanzministerium mischt mit,
sobald “Heimat” drauf steht, das Sozialministerium macht kulturelle Bildung für sozial schlechter
Gestellte, usw. Die Koordination der Bemühungen unterschiedlichster Verwaltungen auf lokaler,
regionaler und staatlicher Ebene funktioniert ohne zentrale Ansprechpartner und ohne Vernetzung
der Zuständigkeiten unterschiedlicher Ministerien nicht.
Kulturelle Bildung braucht einen zentralen Ort, der institutionsübergreifend Ansprechpersonen und
Vernetzung bietet: ein eigenes Kompetenzzentrum kulturelle Bildung für Schulen, private und
kommunale Bildungseinrichtungen und Kulturlandschaft.
Diese zentrale Anlaufstelle zu schaffen ist drängend und wichtig, um Schulen, Kitas,
Volkshochschulen, Sing- und Musikschulen, Jugendkunstschulen sowie alle weiteren
außerschulischen Verbände und Organisationen sowie Kulturinstitutionen stärker in staatliches
Handeln einzubeziehen und vielfach parallel agierendes staatliches Handeln zentral zu vernetzen.
Dieses Kompetenzzentrum kann Transformation begleiten – zum Beispiel 2026 die Umstellung auf
Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern. Es kann die zentrale Einrichtung im Freistaat werden für
Beratungs- und Qualifizierungsleistungen sowie für die Vernetzung im gesamten Themenspektrum
der kulturellen Teilhabe und Bildung.
Wir müssen in Bayern im Bereich kulturelle Bildung inhaltlich wie finanziell an die Standards
anderer Bundesländer aufschließen.
Überall dort, wo der Staat tätig wird, sind die Entwicklungen wissenschaftlich zu begleiten und
stetig zu evaluieren, um bei Bedarf angepasst werden zu können.


Unser Anspruch:

  • kulturelle Bildung als festen Baustein der Kulturförderung verstetigen
  • Stellen für kulturelle Bildung an allen staatlichen Kulturinstitutionen schaffen und ausbauen
  • Expertise und Wissen bündeln: zentrale Anlaufstelle für Initiativen der kulturellen Bildung schaffen

FAIR GREEN CULTURAL DEAL


„Ihr Herrn, die ihr uns lehrt, wie man brav lebenUnd Sünd und Missetat vermeiden kann
Zuerst müßt ihr uns was zu fressen geben
Dann könnt ihr reden: damit fängt es an.“

Bertold Brecht.,„Wovon lebt der Mensch?“ Zweites Dreigroschen-Finale

Die bayerische Staatsregierung hat im Juli 2021 Klimaneutralität bis 2040 als Ziel für Bayern gesetzt.
Dieser Anspruch muss von Handeln begleitet werden und wirkt in alle Bereiche unseres Lebens. Wir
Grüne sehen Nachhaltigkeit dabei ganzheitlich und betrachten sowohl die soziale als auch die
ökologische Nachhaltigkeit. Um alle Menschen mitzunehmen, ist ein gemeinsames, paralleles
Entwickeln von sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit unabdingbar. Das betrifft auch den Kulturbereich.
Staatliche Einrichtungen brauchen personell und finanziell die richtige Unterstützung für die Erarbeitung
eines in Zukunft verbindlichen Nachhaltigkeitskonzepts für Klima, Umwelt und soziale Strukturen. Wir
brauchen den Fair Green Cultural Deal.

Um die Transformation im Kulturbereich zu fördern, möchten wir spezielle Beratungsangebote
ebenso etablieren wie die Qualifizierung von Fachkräften auf dem Gebiet des
Transformationsmanagements.
Kunst braucht Austausch. Wo Mobilität nötig ist, versuchen wir die Umweltkosten-Nutzen-Rechnung
in Richtung einer positiven Nutzung des CO2-Budgets zu verschieben. Dafür braucht es inhaltliche
und zeitliche Verbesserungen: Es hilft, mit der Bahn zu fahren, es hilft aber auch, nicht nur für einen
einzigen Termin zu reisen oder Objekttransporte zu bündeln. Für Gastverträge ermöglichen wir
umweltfreundliches Reisen durch Anerkennung der Reisetage als Arbeitszeit, sofern nicht geflogen
wird.
Materialinitiativen, die in Kunst und Kultur benötigte Materialien sammeln, aufbereiten und der
Mehrfachnutzung zuführen, etablieren wir bayernweit als Standard.
Nachhaltigkeit ist mehr als CO2 und Müll: Sozial-ökologische Nachhaltigkeit ebenso wie
Klimafreundlichkeit sind Aspekte, die bei staatlicher Kulturförderung in Bayern förderfähig werden
müssen. Anreize sind wichtig, um unsere gesteckten Ziele zu erreichen.
Die Kultur ist ein Bereich, dem in der Vergangenheit vielfach neue Aufgaben aufgebürdet wurden
und dem trotz struktureller Unterfinanzierung nie automatisierte Anpassungen an Inflation oder
Kostendruck zuteil wurden. Deshalb braucht die Kultur Unterstützung, um diese wichtigen Aufgaben
stemmen zu können.


Unser Anspruch:

  • Nachhaltigkeit in allen Dimensionen fest in der Struktur von Kulturinstitutionen verankern
    – Transformationsmanagement als Weiterbildung anbieten und Stellen in diesem
    – Bereich finanzieren
    – Nutzung von Material-Initiativen zum Standard machen
    – Nachhaltigkeits-Konzepte etablieren, finanzieren und umsetzen
    – Handlungsfelder für Transformationsprozesse für jede Institution festlegen
    – Green Culture Desk auf Landesebene als zentrale Koordinationsstelle etablieren
  • staatliche und nichtstaatliche Institutionen bei der Transformation unterstützen
  • Maßnahmen für Nachhaltigkeit bei staatlichen Förderungen förderfähig machen
  • Beratung zur Nachhaltigkeit förderfähig machen
  • in allen Bezirken Ansprechpersonen für Nachhaltigkeits-Beratung für solo-Selbständige
  • Kreative einrichten
  • Mittel für Nachhaltigkeitsmaßnahmen bereitstellen

Support for artists from Ukraine, Russia and Belarus

You are an artist fleeing the the war in Ukraine or political suppression and prosecution in Belarus or Russia and seeking help? You work in the creative industry and want to help? You want to donate to projects supporting Ukrainian artists or support Ukrainian artists in another way? – Here are some resources, that might be helpful!

Resources for artists fleeing the war in Ukraine or political suppression and prosecution in Belarus or Russia and seeking help in:

Germany: Students, professional artists, dancers

Austria Belgium Bulgaria Czech Republic Estonia Finland France Georgia Greece Hungary Italy Latvia Lithuania Netherlands Romania Poland Slovakia Slovenia Spain Sweden Switzerland

Other helpful resources – Here

I work in the creative industry and would like to help! – Click Here

I would like to donate to projects supporting Ukrainian artists or support Ukrainian artists in another way – Click Here


Germany: Resources for art students

For whom? Refugee artists and their families from Ukraine

What? Contact point between refugee artists and the cultural scene in Baden-Württemberg, further contacts, initial helpline, intercultural support

For whom? Ukrainian scholars in the historical sciences (also art history)

What? Program to study at the university for six months

For whom? Art students who have fled from the war in the Ukraine

What? Unbureaucratic admission as guest students

For whom? refugee students from Ukraine in the subjects Architecture, Design, Arts, Conservation, Art History and Art Education

What? Continuation of studies as a guest student, as a visiting student or as an enrolled student

For whom? Ukranian Design Students

What? exchange study opportunities in English

For whom? Ukrainian art students fleeing from the war

What? Uncomplicated procedure for admission to the University of Fine Arts

For whom? Ukrainian students in the fields of book design/Graphic Design, Photography, Painting/ Printmaking, Media Art, Art theory

What? Uncomplicated registration for a guest studentship

Germany: Resources for art professionals

For whom? Performing artists who had to flee from Ukraine

What? Contacts and information

For whom? Ukraine Scholars

What? Scholarship and temporarily accomodation in museum apartments

For whom? One Ukrainian refugee artist (with partner or child)

What? Emergency residency months of April and May 2022

For whom? Ukrainian artists (and Russian dissident artists

What? Artist residencies with opportunities for paid professional engagements beginning in May 2022

For whom? Art professionals from Ukraine

What? residency and work studio in march (probably longer), help with bureaucracy, translation, projects, resources

For whom? Ukrainian dancers and artists

What? Double and single rooms for free, supportive connection to local dance artists

For whom? 12 Ukrainian artists

What? Financial support for 5 months and accommodation if necessary

Application only by institutions (proposing artists) not by artists themselves 

For whom? artists and children from Ukraine

What? Offering the services of the 13 youth art schools, studios and workshops, free of charge

For whom?  artists of the performing arts from Ukraine

What? Use of work opportunities, support in project development, room for presentation, funding program incoming April 1st to August

For whom? 3 Ukrainian FLINT* artists with their families

What? Hosting for one month for free, between March-June.

