Zwischen Zeilen und Schlagzeilen: Auftanken – Neujahrsgruß 2025

Im vergangenen Jahr hätte ich öfter innehalten sollen, wenn die Welt zu laut, zu hektisch, zu reißerisch wurde. Kleine Pausen, wie die zwischen den Jahren, helfen oft, große Fragen zu stellen. Manchmal geben sie sogar Antworten. 2025 möchte ich lernen, noch besser hinzuhören – auf die leisen Stimmen in mir drin – und auf die Worte um mich herum.

Zwischen den Zeilen wächst Verständnis, entsteht Nähe, finden wir uns als Gesellschaft und Gemeinschaft zusammen. 

Seit ich meine Neujahrskarten an Sie, an Euch, durch Mails wie diese hier ersetzt habe, stecke ich die Kosten für Porto und Karten in Spenden. Meine Jahresspende 2024 geht heuer an Sunu Dome e.V. und Offen! München

An Sunu Dome will ich spenden, weil der komplett ehrenamtlich getragene Verein im Senegal, einem Land, in dem ich ein knappes Vierteljahr gelebt und gearbeitet habe, mit Erfolg Schulen betreibt. In 2024 durfte ich den Verein näher kennen lernen. Die Frauen, die sich hier engagieren, beeindruckten mich tief. Als ich vor vielen Jahren im Senegal drehen durfte, galt in dem Land eine Schulpflicht von nur 2 Jahren. Als Folge war Analphabetismus weit verbreitet. Vor allem unter Frauen. Und starke, gebildete Frauen führen in ein starkes, prosperierendes Land.

Offen! München, eine Kampagne des Bayerischen Flüchtlingsrats und ebenfalls von etlichen Ehrenamtlichen getragen, kämpft für ein menschenwürdiges Leben von Menschen, die in ihrer Heimat oft alles zurücklassen mussten, um ihre Familien und sich bei uns in Sicherheit zu bringen – Geflüchtete. Ich will und kann meinen Kindern nicht mehr erklären, warum die Klassenkameradin auf dem Flohmarkt nichts kaufen kann, weil ihre Familie nur Dinge mit Karte kaufen darf, warum sie keinen Kindergeburtstag bei sich zu Hause feiern kann, also meist gar nicht feiern kann, oder warum sie vielleicht nie mehr Oma und Opa sehen wird. Ich will und kann meinen Töchtern nicht mehr erklären, was es mit dem Mädchen vor dem Boot auf dem Foto vom Mittelmeer auf sich hat. Und warum dieses Mädchen dort ist. Und wir hier.

In diesem Sinne ein gutes 2025 wünscht

Sanne Kurz


Meine Karten aus den Vorjahren findet Ihr hier:

„Kleine Anfrage“ – AzP „Staatsregierung als Vorbild für private Einrichtungen in Restitutionsfragen?“

Ich frage die Staatsregierung:

Wie will die Staatsregierung, mit Blick auf die zukünftig mögliche einseitige Anrufbarkeit einer Schiedsgerichtsbarkeit für strittige Fällen von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz, deren Errichtung von Bund und Ländern bei einem Spitzengespräch im Frühjahr 2024 beschlossen wurde, und die ab 2025 faire und vor allem rechtssichere Lösungen finden soll, die kommunalen Spitzenverbände dabei unterstützen, zu erreichen, dass alle öffentlichen Einrichtungen, die Kulturgut bewahren – also auch die, die kommunaler bzw. bezirklicher Verantwortung liegen und somit alle öffentlich-rechtlich verfassten Träger der in Rede stehenden Institutionen – gegenüber der Allgemeinheit („ad incertas personas“) eine Willenserklärung abgeben, mit jeder Anspruch stellenden Person in das vorgesehene Schiedsverfahren zu gehen und sich dabei auf Dauer zu binden („stehendes Angebot“) und somit eine Schiedsgerichtbarkeit erst praktisch möglich zu machen, will die Staatsregierung dadurch, dass Förderrichtlinien des Freistaats zukünftig eine Zeichnung des stehenden Angebots – also eine dauerhafte Willenserklärung – verbindlich machen, erreichen, dass sich auch weitere, z.B. private und/oder öffentlich geförderte Akteurinnen und Akteure, die Kulturgut bewahren, sich dieser Willenserklärung und dauerhaften Bindung anschließen, welche Unterstützungsleistungen soll es von Seiten des Freistaats für Kommunen und/oder gemeinnützige freie beziehungsweise öffentlich geförderte Kulturinstitutionen geben, um der Verantwortung, die der Freistaat Bayern in Bezug auf die NS-Vergangenheit hat, gerecht zu werden und vor allem in diesen Zeiten knapper Kassen die Kosten, die sowohl in Bezug auf die Schiedsverfahren wie auch in Bezug auf die Schiedsergebnisse auf die Kommunen und gemeinnützigen freien Kulturinstitutionen zukommen?

Hier geht’s zur Antwort:

Wer einen unabhängigen Öffentlich-Rechtlichen will, muss die Finanzierung entpolitisieren

„Wer bestellt, zahlt!“ sage ich gerne, wenn ich erkläre, dass „die“ Politik den Auftrag für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ÖRR) gibt und dass diese Politik dann auch einer Finanzierung ihrer Bestellung zustimmen muss. Aber es ist ja so: „Die“ Politik hat bestellt – und wir alle zahlen. Für diesen „ÖRR“, also für ARD, ZDF, das Deutschlandradio und alle Dritten, wie zum Beispiel unseren Bayerischen Rundfunk. Wir alle zahlen – wie bei Steuern. Nur ist der Rundfunkbeitrag eben keine Steuer! „Die“ Politik kann den Beitrag, die Finanzierung des Auftrags des ÖRR eben nicht einfach wie eine Steuer mit einem Federstrich abschaffen, kürzen oder ändern. Empfehlungen der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) darf sie auch nicht einfach ignorieren oder aussitzen. Das hat das Bundesverfassungsgericht mehrfsch bestätigt. Darf sie nicht. Die Politik. Aussitzen, ignorieren, nichts tun. Tut sie aber doch.

Denn seit Frühjahr 2024 liegen die Fakten auf dem Tisch, und es ist klar, was die KEF an Anpassung empfiehlt – weit weniger als die Inflation, also eigentlich eine Kürzung der verfügbaren Mittel.

Seit Sommer 2023 wiederum ist bekannt, dass niemand der Unions-Landtags-Fraktionen die Absicht hat, die von eigenen, selbst eingesetzten Sachverständigen ermittelten Kosten der Finanzierung dieses Auftrags zu akzeptieren.“Keine Anhebung des Rundfunkbeitrags ab 2025″ – so stand es bereits in den Rostocker Beschlüssen der 16 Unions-Fraktionschefs der Länder vom 27.06.2023. Oh, und natürlich Gendern verbieten. Dann wird ohnehin alles besser.

Heute haben wir in Bayern einzelne Personen der CSU,

  • die wie die AfD von Gebühren-„Zwang“ sprechen – und so bewusst das Framing Rechtsextremer übernehmen, die Pflichten wie Gurtpflicht, Steuerpflicht, oder Beitragspflicht mit Zwang gleichsetzen.
  • die wenig verhohlen sagen, „Meinungsjournalismus“ und „Bevormundung“ (noch mehr solcher Rechtsextremisten-Framings) müssten ein Ende haben, dann laufe das auch mit den Beiträgen besser. Auf Deutsch gesagt: „Sendet mehr von dem, was wir wollen, dann bezahlen wir Euch auch“.
  • die von „mangelnder Akzeptanz“ sprechen, obwohl in den knapp 10 Jahren der Langzeit-Erhebung zur Akzeptanz diese sehr stabil ist, obwohl der Öffentlich-Rechtliche von allen Medienformen die höchste Akzeptanz genießt, nur noch übertroffen von der Akzeptanz der Lokalpresse (grenzt die wissentliche Verbreitung solcher falschen Tatsachen wie der angeblichen „mangelnden Akzeptanz“ schon an Lüge?)

Leider sind das auch sehr hochrangige Personen der CSU, bis hin zur Staatskanzlei. Die Bürgerinnen und Bürger zahlen die Zeche und die Gerichtskosten für das kindergartenmäßige Verhalten der regierenden CSU, für das Nichtstun und Nichthandeln und Blockieren. Denn wie schon bei früheren Verfassungsgerichts-Urteilen zahlen die Länder, also die Leute, die dort Steuern zahlen, die Verfahrenskosten. CSU-FW brechen hier also bewusst geltende Gesetze – und niemand schämt sich!

Die Rundfunkreform für einen zukunftsfest aufgestellten öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Ja, irgendwann wird es billiger. Und hoffentlich auch stärker und zukunftsfester. Denn am 25. Oktober 2024 wurde von den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder der Entwurf des „Staatsvertrages zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Reformstaatsvertrag)“ beschlossen. Ziel dieser Reform ist, den öffentlich-rechtlichen Rundfunks effizienter, digitaler und zeitgemäßer aufzustellen. Zentraler Fokus war aber vor allem, dass es billiger werden soll.

Zentrale Elemente der Reform sind die Zusammenarbeit der einzelnen Sender und die Begrenzung der Spartenprogramme und Hörfunkkanäle. Ein weiterer essentieller Punkt: die Frage der Presseähnlichkeit und damit auch die verfassungsrechtlich abgesicherte Rolle der freien Presse. Dafür hatten wir Grüne eine Lösung entwickelt, die nicht wie die jetzt beschlossene Regelung nur noch mehr und noch länger Streit provozieren würde. Wir hatten versucht, unsere Idee der automatisierten Kontrolle der Presseähnlichkeit, beispielsweise über eine Regelung zur Zeichenzahl, immer wieder in die Debatte einzubringen. Leider stieß das nicht auf offene Ohren. Die Positivliste mit Raum für Sender und Verlage ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Die Hinwendung zu mehr nonlinearen Angeboten, das Bekenntnis zum Dialogischen, die Bündelung und somit Stärkung von Inhalten begrüßen wir. All das ist gut an der Reform. Allerdings darf insbesondere europäische Infrastruktur – Stichwort 3sat – dabei nicht unter die Räder kommen. Wir brauchen als Europa ja eher mehr und nicht weniger Kooperation, international, aber auch zwischen Privat und Öffentlich-Rechtlich, zwischen Verlagen und audiovisuellen Angeboten, wenn wir auf dem internationalen Markt bestehen und unsere europäischen Grundwerte verteidigen wollen.

Rundfunkfinanzierung als antidemokratischer Spielball

Was eigentlich auch noch im Rahmen des Reformstaatsvertrags hätte geregelt werden sollen, ist das System der Rundfunkfinanzierung – an sich keine große Sache, weil gesetzlich längst geregelt und vom Bundesverfassungsgericht mehrfach bestätigt:

So geht Rundfunkbeitrag mit KEF Verfahren (vereinfacht erklärt):

  1. Politik setzt Rahmen
    1. Politik gibt Auftrag für ÖRR
    2. Politik entsendet Fachleute in die unabhängige Komission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF), z.B. ORH-Präsidenten, Medienwirtschaftlerinnen, Produktionsfachleute
    3. Politik benennt Kontrollgremium mit höchstens 1/3 Mitglieder aus der Politik zur Kontrolle des ÖRR
  2. Sender kalkulieren und melden Kosten für den Auftrag bei der unabhängigen Komission an
  3. KEF
    1. prüft
    2. stutzt die Annmeldungen zurück bis auf das, was die Sender unbedingt brauchen, weil sie sonst den Auftrag (-> 1.1.) nicht erfüllen können
    3. gibt Empfehlung ab zur Höhe der Beitrags-Anpassung zur Finanzierung des Auftrags
  4. Politik muss sich verhalten und die Beitrags-Anpassung umsetzen; verfassungsrechtlich wurde hier klar eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für die Sender festgeschrieben.
  5. Kontroll-Gremien (-> 1.3.) checken, ob die Sender ihren Auftrag erfüllen.

Alles übrigens nicht von uns Grünen erfunden, sondern lange vor unserer Zeit. Und nachzulesen im aktuellsten Bundesverfassungsgerichtsurteil in Sachen Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk: „Aufgrund der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG besteht eine staatliche Handlungspflicht in Bezug auf die Gewährleistung der funktionsgerechten Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, mit der ein grundrechtlicher Finanzierungsanspruch korrespondiert.“

Die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) empfiehlt ab 1.1.2025 eine Erhöhung um 58 Cent auf 18,94 €. Einberechnet ist da bereits ein Aufbrauchen von Rücklagen. Ab 1.1.2025 sind die Sender in der Erfüllung des von der Politik gegebenen Auftrags also nicht mehr finanziert. Und die Rechtsextremisten machen weiter Wahlkampf gegen unabhängigen Rundfunk, über Solidarbeiträge finanziert. (Und ja, natürlich sollte man die Beiträge sozial staffeln – dafür setze ichn mich seit Jahren ein.)

Die Vertagung der Runfunkfinanzierungsreform ist eine Katastrophe, eine historische Chance wurde hier verpasst. Schlimmer noch: Wenn wir die Entpolitisierung der Beiträge nicht hinbekommen, wird die Finanzierungsfrage unserer staatsfernen, marktunabhängigen Medien weiter populistisch missbraucht und am Ende ein Thema, mit dem autoritäre und extreme Parteien unsere Demokratie vor sich hertreiben. Bei jeder Landratswahl, bei jeder Bürgermeisterwahl macht die AfD Stimmung mit der Beitragsfrage, nimmt das ganze Land in Geiselhaft – wenn wir sie das tun lassen! Bekommen wir die Entpolitisierung der Beiträge nicht hin, beispielsweise durch einen Beitragskorridor, innerhalb dessen es KEF-überprüfte und durch Gremien kontrollierte Automatismen gibt, regieren weiter die Rechtsextremen, denen ohnehin am liebsten wäre, wenn sich die Elon-Musk-X-Schreiplattform, Trump-Fox-News, Schwurbel-Telegram und Putin-TV die Medienlandschaft unter sich aufteilen würden.

Statt Framings der Rechtsextremen nachzuplappern, sollten also auch CSU und FW – neben den guten und wichtigen Reformen – mit Schlechtreden aufhören und es anpacken, unsere Medieninstitutionen wieder zu stärken. Denn letztlich sind wir sonst alle Verlierer: die Sender, die als „böse Buben“ den Klageweg gehen mussten, die Politik, die handlungsunfähig und schwach bleibt, und die Demokratie, die nicht in der Lage war, Lösungen zu finden.

Der absehbare Verfassungsbruch schadet allen

Was haben wir Grüne getan? Wir Grüne haben seit Sommer 2023 immer wieder gemahnt – Briefe geschrieben, aufgeklärt, Eingaben bei der Rundfunkkomission gemacht, Presse zum Thema gemacht, mit unserer Bundesarbeitsgemeinschaft Digitales und Medien unsere klare Haltung festgezurrt – ja sogar im Oktober 2024 vor der Ministerpräsidentenkonferenz in Leipzig einen Dringlichkeitsantrag in der Sache Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen im Bayerischen Landtag gestellt. Und auch andere Grüne Landtagsfraktionen wurden aktiv. Aber auch der Druck im Bayerischen Landtag hat Markus Söder nicht bewegt, endlich in der Runde der Länder aktiv zu werden. Das Ergebnis: Verfassungsbruch, der allen schadet.

