Antrag „Strategien im Kampf gegen Antisemitismus – wo stehen Bayerns staatliche Kulturinstitutionen?“
Der Landtag wolle beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, im Ausschuss ausführlich über die derzeit bestehenden Leitbilder, Handlungsstrategien, Fortbildungsangebote und Sensibilisierungsmaßnahmen gegen Antisemitismus im Geschäftsbereich der staatlichen Kulturinstitutionen in Bayern zu berichten.
Dabei soll insbesondere auf die folgenden Punkte eingegangen werden:
- Status Quo der Leitbilder und Handlungsstrategien in den staatlichen Kulturinstitutionen
─ Aktueller Stand der Ausarbeitung und Veröffentlichung von Leitbildern gegen Antisemitismus, sowohl in der Organisationsstruktur der Institution als auch in Bezug auf die Präsentationen und Ausstellungen
─ Einbeziehung von Sachverständigen aus der antisemitismuskritischen Forschungs- und Bildungsarbeit bei der Ausarbeitung dieser Leitbilder und Handlungsstrategien
─ Ansprechpersonen in den Institutionen und Informationsmöglichkeiten für Betroffene, Personal und Publikum - Evaluation
─ Zielsetzung der jeweiligen Handlungsstrategien und Leitbilder unter Beachtung des grundgesetzlich verbrieften Diskriminierungsverbots
─ Evaluations- und Weiterentwicklungsperspektiven der Handlungsstrategien und Leitbilder
─ Geplante Zeiträume für regelmäßige Evaluationen und etwaige Anpassungen sowie etwaige geplante Dokumentation der Evaluation in der Institution - Inhalte und Zielgruppen für die Handlungsstrategien und Leitbilder
─ Maßnahmen und Wirkung der Antisemitismusprävention in der eigenen Belegschaft, sowohl im künstlerischen als auch in wissenschaftlichen, organisatorischen, pädagogischen sowie sonstigen Bereichen und bei möglichen Kooperationspartnerschaften, sowohl Institutionen wie auch Einzelpersonen
─ Aktionspläne bei antisemitischen Vorfällen, Institutionalisierung von Ombudspersonen und Ausgestaltung dieser Stellen
─ Zusammenarbeit jüdischer und antisemitismuskritischer Einrichtungen und Künstlerinnen und Künstler bei der Implementierung und Weiterentwicklung der Handlungsstrategien und Leitbilder
Begründung:
Der generelle drastische Anstieg antisemitischer Vorfälle in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023 sowie der aktuelle Skandal um ein Programmheft des Bayerischen Nationalmuseums mit einem Titelbild, das eindeutige antisemitische Symbolik zeigte1,ohne dass auch nur in Ansätzen eine Einordnung erfolgte, machen deutlich, wie nötig Weiterbildung, Strategien und Leitbilder im Kampf gegen Antisemitismus auch im Bereich der staatlichen Kulturinstitutionen auch in Bayern sind.
Die Staatsregierung hat den Handlungsdruck erkannt: Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Markus Blume forderte nach dem antisemitischen Eklat im Bayerischen Nationalmuseum eine „klare Haltung und besondere Sensibilität“2 von den staatlichen Einrichtungen.
Der Landtag begrüßte mit Beschluss vom 08.10.2024, Drs. 19/3537, die „bestehenden bayerischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus“ Mit eben diesem Beschluss gingen auch eine „Einladung für ein künstlerisches Miteinander (…) zur Förderung des bayerisch-israelischen Kulturaustausches“ sowie die „Förderung von Austausch und Kooperation im Bereich Kunst und Kultur mit Israel, denn jüdische Stimmen in Kunst und Kultur gehören zu Bayern“ einher.
Der konkretisierende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 06.11.2024, Drs. 19/3908, „Antisemitismus in staatlichen Kultureinrichtungen entschlossen entgegentreten – Handlungsstrategien entwickeln!“, der hier konkretes Handeln einforderte, wurde in der Sitzung vom 27.11.2024 jedoch mehrheitlich abgelehnt.
Im Ausschuss hieß es dazu laut Protokoll, man habe ein qualitätsgesichertes Verfahren aufgesetzt, das allen Kultureinrichtungen zur Verfügung stehe. Im Rahmen der Kultusministerkonferenz (KMK) würden Fortbildungen sowie andere Angebote zur Sensibilisierung für und Vorbeugung von Antisemitismus gemacht. Der mit dem Antrag intendierte partizipative Prozess existiere bereits3. Die Staatsregierung ergänzte damals, man wolle ein Mitmachen der Kultureinrichtungen durch Angebote von Weiterbildungen und Informationen ermöglichen. Die Kulturstiftung der Länder habe vor, die Ergebnisse etwa im März oder April 2025 vorzustellen4. Diese Vorstellung kam bisher im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst nicht an.
Der Antisemitismus-Eklat rund um das Titelbild mit dem Bildnis des Judas Iskariot5 auf dem Programm des Bayerischen Nationalmuseums kurz vor dem größtenteils mit viel Engagement ehrenamtlich organisierten Besuchs einer großen jüdischen Delegation zahlreicher Opfer-Familien der Shoa zeigt, dass ein Ausruhen auf dem Engagement der KMK möglicherweise nicht ausreichen wird. So war beim festlichen Empfang der jüdischen Delegation zwar vom konsequenten Kampf gegen Antisemitismus viel zu hören, doch nur eine Rednerin kam auf das Judas-Cover zu sprechen. In der jüdischen Gemeinschaft habe man mit Unverständnis, Ärger und Wut reagiert, so die Rednerin, die „Konsequenzen“6 forderte.
Positives Beispiel für den hier beantragten Bericht könnte die Anhörung zum Thema „Antisemitismus an bayerischen und außerbayerischen Hochschulen“ vom 23.10.2024 sein. Hier herrschte Einigkeit darüber, dass Antisemitismus und antisemitische Vorfälle an den öffentlichen Einrichtungen der Hochschulen genauer geprüft und noch besser bekämpft werden müssen. Für Kultureinrichtungen, die ebenfalls öffentlich finanziert sind und als Diskurstreiber unserer Gesellschaft dienen, ist eine klare Haltung gegenüber antisemitischen Narrativen ebenfalls dringen nötig. Lippenbekenntnisse helfen hier nicht weiter, der Kampf gegen Antisemitismus fordert Handeln. Ein ausführlicher Bericht zum Status Quo, zur Evaluation sowie zu wichtigen Aspekten von vorhanden Maßnahmen, Leitbildern und Handlungsstrategien der staatlichen Kulturinstitutionen Bayerns ist unerlässlich.
1 Bericht des Bayerischen Rundfunks vom 23. März 2025 „Bayerisches Nationalmuseum: Heft mit antisemitischem Titelbild“ von BR24 Kultur
2 https://www.juedische-allgemeine.de/politik/antisemitismuseklat-im-nationalmuseum-minister-reagiert/
3 vgl Ausschussprotokoll der 22. WK-Sitzung, LP 19, 27.11.2024
4 ebd.
5 https://www.sueddeutsche.de/kultur/bayerisches-nationalmuseum-broschuere-skandal-antisemitismus-li.3223804
6 https://www.sueddeutsche.de/muenchen/restitution-von-raubkunst-muenchen-silberobjekte-bayerisches-nationalmuseum-li.3228769






