For whom? artists, DJs or journalists

What? Studio time & equipment use, community assistance

Germany: Resources for dancers

For whom? Choreographer/dancer from the Ukraine

What? One residency including scholarship, use of the K3 studios, help in finding accommodation Up to 6 months

For whom? Refugee dancers

What? Support, help in finding accommodation, access to ballet class and training, advice for audition processes


Austria

For whom? Ukrainian artists  

What? Platform connecting the cultural workers from Ukraine with institutions, individuals and initiatives in Austria

For whom? Art students from Ukraine

What? Fifty special study places


Belgium

For whom? Ukrainian and all other non-EU passport-holding art workers and students who are forced to leave Ukraine and who would like to pursue their studies in the curatorial field

What? Application priority track for their one-year postgraduate programme in Curatorial Studies


Bulgaria

For whom? Film industry professionals from Ukraine

What? Accommodation and work


Czech republic

For whom? Artists from Ukraine

What? Temporary accommodation in Prague. Free of charge

For whom? Ukrainian students, academics and families

What? Accommodation in their dormitories and special scholarships, art programmes at the university


Estonia

For whom? Ukranian artists, incl choreographers

What? Resources, Jobs, Shelter

For whom? Ukranian artists, incl choreographers

What? Three Emergency Artist Residencies (One small room per Family) April – June

For whom? Art students fleeing from Ukraine

What? Accommodation and study possibilities, Housing organized for spring semester 2022. Study programmes mostly in English or Russian.


Finland

For whom? Artists displaced due to the war in Ukraine (individuals and families)

What? Residencies and accommodation, short and long stays in Mynämäki and Helsinki


France

For whom? Children and youth from conflict-affected areas, affected contemporary artists or cultural professionals

What? Art programmes to help children adapt to their new environment, temporary shelter

For whom? Ukrainian and Russian artists

What? Hotline, that you can call and get help and information

For whom? Ukrainian artists

What? Information, contacts, help


Georgia

For whom? Ukrainian artists

What? Funding for their residency program, Funding of 2 Ukrainian artists for their workshops, June – September. Duration from 2 weeks – 1 month.

For whom? Artists and art professionals who had to flee the war

What? Art residency and accommodation, flat in central Tbilisi free for up to six months


Greece

For whom? Artists needing refuge from Ukraine

What? Space in Athen


Hungary

For whom? Refugee design and art students

What? Housing and food in Campus dormitory, Opening courses

For whom? Students who had to interrupt their studies due to the war

What? Registration platform for courses, Faculty of Music and Visual Arts. Study programmes in English and Hungarian

For whom? Two Ukrainian artists or curators (and their families)

What? Free accommodations, stipendium and material grand In April and May


Italy

For whom? Researchers, museum curators, and art critics from Ukraine, Russia and Belarus

What? Art History Fellowships Up to one year

For whom? Art historians, heritage scholars and professionals at risk

What? Fellowships


Latvia

For whom? 4 Ukrainian artists

What? Studio, living space, providing support and materials. Free of charge. 4 artists in March, 4 artists in April


Lithuania

For whom? 2-4 artists/with partner or family

What? Emergency residency in Vilnius City, space and dance studios For free at least 3 months

For whom? artists with their families

What? Space and study courses

For whom? 3 Ukrainian artists and families from the war zone

What? Emergency residency, Free accommodation, food, materials 1 month between May – August

For whom? Up to 400 students and 50 lecturers/ researchers fleeing the war

What? Study opportunities, Art programmes at the university


Netherlands

For whom? Art students and researchers fleeing from Ukraine

What? Priority track for application Deadline 03 April 2022


Romania

For whom? Museum specialists from Ukraine

What? Temporary work contracts


Poland

For whom? 2 Artists from Ukraine

What? Art residencies Stay as long as necessary, for free

For whom? Artists in danger from Ukraine

What? Scholarship program One-time intervention scholarships in the amount of 5.000 Zlotys

For whom? Designers and curators from Ukraine

What? Accommodation and salary 1 month with possibility to extend

For whom? Ukrainian artists

What? Welcome people seeking shelter at their local centers for creators, working on launching a long-term financial assistance

For whom? Ukrainian designers, animators, vfx artists

What? Connection to VFX companies, help


Slovakia

For whom? visual or interdisciplinary artists, curators, researchers from Ukraine

What? three-month residency from April till June 2022 in Košice, opportunities for life and work


Slovenia

For whom? young musicians from all over Ukraine

What? Ukrainian MUSIC CAMP in Ljubljana: day to day music lessons, master classes, leadership workshops, an orchestra academy, chamber orchestra academy and concerts

For whom? Ukrainian designers

What? Office spaces


Spain

For whom? One Ukrainian visual artist, illustrator, writer or musician

What? Private room and studio access free of costs Stay up to 3 months


Sweden

For whom? Artists affected by the war

What? Emergency Studio and accommodation Available immediately from March to the end of May. Duration flexible.

Switzerland

For whom? Art students from Ukraine

What? Continuation of studies as visiting students, extramural observers, students


Other helpful resources

I search for employment in the creative sector in Poland and Europe: Architects & designers for Ukraine

I am an artist or cultural worker from UKRAINE and need emergency temporary relocation and hosting: Artists at risk

I am a BELARUSIAN or RUSSIAN DISSIDENT artist or cultural worker subjected to persecution or political threats and need emergency temporary relocation and hosting: Artists at risk

I am an artist or cultural worker who stayed in Ukraine and need immediate financial support for basic needs: Kyiv Biennial emergency support initiative

I am an artist in exile and need funding: Aid A (Aid for artists in exile)

I am an artist under threat and look for fellowship grants and host institutions: Artist Protection Fund

Instagram account with offers of residency, funding or anything for Ukrainian artists in need: forukrainianartists__

Emergency aid up to 200€ for artists still in Ukraine and in need of immediate financial support: PeaceforArt

Database of more than 800 artists and human rights organizations with resources for persecuted artists: Artists at risk connection

Funding for art projects by Ukrainian artists, curators and cultural players in any artistic field: PeaceforArt


I work in the creative industry and would like to help!

I can host UKRAINE-related artists and cultural workers at risk: Artists at risk

I can offer employment in design companies: Architects & designers for Ukraine

I can employ Ukrainian art students searching for an internship: New Media Arts Faculty for Ukraine 

I can hire Ukrainian creatives affected by war: Community Better Us

I want to help saving Ukrainian Cultural Heritage Online: SUCHO

I need funding in order to temporarily host artists and cultural actors, provide scholarships and a free and safe space for them: Martin Roth Initiative

I work in a german dance institution and can offer participation in trainings: Help Dance

Funding for projects supporting independent, alternative, and trusted European (digital) media, providing safe cultural spaces for individuals, , counteracting forces of fragmentation through artistic and cultural expressions, that act for a peaceful future of Ukraine and Europe: Culture of Solidarity Fund


Donating to projects supporting Ukrainian artists and supporting Ukrainian artists in another way

Initiative for Ukrainian artists in need: #artistsinshelter

Support for filmmakers in Ukraine: Filmmakers for Ukraine

Support for critical writers, journalists, academics and cultural activists: PEN Zentrum Deutschland

Petition in support of culture in Ukraine: European Theatre Convention

Supporting Ukrainian artists and creators by digital downloads, direct donations, and crowdfunding: list by the GEEKiary

List of Ukrainian artists you can uplift and support: list by nftnow

Compilation „Sounds of Survivor from Ukrainian Underground“: SoundsofSurvival

Support for the Youth Symphony Orchestra of Ukraine: Bundesjugendorchester

Support Music Camp for Young Ukrainian Musicians: Slovenian Youth Orchestra

Logo Bayerischer Landtag Sanne Kurz Grüne Fraktion Bayerischer Landtag Kultur Film

„Kleine Anfrage“ – AzP „Schlechterstellung der Kunst und Kultur bei den Corona-Maßnahmen“

Ich frage die Staatsregierung:


Ist die Schlechterstellung der Kunst und Kultur bei den Corona-Maßnahmen hinter Gastronomie, Bergbahnen und Einzelhandel eine politische Entscheidung, die trotz der grundrechtlich geschützten Kunstfreiheit und trotz des einstimmig beschlossenen 3-Stufen-Plans der Kulturminister*innen der Länder vom 05.02.2021 getroffen wurde, wenn nein, welche wissenschaftliche Erkenntnis liegt der Auflagen-Kombination für den Kulturbereich mit 25% Maximal-Auslastung, 1,5 m Abstand, 2G+ und FFP2 Maskenpflicht am Platz im Vergleich z.B. zu möglicher Vollauslastung, 2G und keine Maskenpflicht am Platz in der Gastronomie zu Grunde, wie bewertet die Staatsregierung die Schlechterstellung der Kultur vor dem Hintergrund des Verfassungsranges des Kulturstaats und des verfassungsrechtlichen Willkürverbots, das Ungleichbehandlung nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässt?“

Hier geht’s zur Antwort:

Logo Bayerischer Landtag Sanne Kurz Grüne Fraktion Bayerischer Landtag Kultur Film

„Kleine Anfrage“ – AzP „Wiederherstellung der Kunstfreiheit nach dem Lockdown“

Vor dem Hintergrund des am 6. Februar in den Medien angekündigten Drei-Stufen-Plans der Länder (siehe https://www.tagesschau.de/inland/kultur-lockdown-101.html bzw. https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeslaender-museen-mit-einzelhandel-oeffnen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210206-99-327062) frage ich die Staatsregierung, welche Maßnahmen sie nach einem Ende des Corona-Lockdowns ergreift, um die analog zur Religions-, Presse- und Versammlungsfreiheit grundrechtlich geschützte Kunstfreiheit in Werk und Wirken wiederherzustellen, ob sie den 3-Stufen-Plan der Länder für den Bereich Kunst, Kultur und kulturelle Bildung auch für Bayern übernehmen wird und ob erneut davon auszugehen ist, dass Kunst, Kultur und Kulturelle Bildung hinter Öffnungsperspektiven für Handel, Tourismus und
Gastronomie zurücktreten müssen?

Hier geht’s zur Antwort:

AzP „Wiederherstellung der Kunstfreiheit nach dem Lockdown“

presse-mitteilung-Logo Sanne Kurz Bayerischer Landtag Grüne Fraktion Grüne Bayern Landtag

Pressemitteilung: Kultur geht nicht auf Knopfdruck

Leider erst am 1. September rang sich die CSU-FW-Regierung dazu durch, es doch wenigsten mal zu prüfen: ob Kultur für das Publikum unter Beachtung der Hygienemaßnahmen gefährlich ist und wenn ja, wie sehr. Ein Pilotprojekt wurde gestartet, u.a. am Gasteig und in der Staatsoper. Ziel: die pauschale Deckelung der Publikumsgröße überprüfen. Zuletzt waren 200 Personen erlaubt, egal ob kleine, private Kellerbühne, Gasteig mit High-Tech-Lüftung oder Olympiahalle. Hat es was gebracht?

  • Bei niedrigen Inzidenzwerten im Gasteig bis zu 2.000 Personen möglich
  • Pauschale Willkür-Deckelung der Publikumsgröße diente nie dem Infektionsschutz
  • Sanne Kurz fordert jetzt Konzepte für die Zeit niedriger Inzidenzzahlen

Vertrauensverlust gigantischer Schaden für den Kulturstaat Bayern

Heute wurden die Ergebnisse der Kultur-Pilotprojekte veröffentlicht. „Dass man die Ergebnisse des von 1.9.-25.10. laufenden Projekts bewusst bis Anfang Dezember zurückgehalten hat, will ich nicht unterstellen. Es ärgert mich aber wahnsinnig, dass man trotz steuerfinanzierter wissenschaftlicher Begleitung die Erkenntnisse der Wissenschaft beständig ignoriert und Kultur bei den Corona-Maßnahmen fortlaufend schlechterstellt als z.B. Handel oder Mobilität. Das führt zu unbegründeten Ängsten und einem gigantischen Vertrauensverlust des Publikums.“ so Sanne Kurz, kulturpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen.

Fortdauernde Schlechterstellung der Kultur entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage

„Ja, wir alle sollten bei der aktuellen Pandemielage eine Weile zu Hause bleiben. Es gibt allerdings kein Grundrecht auf Shopping oder Business-Trips, wohl aber eine im Grundgesetz verankerte Kunstfreiheit. Sperrt man Kultur zu, weil es hier keine Lobby gibt und Entschädigungen wenig kosten?“ fragt sich Sanne Kurz. Gemeinsam mit ihrer Fraktion hat sie seit dem Frühjahr immer wieder Anläufe unternommen, die Gängelung der Kultur durch CSU-FW-Regierung zu beenden. Zuletzt war sie diese Woche u.a. mit einem Antrag im Ausschuss für Gesundheit und Pflege, der Schachbrettmuster-Sitzordnung und Pilotprojekte bei einer Inzidenzzahl von unter 50 auch für Kinos forderte. Wie auch den Grünen Antrag zur Kultur in Schachbrettmuster-Sitzordnung lehnten CSU und FW das Anliegen ab.

Die Grünen-Politikerin fordert, den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz umzusetzen und das Grundrecht auf Kunstfreiheit bei Entscheidungen zu berücksichtigen

Sanne Kurz stellt fest: „Kultur geht nicht auf Knopfdruck. Ministerpräsident Söder muss jetzt handeln und einen Fahrplan vorlegen, der endlich auch in Bayern der Kunstfreiheit Rechnung trägt. Erneute Verschleppung der Veröffentlichung wissenschaftlicher Erkenntnisse und weitere Schlechterstellung von Kunst und Kultur darf es nicht geben. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch.“

Weiterlesen:

Kunst Grundrecht Kunstfreiheit Lockdown Brandbrief Sanne Kurz Landtag

Kunst ist kein nachrangiges Grundrecht

Wenn der Museumsshop auf hat, das Museum aber zu, ist es Zeit, an unsere Verfassung und die darin garantierte Kunstfreiheit zu erinnern.

Bereits vor dem Lockdown Light galten für Kulturveranstaltungen deutlich härtere Einschränkungen als für andere Bereiche des täglichen Lebens. Wer von einem Kongress kam (10qm/Person), mittags schnell ein paar Kleinigkeiten einkaufte (10qm/Person), hernach mit anderen Gästen noch zum Essen ging (unbeschränkte Personenzahl), um den Abend im Theater ausklingen zu lassen (200, zuletzt 50 Personen), der*die stellte fest, dass nur für die Kunst pauschale Beschränkungen galten.

Kunst und Kultur mit Bordellen oder Spielhallen in einen Topf werfen? – Das muss aufhören!

Vom aktuellen generellen Veranstaltungsverbot ausgenommen sind jedoch
„verfassungsrechtlich besonders geschützte Bereiche wie Gottesdienste und Demonstrationen“1. Zu Recht, denn in GG Art. 4 (2) ist zu lesen: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“

Die Kunstfreiheit ist kein nachrangiges Grundrecht!

In seinem „Mephisto“-Urteil zum Streit um den Roman von Klaus Mann hat das Bundesverfassungsgericht 1971 festgestellt, dass die Kunstfreiheitsgarantie in gleicher Weise den „Werkbereich“ und den „Wirkbereich“ des künstlerischen Schaffens betrifft. Beide Bereiche bilden eine unlösbare Einheit. Nicht nur die künstlerische Betätigung (Werkbereich), sondern darüber hinaus auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks sind sachnotwendig für die Begegnung mit dem Werk als einem ebenfalls kunstspezifischen Vorgang; dieser „Wirkbereich“, in dem der Öffentlichkeit Zugang zu dem Kunstwerk verschafft wird, ist der Boden, auf dem die Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG vor allem erwachsen ist.2 Die Kunstfreiheit bezieht sich also auch auf verfassungsrechtlich besonders geschützte Bereiche wie Theater- oder Konzertaufführungen.

Die Kunstfreiheit ist verfassungsrechtlich besonders geschützt.

Wesensmerkmal der Kunst ist ihre Diversität und Kleinteiligkeit. Anders als viele anderen Lebensbereiche hat sie nicht die „eine Stimme“, um sich mit ihrem Ruf nach Beachtung der Verfassungsgrundsätze Gehör zu verschaffen. Nach einem Brandbrief aller Staatstheater Bayerns nebst Philharmonie und Kammerspielen an die Bayerische Staatsregierung überlegen nun Kunstschaffende in Bayern erstmals, gegen die pauschalen Maßnahmen, die man ihnen strenger und früher als anderen auferlegt hat und die man für sie später als für andere gelockert hat, rechtlich vorzugehen.