Absehbar. Ärgerlich. Und völlig vermeidbar.

NS-Raubgut

In vielen bayerischen Museen, Sammlungen und Archiven befinden sich immer noch unzählige Objekte, die jüdischen Menschen oder anderen von den Nazis verfolgten Personen unrechtmäßig entrissen oder aber von den Opfern oder deren Angehörigen aus Not oder unter Zwang verkauft bzw. an Dritte überschrieben wurden. Nicht immer wurden Gemälde „von Nazis von der Wand gerissen“. Nein, es wurde auch weitergegeben und versteckt und dann von Dritten oder Vierten verkauft, es wurde auch Flucht finanziert oder ein Leben im lebensrettenden Exil, oder es kamen auch Angehörige nach Verfolgung, Deportation, Enteignungen zurück in ein Zuhause, das einst ihnen gehörte – und das Zuhause war leer. All das gab es, all das gibt es. Es ist praktisch unmöglich in ein deutsches Museum zu gehen und nicht auch Werke zu sehen, deren Geschichte mit Schmerzen verbunden ist. Uns als Land der Täter stünde es gut an, voranzugehen. Voranzugehen mit einem Kompass in der Hand, der uns auch moralisch Richtschnur ist.

Der NS-Raub wurde nach dem Krieg als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. Und er ist gigantisch: „Die Deutschen stahlen zwischen 1933 und 1945 600.000 Objekte, davon 200.000 innerhalb von Deutschland und Österreich, 100.000 in Westeuropa und 300.000 in Osteuropa“, so Jonathan Petropoulos, Historiker und Mitglied der Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets in den USA, bei einer Anhörung zum Thema Raubkunst im US-Haushalts-Ausschuss des US-Kongress‘. Nach dem Krieg wurden in deutschen „Depots“, also in Minen, Burgen und an anderen Lagerorten, 5 Millionen Objekte gefunden, so die Fachleute in der Anhörung weiter. Beherztes Engagement der US-Militäregierung schuf noch 1945 im besetzten München einen „Central Art Collecting Point„.

Ein Viertel Jahrhundert Mühen mit wenig Erfolg

Erste Ziele zum besseren Umgang mit NS-Raubgut, insbesondere aus jüdischem Besitz, wurden bereits 1998 anvisiert und in der „Washingtoner Erklärung“ festgehalten. Dass es fünf Jahre dauerte, bis sich Bund, Länder und Kommunen 2003 auf die Einrichtung einer Institution zur Umsetzung einiger Ziele der Wahsingtoner Erklärung einigten, muss uns beschämen. Trotzdem war die Beratende Kommission NS-Raubgut immerhin ein erster Versuch der Einrichtung von Mechanismen zur Klärung strittiger Eigentumsfragen.

Dass die Beratende Kommission bereits mit ihrer Gründung an Konstruktionsfehlern krankte, ist das eine. So können bis heute weder die Seite der Ansprüche stellenden Personen die Kommission alleine anrufen. Die Seite, die aktuell betreffende Kunst und Kulturgüter verwahrt, muss immer in eine Befassung einwilligen. Außerdem haben die Empfehlungen der Kommission keine Bindung. Die große Chance war aber, dass es nicht nur eine juristische, sondern auch eine ethisch-moralische Betrachtung gibt und gab. Wir alle wissen: Recht und Gerechtigkeit sind nicht das Gleiche und schon gar nicht dasselbe. Weltweit gibt es auch viele auf Moderation und Einigung ausgelegte Ansätze des Umgangs mit NS-Raubgut. Oft geht es Hinterbliebenen oder Erbinnen und Erben nicht darum, reich zu werden. Nachkommen sind beispielsweise weit verzweigt – und viele. Immer aber geht es um eine Anerkennung von Leid, ein Eingeständnis von Schuld, ein um Vergebung Bitten, ohne dass man Geschehenes im wahrsten Wortsinne „ent-schuldigen“ und so frei von Schuld machen könnte.

Schiedsgericht: Fotschritt und Rückschritt

Mit ambitioniertem Anpacken des Bundes hat man 2024 auch juristisch einen ersten Schritt gemacht: Ein Schiedsgericht soll dank „stehender Angebote“ einseitig anrufbar sein. „Stehendes Angebot“ bedeutet, die das Kulturgut verwahrende Stelle – Kommunen, Bundesländer, die Bundesrepublik – willigt dauerhaft ein, sich dem Spruch des Schiedgerichts zu unterwerfen, das Angebot des Bundes, der Länder und Kommunen „steht“ also. Dadurch können Anspruch stellende Personen quasi einseitig die Kommission anrufen. Der Teufel steckt aber im Detail: Liest man das Kleingedruckte der Vereinbarung zur Errichtung des Schiedsgerichts, wird deutlich, dass vieles, von dem der gesunde Menschenverstand sagen würde „das ist Raubkunst“, in Zukunft nicht mehr so eingeordnet werden könnte. Denn etliches, das man in den Wahsingtoner Prinzipien und den 2024 befestigten „Best Practices“ dieser Prinzipien findet, taucht im Kleingedruckten des Schiedsgerichts gar nicht als NS-Raubgut auf.

Wenn man dann weiß, dass ein Schiedspruch bindend ist, nirgendwo Revision eingelegt werden kann und dass Kunstminister mit großen NS-Raubkunst-Cases sich schon freuen und die ja immer noch bestehende Beratende Kommission auch in laufenden Fällen gar nicht mehr anrufen wollen, dann bekommt das alles ein G’schmäckle.

Bayern kann bereits hier und heute handeln!

Denn Bayern könnte hier und heute handeln. Für Bayern wäre so ein Handlungsfall etwa der Fall von Picassos „Madame Soler“: Die Staatsgemäldesammlung befürwortete hier zunächst die Einwilligung in eine Prüfung durch die Beratende Kommission, zog diese Befürwortung dann aber zurück, das Staatsministerium prüfte kurzerhand selbst und kam – praktisch! – zu dem eigenen Schluss „keine Raubkunst“! Das ist in etwa so, als würde man bei einem Nachbarschaftsstreit um einen Grenzverlauf und einen vergrabenen Schatz den Nachbarn, bei dem der Schatz liegt, ein Gutachten schrieben lassen, wo die Grenze liegt.

Und dann gibt es noch Handlungsmöglichkeiten im Fall Flechtheim. Vom Geschwisterpaar, das hier Ansprüche erhebt, ist jüngst die Schwester mit 96 Jahren hochbetagt kinderlos verstorben. Der Bruder, ebenfalls kinderlos, ist schwer krank. Die Süddeutsche Zeitung deckte im Artikel „Klee, Picasso und die ablaufende Zeit – Die Erben des legendären jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim ringen mit Bayerns Kunstminister Blume um drei große Kunstwerke. Verschleppt er die Rückgabe?“ auf, dass sich auch hier selbst die Staatsgemäldesammlung klar für Restitution aussprach. Die betreffenden Objekte stammten aus demselben Konvult wie mehrere weltweit bereits restituierte Objekte, die Washingtoner Prinzipien sind ebenfslls sehr klar – und die CSU blockiert, verschleppt, will das Schiedsgericht abwarten?!

Unwürdige Verzögerungstaktik der Staatsregierung

Ja, es scheint, als spiele die bayerische CSU-FW-Staatsregierung auf Zeit. Denn Kultur ist Ländersache, und längst könnte Bayern vorangehen, um ganz ohne Winkel-Advokatentum und statt dessen mit klarem moralischen Kompass zu handeln! Die Energien in die Hilfe für die Opferseite stecken, statt in juristische Winkelzüge; die Chancen des Haushaltsrechts ausloten, statt die Risiken; zentrale Servicestellen schaffen, statt Abwehrmechanismen fördern; unabhängige Forschung unterstützen, statt sogar zu positiven Ergebnissen kommende hausinterne, abhängige Forschung mundtot zu machen; ein stehendes Angebot abgeben, statt sich selbst zu beweihräuchern und auf Zeit zu spielen; all die vielen Kommunen, die auch stehende Angebote abgeben müssen, dazu befähigen und darin unterstützen, alle staatseigenen und geförderten Stellen der Pflicht zum stehenden Angebot unterwerfen, statt immer weiter Hase und Igel zu spielen in einem schmutzigen Spiel, in dem uns Demut gut zu Gesicht stünde.

Schiedsgericht ist ein wichtiger Schritt in Richtung faires, juristisch verbindliches Verfahren auch für privates Kulturgut verwahrende Stellen – aber der moralisch gebotene Umgang bleibt offen.

Dabei ist Deutschland moralisch und durch internationale Abkommen zur Rückgabe von NS-Raubgut verpflichtet. Juristisch zumindest bewegt sich etwas: Ab 2025 wird ein Schiedsgericht über die Rückgabe von geraubtem Kulturgut und Entschädigungszahlungen entscheiden. Ein solches Schiedsgericht sorgt dafür, dass Verhandlungen über die Rückgabe eines Objekts auch beginnen können, wenn nur die Erben darüber sprechen wollen. Das war bisher nicht möglich. Und das wird möglich durch das „Stehende Angebot“.

Nie wieder unwissend vor Objekten, Gegenständen, Bildern stehen, die ohne NS-Verfolgung nicht ins Museum gekommen wären. Wie wunderbar wäre das? Jede Anstrengung zur Restitution oder zur Klärung von Ansprüchen im Sinne der Erbinnen und Erben und in Erinnerung an die Opfer ist daher ein wichtiger Schritt, der nicht nur den Betroffenen und NS-Verfolgten, sondern auch uns als Gesellschaft, als Ganzes zugutekommt. Trotzdem muss mehr passieren. Das sind wir einem verantwortungsvollen Umgang mit unserer Geschichte schuldig.

Anlaufstelle auch für Privatpersonen

Wir Landtags-Grüne sind schon seit längerer Zeit am Thema NS-Raubkunst und Restitution dran und fordern von der Staatsregierung, ihrer Verantwortung gerecht zu werden – auch moralisch. Dazu gehört auch eine zentrale, institutionsübergreifende, unabhängige Beratungsstelle zur Klärung von Provenienzansprüchen, an die sich Privatpersonen wenden können, die Unterstützung und Hilfestellungen benötigen, um ihre Ansprüche rechtlich geltend zu machen. Bayern muss hier die nötige Hilfestellung für Betroffene und deren Nachkommen leisten, damit – wenn auch spät – endlich Gerechtigkeit für die Hinterbliebenen gewährleistet wird. Denn die Nachkommen der Opfer leben oftmals nicht in Deutschland, haben oft weder Kenntnisse in deutscher Sprache noch in bayerischen Verwaltungsstrukturen – und haben es dementsprechend schwer, etwaige Ansprüche geltend zu machen und durchzusetzen. Selbst NS-Verfolgte in der jungen Bundesrepublik kamen oft zurück dorthin, wo einst ihr Zuhause war – und fanden es leer vor. Wo anfangen und Objekte suchen? Eine zentrale bayerische Anlaufstelle, die Betroffene berät und begleitet, sie durch das Bürokratie-Dickicht führt, ist notwendig und wäre bundesweit Leuchtturm und Vorbild für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Opfern, den Angehörigen und den Hinterbliebenen der Greueltaten der NS-Diktatur – endlich auch beim Thema NS-Raubgut.

Meine Rede anlässlich der Zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Mediengesetzes und des Ausführungsgesetzes Medienstaatsverträge

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

Wir haben schon mehrfach, im Ausschuss und im Plenum, über diesen Gesetzentwurf diskutiert. Er regelt viele wichtige Dinge, hinter denen auch die GRÜNEN stehen, aber es gibt ein paar Punkte, die weiterhin kritisch zu bewerten sind. Wir finden es gut, dass zum Beispiel die Planungssicherheit mit einer Erweiterung von 18 Monaten auf jetzt wieder vier Jahre doch noch einen Sprung gemacht hat, doch noch hier im Gesetz gelandet ist. Ich glaube, das ist unserer gemeinsamen Arbeit als Parlament zu verdanken, dass wir hier die Kurve gekriegt haben. Lassen Sie mich aber auch ein paar Punkte nennen, die wir GRÜNE weiterhin kritisch
beurteilen:

Die Staatsferne sollte man ernst nehmen. Der Medienrat hat mit der Audiostrategie und dem Lokal-TV-Konzept ganz wichtige, zukunftsweisende Papiere erarbeitet, und es ist gut, dass der Medienrat das gemacht hat, denn in dem Medienrat sitzt nur ein Drittel staatsnaher Vertreterinnen und Vertreter. Zwei Drittel sind Menschen aus Sportvereinen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Kirchen, Leute aus der Zivilgesellschaft, fern vom Staat, fern von der Politik, die hier mitverhandelt haben.

Warum nenne ich das? – Weil in dieser Audiostrategie – deshalb wundert mich Ihre Einlassung ein bisschen, Kollege Ludwig – eigentlich schon explizit festgelegt war, wie man mit Verbreitungswegen umgehen kann, wie es eine gute Lösung für alle geben kann. Wir sind der Meinung, dass mit dem Gesetzesvorbehalt hier der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien Kompetenzen entzogen werden. Es geht ja beim Verbreitungsweg nicht nur um den privaten, sondern auch um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seinem vielfältigen Angebot. Wenn man da nicht mehr auf Augenhöhe verhandeln kann, weil es einen Gesetzesvorbehalt gibt, dann haben wir ein Problem. Außerdem war im Lokal-TV-Konzept ganz klar festgelegt, dass man Online-Angebote auch fördern solle. Ja, es gibt seit vier Jahren – wie die Staatskanzlei auch im Ausschuss erklärt hat – von der BLM Angebote auf Plattformen, die gefördert werden. Aber die Angebote der Medienunternehmen, der Anbieterinnen und Anbieter von vielfältigen Medien hier in Bayern, sind eben noch nicht förderfähig, wenn sie online sind. Das ist etwas, was wirklich nicht mehr zukunftsweisend ist. Einfach darauf hinzuweisen, dass wir das ja mit der nächsten Novelle regeln könnten, ist zu kurz gesprungen, liebe Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die BLM fördert viel: Programmqualität, Medienkompetenz, technische Infrastruktur, Aus- und Fortbildung, Initiativen gegen Hass im Netz – auch auf unsere grüne Initiative hin –, Standort und Innovation. Zum Vergleich will ich aber mal in andere europäische Länder schauen: In Schweden zum Beispiel ist die Staatsferne sehr gut in einem Fonds aufgehängt. Ohne Eingriffe der schwedischen Regierung oder des schwedischen Parlaments gibt es 13,2 Millionen Euro pro Jahr für die Programmqualität-Förderung von 140 Medien. 14,5 Millionen Euro pro Jahr gibt es für die Infrastruktur und 42,3 Millionen Euro für die Transformation der Medien, eben um junges Publikum auch online, auch über Apps, auch auf Drittplattformen zu erreichen. Bayern gibt dafür 12 Millionen Euro aus. Aber es gibt viel zu tun, woran wir arbeiten müssen. Der Grundsatz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist in den Programmgrundsätzen, zum Beispiel in Artikel 5, aktuell noch nicht enthalten. Stattdessen sind Dinge enthalten wie die Achtung von Ehe und Familie.

