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Kunstfreiheit! Mein Beitrag zum Thema.

Die Kunstfreiheit ist ein unmittelbares Grundrecht. Sie ist nicht nachrangig und in unserer Verfassung in Art. 5 Absatz 3: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ fest verankert. Erste Ideen zu Freiheitsrechten wurden 1832 dort formuliert, wo ich aufgewachsen bin: beim „Hambacher Fest“ standen Presse-, Meinungs-, Versammlungsfreiheit im Fokus. Mein Beitrag zur Kunstfreiheit heute hier in einem Gastbeitrag für das Magazin des Paul-Klinger-Künstlersozialwerk.

Die Kunst ist frei!

“Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.” So steht es in Art. 5, Abs. 3 unseres Grundgesetzes, unserer Verfassung.

War schon vor Corona trotz Institutionen wie der Künstlersozialkasse die Freiheit der Kunst dort gefährdet, wo Kulturschaffende künstlerisches Wirken zurückschrauben oder unterlassen mussten, weil wirtschaftliche Gegebenheiten sie dazu zwangen, brach mit Beginn der Pandemie ein Großteil des Kunst- und Kulturschaffens, wie wir es kannten, komplett zusammen.

Veranstaltungsverbote sind Tätigkeitsverbote.

Mit dem Lock-Down wurde alles unmöglich, was Menschen-Gruppen oder gar Publikum einschließt, aber auch Museen und Bibliotheken wurden geschlossen, Musik zum Hochrisiko erklärt, kulturelle Bildung untersagt. Reisefreiheit, Religionsfreiheit, alles kam rasch zurück. Kaum diskutiert wurde, was Verbote und andauernder Notbetrieb mit der Kunstfreiheit machen.

Wenden wir den Blick in unser Nachbarland Österreich: In diesem Corona mäßig ähnlich wie Bayern ächzenden Land ist die Kunstfreiheit erst seit ‘82 in der Verfassung verankert. Schon bald nach den Veranstaltungsverboten schlossen sich dort Kreative zusammen, entwarfen Petitionen, organisierten Schweigemärsche wie “Ohne uns ist’s still”, veranstalteten 2m-Abstand-Demos und heuerten gemeinsam Anwälte an mit dem Ziel Verfassungsklage: Kunstfreiheit in Gefahr!

Es gibt kein Grundrecht auf Fußball

Auch hier in der BRD regte sich Widerstand. Bereits am 11. Mai konstatierte der Augsburger Verfassungsrechtler Prof. Matthias Rossi, er könne nicht nachvollziehen, warum Gottesdienste unter Auflagen erlaubt seien, Kulturveranstaltungen aber weiterhin verboten. Das Recht auf Kunstfreiheit sei kein zweitraniges Grundrecht. Ähnlich wie beim Grundrecht auf Religionsfreiheit, sei nicht nur das reine künstlerische Schaffen geschützt, sondern auch der Wirkbereich.

Während man in Österreich auf die Barrikaden gingen, gab uns Rossi hier eine Steilvorlage: Nicht nur unser “Werk”, auch unser “Wirken”, also Auftritte, Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Performances, Filmdrehs oder Fotosessions, sind von unserer Verfassung geschützt!

Dass niemand riskieren möchte, Schuld an Leid oder gar Tod zu sein, versteht sich von selbst. Trotzdem muss klargestellt werden, dass 80.000 infektionsfreie Besuche bei den Salzburger Festspielen mitten im Corona-Sommer eine klare Sprache sprechen, klarer als bayerische “Pandemie-Pilotprojekte” in der Staatsoper. Warum mich das alles so maßlos ärgert? Weil ich Ungerechtigkeit nicht akzeptieren kann!

Die ungerechten Fakten im Corona-Herbst in Bayern, wo ich im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst im Landtag sitze:

  • Musik, ohne Eintritt, dazu Speis und Trank – sagen wir mal: Helene Fischer mit Schweinshaxen – Hintergrundmusik! Erlaubt mit uneingeschränkter Personenzahl.
  • Musik, mit Eintritt, ohne Schweinshaxen – Achtung! Kulturveranstaltung! – maximal 200 Personen im Publikum erlaubt.
  • Sport in der Olympiahalle – 12.463 Plätze, davon 20% unter Pandemie-Bedingungen nutzbar, macht 2492 erlaubte Gäste.
  • Musik in der Olympiahalle – 12.463 Plätze, 200 erlaubte Gäste.

Nicht, dass eine 20% Auslastung die Rettung der Kunstfreiheit wäre. Auch finanzielle Hilfen sind im Notbetrieb dringend nötig, damit die Menschen und die Infrastruktur die Krise überstehen. Die pauschale Deckelung der Publikumsgröße hat aber null-komma-null mit Infektionsschutz zu tun, ist reiner Populismus, macht dem Publikum Angst, treibt Kulturschaffende, Institutionen und Betriebe in den Ruin und zerstört letzte Reste der kulturellen Infrastruktur.

In Österreich trat am Ende die Staatssekretärin für Kultur unter dem Druck der Szene zurück. Hier tapsen die Verantwortlichen, von Grütters bis zu Landesfürsten, munter einher und praktizieren “divide et impera”: schmeiß dem Künstler ein Zuckerl hin, gib der Künstlerin ein Bonbon, dann schließen sie sich nicht zusammen sondern halten schön still. Eine Strategie, mit der schon Caesar gut fuhr.

Divide et Impera

Seit Caesars Zeiten etabliert ist auch der Duktus der buckelnden, der den Hut demütig aufhaltenden Künstler. Seit Jahr und Tag hoffen wir Künstlerinnen, Förder-Antrag um Förderantrag stellend, man möge gefallen, jemand möge etwas in eben diesen, unseren!, Hut werfen.

Dass sich aus Applaus und Dankbarkeit keine Rücklagen aufbauen lassen, dass Kunst und Kultur eine wichtige Dienstleistung verrichten, dass Mindesthonorare, Mindestgagen endlich gelten müssen, dass Kultur eine Pflichtaufgabe sein müsste für Kommunen – das, ja all das sind strukturelle Probleme, die durch die Krise scharf zu Tage treten.

Probleme, die wir, wenn wir uns nicht trennen lassen, wenn wir laut werden und laut bleiben, wenn wir Kunstfreiheit für Werk und Wirken einfordern, auch über die Krise hinaus bekannt machen können – für eine sozial nachhaltige Kulturpolitik in Deutschland!

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