Dabei wenden sie sich nicht in erster Linie gegen den Teil-Lockdown, sondern gegen die Einschränkung der Kunstfreiheit insgesamt in Abwägung der seit Pandemiebeginn ergriffenen Maßnahmen. Ob ein Eingriff in die Kunstfreiheit durch eine pauschale Deckelung der Publikumsgröße auf zuletzt 50 Personen insbesondere angesichts der positiven Ergebnisse der drei Pilotprojekte geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei, möchten sie rechtlich klären lassen.

Wir Grüne haben seit Pandemiebeginn bereits mehrfach die Abkehr von
der pauschalen Deckelung gefordert, zuletzt gemeinsam mit allen
demokratischen Oppositionsfraktionen im Bayerischen Landtag. Die im
Raum stehende Initiative einer verfassungsrechtlichen Klärung begrüße
ich ausdrücklich.

Quellen:

  1. u.a. Bayerische Staatszeitung vom 2.11.2020
  2. BVerfGE 30, 173 <189>

Logo Bayerischer Landtag Sanne Kurz Grüne Fraktion Bayerischer Landtag Kultur Film

Antrag: Schachbrettmuster-Sitzordnung statt Deckelung der Publikumsgröße für Kulturveranstaltungen

Der Landtag wolle beschließen:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, die pauschale Beschränkung der erlaubten Personenzahl für Kulturveranstaltungen aufzuheben und bei einem 7-Tage-Inzidenz-Wert von unter 50 eine Sitzordnung im Schachbrettmuster zu ermöglichen.

Begründung:

Das Vertrauen des Publikums, Kulturveranstaltungen zu besuchen, ist durch überzogene Maßnahmen tief erschüttert. Betroffene berichten von ausbleibendem Publikum und leeren Rängen, Kneipen und Restaurants sind hingegen voll. Bei den Salzburger Festspielen durften
80.000 Menschen wieder Kultur erleben. Infektionen gab es keine. Dieses Vertrauen gilt es zurückzugewinnen und deutlich zu zeigen: Kultur ist so sicher wie essen gehen.

In Restaurants und Kantinen dürfen in Bayern bis zu 10 Menschen, die nicht einem Haushalt angehören, an einem Tisch sitzen. In einer Schachbrettmuster-Sitzordnung, wie sie sich bei den Salzburger Festspielen bewährt hat, sitzt eine Person immer zwischen vier anderen Personen –
vergleichbar mit vier “Tischnachbarn”. Diese Sitzordnung im Schachbrettmuster hat für Kultur im Pandemiebetrieb großes Potential.

Unsere Verfassung gebietet in Art. 3, Abs. 1 die Gleichbehandlung aller “Normadressaten”. Konkret bedeutet dies, dass es verboten ist, eine Menschengruppe, die beispielsweise in einem Innenraum ein Essen genießt oder einer Predigt zuhört, anders zu behandeln als eine Menschengruppe, die in einem Innenraum einer Lesung zuhört oder ein Konzert genießt. Denn neben der Religionsfreiheit hat auch die Kunstfreiheit Verfassungsrang. Dabei sind Werk und Wirken verfassungsrechtlich geschützt.

Eingereicht am 21.10.2020 – 12:02
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

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Kunstfreiheit! Mein Beitrag zum Thema.

Die Kunstfreiheit ist ein unmittelbares Grundrecht. Sie ist nicht nachrangig und in unserer Verfassung in Art. 5 Absatz 3: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ fest verankert. Erste Ideen zu Freiheitsrechten wurden 1832 dort formuliert, wo ich aufgewachsen bin: beim „Hambacher Fest“ standen Presse-, Meinungs-, Versammlungsfreiheit im Fokus. Mein Beitrag zur Kunstfreiheit heute hier in einem Gastbeitrag für das Magazin des Paul-Klinger-Künstlersozialwerk.

Die Kunst ist frei!

“Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.” So steht es in Art. 5, Abs. 3 unseres Grundgesetzes, unserer Verfassung.

War schon vor Corona trotz Institutionen wie der Künstlersozialkasse die Freiheit der Kunst dort gefährdet, wo Kulturschaffende künstlerisches Wirken zurückschrauben oder unterlassen mussten, weil wirtschaftliche Gegebenheiten sie dazu zwangen, brach mit Beginn der Pandemie ein Großteil des Kunst- und Kulturschaffens, wie wir es kannten, komplett zusammen.

Veranstaltungsverbote sind Tätigkeitsverbote.

Mit dem Lock-Down wurde alles unmöglich, was Menschen-Gruppen oder gar Publikum einschließt, aber auch Museen und Bibliotheken wurden geschlossen, Musik zum Hochrisiko erklärt, kulturelle Bildung untersagt. Reisefreiheit, Religionsfreiheit, alles kam rasch zurück. Kaum diskutiert wurde, was Verbote und andauernder Notbetrieb mit der Kunstfreiheit machen.

Wenden wir den Blick in unser Nachbarland Österreich: In diesem Corona mäßig ähnlich wie Bayern ächzenden Land ist die Kunstfreiheit erst seit ‘82 in der Verfassung verankert. Schon bald nach den Veranstaltungsverboten schlossen sich dort Kreative zusammen, entwarfen Petitionen, organisierten Schweigemärsche wie “Ohne uns ist’s still”, veranstalteten 2m-Abstand-Demos und heuerten gemeinsam Anwälte an mit dem Ziel Verfassungsklage: Kunstfreiheit in Gefahr!

Es gibt kein Grundrecht auf Fußball

Auch hier in der BRD regte sich Widerstand. Bereits am 11. Mai konstatierte der Augsburger Verfassungsrechtler Prof. Matthias Rossi, er könne nicht nachvollziehen, warum Gottesdienste unter Auflagen erlaubt seien, Kulturveranstaltungen aber weiterhin verboten. Das Recht auf Kunstfreiheit sei kein zweitraniges Grundrecht. Ähnlich wie beim Grundrecht auf Religionsfreiheit, sei nicht nur das reine künstlerische Schaffen geschützt, sondern auch der Wirkbereich.

Während man in Österreich auf die Barrikaden gingen, gab uns Rossi hier eine Steilvorlage: Nicht nur unser “Werk”, auch unser “Wirken”, also Auftritte, Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Performances, Filmdrehs oder Fotosessions, sind von unserer Verfassung geschützt!

Dass niemand riskieren möchte, Schuld an Leid oder gar Tod zu sein, versteht sich von selbst. Trotzdem muss klargestellt werden, dass 80.000 infektionsfreie Besuche bei den Salzburger Festspielen mitten im Corona-Sommer eine klare Sprache sprechen, klarer als bayerische “Pandemie-Pilotprojekte” in der Staatsoper. Warum mich das alles so maßlos ärgert? Weil ich Ungerechtigkeit nicht akzeptieren kann!

Die ungerechten Fakten im Corona-Herbst in Bayern, wo ich im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst im Landtag sitze:

  • Musik, ohne Eintritt, dazu Speis und Trank – sagen wir mal: Helene Fischer mit Schweinshaxen – Hintergrundmusik! Erlaubt mit uneingeschränkter Personenzahl.
  • Musik, mit Eintritt, ohne Schweinshaxen – Achtung! Kulturveranstaltung! – maximal 200 Personen im Publikum erlaubt.
  • Sport in der Olympiahalle – 12.463 Plätze, davon 20% unter Pandemie-Bedingungen nutzbar, macht 2492 erlaubte Gäste.
  • Musik in der Olympiahalle – 12.463 Plätze, 200 erlaubte Gäste.

Nicht, dass eine 20% Auslastung die Rettung der Kunstfreiheit wäre. Auch finanzielle Hilfen sind im Notbetrieb dringend nötig, damit die Menschen und die Infrastruktur die Krise überstehen. Die pauschale Deckelung der Publikumsgröße hat aber null-komma-null mit Infektionsschutz zu tun, ist reiner Populismus, macht dem Publikum Angst, treibt Kulturschaffende, Institutionen und Betriebe in den Ruin und zerstört letzte Reste der kulturellen Infrastruktur.

In Österreich trat am Ende die Staatssekretärin für Kultur unter dem Druck der Szene zurück. Hier tapsen die Verantwortlichen, von Grütters bis zu Landesfürsten, munter einher und praktizieren “divide et impera”: schmeiß dem Künstler ein Zuckerl hin, gib der Künstlerin ein Bonbon, dann schließen sie sich nicht zusammen sondern halten schön still. Eine Strategie, mit der schon Caesar gut fuhr.