(Florian Köhler (AfD): Das ist ja ein Skandal!)

Wir finden, der Grundsatz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung könnte dort auch Platz finden. Wir müssen außerdem weiter intensiv daran arbeiten, wie die Staatsferne und die Unabhängigkeit von einem Staatshaushalt gesichert werden können. Ich weiß, in Bayern geht man davon aus, dass sich hier sehr selten die Regierungsmehrheiten ändern. Aber was machen wir denn, wenn hier auf einmal autoritäre Parteien das Ruder übernehmen sollten, Einfluss gewinnen sollten, Sperrminoritäten haben und auf einmal

(Zuruf von der AfD)

– da kommen hier von rechts natürlich Zwischenrufe – diese Förderung aus dem Staatshaushalt nehmen, wie sie es schon für die Kultur fordern, wie sie es für die Kreativwirtschaft fordern, wie sie es für die Filmbranche fordern, dort überall die Mittel auf null zu kürzen? Wie sieht es denn dann mit unserem Lokal-Rundfunk aus? Planbar, langfristig und solide aufstellen, insbesondere Staatsferne stärken – so stellen wir uns eine Förderung vor. Aber viel Gutes ist dabei. Deshalb werden wir uns diesmal enthalten. Vielleicht können wir beim nächsten Mal mit Ja stimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Antrag „Bayern trägt Verantwortung! – Unabhängige Anlaufstelle für Nachkommen der Opfer von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut schaffen“

Der Landtag wolle beschließen:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, eine zentrale, institutionsübergreifende, unabhängige Beratungsstelle zur Klärung von Provenienzansprüchen zu schaffen, an die sich Privatpersonen wenden können, die Unterstützung und Hilfestellungen benötigen, um ihre Ansprüche rechtlich geltend zu machen.

Aufgabe dieser Stelle soll, wie bereits in den Washingtoner Prinzipien gefordert, die Beratung von Nachkommen mutmaßlicher Opfer von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, die proaktive Vernetzung der betroffenen Personen mit den relevanten Stellen in Bayern1 und die wissenschaftlich unabhängige Begleitung dieser Fälle sein. Zu den Aufgaben dieser Stelle gehören auch das Erarbeiten einvernehmlicher Lösungen sowie die Begleitung von Fällen vor dem Schiedsgericht in Frankfurt am Main, das im kommenden Jahr seine Arbeit aufnehmen wird.

Bei der Besetzung der Anlaufstelle sollte neben fachlicher und wissenschaftlicher Kompetenz auch die Einbindung von Sachverständigen mit jüdischem Hintergrund sowie Nachfahren von Opfern der NS-Verfolgung berücksichtigt werden.

Begründung:

Im März 2024 wurden im Rahmen eines kulturpolitischen Spitzengesprächs von Bund und Ländern Maßnahmen beschlossen, um die Umsetzung der Washingtoner Prinzipien zur Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut voranzutreiben. Bayern und die Bundesrepublik stehen geschlossen hinter dieser internationalen Vereinbarung von 1998. Im vergangenen Oktober wurden die kommenden Schritte von Bund und Ländern konkretisiert und die Einrichtung einer Schiedsgerichtsbarkeit gemeinsam auf den Weg gebracht. Alleine damit ist es nicht getan. Bayern muss seiner Verantwortung gerecht werden und die nötige Hilfestellung für Betroffene und deren Nachkommen leisten, damit – wenn auch spät – endlich Gerechtigkeit für die Hinterbliebenen gewährleistet wird,

Die Nachkommen der Opfer leben meist nicht in Deutschland, haben oft weder Kenntnisse in deutscher Sprache noch in bayerischen Verwaltungsstrukturen. Dies baut bei der Suche nach verschollenem Kulturgut ebenso wie bei einer etwaigen der Durchsetzung von Rechten, wo keine einvernehmlichen Lösungen gefunden werden, sprachliche, rechtliche und menschliche Hürden auf. Im Land der Täter ist es an der Zeit, die moralische Verpflichtung aus der Vergangenheit anzunehmen, und die Opfer und Hinterbliebenen endlich vollumfänglich zu würdigen, ihrem Suchen nach Eigentum, ihren Fragen zu mutmaßlich geraubten Kulturgütern endlich mit Wertschätzung zu begegnen. Eine zentrale Anlaufstelle, die Betroffene berät und begleitet, sie im bundesrepublikanischen Bürokratie-Dschungel an die Hand nimmt und innerhalb Bayerns Leitlicht ist, ist
notwendig, um diesen Hindernissen entgegenzuwirken. Bayern wäre damit bundesweit Leuchtturm und Vorbild und würde ein Zeichen setzen im verantwortungsvollen Umgang mit den Opfern, den Angehörigen und den Hinterbliebenen der Greueltaten der NS-Diktatur – endlich auch beim Thema NS-Raubgut.

Ein Beispiel für die Dringlichkeit dieser Maßnahmen zeigt der Fall der Familie Bernheimer, die von einem bayerischen Museum hörte, dass die Beweislast bei ihnen liege, obwohl das Museum in die Enteignung („Arisierung“) und den Kunstraub involviert war. Solche Vorkommnisse dürfen sich nicht wiederholen.

Die „Monuments Men“, eine Gruppe von 345 Männern und Frauen, konnte nach dem Krieg mit sehr begrenzten Mitteln in kurzer Zeit mehr als fünf Millionen Einzelstücke an unrechtmäßig entzogenem Kulturgut identifizieren und restituieren. Diese Leistung zeigt, dass auch heute entschlossenes Handeln möglich ist, wo ein Wille besteht.

Die Restitution von Kunstwerken, die ihren rechtmäßigen Besitzerinnen und Besitzern durch die Nationalsozialisten entzogen wurden, ist ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Angesichts der zunehmenden Normalisierung von Antisemitismus in Deutschland und Bayern ist es unerlässlich, historische Unrechtmäßigkeiten konsequent aufzuarbeiten und diesen Diskurs in die Gesellschaft zu tragen.

Eine unabhängige Institution sollte Zugang zu allen relevanten Archiven erhalten und eine zentrale Schnittstelle für alle innerhalb von Institutionen bereits erfolgreich an Provenienzen Forschenden sein. Die Einrichtung zentraler Kontaktstellen, zuletzt vom US Department of State2 gefordert und von der Bundesregierung unterstützt, muss zügig umgesetzt werden.


1 Archive, Bezirke, Kommunen, Institutionen, Forschungsstellen sowie Ansprechpersonen innerhalb vorgenannter Institutionen
2 https://www.state.gov/washington-conference-principles-on-nazi-confiscated-art/

Grüne Erfolge München: Klima- & Umweltschutz

  • 1,4 Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen bis 2029
  • Photovoltaik Ausbauziel für 2023 um das Dreifache übertroffen
  • Sieben Geothermieanlagen in Betrieb und Bau
  • Erste deutsche Großstadt mit kommunaler Wärmeplanung
  • Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED
  • Landschaftspark West
  • Anpflanzung von 3.500 Bäumen bis 2026

München ist eine grüne Stadt – und das nicht nur, weil wir Grünen die größte Regierungsfraktion im Münchner Stadtrat sind. Die bayerische Landeshauptstadt gehört zu den Großstädten mit der meisten Grünfläche pro Einwohner in Deutschland. Ob Spaziergänge am Isarufer, Joggen im Olympiapark oder Entspannung im Englischen Garten – die Natur ist nie weit entfernt. Erholung und Entspannung in der ruhigen Natur sind ein wichtiger Ausgleich zum geschäftigen Leben einer modernen Großstadt. Gerade diese vielfältigen und wohnortnahen Erholungsmöglichkeiten werden von den Münchnerinnen und Münchnern sehr geschätzt und machen die Landshauptstadt zu einer so lebenswerten Metropole.

Doch Natur in der Stadt bedeutet sehr viel mehr als nur Raum für Erholung und Freizeit. Es braucht entsigelte Flächen, gerade bei Starkregen. Schließlich kann in Asphalt oder Beton kein Wasser versickern. Auch sind Parks und Bäume als Hitzeschutz essentiell wichtig, denn in Zeiten einer sich verschärfenden Klimakrise wird es just in Städten immer öfter unerträglich heiß. Auch deshalb gehen wir Grüne mit unseren Initiativen zu Klima- und Umweltschutz voran, damit München auch in Zukunft eine lebenswerte und gesunde Stadt bleibt. Dank uns investiert die Stadt bis 2029 rund 1,4 Milliarden Euro in mehr als 100 verschiedene Klimaschutzmaßnahmen. Darüber hinaus reformieren wir die Energieerzeugung klimagerecht und erneuerbar, etwa durch eine starke Förderung von Photovoltaik. Hierbei hatten wir das Ausbauziel für 2023 um das Dreifache übertroffen!

Als erste deutsche Großstadt hat München außerdem eine kommunale Wärmeplanung vorgelegt. Diese legt den Grundstein für eine erfolgreiche Wärmewende in der Landeshauptstadt und schafft Planungssicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger. Sieben Geothermieanlagen in Betrieb und Bau sorgen für eine zukunftssichere Wärmeversorgung aus regenerativen Quellen. Denn das heiße Thermalwasser unter unseren Füßen, in der Tiefe ist ein Schatz, den es zu nutzen gilt. Und da nimmt München eine Vorreiterstellung ein. Perspektivisch wollen wir den Bau zehn weiterer solcher Anlagen in Angriff nehmen.

Auch in anderen Lebensbereichen hat unsere grüne Stadtratsfraktion eine ganze Menge bewegen können. Bisher erschienen sind Blogbeiträge zu bezahlbarem Wohnen und Mobilität, Verkehrswende, Menschen, Autos, Fahrrad, Straßen.

Die komplette Erfolgsbilanz #GrüneErfolge findet sich hier.

Grüne Erfolge München_Klimaschutz_Umweltschutz_Sanne Kurz_Landtag_Bayern

Antrag „Symbol für Justiz-Unrecht der NS-Diktatur: museale Präsentation der Guillotine von Stadelheim ermöglichen“

Der Landtag wolle beschließen:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit den zuständigen Staatsministerien sowie geeigneten kulturellen Einrichtungen, Museen, Sachverständigen der Erinerungskultur und Bildungseinrichtungen, die museale Ausstellung der Guillotine, die derzeit im Depot des Bayerischen Nationalmuseum aufbewahrt wird, in einem angemessenen und respektvollen Kontext zu ermöglichen. Ziel der Ausstellung soll es sein,
die historische Bedeutung der Guillotine und die rund 1 000 damit verbundenen menschlichen Schicksale angemessen aufzuarbeiten und die Erinnerung an die Opfer
der NS-Justiz wachzuhalten.

Die Staatsregierung wird außerdem aufgefordert, den historischen Kontext der Guillotine vor dem Hintergrund der rund 12 000 in der NS-Diktatur vollstreckten Todesurteile aufzuarbeiten und sie im Rahmen eines Bildungs- und Gedenkprogramms zugänglich zu machen.

Begründung:

Die Guillotine in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim ist ein eindrückliches Symbol für das Unrecht und die Grausamkeit der NS-Justiz. Sie wurde bis zum Kriegsende 1945 für die Vollstreckung von Todesurteilen verwendet, darunter auch die Hinrichtung von Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern der Weißen Rose wie Hans und Sophie Scholl.

Das Mordinstrument galt lange als verschollen, bis der Bayerische Rundfunk (BR) vor nunmehr 10 Jahren aufdeckte, dass das Staatsministerium der Justiz seit Jahrzehnten von der Existenz der Guillotine wusste und sie dennoch aus der öffentlichen Diskussion herausgehalten hat. Laut Berichterstattung des BR aus dem Jahr 2014 war das Fallbeil nach dem Krieg zunächst nach Straubing verfrachtet worden, hernach weiter in die JVA Regensburg.1 Seit 1974 lagert es im Bayerischen Nationalmuseum. Diese jahrzehntelange Zurückhaltung behindert die Aufarbeitung und die notwendige Auseinandersetzung mit den Taten der NS-Justiz.
Nach öffentlichem Bekanntwerden der Lagerung des Fallbeils im Bayerischen Nationalmuseum berief der damals zuständige Staatsminister für Unterricht und Kultus Ludwig Spaenle einen runden Tisch ein. Hernach sprach der damalige Staatsminister Ludwig Spaenle ein Verbot der Präsentation aus, ein bundesweit einzigartiger Fall, entscheidendoch normalerweise Fachleute aus Museen und nicht Regierungen über präsentierte Objekte. Nun, 10 Jahre später, gibt es aktuelle Entwicklungen:

Die Urenkelin eines tschechischen NS-Opfers sprach sich kürzlich in einem öffentlichen Aufruf nachdrücklich für eine Ausstellung aus, um ihren Urgroßvater und die anderen rund 1 000 Opfer zu würdigen.2 Sie betonte, wie wichtig es sei, die Erinnerung lebendig zu halten, um daraus Lehren für die Gegenwart zu ziehen. „Eine solche Ausstellung wäre ein Zeichen der Anerkennung für alle, die von der NS-Justiz verfolgt wurden,“ erklärte sie in einem bewegenden Interview.

Mehrere Historikerinnen und Historiker sowie Fachleute für Erinnerungskultur haben sich in den vergangenen Jahren für eine museale Präsentation ausgesprochen. Der Historiker Dr. Stefan Höhne betonte: „Die Guillotine von Stadelheim ist ein belastetes Objekt von unschätzbarem historischem Wert, das im Rahmen einer sensiblen und aufklärerischen Ausstellung dazu beitragen kann, die Grausamkeiten der NS-Justiz zu ver-
anschaulichen und das Gedenken an ihre Opfer zu bewahren.“

Der Autor und Journalist Ulrich Trebbin, der ein Buch über diese Guillotine schrieb, betonte, „dass es im Dritten Reich über 40 Delikte gab, auf die die Todesstrafe stand. Neben Widerständlern wurden auch Kleinkriminelle, ‚Asoziale‘ oder Zwangsarbeiter wegen Bagatellen hingerichtet.“3

Auch zum begreiflich Machen des Weges, den wir als Bundesrepublik seit 1945 beschritten haben, könne das Objekt genutzt werden, so Trebbin weiter: „Wir haben Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung und keine Todesstrafe mehr. Darauf können wir stolz sein und das müssen wir schützen.“ – Insbesondere vor dem Ende der Ära der Zeitzeugenschaft und mitwachsenden neuen Herausforderungen der Bildung zur NS-Ge-schichte und des in die Zukunft Führens der Erinnerungskultur wird die museale Präsentation der Guillotine täglich dringlicher.