Divide et Impera

Seit Caesars Zeiten etabliert ist auch der Duktus der buckelnden, der den Hut demütig aufhaltenden Künstler. Seit Jahr und Tag hoffen wir Künstlerinnen, Förder-Antrag um Förderantrag stellend, man möge gefallen, jemand möge etwas in eben diesen, unseren!, Hut werfen.

Dass sich aus Applaus und Dankbarkeit keine Rücklagen aufbauen lassen, dass Kunst und Kultur eine wichtige Dienstleistung verrichten, dass Mindesthonorare, Mindestgagen endlich gelten müssen, dass Kultur eine Pflichtaufgabe sein müsste für Kommunen – das, ja all das sind strukturelle Probleme, die durch die Krise scharf zu Tage treten.

Probleme, die wir, wenn wir uns nicht trennen lassen, wenn wir laut werden und laut bleiben, wenn wir Kunstfreiheit für Werk und Wirken einfordern, auch über die Krise hinaus bekannt machen können – für eine sozial nachhaltige Kulturpolitik in Deutschland!

Weiterlesen:

Alleine am Handy als gemeinsam beim Konzert Erhard Grundl Robert Habeck 10 Punkte Plan Kultur

Robert Habeck und Erhard Grundl: 10 Punkte zur Rettung der Veranstaltungsbranche

Unsere kulturelle Infrastruktur und unsere kulturelle Vielfalt sind in Gefahr. Durch die Corona-Krise stehen die Menschen, die Kultur machen, Kultur veranstalten, von Kultur leben mit dem Rücken zur Wand. Robert Habeck und Erhard Grundl haben einen Grünen 10-Punkte-Rettungs-Plan entworfen. Mit diesen Ideen wollen wir Grüne verhindern, dass unsere kulturelle Infrastruktur stirbt. Wir wollen damit dafür sorgen, dass die Branche und die vielen Soloselbständigen darin die Krise überleben.

Bayern ist ein reiches Land. In Bayern hat Kultur Verfassungsrang. Bayern kann nicht nur der Automobilbranche helfen. Bayern hat das Geld, auch Kultur zu retten! Wir haben jetzt Oktober, und viele Milliarden, der für 2020 vom Bayerischen Landtag freigegebenen Corona-Hilfen, sind noch nicht mal verplant. Allein aus den Künstlerhilfen fließen 120 Millionen Euro zurück ins Staatssäckel. 900 Millionen Euro der Corona-Hilfen sollen für Söders High-Tech-Agenda umgewidmet werden.

Die CSU-FW-Regierung muss handeln!

Die angebotenen Hilfsprogramme gehen seit Monaten an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbei – der Kulturstaat Bayern geht vor die Hunde, die bayerische Kreativwirtschaft mit ihren 400.000 Beschäftigten wird sehenden Auges vernichtet.

Mein Bundestags Kollege Erhard Grundl schreibt – und ich kann hören, wie sein Musiker-Herz sich dabei zusammenkrampft vor Wut, Trauer und Schmerz:

„Egal ob Johnny Cash At Folsom Prison, Maria Callas in Edinburgh, Bob Marley and the Wailers Live in London, Käpt‘n Peng und Die Tentakel von Delphi „Live in Berlin“: Das sind Tondokumente, die eins beweisen: Da, wo Künstlerinnen direkt auf ihr Publikum treffen, entsteht eine unnachahmliche Symbiose. Veranstaltungen wie Konzerte, aber auch Festivals, Clubabende, Comedy & Kabarett, Messen, Jahrmärkte und Volkfeste, Theater, Opern und Musicals sind das Lebenselixier der Kulturszene.“

Erhard Grundl, Grüner bayerischer Bundestagsabgeordneter aus Straubing, Kulturpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion

Gleiches gilt für Kino und Film, Traditionsfeste, Zirkus und vieles andere mehr. Kunst und Kultur haben anders als beispielsweise Sport, Freizeit oder Reisen Verfassungsrang.

Die Kunst ist laut Art. 5, Abs. 3 unseres Grundgesetzes frei.

Dies ist kein zweitrangiges Grundrecht und leitet sich nicht ab. Nein, die Kunstfreiheit ist im Grundgesetz direkt und fest verfassungsrechtlich verankert. Urteile des Bundesverfassungsgerichts stellen klar, dass sich die Freiheit der Kunst nicht nur auf das Werk, sondern auch auf das Wirken, also auf Auftritte, Spiel, Darbietung bezieht.

Wir brauchen jetzt passgenaue Hilfen mit einem finanziell gut ausgestatteten Überbrückungsprogramm-Plus.

Wo die GroKo schläft, muss das reiche Bayern ran! Für viele Menschen, die im Bereich von Kulturveranstaltungen arbeiten, bedeuten die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung faktisch Tätigkeitsverbot, Arbeitslosigkeit und massive Einkommensverluste.

Private Existenzen am Abgrund

Gerade die Soloselbständigen wissen nicht, wie die Krankenversicherung gezahlt und der Kühlschrank für die Familie gefüllt werden soll.  Für sie ist es ist es notwendig, die Lebenshaltungskosten zu bezuschussen, und zwar pauschal mit einem Existenzgeld von 1.200 Euro monatlich. Und das zukünftig und auch rückwirkend bei der Anrechnung der bereits ausgezahlten Soforthilfen. Und das schnell!

Robert Habeck und Erhard Grundl haben zehn grüne Maßnahmen zur Rettung der Veranstaltungswirtschaft in der Corona-Pandemie festgelegt. Ihr könnt den Grünen 10-Punkte-Plan hier herunterladen:

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Nachhaltigkeit in Kulturinstitutionen – Sanne Kurz im Interview

Manchmal werde ich von Studierenden, z.B. im Rahmen einer Masterarbeit, um ein Interview gebeten. Die beiden Studentinnen Vera Hefele und Teresa Trunk haben im Rahmen des Studiengangs Kultur- und Musikmanagement an der Hochschule für Musik und Theater in München, die Nachhaltigkeit in Kulturinstitutionen für ihre Masterarbeit untersucht. Hier unser Interview vom 20. Mai 2020 in gekürzter Form:

VH/TT: Sie sind Kulturpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN – welchen Stellenwert nimmt Nachhaltigkeit in der Kultur in Ihrem konkreten Aufgabenbereich ein und wo setzen Sie in Bezug auf Nachhaltigkeit Ihren Schwerpunkt?

SK: Ich bin für Kulturpolitik und Film zuständig. Es gibt diese Studie der University of Southern California in den USA nicht nur zum Carbon Footprint, sondern überhaupt zur Umweltfreundlichkeit der Filmbranche in der Bay-Area. Diese Studie zeigt, dass die Filmindustrie die zweitdreckigste nach der Erdölindustrie ist. Das ist ganz schön dreckig, das muss man erstmal hinkriegen. Das heißt, in meiner Arbeit zur ökologischen Nachhaltigkeit bin ich stark auf den Film fokussiert. Das liegt natürlich auch daran, dass das hier in Bayern eine wahnsinnig starke Branche ist und dass wir hier ein großes Aufkommen haben. Wäre ich Sprecherin für Kulturpolitik und Film in Bremen, dann sähe das wahrscheinlich anders aus und meine Bemühungen würden sich wahrscheinlich eher gleich verteilen. Durch die Situation in Bayern ist es tatsächlich so, dass wir zu Nachhaltigkeit verstärkt im Film- und Medienbereich arbeiten. 

Nachhaltigkeit muss definiert werden

Zum Zweiten geht es, glaube ich, darum, dass man überhaupt erstmal Nachhaltigkeit definiert. Denn Nachhaltigkeit ist ja ein Label, das sich in den letzten Jahren viele gern ans Revers heften. Wenn man auf eine Tafel den Satz schreibt „Ich bin Mitglied bei …, weil ich Nachhaltigkeit wichtig finde.“, dann kann man das durch die Namen aller Parteien, bis auf vielleicht einer, ersetzen und alle können das sofort unterschreiben. Deswegen ist ganz wichtig zu definieren, was meint man mit Nachhaltigkeit? Meint man eine Umsetzung der SDGs, der „Sustainable Development Goals“ der Vereinten Nationen? Oder meint man damit, dass so ein bisschen ein grüner Touch drüber kommt, dass man alles ein bisschen anpinselt und dann ein gutes Marketingprojekt hat?

Greenwashing verhindern

Ähnlich zum Beispiel wie die Green Hospital Initiative der Bayerischen Staatsregierung, wo halt an einem Krankenhaus exemplarisch als Modellprojekt ein bisschen Müll getrennt wird. Aber das macht natürlich noch keine Dekarbonisierung von Krankenhäusern. Wir Grünen probieren Nachhaltigkeit immer als eine soziale und ökologische Nachhaltigkeit zu definieren. Das tun wir deshalb, weil wir glauben, dass Ökologie nicht ohne Ökonomie gedacht werden kann – und, frei nach Bert Brecht, „erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“. Es hat keiner Lust Kaffeebecher mehrfach zu verwenden und den Müll zu trennen, wenn er oder sie ausgebeutet wird, in prekären Arbeitsverhältnissen leben muss.

VH/TT: Inwieweit halten Sie es für relevant und wichtig, dass sich die Kulturbranche mit dem Thema (ökologische) Nachhaltigkeit befasst? 

SK: Wir erreichen nur dann die Pariser Klimaziele, die wir ja selbst mitgewollt haben, wenn wir in allen Branchen den Umbau schaffen, hin zu einer grünen ökologischen Wende. Wir müssen alle Branchen umbauen, weil wir sonst einen immensen wirtschaftlichen Schaden nehmen werden. Denn was viele Bürger nicht wissen ist, dass es Konsequenzen hat, wenn man nicht handelt. Strafzahlungen, die bei Nichteinhaltung der Pariser Verträge fällig werden. Diese Konsequenzen werden aber nicht kommuniziert, und man sieht die Investitionen, die es bräuchte, um den Wandel so voranzutreiben, nie unter dem Aspekt „sonst müssen wir Strafe zahlen“. – Mal unabhängig vom größten Schaden: dem Verlust der menschlichen Lebensgrundlagen.

Verlust menschlicher Lebensgrundlagen

Ich glaube trotzdem, dass es noch dringender einen Umbau in Richtung sozialer Nachhaltigkeit braucht. Ganz einfach, weil der gesamte Kultursektor ein Sektor ist – und ich rede da nicht nur von der Freien Szene, sondern auch von staatlichen und kommunalen Auftraggeber*innen – , wo es noch ganz, ganz stark an der sozialen Nachhaltigkeit mangelt. Es gibt keine Mindestgagen, es gibt keine Mindesthonorare für all die Freien. Natürlich haben Leute, die irgendwo fest angestellt sind, das alles. Aber auch die Festangestellten sind meistens kurzfristig oder unständig beschäftigt. Das bedeutet, sie sammeln eigentlich nie genug Anwartschaftszeit für das deutsche System des Arbeitslosengeldes an. Das heißt, entweder muss ich das ALG-System ändern oder es muss sich ändern, wie wir mit Menschen im Kulturbereich umgehen.

Es braucht auch soziale Nachhaltigkeit

Bei den Freiberufler*innen sieht das ganz genauso aus. Die haben teilweise Verträge – das zeigt sich jetzt in der Coronakrise -, bei denen sogar unsere Grüne Staatssekretärin in Baden-Württemberg den Kopf schüttelt und sagt „Wer hat denn diese Verträge gemacht? Das ist ein Vertrag, den darf man so gar nicht unterschreiben. Es ist illegal, was da drinsteht.“ Wo es keinerlei Ausfallregelung gibt. Und das ist natürlich etwas, was gar nicht geht. Vor allem nicht, wenn staatliche Mittel fließen. Die Filmbranche kann hier für eine soziale und ökologische Nachhaltigkeit ein gutes Vorbild sein. Wir Grünen haben hier in Bayern ein Programm gefordert, das nennt sich „Grün Fair Film“. Und dieser „Grün Fair Film“ bedeutet für uns Grüne, dass man Fördermittel nur dann auszahlt, wenn soziale Mindeststandards verpflichtend eingehalten werden.

Grün Fair Film als Beispiel

Genauso bräuchte man natürlich auch die ökologische Nachhaltigkeit, die wir Grünen uns beispielsweise durch einen Grünen Drehpass wünschen. In Bayern ist das Problem, dass die Staatsregierung die soziale Nachhaltigkeit nur als „Soll-Klausel“ reinschreibt. Das ist so wie „Sie sollten bitte Sicherheitsgurte im Auto anlegen“, das hilft natürlich gar nichts. Da braucht es einfach Verbindlichkeit. Genauso bräuchte es auch Verbindlichkeit im ökologischen Bereich. Wir bräuchten wie die MFG in Baden-Württemberg einen CO2-Rechner für die Kulturbranche bzw. für die Filmbranche, so dass die Leute überhaupt mal wissen, wo sie dran sind. Selbstverständlich müsste das dann staatlich auch unterstützt werden.

VH/TT: Für wie aufgeschlossen halten Sie Kulturbetriebe dem Thema Nachhaltigkeit gegenüber? Ist hier eine Bereitschaft da, und es scheitert dann eher an den fehlenden politischen Voraussetzungen?

SK: Die Kulturbetriebe sind diejenigen, die die Politik vor sich hertreiben, und das halte ich für beschämend für einen Kulturstaat, der qua Verfassung das Kulturstaatsprinzip hochhalten sollte. Die Kulturbetriebe sind die, die klare Richtlinien fordern. Auch, weil vielen Menschen offenbar klar ist, wenn wir unsere Klimaziele nicht erreichen, wird das sehr viel kosten – und dann raten Sie mal, wo zuerst gespart wird, wenn diese Kosten auf uns zukommen. Kultur ist eine freiwillige Leistung. Wenn wir die Pariser Klimaziele nicht einhalten und nicht mithelfen, auch im Kultursektor etwas zu verändern, dann wird es da zum Kahlschlag kommen, weil diese Strafzahlungen natürlich vom Staatshaushalt getragen werden.

VH/TT: Sie haben vorhin angesprochen, dass in der Filmbranche Bemühungen in Richtung Nachhaltigkeit mit Fördergeldern verbunden sind. Für wie realistisch halten Sie es, dass im Kulturbereich ebenfalls öffentliche Finanzierung an die Einhaltung nachhaltiger Kriterien geknüpft wird?

SK: Ich würde mich sehr freuen, wenn so etwas käme. Ich weiß, dass die Kulturpolitische Gesellschaft einen Schwerpunkt auch in Richtung nachhaltiger Umbau, also sozialökologische Nachhaltigkeit hat. Ich weiß, dass es bei uns Grünen auf allen Ebenen Arbeitsgemeinschaften zur Kultur gibt, weil wir sehr basisdemokratisch aufgebaut sind. Das heißt, wir haben auf kommunaler Ebene, Landesebene und Bundesebene Think Tanks, die in der Partei Kulturpolitik voranbringen. Das funktioniert auch sehr gut. Da entwickeln sich dann Fördermodelle und Ideen, die dann auch in den Ländern, in denen wir regieren, mit übernommen werden. Allerdings kenne ich auch kulturpolitisch extrem engagierte Basismitglieder beispielsweise aus der SPD, die viel auch mit der Kulturpolitischen Gesellschaft zusammenarbeiten, die aber nicht wissen, wo es solche Strukturen in ihrer eigenen Partei gibt. Das hat ja auch etwas mit Nachhaltigkeit zu tun, wie man Gruppen mitnimmt, wie man die Ressourcen, das Wissen und die Erfahrungen aus der Gruppe nutzt.

Parteibasis einbinden, gesamtgesellschaftliche Aufgabe bewältigen

Solange das nicht passiert, sondern das nur an 10 bis 15 Mandatsträger*innen hängt, die dann halt mal für Kulturpolitik zuständig sind… Wie sollen die denn etwas voranbringen? Da sind auch die Parteien gefordert, ganz dringend innerhalb ihrer Partei Strukturen zu verändern und sich klarzumachen, dass ein nachhaltiger Umbau in Richtung sozial-ökologische Nachhaltigkeit in allen Branchen, in allen Sparten stattfinden muss. Kulturbereich, Gesundheitswesen, Mobilität. Das kann nicht nur allein Industrie, Energieversorgung und vielleicht noch ein bisschen nachhaltiges „Häuslebauen“ sein, sondern es muss gesamtgesellschaftlich etwas passieren. Und da haben wir, glaube ich, leider noch keinen gesamtgesellschaftlichen Konsens gefunden. 

VH/TT: Können Sie da positive Entwicklungen beobachten?