Die anhaltende Lagerung der Guillotine im Depot des Bayerischen Nationalmuseums wurde zuletzt in einem Artikel von September 2021 kritisiert, der die Frage aufwarf, warum dieses historisch relevante Objekt weiterhin der Öffentlichkeit vorenthalten wird.4

Ein rein musealer Kontext, in dem das Unrecht der NS-Zeit aufgearbeitet und die Einzelschicksale der Opfer erzählt werden, ist dringend notwendig, um die Erinnerung an die Opfer zu ehren und dem Vergessen entgegenzuwirken. Es geht nicht darum, Grausamkeiten zu verherrlichen, sondern Schrecken der Vergangenheit sichtbar zu machen und daraus zu lernen.

Eine sachgemäße und einfühlsame Ausstellung bietet die Chance, die Erinnerungskultur in Bayern zu stärken und ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen. Insbesondere junge Menschen können dadurch für die Verbrechen der NS-Zeit sensibilisiert und für die Bedeutung von Menschenrechten und Demokratie gewonnen werden.

Es ist unsere Verantwortung als Freistaat Bayern, uns für eine lebendige und selbstkritische Erinnerungskultur einzusetzen und den Opfern der NS-Justiz eine Stimme zu geben.


1 01.01.2014 – Guillotine der Geschwister Scholl aufgetaucht: https://www.br.de/presse/inhalt/pressemittei-
lungen/geschwister-scholl-guillotine-100.html

2 03.11.24 – Urenkelin von NS-Opfer fordert Ausstellung der Guillotine: https://www.br.de/nachrichten/bay-
ern/urenkelin-von-ns-opfer-fordert-ausstellung-der-guillotine,USyu7UM

3 Evangelische Zeitung vom 21.02.2023: https://www.evangelische-zeitung.de/gehoert-eine-guillotine-aus-
der-ns-zeit-ins-museum

4 19.09.21 – Guillotine von Stadelheim bleibt weiter im Depot, Guillotine von Stadelheim bleibt weiter im
Depot | BR24: https://www.br.de/nachrichten/bayern/guillotine-von-stadelheim-bleibt-weiter-im-depot,ShZ56Gf

„Kleine Anfrage“ – AzP „Verzögerung bei der Bearbeitung des Restitutionsersuchens im Fall Alfred Flechtheim“

Vor dem Hintergrund, dass Bayerns Kunstminister Markus Blume öffentlich die Bedeutung der Rückgabe von NS-Raubkunst betont, jedoch laut Süddeutsche Zeitung den Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim – trotz schwerer Krankheit und Kinderlosigkeit des um Restitution bittenden – die Rückgabe von bedeutenden Kunstwerken – darunter Werken von Picasso und Klee – durch das Verschieben auf eine erst in Laufe des Jahres 2025 einzurichten geplante Schiedsgerichtsbarkeit hinauszögert, frage ich die Staatsregierung:

Wie erklärt die Staatsregierung die bisherige Verzögerung bei der Bearbeitung des Restitutionsersuchens, (bitte mit Angabe der seit Juni 2022 ergriffen Maßnahmen, um die Restitution der Flechtheim-Werke zu beschleunigen), wie bewertet die Staatsregierung die Konsequenzen, die sich aus dieser Verzögerung für die bereits hochbetagten Erben ergeben könnten, plant sie, angesichts der ethischen und historischen Verantwortung Bayerns und der Kulturhoheit der Länder, Maßnahmen, wie zB die Nutzung bereits bestehender Schlichtungsverfahren und Claim-Bearbeitungswege, wie die bereits bestehende und von den Ländern selbst eingerichtete Beratende Kommission NS-Raubgut, zu ergreifen, um die Restitution beschleunigt zu ermöglichen (falls nein, bitte mit Angabe der Gründe, die Restitution von Flechtheim-Kunstwerken auf eine erst ab 2025 geplante Schiedsgerichtsbarkeit zu verschieben und nicht – wie international durch die Washingtoner Prinzipien empfohlen – in einem zeitnahen Verfahren)?

Hier geht’s zur Antwort:

Antrag „Antisemitismus in staatlichen Kultureinrichtungen entschlossen entgegentreten – Handlungsstrategien entwickeln!“

Der Landtag wolle beschließen:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, in allen staatlichen Kulturinstitutionen in Bayern einen partizipativen Prozess anzustoßen, in dessen Rahmen innerhalb der jeweiligen Institution und unter Einbeziehung fachlicher Expertinnen und Experten aus dem Bereich der antisemitismuskritischen Forschungs- und Bildungsarbeit ein Leitbild sowie eine konkrete Handlungsstrategie gegen Antisemitismus zu formulieren sind, die dem grundgesetzlich verbrieften Prinzip des Diskriminierungsverbots Rechnung tragen.

Folgende Aspekte sollen davon umfasst sein:

  1. klare Richtlinien zur Bekämpfung von Antisemitismus im Wirkungsraum der jeweiligen Institution
  2. Maßnahmen zur Information über bzw. Sensibilisierung für Antisemitismus und zur Antisemitismusprävention in der eigenen Belegschaft und bei möglichen Kooperationspartnern, wie z. B. Institutionen und Einzelpersonen
  3. Netzwerkarbeit mit jüdischen und antisemitismuskritischen Einrichtungen und Künstlerinnen und Künstlern
  4. Möglichkeiten antisemitismuskritischer Prozess- und Projektbegleitungen
  5. Beschwerdemanagement, Ansprechpersonen und Aktionsplan, falls es trotz Präventionsarbeit zu antisemitischen Vorfällen kommt
  6. regelmäßige Evaluation der gemeinsam vereinbarten Handlungsstrategien

Entwickelte Leitbilder und Handlungsstrategien sollen veröffentlicht werden.

Begründung:

Seit dem monströsen Massaker der Terrororganisation Hamas in Israel am 7. Oktober 2023, dem verheerendsten Angriff auf Jüdinnen und Juden seit dem Menschheitsverbrechen der Shoa, und dem seitdem fortdauernden Krieg in Israel und Gaza, wird Antisemitismus auch in Deutschland täglich salonfähiger. Neben einem besorgniserregenden Anstieg antisemitischer Straftaten kommt es vermehrt zu antisemitischen Äußerungen, auch antisemitische Symbole sind in der Öffentlichkeit zunehmend präsenter. Der Kulturbetrieb ist nicht frei von diesen Tendenzen. Der deutsch-israelische Publizist Meron Mendel bezeichnete einige Meinungsäußerungen aus der Kulturszene nach dem Massaker am 7. Oktober 2023 als „moralische Bankrotterklärung“. Auffällig war auch das tosende Schweigen weiter Teile der Musikszene, obwohl das friedliche Publikum eines Musikfestivals zu den ersten Opfern des Massakers vom 7. Oktober 2023 gehörte.

Kunst ist frei. Angriffe und Störungen wie bei der Hannah Arendt Lesung im Hamburger Bahnhof gefährden die Kunstfreiheit. Gesetze, die für alle gelten, gelten auch für Künstlerinnen, Künstler und Kreative. Die Freiheit der Kunst muss geschützt werden, gleichzeitig darf sie nicht als Deckmantel für antisemitische Inhalte dienen. Dort, wo öffentliche Mittel fließen, gibt es eine besondere Pflicht, dieses Spannungsfeld auszuloten. Es ist dabei Aufgabe der Staatsregierung, in den staatlichen Kulturinstitutionen eine kritische Auseinandersetzung mit antisemitischen, rassistischen oder in anderer Weise diskriminierenden Tendenzen oder Inhalten anzustoßen.

Der Versuch, dieses Problem über juristische Schritte – wie zum Beispiel die Einführung (symbolischer) Antidiskriminierungsklauseln – zu lösen, wird scheitern. Vielmehr muss es darum gehen, in den einzelnen Häusern partizipative und demokratische Prozesse anzustoßen, in denen sich sowohl die Verantwortlichen als auch die Künstlerinnen und Künstler bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – fachlich begleitet (z. B. durch das Institut für Neue Soziale Plastik) – auf konkrete Leitbilder und Handlungsstrategien verständigen und diese anschließend in der jeweiligen Institution mit Leben füllen. Auch die Anhörung im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst zu Antisemitismus an bayerischen Hochschulen am 23. Oktober 2024 hat noch einmal deutlich gemacht, dass dies die richtige Strategie ist.

Im Gegensatz zu rechtlich oft nicht haltbaren Klauseln, die in der Geste verharren und oft nur Lippenbekenntnis sind, bietet ein von den Institutionen entwickeltes hauseigenes Regelwerk ein Instrument, das den Bedürfnissen und Herausforderungen der jeweiligen Institution Rechnung trägt und Kunstfreiheit absichert. Die explizite Erwähnung des Bekenntnisses gegen Antisemitismus ist von entscheidender Bedeutung, um aktiv gegen Vorurteile vorzugehen und eine respektvolle Umgebung für alle zu gewährleisten. Durch die Implementierung entsprechender Leitbilder und Handlungsstrategien setzen die Kultureinrichtungen ein starkes Zeichen gegen Diskriminierung und für eine freie Kulturlandschaft, die die demokratischen Werte unserer Verfassung widerspiegelt und die Ausgrenzung jüdischer, israelischer und antisemitismuskritischer Künstlerinnen und Künstler verhindert.1


    1https://www.tagesspiegel.de/politik/kein-staatsgeld-bei-hass-auf-israel-union-und-ampel-beraten-uber-antisemitismusklausel-fur-kultur-11098435.html

    „Kleine Anfrage“ – AzP „Streichung der Theaterstatistik“

    Ich frage die Staatsregierung,

    welche statistischen Erhebungen aus dem Kulturbereich in Bayern wie beispielsweise die Bayerische Theaterstatistik gibt es (bitte mit
    Ort und Art der Datenerhebung angeben sowie Ort der Nutzung und Veröffentlichung der Daten), welche dieser statistischen Erhebungen im Kulturbereich sind von der Änderungen im Bayerischen Statistikgesetz, die im Rahmen des Modernisierungsgesetzes vorgenommen werden sollen, betroffen (bitte alle Betroffenen Statistiken angeben, mit der Information ob diese gestrichen oder verändert werden, bitte bei Veränderungen Art der Veränderung angeben), wie plant die Staatsregierung sicherzustellen, dass die Wirksamkeit des Einsatzes öffentlicher Mittel im Kulturbereich zukünftig nicht nur weiterhin, sondern besser als bisher, beispielsweise durch Maßnahmen mit Benchmarking-Möglichkeit und Nicht-Publikums-Forschung wie KulturMonitoring (KulMon®), abgebildet wird?

    Hier geht’s zur Antwort:

    Schriftliche Anfrage „Konzerthaus München – Vertragsverletzung und Klage“

    Inmitten der politischen Rhetorik und der vielversprechenden Ankündigungen des Staatsministers für Wissenschaft und Kunst Markus Blume zum herbeigesehnten Baubeginn eines neuen Konzerthauses von überregionaler Bedeutung für ganz Bayern im Werksviertel der Landeshauptstadt München keimen Presseberichten zufolge Konflikte mit dem Grundstückseigentümer auf, dem ein Kulturbau seitens der damals CSU-geführten Staatsregierung nicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag in Aussicht gestellt wurde1. Es stellt sich die Frage: Meint es die Staatsregierung mit ihren Beteuerungen ernst oder beschauen wir als bayerische Musikliebhaberinnen und Musikliebhaber nach bisherigen Ausgaben zweistelliger Millionenbeträge, nach langer Denkpause von Ministerpräsident Dr. Markus Söder und stotterndem Neustart nach der bereits lange zurückliegenden Initialzündung einen wohlklingenden Traum? Während die Staatsregierung mit großen Worten um sich wirft, bleibt die Realität noch im Schatten der zurechtgestutzten Pläne verborgen, liegen zu erreichende Meilensteine weit in der Zukunft. Die Menschen, die viel Herzblut, viele Jahre ihres Lebens und zum Teil viel Geld in das neue Konzerthaus Bayern investiert haben, die Stadtgesellschaft, die Menschen in ganz Bayern, die Musik machen, genießen und lieben, und nicht zuletzt die beteiligten Institutionen stehen vor etlichen Fragen, die nicht nur die finanzielle Stemmbarkeit eines gestutzten Korpus, sondern auch die Transparenz und die tatsächlichen Interessen der Staatsregierung und des Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder betreffen. Derzeit scheint den Presseberichten zufolge zumindest zweifelhaft, ob die Staatsregierung tatsächlich bereit ist, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um ihre Rettungspläne für das Musikland Bayern mit dem angekündigten, dringend notwendigen neuen Konzerthaus Bayern in die Realität umzusetzen, oder ob es am Ende erneut nur bei leeren Versprechungen bleibt.

    Antwort der Staatsregierung

    Vorbemerkung: Die Staatsregierung steht zu ihrem Versprechen, in München ein erstklassiges Konzerthaus für die in München ansässigen Spitzenorchester zu errichten. Der Beschluss der Staatsregierung für eine Neuplanung ermöglicht die Realisierung des Projekts trotz der in den letzten Jahren massiv gestiegenen Baupreise und der eingetretenen internationalen Krisen, indem das Projekt auf den Kernbereich reduziert wird. Das Projekt soll im Rahmen dieser Neuplanung in einem vertretbaren Kostenumfang effizient geplant und umgesetzt werden. Die Staatsregierung unternimmt die notwendigen Schritte, um auf dieser Grundlage die Realisierung des Projekts voranzutreiben.

    1.1 Wie ist der Wortlaut des nichtöffentlichen Entwurfs der Beschlussvorlage des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (StMWK) und des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr (StMB), die
    der Süddeutschen Zeitung vorlag und aus der sich „mehrere Bruchstellen, an denen das Projekt noch scheitern kann“, ergeben (falls als Anhang zu dieser Schriftlichen Anfrage nicht möglich, getrennt versenden)?
    1.2 Wie ist der Wortlaut des Kabinettsbeschlusses zum Bau des neuen Konzerthauses Bayern?

    Die Fragen 1.1 und 1.2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
    Die Fragen betreffen den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Zum Schutz der Vertraulichkeit von Ministerratssitzungen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Geschäftsordnung der Staatsregierung) können keine Angaben über deren Inhalt gemacht werden. Dies schließt sowohl die vorbereitenden Unterlagen der Kabinettssitzung als auch die Entscheidung des Ministerrats ein.

    1.3 Wie ist der aktuelle Stand der Finanzierung des Konzerthauses, insbesondere im Hinblick auf die Beteiligung des Bayerischen Rundfunks (BR) und der Bürgerschaft (bitte tabellarisch angeben, welche Summen aus der Zivilgesellschaft und welche Summen vom BR zur Baufinanzierung erwartet werden)?
    2.1 Wurde die bei Frage 1.3 angegebene Summe vor dem 11.07.2024 mit dem BR besprochen?
    2.2 Wenn ja, welche Position bezieht der BR zu der vom Freistaat gewünschten Beteiligung?
    2.3 Wie hoch muss nach derzeitiger Kostenkalkulation mindestens der prozentuale Anteil der Spenden aus der Zivilgesellschaft sein?
    6.1 Wie gestaltet sich die langfristige Nutzung des Konzerthauses durch den BR und welche finanziellen Verpflichtungen hat der BR bezüglich jährlicher Zahlungen im Rahmen einer Dauernutzung übernommen?
    6.2 Wie hoch sind die bisher eingegangenen Spenden aus der Bürgerschaft und welche Strategien verfolgt die Staatsregierung, um weitere Spenden zu generieren (bitte auch auf Kooperation mit der Stiftung Neues Konzerthaus eingehen)?
    6.3 Wie würde eine Verfehlung der Bemühungen kompensiert werden, ausreichend hohe Summe an Spenden aus der Bürgerschaft zu akquirieren?

    Die Fragen 1.3, 2.1 bis 2.3 und 6.1 bis 6.3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
    Die Finanzierung ist aktuell – vorbehaltlich der jeweiligen Entscheidung des Landtags – über den Einzelplan 15 des Haushaltes vorgesehen. Hinsichtlich der finanziellen Beteiligung des Bayerischen Rundfunks (BR) an der Gesamtfinanzierung des Konzerthauses München wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Fragen 3 a bis 3 c des Abgeordneten Harald Güller (SPD) vom 30.01.2023 (Drs. 18/28032) verwiesen. Die grundsätzliche Einigung zwischen der Staatsregierung und dem BR, dass dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) das Erstbelegungsrecht am Konzertsaal zusteht und sich der BR dafür mit einem finanziellen Gesamtpaket beteiligt, hat weiterhin Bestand. Über die abschließenden Konditionen einer angemessenen Beteiligung des BR an der Neuplanung des Projekts
    werden sich Freistaat und BR zu gegebener Zeit verständigen.
    Eine spürbare Beteiligung der Bürgerschaft an der Realisierung des Projekts stellt einen weiteren wichtigen Beitrag zur finanziellen und ideellen Unterstützung des Projekts dar. Entsprechende Spenden für das Konzerthaus München werden von der Stiftung Neues Konzerthaus München eingeworben. Die Stiftung bündelt das bürgerschaftliche Engagement und ist hierfür ein besonderer Partner des Freistaates. Zur Höhe der bislang von der Stiftung eingeworbenen Spenden wird auf die Antwort der Staatsregierung auf die Fragen 5.1 und 5.2 der Abgeordneten Dr. Helmut Kaltenhauser und Dr. Wolfgang Heubisch (FDP) vom 25.04.2022 (Drs. 18/23825) verwiesen.
    Das mit der vorgesehenen Neuplanung bekräftigte Bekenntnis der Staatsregierung zu dem Projekt, zu den Leitzielen von künstlerischer Qualität, ausreichender Kapazität, exzellenter Akustik, kultureller Bildung und Digitalität sowie der verstärkte Fokus auf Nachhaltigkeit und Öffnung in den Stadtraum bieten auch die Basis für eine erneuerte Aktivierung privaten Kapitals. Bei einer zukunftsfähigen Planung, die auch die Aspekte
    der Zugänglichkeit, Tagesbelebung und Vermittlung berücksichtigt, geht auch die Stiftung von einer positiven Stimmung gegenüber dem Projekt und einem entsprechend großzügigen Engagement aus.

    3.1 Welche Bemühungen unternahm die Staatsregierung bisher, um eine Einigung über eine mögliche Vertragsänderung im Erbpachtvertrag/Erbbaurechtsvertrag zu erreichen?
    3.2 Welche Interessen würde die Staatsregierung gegebenenfalls auch gerichtlich durchsetzen?
    3.3 Wie gedenkt die Staatsregierung mit Blick auf den bisherigen Zickzackkurs in Bezug auf eine Fertigstellung, eine Zeitklausel vertraglich vertrauensvoll „in vertretbarer Weise auszugestalten“?
    4.2 Welche Maßnahmen sind geplant, um einen festen Fertigstellungstermin halten zu können?
    4.3 Bis zu welchem Datum sollte nach den Wünschen der Firma OTEC das Konzerthaus spätestens errichtet werden?
    5.1 Welche Auswirkungen hat die geplante Reduzierung der Stellplätze in der Tiefgarage, z. B. auf die Gesamtkosten des Projekts und die Zustimmung des Grundstückseigentümers bzw. des Vertragspartners
    OTEC zur Stellplatzreduktion?
    5.2 Welche Forderungen, die auch gerichtlich durchgesetzt werden könnten, könnten auf den Freistaat zukommen, falls keine Einigung mit OTEC erzielt wird, bzw. wie plant die Staatsregierung, diese zu verhindern?
    5.3 Wurden die am 11.07.2024 vorgestellten Pläne für das Konzerthaus vor der öffentlichen Ankündigung der neuen Pläne mit der Firma OTEC diskutiert?
    7.1 Welche konkreten Vertragsänderungen werden derzeit mit OTEC verhandelt?
    7.2 Welche Klauseln könnten eingeführt werden, um eine verbindliche Fertigstellung des Konzertsaals zu regeln?
    8.3 Welche Positionen vertrat OTEC in Bezug auf die Neuplanung in Gesprächen, die vor dem 11.07.2024 zwischen Vertretern der Staatsregierung und OTEC stattgefunden haben (bitte getrennt beantworten,
    falls in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage nicht möglich)?

    Die Fragen 3.1 bis 3.3, 4.2 und 4.3, 5.1 bis 5.3, 7.1 und 7.2 sowie 8.3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
    Die Vertragsverhandlungen mit dem Vertragspartner OTEC GmbH & Co. KG sind noch nicht abgeschlossen. Eine Auskunft zu den begehrten Informationen würde sowohl die Verhandlungsposition und die Entscheidungsfindung der Staatsregierung als auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Vertragspartnerin unmittelbar beeinträchtigen.

    4.1 Welche konkreten Schritte unternimmt die Staatsregierung, um ihre Bauverpflichtung für das Konzerthaus bzw. einen Kulturbau zu erfüllen?
    7.3 Welche Maßnahmen ergreift die Staatsregierung, um erneute Verzögerungen im Ausschreibungs-, Planungs- und Bauprozess zu minimieren und den Zeitplan des Projekts zu beschleunigen?

    Die Fragen 4.1 und 7.3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
    Um den künftigen Planungs- und Umsetzungsprozess effizient, kosten- und terminsicher zu realisieren, wird eine Neuplanung mit der Option einer Vergabe der Planungs- und Bauleistungen mittels funktionaler Leistungsbeschreibung an einen Totalunternehmer in die Wege geleitet. Erster Schritt hierfür ist die Beauftragung einer entsprechenden Markterkundung.

    8.1 Warum wurde der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst in der Sitzung vom 11.07.2024 beim Bericht von Staatsminister Markus Blume nicht transparent über alle Fakten – insbesondere die bereits bekannte
    Inkompatibilität des von Staatsminister Markus Blume verkündeten Vorhabens mit den vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Grundstückseigentümer Eckert bzw. der Firma OTEC – informiert?

    Die Staatsregierung hat am 12.06.2024 in den Ausschüssen für Wissenschaft und Kunst sowie für Staatshaushalt und Finanzfragen über den Beschluss zur Neuplanung des Konzerthauses München und die tragenden Erwägungsgründe für diese Entscheidung umfangreich berichtet. Hierbei wurde auch darauf hingewiesen, dass für die von der Staatsregierung geplante Verkleinerung der Tiefgarage die Zustimmung des Vertragspartners OTEC GmbH & Co. KG als Erbpachtgeber erforderlich ist.

    8.2 Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass die Öffentlichkeit und alle Beteiligten transparent über den Fortschritt und die Herausforderungen des Konzerthausprojekts informiert und nicht erneut
    hingehalten bzw. nur teilweise informiert werden?

    Die Staatsregierung wird den Landtag und die Öffentlichkeit weiterhin in geeigneter Weise über das weitere Vorgehen transparent informieren.


    1 https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-konzerthaus-plaene-fragezeichen-lux.KBk52fsoDpn9o67XWE2Yp9

    Beschluss zum Reformstaatsvertrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Digitales und Medien

    Die BAG Digitales und Medien fasst auf ihrer Sitzung am 26.10.2024 in Berlin folgenden Beschluss:

    1. Entpolitisierung der Beitragsfinanzierung, um die Unabhängigkeit des Rundfunks zu sichern
      1. Das verfassungsrechtlich mehrfach überprüfte Verfahren zur Festlegung des Beitrags muss zeitnah begonnen werden, um die Beitragsperiode ab dem 01.01.2025 zu gewährleisten.
      2. Es muss ein Kostenplan der Einzelangebote bis zum 01.01.2027 erarbeitet werden, die im „Körbemodell“ zusammengefasst zu finden sind.
      3. Ein klares Bekenntnis zu den Öffentlich-Rechtlichen und seinen Informationsangeboten (70% der Bevölkerung erachten diese Informationen als wichtig) mit einem zeitnahen Abschluss eines Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags sowie eine sofortige Entpolitisierung des Beitragsfestsetzungsverfahrens, bspw. durch ein Index-Modell.
      4. Die Kosten der Befreiung vom Rundfunkbeitrag sollen, wie vom KEF-Sonderbericht vorgeschlagen, nicht mehr aus den Rundfunkbeiträgen sondern aus staatlichen Haushalten finanziert werden.
      5. Es soll geprüft werden, inwiefern eine soziale Staffelung des Rundfunkbeitrags ermöglicht werden kann – ohne, dass wieder weitgehende Prüfungen, wie bei der früheren GEZ-Befreiung, vorgenommen werden müssen.
    2. Europäische Medienkooperation, die die vielfältige kulturelle Identität in Deutschland vertritt und sichert
      1. Ablehnung der Zusammenlegung von 3sat und ARTE, da dies den öffentlichen Auftrag der Sender gefährdet. Spezifisch deutschsprachige grenzüberschreitende kulturelle Identität wird von 3sat vertreten, während ARTE die europäische grenzüberschreitende kulturelle Identität vertritt.
      2. Untertitel in relevanten Sprachen, die in der Bundesrepublik als Muttersprachler*innen vertreten sind (z.B. vier Millionen türkische Muttersprachler*innen / vier Millionen russische Muttersprachler*innen) sowie in Englisch, um das öffentlich-rechtliche Medienangebot der Bundesrepublik für Neu-Zugewanderte zugänglich zu machen und ihnen das Ankommen zu erleichtern. Das muss in der Finanzierung berücksichtigt werden.
      3. Der Auftrag fordert Angebote für Minderheiten und sehr kleine Zielgruppen, die sich bei einer kommerziellen Ausrichtung nicht durchsetzen können. Solche Angebote dürfen unter Achtung der Gemeinwohlorientierung nicht verschwinden und müssen gestärkt werden (darunter auch Angebote für junge Zielgruppen von jungen Journalist*innen, die oft als Audio-Angebot vertreten sind.)
    3. Stärkung der medialen Infrastruktur und Medienpluralität
      1. Faire Wettbewerbsbedingungen müssen durch umsetzbare und eindeutige Vorgaben geschaffen werden, um Rechtsstreitigkeiten zwischen Sendern und Verlagen zu verhindern. Um die Presseähnlichkeit zu verhindern fordern wir eine klare, maschinell auswertbare und überprüfbare Regelung. Das wäre beispielsweise eine festgelegte Zeichenzahl (Vorteile: Eindeutigkeit, geringe Kosten für die Schulung von Personal, und der Schutz der Produkte der Verleger).
    4. Modernisierung und Entbürokratisierung der Rundfunkstrukturen
      1. Wir fordern einen klaren Ausstiegsplan aus der UKW-Verbreitung, um mit der verbindlichen Beendigung des Simulcasts (Simultanübertragung desselben Inhalts über mehrere Rundfunkwege) Kosten zu sparen (laut KEF 100 Millionen Euro) und die Energieeffizienz zu steigern.
      2. Der Bürokratieabbau muss zum Wohle der Programmqualität deutlich im Reformstaatsvertrag festgeschrieben werden: Eine deutliche Verschlankung der bürokratischen Prozesse innerhalb der Rundfunkstruktur durch Reduktion von Doppelstrukturen, flachere Hierarchien, weniger Verwaltungspflichten, Schaffung klarer Zuständigkeiten im Bereich Kooperation sowie verringerte Komplexität im Personalbereich.

    Pressemitteilung: Aktion Rent-a-Abgeordnete: Politikerin zum Mieten – Abschlusseinsatz bei Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung

    Biotonne leeren, Keller ausmisten oder die ausgefallene Kollegin ersetzen: einen Schwung Alltagsarbeit an eine Politikerin abgeben, das konnte man bei der Aktion “Rent-a-Abgeordnete: Politikerin zum Mieten” von Sanne Kurz. Die grüne Landtagsabgeordnete aus dem Münchner Osten nutzte die Zeit von Juli bis Oktober, um sich als kostenfreie Hilfskraft zu engagieren – bei der Freiwilligen Feuerwehr, im gemeinnützigen interkulturellen Verein, bei der Formular- und Bürokratiehilfe, in der Seniorenarbeit, im Nachbarschaftstreff, beim Weißwurst servieren, der Gymnastikstunde für Frauen oder beim Regionalfernsehen.

    Abschluss der diesjährigen „Rent-a-Abgeordnete“-Aktion war ein Einsatz bei Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung (MMM) in Berg am Laim. Hier bekommen Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen keine Krankenversicherung haben, anonym und kostenlos zahnärztliche, kinderärztliche sowie allgemeinmedizinische Versorgung. Das ärztliche Personal, Sprechstundenhilfen sowie Dolmetscherinnen und Dolmetscher – fast alle arbeiten hier ehrenamtlich. Nach einer kurzen Einweisung durfte die Abgeordnete in der zahn- und allgemeinärztlichen Sprechstunde Kranke aufnehmen, sie zur Aufnahme und Erstberatung schicken, passende Krankenakten heraussuchen und für die Behandlung alles vorbereiten.

    Sanne Kurz verweist auf die Bedeutung einer solchen Anlaufstelle:  „Es fallen viel mehr Menschen durchs Raster der Krankenversicherung als man denkt. Es gibt eine Krankenversicherungspflicht, aber kein Recht auf Versicherung. Ich habe die 4997. Patientin aufgenommen, wie die große Mehrheit der Kranken hier hat sie einen deutschen Pass und lebt mitten in München. Man sollte allen Menschen in Not helfen. Wenn man sieht, dass es wirklich jeden treffen kann, wird das nochmal deutlicher. Umso wertvoller ist es, dass Ehrenamtliche sich mit so viel Hingabe engagieren und denen helfen, die ohne diese Hilfe bei der medizinischen Versorgung auf der Strecke bleiben würden.”

    Mithelfen können alle, auch ohne medizinische oder andere Vorkenntnisse, denn auch für Dolmetscherdienste, Hilfstätigkeiten oder Organisationsaufgaben werden Ehrenamtliche laufend gesucht. Auch eine Spende kann die Arbeit der MMM unterstützen, z.B. für die Beschaffung von Kleinigkeiten wie Desinfektionsmitteln, Zahnbürsten oder Kinder-Trostpflastern bis hin zu Ultraschall-Geräten.