SK: Mir sind bisher im Kulturbereich keine bekannt. Also im Filmbereich ja, da läuft das alles ziemlich gut. Aber im Filmbereich ist auch der Leidensdruck noch größer. Im Kulturbereich ist es so, dass es ja auch viel mit den Bauten zu tun hat. Wir haben eine sehr, sehr alte Bausubstanz. Beispiel Baden-Württemberg, die Staatsoper. Da regieren wir Grünen. Und wenn man diese Staatsoper so sanieren möchte, dass sie den aktuellen Energieeinsparungsstandards entspricht, dann liegt das Projekt in einer Größenordnung, wo man sagen kann: Braucht´s das? Kann man das verantworten? Aber natürlich will ich auch nicht alle denkmalgeschützen Häuser abreißen, das kann ich ja gar nicht, darf ich gar nicht. Aber Kulturneubauten gibt’s im Ruhrgebiet für 30, 40, 60 Millionen – und die Sanierungsmaßnahmen, das sind halt mittlere dreistellige Millionenbeträge. Es sagt sich so leicht, wir brauchen das, sonst erreichen wir die Klimaziele nicht, aber es ist halt einfach auch, wenn man einen sozialen und ökologischen Umbau schaffen will, wahnsinnig viel Geld, das dann halt beispielsweise bei Mindestgagen wieder fehlt.

Jeder Euro ist nur einmal da.

Man hat halt in jedem Staatshaushalt jeden Euro nur einmal. Wir Grünen tun immer so, als würden wir regieren und machen unsere Haushalte so – also unsere Schattenhaushalte – so, als würden wir regieren. Das heißt, ich muss jeden Cent, den ich im Kulturbereich ausgeben will, bei mir in der Fraktion mit den anderen Ressorts und den Haushälterinnen und Haushältern abstimmen. Und das heißt, ich kann nicht einfach sagen, das Haus der Kunst wird jetzt mal nach noch tolleren Energiesparstandards saniert, dann kostet es zwar zehnmal so viel, aber egal, Hauptsache die Umwelt. Das geht nicht, sondern ich muss begründen, warum es das braucht. Und ich muss auch selber überlegen, gebe ich jetzt den einen Euro, den ich habe, besser in diese noch tollere Sanierung oder besser in die soziale Nachhaltigkeit rein. Im Filmbereich ist das ein bisschen einfacher, weil im Filmbereich mehr Steuervolumen generiert wird. Im Kulturbereich kommt über die Kultur- und Kreativwirtschaft auch einiges an Einkommen ins Staatssäckel zurück… Aber es ist sehr viel schwerer, das zu kommunizieren. In Bayern sind es in der Abteilung für Kultur- und Kreativwirtschaft zwei Menschen in diesem riesigen Wirtschaftsministerium mit zig Tausend Angestellten. Das heißt, es ist den Leuten nicht klar, was in den Kultursektor zurückkommt. Es wird oft argumentiert, das ist der immaterielle Wert, oder wie Söder jetzt gerade so schön gesagt hat, die emotionale Seele unseres Landes. Das halte ich für nicht korrekt. Da kommt auch einiges an Geld zurück. Und ich glaube, deswegen ist es auch da wichtig, dass man investiert.

Grüner Drehpass

Aber es ist im Filmbereich leichter zu vermitteln, deswegen läuft es da auch besser. Schleswig-Holstein hat, als die Grünen dort mit an die Regierung kamen unter Robert Habeck, als erstes Land einen Grünen Drehpass eingeführt. Plötzlich machten es die und die, und plötzlich wollten auch Leute gar nicht mehr drehen in den Bundesländern, wo es keinen grünen Drehpass gab und diese Förderung nicht gab. Bezeichnend ist, dass der Hundertste Grüne Drehpass an eine bayerische Firma ging, die in Schleswig-Holstein gedreht hat. So verliert Bayern natürlich den Anschluss. Die Leute wollen das, auch, die Investoren, weil die ja in großen Investmentfonds drin sind. Und die Leute wollen wissen, investieren sie jetzt in Pornographie und Umweltzerstörung oder investieren sie in sozial-ökologische Nachhaltigkeit. Das heißt ein Label kann auch dort, wo privat finanziert wird, auf jeden Fall von Vorteil sein. Und wenn ein Staat so etwas ermöglicht, dann hilft das diesem Staat, sich besser aufzustellen für die Zukunft.

VH/TT: Wenn Sie jetzt das Label, den Filmpass gerade ansprechen… Können Sie sich vorstellen, dass das auch auf den Kulturbereich übertragbar ist? Dass auch da ein Label ein Anreizsystem sein könnte, um so einen Nachhaltigkeitsprozess zu unterstützen und welche Voraussetzungen müssten gegeben sein, dass so ein Label erfolgreich eingesetzt werden kann?

SK: Ich glaube, das könnte auf jeden Fall funktionieren, weil die Menschen daran gewöhnt sind, Siegel und Label zu haben, an denen sie sich orientieren können. Und die Verbraucher*innen nutzen das auch. Solche Label könnten auch beim Finden von Investor*innen, Drittmittelgeber*innen, beim Finden von Mäzenatentum hilfreich sein, weil Leute eben wissen, sie investieren hier nicht nur in einen guten Willen, in eine künstlerische Innovation, in Leute, die sie kennen oder in künstlerische Qualität, sondern sie investieren auch in etwas Größeres, Übergeordnetes. So ein Label müsste nicht nur Nachhaltigkeit heißen, sondern müsste definieren, was denn diese Nachhaltigkeit ist. Ich glaube, es bräuchte dringend soziale und ökologische Nachhaltigkeit. Und ich glaube zu der ökologischen Nachhaltigkeit gehört nicht nur Klimaschutz, sondern so Dinge wie Plastikvermeidung oder Lieferketteneinhaltung, also Dinge, die Lieferkettengesetze mitbestimmen. Wo kommen beispielsweise für unsere Wireless Mics die Batterien her, sind da Kinder in irgendwelchen Minen gestorben? Womit färben wir unsere Stoffe im Theater?

Menschen sind Zertifizierung gewohnt

Es gibt auch im Bereich Social Entrepreneurship umfangreiche Listen, mit denen es möglich ist, solche Zertifizierungen zu machen. Soziale Nachhaltigkeit im Kulturbereich bedeutet z.B. auch mehr Diversität. Unser Kultursystem ist ein System, das tatsächlich noch auf dem Feudalismus fußt. Das führt dazu, dass es einen großen Teil der Bevölkerung gibt, die de facto nichts vom Kulturbetrieb nutzen können oder nutzen wollen. Da ändert sich gerade in einigen Gebieten in Deutschland schon ein bisschen was, im Bereich Gender Equality, aber auch im Bereich Diversität hinsichtlich Alter, sexueller Orientierung oder Ethnie. Das ist ja etwas, worüber wir in Deutschland noch zu wenig sprechen. All diese Dinge müssten da mit reingepackt werden, damit man nicht am Schluss mit 20 verschiedenen Labeln dasteht.

VH/TT: Und wie könnte man den Institutionen vermitteln, dass sie die Anstrengungen, um ein solches Label zu bekommen, auf sich nehmen? Sie haben schon Drittmittelgeber angesprochen, dass das ein Weg wäre. Würde es sonst noch andere Wege geben? Wir haben uns auch schon die Frage gestellt, würde man eher in das eine Theater gehen, wenn man weiß, dass es zertifiziert ist, als in das andere? So entscheidet man ja eigentlich nicht. Man entscheidet ja schon aufgrund der Kunst.

SK: Ja, aber trotzdem hat ja jedes Theater ein Image, ein Bild. Also wenn ich jetzt hier in München zum Beispiel Volkstheater oder Resi oder Kammerspiele nehme, wenn ich bestimmte Namen höre, dann habe ich sofort ein bestimmtes Bild, dann habe ich sofort eine bestimmte Idee. Das heißt, wenn das gleiche Stück in verschiedenen Häusern läuft, weiß ich auch ungefähr, was ich zu erwarten habe.

Freiwillige Zertifizierung kann helfen, Image einer Institution zu schärfen.

Ein solches Label kann bei der Schärfung dieses Profils helfen und es kann auch helfen, Forderungen durchzusetzen und sich selber Ziele zu stecken. Also selber Inhouse zu sagen, wie wollen wir denn arbeiten? Das ist ja auch für die Beschäftigten vor Ort toll. Und wo es glückliche Beschäftigte gibt, gibt’s dann wiederum bessere Kultur und bessere Kunst. 

VH/TT: Wer könnte ein geeigneter Träger eines solchen Zertifikats/Labels sein? 