    Nach einem halben Tag bei den Maltesern lautet das Fazit von Sanne Kurz: „Wenn ein Mädchen nach dem Besuch beim Arzt wieder lächelt, tut das gut. Ich habe mich selten am Abend so erfüllt und glücklich gefühlt. Das mache ich sicher wieder!”

    „Kleine Anfrage“ – AzP „Wie verständlich sind die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender in Bayern?“

    Ich frage die Staatsregierung:

    „Der Rundfunkrat in Bayern hat die Aufgabe, das Programm des BR zu kontrollieren und dafür Sorge zu tragen, dass die dargebotenen Inhalte alle Menschen in Bayern erreichen, daher frage ich die Staatsregierung, wie viele Menschen in Bayern aktuell keiner Konfession bzw. keinem Bekenntnis angehören, welche drei Muttersprachen sind neben Deutsch am häufigsten vertreten (bitte Zahl der jeweils in Bayern lebenden Sprechenden angeben), welche sind die drei größten muslimischen Verbände in Bayern (bitte mit Abgabe der jeweiligen Mitglieds-Zahlen insbesondere Ditib, Millî Görüş und Aleviten)?“

    Hier geht’s zur Antwort:

    Dringlichkeitsantrag „Fakten statt Fake: Betrieb des Bayerischen Rundfunks sicherstellen – Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag umgehend auf den Weg bringen!“

    Der Landtag wolle beschließen:

    Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, das gesetzlich festgelegte und mehrfach vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Verfahren zur Festlegung der mit Blick auf den gegebenen Auftrag bedarfsgerechten Finanzierung unserer öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Infrastruktur einzuhalten, und so umgehend einen Weg aufzuzeigen, wie die bedarfsgerechte Finanzierung des Bayerischen Rundfunks (BR)
    ab dem 1. Januar 2025 sichergestellt wird. Die Staatsregierung, insbesondere Ministerpräsident Dr. Markus Söder, wird weiterhin aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag un-
    verzüglich verhandelt wird, um eine drohende Finanzierungslücke zu verhindern. Außerdem wird die Staatsregierung, insbesondere Ministerpräsident Dr. Markus Söder, aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass der Prozess der Festlegung der Finanzierung entpolitisiert wird.

    Begründung:

    Die aktuelle Beitragsperiode für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland – also ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie aller in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten wie dem BR – endet am 31. Dezember 2024. Derzeit wird ein Reformstaatsvertrag von der Rundfunkkommission der Länder (RFK) erarbeitet, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu reformieren und zukunftsfähig zu machen. Die Auswirkungen der im Diskussionsentwurf zu diesem Reformstaatsvertrag vorgestellten Veränderungen auf eine verfassungsrechtlich gebotene, bedarfsgerechte Finanzierung stehen allerdings in den Sternen. So hat auch die von den Ländern selbst eingesetzte unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) in einem von den Ländern selbst angeforderten, öffentlichen Sonderbericht vom 27. September 2024 deutlich gemacht, dass sie sich zur „finanziellen Auswirkungen einzelner Reformansätze“ nur äußert, „wenn diese verlässlich und nachprüfbar zu beziffern sind.1
    Außerdem stellt der KEF-Sonderbericht vom 27. September 2024 bereits eingangs deutlich fest, er ersetzt oder modifiziert in keiner Weise die Feststellungen des 24. Berichts der Kommission. Als Sonderbericht nach § 3 Abs. 9 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV) wurde er in einem selbstständigen Verfahren erstellt und darf das noch nicht abgeschlossene regelhafte Bedarfsfestsetzungsverfahren nicht stören
    oder beeinflussen.2
    Sollte der Reformstaatsvertrag wie bisher geplant in der Ministerpräsidentenkonferenz am 24. und 25. Oktober in Leipzig beschlossen werden, muss er hernach noch das innerstaatliche Verfahren der Parlamentsbeteiligung in allen sechzehn Ländern durchlaufen: Der Entwurf eines Zustimmungsgesetzes muss in alle sechzehn Landesparlamente eingebracht werden. Die Landesparlamente können den Entwurf beschließen oder ablehnen. Erst der Beschluss ermächtigt die Landesregierung, den Reformstaatsvertrag zu ratifizieren. Im Weiteren erfolgt im Beschlussfall die Ausfertigung und Verkündigung des Zustimmungsgesetzes mit dem Reformstaatsvertrag als Anlage nach den Vorgaben der jeweiligen Landesverfassung. Erst abschließend kommt es zur Ratifizierung.3
    Selbst wenn der Reformstaatsvertrag also zum 1. Januar 2025 in Kraft treten sollte, was mit Blick auf das Verfahren fraglich ist, ist die bedarfsgerechte Finanzierung laut KEF-Sonderbericht ab 1. Januar 2025 davon unberührt. Dadurch droht dem BR ab Januar 2025 eine erhebliche Finanzierungslücke. Ministerpräsident Dr. Markus Söder und andere Landeschefs lehnen die Empfehlung der KEF ab, die zur bedarfsgerechten Finanzierung unseres öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine Anpassung des Beitrags um 56 Cent ab 2025 vorsieht. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach festgestellt, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dem Auftrag folgen muss, daher ist damit zu rechnen, dass die Sender, im Falle einer Klage, auch diesmal Recht bekommen. Das Ansehen aller Beteiligten wird weiter beschädigt, das Vertrauen der Menschen in Lösungsfähigkeit und Kompromissfähigkeit unserer Demokratie sinkt erneut. Die Kosten für das Verfahren zahlen am Ende vermutlich die Steuerzahler. Den
    immensen Schaden haben wir alle.

    Der BR ist eine unverzichtbare Säule der demokratischen Meinungsbildung in Bayern. Ohne ausreichende Finanzierung wäre er gezwungen, essenzielle und lieb gewonnene Programmangebote einzuschränken oder einzustellen sowie Stellen abzubauen. Betroffen wären unter anderem sicherlich freie und feste Mitarbeiter, wie auch Menschen, die bei Auftragsproduktionen in der bayerischen Medienbranche beschäftigt sind und
    jene, die in anderen Sektoren dem BR zuarbeiten.
    Das KEF-Sondergutachten ist sehr deutlich: Der aktuelle Entwurf des Reformstaatsvertrags bringt keinerlei kurzfristige Kosteneinsparungen. Die Staatsregierung ist laut Bayerischem Rundfunkgesetz verpflichtet, die Weiterentwicklung und den Betrieb des BR sicherzustellen. Ein langfristiger und tragfähiger Finanzierungsplan ist daher unverzüglich vorzulegen, um Arbeitsplätze zu sichern, das Programmangebot aufrechtzuer-
    halten und Rechtsunsicherheit zu vermeiden.
    Dringlich ist ebenso die Entpolitisierung der Finanzierung: Wo aus verfassungsrechtlich notwendiger, bedarfsgerechter Finanzierung politisch Kapital geschlagen wird, wird das immer schaden. Der Blick muss auf einem zukunftsfesten Auftrag liegen, der unsere unabhängige öffentlich-rechtliche Rundfunk-Infrastruktur sicher ins Heute und Morgen des globalen Medienmarktes mit all seinen Gefahren der breiten Desinformation bringt. Das Schielen auf ein möglichst billiges Rundfunkangebot nutzt nur denen, denen auch Desinformationen nutzen. Daher ist die Entpolitisierung einer bedarfsgerechten Finanzierung überfällig.

    1 Sonderbericht der KEF zu finanziellen Auswirkungen möglicher Ansätze zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vom 27. September 2024
    2 Sonderbericht der KEF zu finanziellen Auswirkungen möglicher Ansätze zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vom 27. September 2024
    3 Zum Verfahren der Ratifizierung von Staatsverträgen siehe die Publikation des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages Nr. 48/07 vom 19. September 2007

    Politikerin kommt zum Arbeiten vorbei: mein Rent-a-MdL-Sommer 2024

    „Rent a Abgeordnete – Sanne Kurz zu mieten. Kaum plakatiert, schon Stadtgespräch

    So schien es mir zumindest, denn so viele Menschen sprachen mich auf die Mietaktion Rent-a-Abgeordnete an, dass man hätte glauben können, es sei Wahlkampf. Viele waren nur neugierig, ziemlich schnell aber fassten sich erste ein Herz, „mieteten“ mich über meine Homepage sanne-kurz.de und die Aktionswoche war rasch ausgebucht.

    Der erste Stopp der Rent-A-MdL-Aktion führte mich zum AKA e.V. in den Formularservice. Der AKA ist ein gemeinnütziger Verein im Münchner Osten, der sich aktiv für die interkulturelle Verständigung und Gleichberechtigung von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland einsetzt, direkt vor Ort! Vereinsamung, aber auch bürokratische Hürden und soziale Schwierigkeiten meistert man gemeinsam. Ehrenamtliches Engagement bei AKA macht jedenfalls riesigen Spaß und ist extrem erfüllennd, das kann ich bestätigen. Euch Honorarkräfte für München Ost sucht der AKA immer wieder für seine gute und wichtige Arbeit.

    Was bei mir den stärksten Eindruck hinterlassen hat? – Die bürokratischen Hürden bei Anträgen und Formularen. Wie aufreibend und auch entwürdigend es sein kann, sich durch den bürokratischen Dschungel schlagen zu müssen, weiß ich aus meiner eigenen Vergangenheit, als alleinerziehende studierende Mutter mit zwei Kindern, nur zu gut. Dass man sich für Unterstützung durch 64-seitige Formulare durchkämpfen und dabei für jedes Kind auf vier Seiten auch absurde Fragen, wie die nach bestehender Schwangerschaft (selbst von Dreijährigen!), ausfüllen muss, ist ein Zumutung! Oder? Umso wertvoller ist es, wenn alle, die im Bürokratiedickicht Hilfe benötigen, diese Hilfe auch bekommen – so wie dank des AKA- Aktiv für interKulturellen Austausch e.V.

    Back to the Roots: einen Tag Praktikantin im TV

    Beim Regionalfernsehen Oberbayern (rfo) war ich wenige Tage später, dank meiner langjährigen Erfahrungen in der Film- und Fernsehbranche, auf mir vertrautem Terrain unterwegs. Richtig gut war aber, den Alltag als Praktikantin im Lokalfernsehen kennen zu lernern! Praktikantin beim Lokalfernsehen – damals beim Westerwald-TV, das war tatsächlichn mein aller erster Job in den Medien, gleich nach dem Abi damals in der Pfalz. In Rosenheim beim Fernsehsender rfo durfte ich Nachrichten aus der Region recherchieren, Ton aussteuern bei der Aufzeichnung im Studio, beim Dreh einer neuen Serien dabei sein – und fühlte mich sofort als Kollegin akzeptiert und willkommen. – Und wer die sogenannten „NIFs“ kennt, Nachrichten im Film, die in den Abendnachrichten vorgelesen werden, der weiß, ich habe außer Stative schleppen wirklich alles gemacht an dem proppevollen, herrlich ereignisreichen Tag. Wusstet Ihr, dass rfo Mitinitiator des Nachhaltigkeits-Pakts für Lokalrundfunk ist? – Alleine die Dachterrasse, wo wir Abends noch einen Geburtstag gemeinsam feierten, hat den Einsatz gelohnt. Ein Interview mit Sanne Kurz – Rent a Abgeordnete findet ihr hier.

    Mein nächster Einsatzort war die Freiwillige Feuerwehr München-Michaeliburg, direkt bei mir daheim. Ich bin schon oft an dem Feuerwehr-Gerätehaus vorbei geradelt, auch an den Tagen der Offenen Tür kann man unsere Freiwilligen Feuerwehren ja immer toll kennen lernen. Beim monatlichen Ehrenamtlichen Einsatz dabei sein und helfen dürfen war aber doch nochmal ein ganz besonderes Erlebnis. Nachdem der Feuerwehralltag ja längst nicht nur aus Lösch-, Rettungs- oder Bergungseinsätzen besteht, war meine Lernkurve riesig! Ich durfte den ehrenamtlichen Aktiven der Freiwilligen Feuerwehr einen Abend lang bei der Wartung der Fahrzeuge, Überprüfung des Materials und beim Putzen der Halle helfen. Sauerstoff-Flaschen Prüfung und wie ein Manometer für Druckluft-Messung funktioniert, wer genau warum wo sitzt, wie man in Neuperlachs Hochhäuser im Notfall rein geht, was es mit dem Blaulicht auf sicht hat – wow. Hammer Einblicke, viel gelernt, Und natürlich hatte ich auch viel Spaß, z.B. beim Hands-on Ausprobieren der Atemschutz-Ausrüstung, beim Spritzen-Test, Infrarot-Sichtgerät-Check oder beim Kontrollieren der Dachbox – mit Aussicht. Und nicht zuletzt im Gespräch über das Landes-Feuerwehrgesetz in Bayern habe ich einige wertvolle Informationen für meine Stimmkreisarbeit mitnehmen können. – Ich hoffe, ich habe mir die Fachbegriffe einigermaßen korrekt gemerkt. Falls nein, komme ich gerne wieder vorbei – Übung macht bekanntlich den Meister. – Wusstet Ihr, dass man auf den Seiten der Freiwilligen Feuerwehr Michaeliburg immer lesen kann, was an Einsätzen los war? Einfach mal reinschauen, oder gleich bei der wirklich coolen Truppe bunt gemischter Jungs und Mädels, Männer und Frauen vorbeischauen.

    Gerne wieder

    Am nächsten Tag dann ein komplett anderer Kontext im Sprachcafé des Nachbarschaftstreffs Perlach. Der Nachbarschaftstreff liegt in einem Neubauviertel zwischen Friedhof, Autobahn und altem Dorfkern. Ich habe selbst in der Messestadt gewohnt, als da alles neu war. Darum weiß ich: Nachbarschaft braucht Raum zum Wachsen. Im Nachbarschaftstreff Perlach gibt es diesen Raum. Ich durfte dort bei einem Angebot mitarbeiten, traf auf Frauen mit Migrationshintergrund und tauschte mich mit ihnen über die Möglichkeiten des Mitmachens in unserer Demokratie aus. Politik war für viele der Frauen weit weg. Je nach Herkunftsland kannte die ein oder andere Frau auch nur Regierungen, wo ganze Stadtviertel abgeriegelt werden, wenn ein Politiker oder eine Politikerin vorbei kommt. Politik zum Anfassen und mitmachen, Politik, bei der Teilhabe gewünscht und notwendig ist, das war vielen neu. Auch einige Mädchen waren dabei – die kannten natürlich Klassensprecher-Wahlen, waren sich aber auch oft unsicher, wie sie Mitgestalten können. Eine große Rolle spielen im Viertel vor allem Fragen des kreativen Mitgestaltens des eigenen Wohnumfelds – und der persönlichen Möglichkeiten politischen Engagements für das, was den Alltag betrifft, zu Beispiel Kitas, Bildung und Schule. Starke Frauen! Toller Tag.

    Jeder Nachbarschaftstreff ist anders und besonders

    Beim Nachbarschaftstreff Ramersdorf-Süd in der Balanstraße wiederum gab es weniger zum Reden – aber ich konnte ordentlich mit anpacken! Nicht nur die Teilnahme an der Seniorinnengymnastik (krass, wie man Finger trainieren muss, damit sie bis ins hohe Alter gelenkig und stark bleiben!), sondern auch die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung eines zünftigen Weißwurstfrühstücks standen auf der Tagesordnung. Ich habe länger in der Küche einer Gastro mit Kleinkunstbühne gearbeitet als junge Frau. Darum fühlte sich dieser Rent-a-Abgeordnete Job echt supergut an. Danach gab es noch eine spannende Gesprächsrunde zum Thema Seniorenarbeit und kommunale Senior:innenpolitik.

    Meinen letzten Einsatz hatte ich schließlich bei der Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung (MMM), in der Zahnarzt-Abteilung in Berg am Laim Streitfeldstraße. Hier war ich einen Nachmittag lang bei der Unterstützung des ehrenamtlich arbeitenden Empfangspersonals gefordert. Neben den ehrenamtlichen Ärztinnen und Ärzten engagieren sich auch Assistentinnen und Assistenten, Krankenpflegende, Sprechstundenhilfen sowie Dolmetscherinnen und Dolmetscher ehrenamtlich in der MMM. Was mich überrascht hat: auch ungelernte Personen wie ich sind hoch willkommen als Ehrenamtliche! Der Job macht Spaß und für jeden gibt es etwas, was sich schnell lernen lässt. Spannende Erkenntnis für mich: 80% der Hilfesuchenden haben einen Deutschen Pass und leben in München – und können mangels Versicherung trotzdem nicht wie ich und Du zum Arzt – das finde ich schlimm. Der Empfang der MMM ist für Patient:innen oft die erste und einzige Anlaufstelle für Verletzungen, Krankheiten, Gesundheitsfragen. Darüber hinaus hat man hier auch ein offenes Ohr für alle möglichen Schwierigkeiten. Die Beratung vor der eigentlichen Behandlung ist ein entscheidender erster Schritt, um ihre individuellen Bedürfnisse zu verstehen und ihnen die bestmögliche Unterstützung zu bieten – auch sozial über den Besuch hinaus. Dementsprechend ist der Malteser Hilfsdienst eine offene Beratungsstelle nicht nur für medizinische, sondern auch für soziale und sozialpsychologische Aspekte – und das alles auch von vielen Ehrenamtlichen getragen! Ich will hier auf jeden Fall bald wieder im Einsatz sein, denn selten hat man das Gefühl, so sinnvoll und leicht helfen zu können.

    Fazit

    Was lässt ich zusammenfassend sagen zu Rent-a-Abgeordnete? Dass ich einen ganzen Packen voller wertvoller und wichtiger Erfahrung aus dem Rent-A-MdL-Aktion mitgenommen habe. Bei den Einsätzen ging es mir vor allem immer auch darum, eine transparente und nahbare “Politik zum Anfassen“ anzubieten und zu erfahren, wie es den Leuten vor Ort in ihrem Alltag geht. Denn die persönlichen Begegnungen sowie der direkte Austausch von Politik mit Bürgerinnnen und Bürgern ist ein wichtiges Grundprinzip einer lebendigen, stabilen Demokratie. Diese Praxis pflegen und stärken zu können ist gerade in einer Zeit, in der viele das Gefühl haben,von der Politik entfremdet zu sein, ein entscheidender Schritt. – Kommendes Jahr werde ich die Aktion undbedingt wiederholen! Vielleicht seid Ihr ja 2025 dabei?!

    Zualler erst aber mein herzlichster Dank an alle Organisationen und Beteiligten, die sich entschlossen haben, mit mir in diesen Austausch zu treten!

    Antrag „Kreativität im ländlichen Raum stärken: Mikroförderung für Kulturprojekte prüfen!“

    Der Landtag wolle beschließen:

    Die Staatsregierung wird aufgefordert, die Einführung einer Mikro-Förderung für Kunst- und Kulturprojekte im ländlichen Raum rechtlich zu prüfen. Ziel der Förderung ist es, unbürokratisch Gelder bereitzustellen, um Kultur- und Kunstprojekte mit einem Gesamtkostenvolumen von bis zu 5.000 Euro vor allem im ländlichen Raum zu unterstützen.
    Insbesondere soll dabei Folgendes geprüft werden:

    • Möglichkeit der überjährigen Förderung
    • Begrenzung des Eigenmittelanteils auf max. 10 Prozent
    • Möglichkeit eines laufenden Antragsverfahrens
    • Möglichkeit eines unbürokratischen Antragstellungs-, Bewilligungs- und Abrechnungsverfahrens, damit der Aufwand der Antragstellung der Höhe der bewilligten Mittel entspricht
    • Möglichkeiten digitaler Einreichungen der Anträge mittels Online-Formular sowie digitaler Bewilligungen und Abrechnungen
    • Höhe des Gesamt-Fördertopfes in Anbetracht des zu erwartenden Antragsvolumens
    • Gewährleistung der Verlässlichkeit für die Antragsteller durch klare Zuwendungsrichtlinien und damit einhergehend die Möglichkeit des direkten Mittelabrufs, wenn Projektbeschreibung und Antrag den Zuwendungsrichtlinien entsprechen
    • Möglichkeit eines Pilotprojekts der Mikro-Förderung, wo eine dauerhafte Einrichtung der Mikro-Förderung noch weiter geprüft werden muss
    • Möglichkeit der Evaluation und Verbesserung einer Mikro-Förderung je einmal pro
    • Legislaturperiode

    Begründung:

    Bayern ist ein Kulturstaat. Neben den großen etablierten Häusern lebt die Kultur in Bayern von vielen kleinen Projekten, Initiativen und engagierten Menschen, die kulturelle Projekte vor Ort möglich machen und die Menschen in der Gemeinde mit ihrer Kreativität und ihrem Engagement bereichern. Ob hauptamtlich, nebenberuflich oder im Ehrenamt: Diese Menschen sind es, die eine Ausstellung auf die Beine stellen, ein Musikfestival im Landkreis organisieren, zum gemeinsamen Tanzabend einladen, eine Lesung im Gemeindesaal ermöglichen und breit bewerben, eine Filmvorführung initiieren
    und damit gerade im ländlichen Raum für kulturelle Versorgung der Bevölkerung sorgen. Die Einführung einer Bagatellgrenze für die Förderung von nichtstaatlichen Museen hat in den Kommunen und der Museumslandschaft hohe Wellen geschlagen. Es ist die Aufgabe des Freistaates, der kulturellen Verödung des ländlichen Raums durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken.
    In den vergangenen Jahrzehnten wurden Kommunen zunehmend staatliche Aufgaben auferlegt. Mittel, diese zu erfüllen, gab es selten. So wurden Kommunen stetig ärmer, und die Ukraine-Krise sowie die Inflation verstärken die Finanznot der Kommunen weiter. Oft sind es gerade in kleinen Kommunen bereits geringe Summen, die ausreichen, um Kultur lebendig werden zu lassen. Um für gleichwertige Lebensverhältnisse in der Stadt und auf dem Land zu sorgen und ein kulturelles Ausbluten des ländlichen Raums zu verhindern, ist es dringend nötig, dass der Freistaat seiner Verantwortung als Kulturstaat gerecht wird und diese klaffende Lücke in der bayerischen Kulturförderlandschaft schließt.

    Antrag „Kulturförderung verstetigen – steigende Personalkosten berücksichtigen“

    Der Landtag wolle beschließen:

    Die Staatsregierung wird aufgefordert, die Haushaltsansätze zur Förderung kultureller Einrichtungen und Projekte nach den Richtlinien zur Förderung von Projekten von Maßnahmenträgern aus der Kultur- und Kreativwirtschaft und der institutionellen Förderungen im Bereich Kultur im Entwurf des Nachtragshaushaltsplans 2025 an die aktuellen Konditionen des TV-L anzupassen.

    Begründung:

    Steigende Tarife führen auch im Kulturbetrieb zu höheren Personalkosten, die nicht ohne weiteres durch höhere Einnahmen oder Eigenmittel der Kulturbetriebe ausgeglichen werden können. Das Gleiche gilt für institutionelle geförderte Kulturbetriebe. Tarifentwicklungen dürfen aber nicht zu programmlicher – kultureller – Kürzung führen. Die Haushaltsmittel sollten in beiden Fällen so bemessen sein, dass institutionelle Förderungen und Förderungen nach den Richtlinien zur Förderung von Projekten von Maßnahmenträgern aus der Kultur- und Kreativwirtschaft auch nach den Tarifsteigerungen zu angemessenen Eigenanteilen möglich bleiben.

    Stellungnahme zum Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission für einen „Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Reformstaatsvertrag)“

    Es ist gut, richtig und notwendig, dass die Länder ihrer Aufgabe nachkommen, den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender, ihre Strukturen und Angebote zu evaluieren und mit Blick
    auf die Herausforderungen der globalisierten digitalen Medienwelt neu auszurichten, auch um Effizienzpotenziale zu heben. Eine Reform ist überfällig. Es ist gut, richtig und notwendig, dass moderne Führung der “kollegialen Leitung”1 und von den Sendern selbst begonnene oder vorweggenommene Reformen gestärkt werden. Dazu gehören zum Beispiel die Zusammenführung der Mediatheken, die Kooperationen mit gemeinwohlorientierten Externen, die Stärkung der Medienkompetenzbildung und die verstärkte und verbesserte Kooperation der Sender technisch, administrativ wie auch inhaltlich.

    Es ist gut, richtig und notwendig, dass auch Neuerungen für Zukunftsfähigkeit und Resilienz gegen Angriffe, wie wir sie in der Slowakei oder Ungarn erleben, implementiert werden. So zum Beispiel: ein konsequentes Monitoring sowie ein regelmäßiges, standardisiertes, öffentliches und zentrales Reporting zur Auftragserfüllung mit Blick auf das Gesamtangebot analog zur Reporting-Funktion zum Gesamt-Finanzbedarf der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF); eine Stärkung des Auftrags zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts2; kuratierende Funktion für externe Angebote; das “Körbemodell” für flexibilisierte Angebote abseits des Linearen für Synergie und Effizienz bei Doppelangeboten oder die Beauftragung von Partizipationsmöglichkeit und Dialog in eigenen Portalen (Mediathek/Audiothek)3. Aber auch: Games im Rahmen konkret adressierter Zielgruppen, wenn die Games einem öffentlich-rechtlichen Profil entsprechen und die Auftragserfüllung unterstützen, beispielsweise da, wo man Menschen mit Nachrichten nicht mehr erreicht4. Weiter sehr sinnvoll: der Abschied von manch linearem Angebot spätestens nach dem 31.12.20325; gemeinsame Leitlinien für Datenschutz und KI; eine Verdeutlichung der Presseähnlichkeit; ein klarer Blick auf gemeinsame europäische Plattformangebote, inklusive kommerzieller Anbieter:innen6; aber auch die erneute Stärkung der Barrierefreiheit fürinklusive Teilhabe aller. Das sind alles Schritte in die richtige Richtung für ein vielfältiges öffentlich-rechtliches Medienangebot von Übermorgen in einem Deutschland innerhalb Europas, auch mit Blick auf die mediale Übermacht großer globaler Plattformen.

    Es ist gut, richtig und notwendig, dass der aktuell vorliegende Diskussionsentwurf sich nicht vorrangig darauf kapriziert, wie alles billiger werden kann. Wir wollen – und müssen – unsere unabhängige öffentlich-rechtliche Medien-Infrastruktur erhalten und in die Zukunft führen. Das wird nicht gelingen, wenn lediglich Einsparpotentiale die Richtschnur sind. Der medienpolitische Grundkonsens unserer Gesellschaft zur Wichtigkeit des Erhalts unseres dualen Rundfunksystems mit starken Privaten und starken Öffentlich-Rechtlichen muss gestärkt und nicht aufgekündigt werden. Eine wichtige Säule der Zukunftsgarantie für unsere Öffentlich-Rechtlichen spart der Diskussionsentwurf aber aus: die Entpolitisierung der Finanzierung.

    Entpolitisierung der Rundfunkfinanzierung? Fehlanzeige.

    Investitionen sind die Saat, die aufgeht. Wir säen, damit unsere Kinder und Kindeskinder ernten können. – Eine Medienpolitik der Zukunft muss also nicht nur wichtige Aufgaben und Zielgruppen der Zukunft, sondern auch die Finanzierung dieser Aufgaben, das Erreichen dieser Zielgruppen im Fokus haben. Gerade die Investition in Zukunftsfelder wie die Stärkung des respektvollen, öffentlichen gesellschaftlichen Dialogs7, Aufbau von neuen Strukturen derKooperation mit Dritten, Barrierefreiheit aller – auch in der Vergangenheit produzierter aktuell verfügbarer Angebote, mehrsprachige Untertitel für eine moderne Einwanderungsgesellschaft, Angebote in leichter Sprache – und last not least ein Zusammenrücken innerhalb der Plattformen Europas, ein zukunftsfestes Aufstellen bei jüngeren Personen mit vielfältigen, erstmals in einem Gesamt-Angebotsportfolio zusammengefassten und klar benannten Angeboten für die Publika für morgen, all das kostet.

    Explizit sind auch die im “Körbemodell” zusammengefassten, mittelfristig “weg-flexibilisierten” Angebote8 erst ab 1.1.2027 nicht mehr beauftragt. Wie sind die Einzelangebote bis dahin zu finanzieren? Für Kooperationen innerhalb der Sender gibt es keinen Zeitplan, also auch keinen Kostenplan. Große, von der KEF identifizierte Kostentreiber wie der Energie hungrige Simulcast-Betrieb von DAB+ und UKW oder der von der KEF genannte Betrieb einzelner Landesrundfunkanstalten, aber auch die Finanzierung von Beitragsermäßigungen und Beitragsbefreiungen aus dem Beitrag selbst, werden im
    Diskussionsentwurf nicht erwähnt. Die aktuelle Beitragsperiode endet ungeachtet aller Reformpläne zum 31. Dezember 2024. Die neue Beitragsperiode beginnt am 1. Januar 2025. Es gibt Stand 11. Oktober 2024 ein klares, gesetzlich festgelegtes, verfassungsrechtlich mehrfach überprüftes Verfahren zur Festlegung des Beitrags ab 1. Januar 2025. Die Einhaltung dieses gesetzlich festgelegten Verfahrens erfordert Zeit, die uns davonläuft.