SK: Ich glaube das ist mit so einem Label etwas, was schlecht von außen kommen könnte. Ich glaube das ist etwas, was beispielsweise der Deutsche Kulturrat initiieren könnte, weil es muss tatsächlich von den Betroffenen aus der Szene selbst kommen. Ich glaube das wird nicht funktionieren, wenn jetzt irgendwie sich morgen irgendeine Kunstministerin oder Kunstminister hinstellt und sagt, ab morgen machen wir jetzt so ein Label. Halte ich für schwierig. Das hat in der Filmbranche deshalb so gut funktioniert, weil die Verbände das schon lange selbst gefordert haben. Es gibt ja Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit, also vor allem die ökologische Nachhaltigkeit. Der Klimaschutz ist etwas, was die Institutionen selbst fordern und man müsste sozusagen von Seiten der Verbände, von Seiten der Institutionen die Idee von so einem Label vorantreiben und die müssten das zu Ihrer eigenen Forderung machen. – Dann können wir politisch unterstützen und mit anschieben.

VH/TT: Nochmal eine Rückfrage zu dem Thema, dass in vielen Parteien noch keine Strukturen vorhanden sind, um sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu befassen. Würde es beispielsweise helfen, wenn die Verbände mehr Nachhaltigkeit fordern oder eben auch so ein Label fordern, um den Druck auf die Parteien zu erhöhen?

SK: Ja, ich merke das jetzt in der Krise ganz deutlich. Die meisten Amts- und Mandatsträger*innen haben keine eigenen Erfahrungen im Kulturbereich. Wenn dann so ein bisschen in Kultursponsoring der Stadtsparkasse oder sowas. Die meisten kennen den Kulturbereich vom Besuch der Oper oder weil sie gerne ins Museum gehen oder so. Das ist natürlich nichts, was in irgendeiner Form mit der Lebensrealität von Kulturschaffenden zu tun hat. Und ist auch nichts, wo man in aller Tiefe durchdringt wie so ein System, Kulturinstitution, funktioniert und wo man dann Hebel ansetzen müsste. Deshalb hilft es ganz enorm, wenn Verbände sich da positionieren. Das ist sehr, sehr wertvoll. Ich glaube das funktioniert am besten dann, wenn man sich einen Schwerpunkt setzt und dann immer wieder mit der gleichen Forderung nach draußen geht, immer wieder eine Aktion macht, offene Briefe schreibt, Pressemeldungen, um ein Gespräch bittet mit den Menschen in den Ministerien. Und die Verbände müssten das auf mehreren Ebenen angehen. Man müsste die Leute anschreiben, die in den Ausschüssen sind, die zuständig sind. Man müsste auf die Leute zugehen, die regieren, die Regierung. Und dann eben die Referentenebene, also die Kulturreferent*innen, Minister*innen und sowas. So könnte man das vielleicht schaffen, wenn man sich da einen Schwerpunkt setzt und kontinuierlich und dauerhaft mit klaren Zielen Dinge immer wieder fordert….

Veränderung, die zunächst nichts kostet, kann Türöffner sein für weitere wichtige Schritte

Was man nicht vergessen darf: So ein Label, das kostet ja erstmal nichts. Dann sind meine Chancen, dass ich so etwas eingeführt kriege, ziemlich groß. Die große Aufgabe ist es ein bundesweit einheitliches Label zu finden. Deswegen ist es gut, wenn man erstmal den Bund auf seiner Seite hat. Weil wenn jetzt jede Stadt mit einem eigenen Label anfängt, dann kommen wir in Teufels Küche. Es ist immer dann politischer Wandel am einfachsten möglich, wenn es nichts kostet. Wenn man sagt, wir brauchen nachhaltigen Wandel und übrigens, es kostet 30 Milliarden, dann hat man oft schon verloren. Also man müsste erstmal so ein Label fordern. Im nächsten Schritt müsste man dann fordern, dass die Kosten der Zertifizierung und Beratung förderfähig sind, dass man die also mit ansetzen kann. Und im dritten Schritt muss man dann fordern, um überhaupt diese Ziele zu erreichen, auch Maßnahmen in dem Bereich förderfähig sind und die Töpfe entsprechend aufgestockt werden.

VH/TT: Kulturinstitutionen kämpfen immer um Subventionen. Das haben wir jetzt auch mit Corona gemerkt, die Kultur kommt ganz hinten. Könnte das Engagement für Nachhaltigkeit die Legitimität von Kulturinstitutionen unterstützen? In dem Sinne, dass sie relevante Themen der Zeit auch mit bedenken. 

SK: Die Kunst ist frei und ich finde das ganz schwierig Inhalte mit staatlichen Vorgaben zu verknüpfen. Also im Filmbereich funktioniert das so, dass einfach nochmal so ein extra Topf ist, wo man dann in manchen Bundesländern Geld abgreifen kann, wenn man sich an diese Vorgaben des Grünen Drehpasses hält. Da gibt es dann so ein Zusatzbonus. Aber die Gesamtförderung wird nicht abhängig davon gemacht, ob man die Vorgaben erfüllt oder nicht. Und das halte ich auch für wichtig, weil ich glaube, wenn man da politisch Leitlinien einzieht, und sei es „jede Kultur muss sich gegen Rechtsradikalismus und für die Demokratie engagieren“ oder sei es „jede Kultur muss sozial und ökologisch nachhaltig werden“, das widerspricht zumindest meiner persönlichen Auffassung von einer Kunstfreiheit.

VH/TT: Das ist natürlich vollkommen klar, dass die Kunstfreiheit nicht angetastet werden darf. Aber wäre es möglich einen extra Fördertopf einzurichten, wo man wie eine Art Belohnung bekommt, wenn man sich mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst? Und das nicht rein inhaltlich, sondern eben auch als Haus im Gesamten.

SK: Das müsste dann glaube ich ein Bundestopf sein. Weil wir ein bundesweites Siegel bräuchten. Weil die Länder nicht alle gleich leistungsfähig sind im einen kriegt man drei-Mark-fuffzig und im anderen kriegt man 10.000 Euro. Das ist ja eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und keine Aufgabe vom Saarland oder so.

VH/TT: Wie kann ein positives Narrativ entwickelt werden, das ohne moralischen Fingerzeig und Vorwürfe auskommt? 

SK: Ich glaube das funktioniert eigentlich so, wie das gerade läuft ganz gut. Keiner will Fliegen oder Autos abschaffen, aber alle finden Green New Deal hipp. In der Filmbranche fühlt sich keiner „gezwangsvermülltrennt“, aber alle finden Flight-Shaming gut. Also ich glaube der Schlüssel ist tatsächlich einfach der gesellschaftliche Trend, der dieses sehr schwammige „Ich will nachhaltig sein“ sexy macht, so dass das gerade einfach alle wollen und mögen. Und deshalb fühlt sich dann da niemand angegriffen. Es ist gerade etwas sehr Erstrebenswertes und wenn wir dieses Momentum nicht nutzen, dann kann es auch sehr schnell sehr leicht zu spät sein. Also im Moment würde keiner sagen, „oh Gott, wenn ich jetzt LED-Lampen anschaffen soll, dann bin ich in meiner künstlerischen Freiheit eingeschränkt.“ Sondern alle würden sagen „Mensch gut, dass wir endlich mal LED-Lampen kaufen.“ Und das ist einfach ein ganz anderes Narrativ und das ändert sich auch sehr, sehr schnell.

Aktuell steht die Gesellschaft Nachhaltigkeit sehr positiv gegenüber.

Und ob sich das ändert hat nicht so sehr was damit zu tun, ob tatsächlich Dinge erfüllt wurden oder nicht oder ob das noch dringend ist oder nicht, sondern damit, welche Debatten gerade dominieren. Man sieht das jetzt auch an Corona, wie die Debatten sich ändern, wie auf einmal Klimaschutz scheinbar keine Rolle mehr spielt, obwohl ja die Pariser Klimaziele, Gott sei Dank, weiter gelten. Was Robert Habeck immer so schön sagt „es gibt keinen Impfstoff für den Planeten.“… Also ich sag immer, wenn jetzt morgen Wahlen in Bayern sind und heute fliegt die Frauenkirche in die Luft, dann werden die Wahlen ganz anders ausgehen als wenn heute ein Atomkraftwerk in die Luft fliegt. Und deshalb muss man dringend dieses Momentum nutzen und eigentlich sollten alle Regierungen, wenn sie klug sind, egal wer regiert, darüber im Klaren sein, dass es ein großes Geschenk ist, dass die Bevölkerung da gerade so hinter diesem wichtigen nachhaltigen Umbau steht. Und das sollte man jetzt nutzen. Weil wenn man das erst macht, wenn es keinen interessiert, dann muss man da mit viel größeren Widerständen kämpfen, bei den Betroffenen selbst. Und dann macht das auch viel weniger Sinn als jetzt.

VH/TT: Vielen Dank für das Gespräch!