    Das mutlose und beschämende Vermeiden eines ehrlichen Vorschlags zur Finanzierung des gegebenen Auftrags ist daher zum jetzigen Zeitpunkt eine Leerstelle, die weitere Wunden reißt und weiteres Vertrauen zerstört: Die Sender werden – ja sie müssen – den Klageweg beschreiten, um ihrem Auftrag gerecht werden zu können. Die Politik bleibt passiv und hält sich nicht an gesetzlich festgelegte Verfahren. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach festgestellt, dass die Finanzierung dem Auftrag folgen muss, daher ist damit zu rechnen, dass auch diesmal die Sender recht bekommen. Das
    Ansehen aller Beteiligten wird weiter beschädigt, das Vertrauen der Menschen in Lösungsfähigkeit und Kompromissfähigkeit unserer Demokratie sinkt erneut. Die Kosten für das Verfahren zählen am Ende vermutlich die Steuerzahler:innen. Den immensen Schaden haben wir alle: Die schreiende Leerstelle der dringend notwendigen Entpolitisierung des Beitrags ist das Öl, das wir ins lichterloh brennende Feuer gießen. Wir stärken damit nur Feindinnen und Feinde eines staatsfernen, unabhängigen Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks (ÖRR) und schwächen diese wichtige Säule unserer Demokratie.

    Die europäische Perspektive stärken

    Seit den Anfängen des ÖRR hat sich nicht nur die Medienlandschaft, sondern auch unser Land verändert. Wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft im Herzen Europas und handeln als Europäer:innen in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Europa prägt unser gemeinsames Handeln und Erleben – von der EU-Gesetzgebung bis hin zur kommunalen Selbstverwaltung. Basis des europäischen Projekts sind gemeinsame Werte, die sich im gesellschaftlichen Austausch weiterentwickeln. Eine gemeinsame europäische Öffentlichkeit benötigt daher eine europäische Medienöffentlichkeit. Um Frieden und Freiheit in der EU zu bewahren, dürfen wir den feindlichen Kräften des Nationalismus keinen Raum geben. Ein Zusammenrücken freier europäischer Medienangebote schafft eine starke, gemeinsame Öffentlichkeit für unsere Demokratie. Dazu braucht es langfristig gemeinsame europäische Plattformen – mit einem “Level Playing Field” auch für kommerzielle Anbieter:innen wie Verlage oder Privatsender. Dazu braucht es mehrsprachige Untertitelung heute bereits bestehender Angebote und die Stärkung ebenfalls bereits bestehender europäischer Medieninfrastruktur.

    Die Rundfunkkommission schlägt in ihrem Diskussionsentwurf für den Reformstaatsvertrag vor, 3sat “teilweise oder vollständig” in das Programm von Arte zu “überführen”9 , um die Anzahl digitaler Kanäle zu reduzieren und Doppelstrukturen abzubauen. Dies soll zur “Europäisierung” der Kulturberichterstattung beitragen. Eine Zusammenlegung würde jedoch den öffentlichen Auftrag der Sender gefährden, der explizit Bildung, Information und Kultur umfasst. Eine Verringerung von Programm-Zeit und Budgets für die beauftragten Inhalte aus den Bereichen Bildung, Information und Kultur ist somit zu befürchten, insbesondere, da die Angebote von 3sat nicht als Parallelangebot, sondern als unterschiedlich ausgerichtetes Komplementärangebot zu Arte zu verstehen sind. 3sat bietet eine Plattform für kritische Debatten, demokratische Meinungsbildung und kreative Vielfalt im deutschsprachigen Raum wie kein anderer Sender. Die Zusammenlegung von 3sat und Arte wäre daher ein falscher Schritt; es würde mit dem „überführen“ ein grenzüberschreitendes Angebot und Medien- und Kultur-Infrastruktur für über 100 Millionen deutsche Muttersprachler:innen mutwillig zerstören.

    Die Vielfalt ist bisher eine der größten Stärken des ÖRR. 3sat trägt mit seinen Dokumentationen und Magazinen, Wissenschafts- und Kulturangeboten entscheidend zur Vertretung spezifisch deutschsprachiger grenzüberschreitender kultureller Identität bei. Es gleicht einem Treppenwitz der Geschichte, wenn ausgerechnet die bundesdeutsche Landespolitik in trauter Einigkeit diese Errungenschaft abschaffen und in die kollektiven Erinnerungen unserer gemeinsamen europäischen Geschichte verbannen würde.

    Die Reform sollte die zukünftige Medienlandschaft und das künftige Medienverhalten der Zuschauer:innen berücksichtigen. Eine einseitige Fokussierung auf Kostensenkung gefährdet langfristig die Akzeptanz und Relevanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Niemand will für mittelmäßige Angebote zahlen, die er nicht versteht oder die ihn nicht erreichen.

    Die Zukunft ist jung. Nach wie vor werden junge Audio-Angebote nicht explizit beauftragt, im Gegenteil sogar Audio-Angebote pauschal gekürzt ohne Schutz junger Angebote, weiterhin fehlen verbindliche Quoten für Sendeminuten und Mittel für junge Zielgruppen.

    In einer Einwanderungsgesellschaft ist es unabdingbar, dass es Untertitel in relevanten, in der Bundesrepublik mit zahlreichen Muttersprachler:innen beheimateten Sprachen gibt. Untertitel beispielsweise in Türkisch für knapp vier Millionen Türkisch-Muttersprachler:innen, Russisch für knapp vier Millionen Russisch Muttersprachler:innen oder in Englisch für alle unterstützt die Kompetenz des Verstehens des Deutschen für frisch Angekommene, bildet die Sprecher:innen in den Schriftsprachen ihrer Muttersprachen und öffnet das öffentlich-rechtliche Medienangebot der Bundesrepublik für zig Neu-Zugewanderte, die so hier ankommen können, statt sich auf TikTok oder in Angeboten ihrer Herkunftsländer in andere Medien-Öffentlichkeiten zurück zu ziehen.

    Vielfältige Medienlandschaft erhalten

    Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht nicht für sich, sondern ist Teil unserer pluralen Medienlandschaft. Eine Stärkung des ÖRR ist gleichbedeutend mit einer Stärkung der gesamten medialen Infrastruktur in unserem Land. An einigen maßgeblichen Punkten gibt es im aktuellen Entwurf hier noch Leerstellen, die es zu füllen gilt, sowie Ansätze, die diesem
    Anliegen entgegenstehen. So ist das Ziel, das mit einer engeren Fassung der Vorgaben zur Presseähnlichkeit verfolgt wird, nämlich faire Wettbewerbsbedingungen für private Verleger zu erhalten, löblich und muss in den Reformstaatsvertrag im Sinne der Medienpluralität im Sinne eines “Level Playing Field” Eingang finden.

    Die hier vorgelegte Formulierung wird dem Ziel allerdings gleich von zwei Seiten nicht gerecht: Die Innovationsfähigkeit der Sender, gerade bei der Entwicklung von personalisierten Formaten, bei Kurznachrichtenformaten und im Bereich der aktuellen Berichterstattung, beispielsweise durch aktuelle Ticker zu wichtigen, sich dynamisch entwickelnden Geschehen, wird zum einen massiv ausgebremst. Auch die zeitlich sehr strenge Kopplung der Textinhalte an die Publikationsdaten von Bewegtbild- oder Audioinhalten ist in der Realität kaum umsetzbar. Zum anderen sind die Vorgaben – obwohl schärfer gefasst – immer noch nicht eindeutig und in der Umsetzung abhängig von Auslegungsfragen. So wird es weiterhin die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten zwischen Sendern und Verlagen geben.

    Eine klare, maschinell auswertbare und überprüfbare Regelung, z.B. durch eine festgelegte Zeichenanzahl, würde hier für Klarheit sorgen, den Sendern die nötige Beinfreiheit gewährleisten, Schulungen von Personal sparen und das Produkt der Verleger – gut recherchierte, tiefgreifende und umfangreiche Textberichterstattung – schützen. Länge einer dpa-Meldung erlaubt; Länge einer Die Zeit-Recherche verboten, könnte man es überspitzt andenken – und Maschinen die Überprüfung überlassen und so Menschen endlich wieder ihren Job machen lassen, statt sie mit bürokratisch-kleinteiligen Regelungen zu vergrämen. Das ist Rechtssicher für Sender, befriedigend und befriedend für Verleger:innen, in Summe Gewinn für alle.

    Die Vielfalt unserer Angebote ist die Seele unseres ÖRR. Der Auftrag fordert auch Angebote für Minderheiten und sehr kleine Zielgruppen; Inhalte, die bei kommerzieller Ausrichtung keine Chance haben, finden hier ihren wichtigen Platz. Einige solcher Angebote sollen nun abgewickelt werden, was dem Gedanken eines gemeinwohlorientierten Programms widerspricht. Sehr deutlich findet sich diese Debatte in der drastischen Kürzung im Bereich Radio wieder. Wer seit Jahren den gleichen Sender eingestellt hat – wie fühlt er sich wohl, wenn eines morgens dort nur noch Rauschen aus dem Äther dringt? Dass diese Einsparpotenziale sich allerdings erst in ferner Zukunft entfalten, und man anders zielführend reformieren könnte, ohne Kahlschlag zu betreiben, macht das Sondergutachten der KEF deutlich.

    Denn der Reformstaatsvertrag klammert einen wichtigen Punkt gänzlich aus: Großes Potenzial sowohl laut KEF zur deutlichen Kostensenkung als auch zur Stärkung der pluralen Medienlandschaft – nicht nur der Radiosender der ÖRR, sondern auch der vielen kleinen privaten Sender und Bürgerradios – lässt sich im Bereich der Programmverbreitung finden. Durch eine verbindliche Beendigung des Simulcasts, also einen Ausstieg aus der UWK-Verbreitung, ließe sich dieses Potenzial heben. Das Einsparpotenzial für den ÖRR läge hier laut KEF bei 100 Millionen Euro10. Auch mit Blick auf Energieeffizienz hat ein Ende des Simulcast positive Wirkung: laut einer Studie der BBC zum eigenen Energieverbrauch entfallen 31% des gesamten Energieverbrauchs auf die Verbreitung von UKW11.

    Kleine Hörfunkanbieter hätten ebenfalls einen massiven Vorteil bei einer Fokussierung auf einen Verbreitungsweg. Im Sinne der Angebotsvielfalt sollte die politische Entscheidung eines verbindlichen baldigen Ausstiegsdatums der UKW-Verbreitung endlich gefällt werden. Natürlich ist bei der verbindlichen Vorgabe dieses Weges auf die notwendige Planungssicherheit der Sender zu achten.

    Gute, innovative Angebote produzieren: Programm! – Das ist es, wofür wir unseren Rundfunk brauchen. Doch seit Jahren fließt sehr viel Zeit und Energie in Verwaltung, in Bürokratie der Sendeanstalten, auch zum Missfallen der vielen Festangestellten und Festfreien in den Häusern. Der Gedanke des Bürokratieabbaus muss zum Wohle der Programmqualität deutlich im Reformstaatsvertrag verwurzelt sein. Prozesse verschlanken, Hierarchien verflachen, Verwaltungspflichten reduzieren, Doppelstrukturen abbauen, klare Zuständigkeiten im Bereich der Kooperation und Struktur der Sender schaffen und auch im Personalbereich die Komplexität verringern. Viele neu hinzukommende Verbindlichkeiten des Diskussionsentwurfs zum Reformstaatsvertrag enthalten eher ein deutliches Plus an Bürokratie, statt ein Abstreifen der bürokratischen Teerschicht. Weniger Formulare, weniger Zeichnungs- und Zustimmungspflichten, weniger Sitzungen, weniger Schalten, weniger Konferenzen – mehr Zeit für Inhalte, mutige Entscheidungen – das gehört in eine gelungene Reform.

    Es ist für unser Zusammenleben als freiheitlich-demokratische Gesellschaft entscheidend, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch zukünftig seiner gesellschaftlichen Verantwortung in einer pluralen, digitalen und internationalen Medienwelt gerecht wird und dem Auftrag entsprechend so ausgestattet wird, dass er dieser Herausforderung gerecht
    werden kann.

    Ein vielfältiges, qualitativ hochwertiges Programm anzubieten ist dabei das Herzstück. Wir sollten daher gemeinsam für diesen bestmöglichen Rundfunk und seine gerechte Finanzierung werben und für sie kämpfen – weil er es wert ist.

    Sanne Kurz
    Abgeordnete der Fraktion BÜNDNIS90/DIE
    GRÜNEN im Bayerischen Landtag,
    Kultur- und Medienpolitische Sprecherin,
    Mitglied im Rundfunkrat des Bayerischen
    Fernsehens (BR).

    Erhard Grundl
    Bundestagsabgeordneter für die Fraktion
    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kultur- und
    Medienpolitischer Sprecher, Obmann im
    Unterausschuss Auswärtige Kultur- und
    Bildungspolitik.

    Mitzeichnend aus den Gremien:
    Jessica Leutert, NDR Rundfunkrat
    Dr. Ann-Kathrin Tranziska, NDR Rundfunkrat
    David Mohr, Rundfunkrat Radio Bremen
    Anke Offerhaus, Rundfunkrat Radio Bremen
    Antje Kapek, rbb Rundfunkrat, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhaus für BÜNDNIS 90/DIE
    GRÜNEN
    Catherine Kern, SWR Rundfunkrat, Medienpolitische Sprecherin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
    Landtag Baden-Württemberg


    Mitzeichnend aus den Bundesfachforen Medienpolitik B‘90/DIE GRÜNEN:
    Madeleine Henfling, Sprecherin BAG Digitales und Medien BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
    Thomas Schäfer, Sprecher BAG Digitales und Medien BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN


    1 ZDF-Staatsvertrag und Deutschlandradio-Staatsvertrag, §19. Stand: 26.09.2024
    2 Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission für einen „Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
    (Reformstaatsvertrag), §26 Auftrag, Abs. 1. Stand: 26.09.2024
    3 Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission für einen „Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
    (Reformstaatsvertrag), §26 Auftrag, Abs. 3. Stand: 26.09.2024 – “zielgruppengerechte interaktive Kommunikation mit den Nutzern (…)
    sowie verstetigte Möglichkeiten der Partizipation”
    4 vgl Reuters Intitute Digital News Report 2023 und 2024
    5 Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission für einen „Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
    (Reformstaatsvertrag), §28a, Abs. 4. Stand: 26.09.2024
    6 Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission für einen „Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
    (Reformstaatsvertrag), §30f, Abs. 3. Stand: 26.09.2024 – “Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und
    das Deutschlandradio ermöglichen eine Mitwirkung und Vernetzung für öffentlich-rechtlich organisierte europäische Partner und prüfen
    regelmäßig eine mögliche Öffnung für kommerzielle Anbieter.”

    7 Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission für einen „Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
    (Reformstaatsvertrag), §26 Auftrag, Abs. 3. Stand: 26.09.2024 – “zielgruppengerechte interaktive Kommunikation mit den Nutzern (…)
    sowie verstetigte Möglichkeiten der Partizipation”
    8 Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission für einen „Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
    (Reformstaatsvertrag), §28a, Abs. 6. Stand: 26.09.2024

    9 Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission für einen „Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
    (Reformstaatsvertrag), §28a, Abs. 2. Stand: 26.09.2024