Schon lange steht im Haus der Kunst nicht die Kunst im Zentrum. Das Haus benötigt dringend eine öffentliche Debatte über seine Bedeutung für Bayern und München als international sichtbare Kultureinrichtung. Der anstehende Umbau, die Leitungssuche und die geplanten Massenentlassungen stellen uns vor die gemeinsame Herausforderung, Lösungen für die bestehenden strukturellen Probleme zu finden.
1. Die Krise im Haus der Kunst ist institutionell, nicht künstlerisch
Das Haus der Kunst befindet sich in der größten Krise seiner jüngeren Geschichte. Der Zustand des Hauses ist einzig und allein strukturell, nicht aber inhaltlich oder gar programmatisch bedingt. Im Gegenteil: Alle künstlerischen Erfolge der Vergangenheit waren trotz der strukturellen Unterfinanzierung dank des engagierten Teams möglich. Nach einjähriger Vakanz der künstlerischen Direktion des Hauses bedarf die Kulturpolitik der bayerischen Staatsregierung der kritischenKommentierung. Dabei steht die Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder ebenso zur Debatte wie auch die strukturelle Organisation des Hauses.
- Vertrauen wiederherstellen: Vorwürfen der intransparenten, autokratischen und illiberalen Entscheidungsfindung durch regelmäßige Information und Transparenz begegnen!
- Auf die beauftragten externen Berater*innen hören –es mangelt nicht an Expertise, es fehlt der Wille zur Umsetzung!
2. Das fragile Konstrukt der öffentlich-privaten Partnerschaft „Stiftung Haus der Kunst“ ist gescheitert
Das seit seiner Gründung 1992 fragile und nur dünn ausgestattete Konstrukt “Stiftung Haus der Kunst gGmbH” ist gescheitert. Hohe Aufwendungen, die nicht dem direkten Zweck der „Förderung von Kunst und Kultur“ dienen, sowie der Rückzug privater Sponsoren lassen die strukturelle Unterfinanzierung des Hauses offen zu Tage treten. §6 II der Satzung unterstreicht, dass der Gegenstand des Unterneh-mens „Förderung von Kunst und Kultur“ nur erreicht wird, wenn sich (private) Gesell-schafter finden, die als Mäzen wirken. Aus diesem Grund legt das Unternehmens-konstrukt größten Wert auf den Bestandteil „Stiftung“ des Firmennamens. Die gGmbH hängt am Tropf der zu wiederkehrenden „Stiftungen“ bereiten Gesellschafter. Aktuell herrscht ein Zustand geteilter Verantwortungslosigkeit: Der Freistaat wartet auf private Sponsoren, diese wiederum warten auf das Engagement des Freistaats.
- Die Staatsregierung muss ihrer Verantwortung gerecht werden. Die Krise endlich mutig angehen, statt weiter auf Zeit spielen!
- Die Frage der Rechtsform muss auf die Tagesordnung
3. Die Identität des Hauses definiert sich konzeptionell
Die Entwicklung neuer Formate ästhetischer und kultureller Reflexion helfen uns, globale Transformationsprozesse zu verstehen. In einem Prestigebau der Nationalsozialisten loten wir so die Bedeutung unserer Geschichte und Kultur als Gesellschaft in einer sich rasant verändernden Weltgemeinschaft aus. Ohne eigenständige Sammlung unterscheidet sich das Haus der Kunst von klassischen Museen, die sich durch ihre Sammlungen definieren. Die erfolgreiche Entwicklung seit den 90er Jahren beruht auf der kontinuierlichen Arbeit an der konzeptionellen Programmatik des Hauses. Es ist deswegen entscheidend,wie inhaltlich profiliert und präzise im Haus gearbeitet werden kann.
- Die Öffentlichkeit muss über die Leitungssuche auf dem Laufenden gehalten werden. Eine neue Künstlerische Leitung ist schnellstmöglich zu finden!
- Krisen der Vergangenheit bewältigt man durch Aufklärung und Informationdes Personals, nicht durch Massenentlassungenvon 2/3 der Belegschaft!
4. Das Haus der Kunst muss unabhängig arbeiten können
Es beschämt, wenn diese Institution Gefahr läuft, bedeutungslos oder seiner eigenen Geschichte nicht gerecht zu werden. Es ist notwendig, dass für das Haus der Zustand einer dauerhaften Planungssicherheit hergestellt wird, um die konzeptionelle Arbeit unabhängig von Marktmechanismen, Freundeskreisen oder wirtschaftlicher Leistungskraft von Sponsoren zu gewährleisten. Umfassende Arbeitsfähigkeit des Hauses wurde immer wieder allein durch das Geschick Einzelner hergestellt. Gerade in Hinblick auf den Umbau des Hauses ist es zentral, nicht auf Einnahmen aus Vermietung und Verpachtungfern der Förderung von Kunst und Kultur angewiesen zu sein. Im Haus der Kunst muss die Kunst im Zentrum stehen.
- Das Haus muss dauerhaft mit solidem Etat ausgestattet werden!
- Die künstlerische Leitung darf nicht durch eine “Geschäftsordnung für die Geschäftsführung” gegängelt werden!
5. Ein unabhängiges Haus der Kunst ist für Gesellschaft und Geldgeber*innen attraktiv
Private Stifter*innen werden von erfolgreichen Kulturinstitutionen angezogen. Es gilt: Wer viel hat, dem wird viel gegeben. Anders sieht es hingegen bei einer kriselnden Institution aus: niemand mag ein angeschlagenes und führungslos trudelndes marodes Schiff. Es ist erfreulich und bei der verfehlten Kulturpolitik der Staatsregierung leider auch bitter nötig, dass sich private Sponsor*innen für Kunst und Kultur in Bayern engagieren. Für die konzeptionelle Arbeit im Haus der Kunst ist es jedoch zentral, dass das öffentliche Interesse sowie der konzeptionelle Markenkerndes Hauses bewahrt bleibt.
- Attraktivität des Hauses durch zeitgemäße Räumlichkeit,Technik & qualifiziertes, ausreichendes und angemessen bezahltes Personal stärken!
- Kosten nicht bei für Betriebwichtigen Posten einsparen, sondern durch längst überfällige Einführung der Staatshaftung in Bayern!
6. Es darf keine Abhängigkeit von privaten Förder*innen entstehen
Die intransparente Entscheidung um die Ausstellungsabsagen von Joan Jonas und Adrian Piper war ein kulturpolitischer Super-GAU. Sie hat eine Schneise der Verwüstung hinterlassen, die verdiente Mitarbeiter*innen, internationale Partner*innen und renommierte Künstler*innen vor den Kopf gestoßen hat. Was folgte waren Ergebnisse von Männerfreundschaften – die Hintergründe der Kooperation zwischen dem Haus der Kunst und der Galerie Michael Werner sind bis heute diffus. Es ist beschämend, dass die Staatsregierung den Wunsch nach Vertraulichkeit bei Informationen zu Eigentumsverhältnissen an Leihgaben höher schätzt, als den transparenten Umgang mit Steuergeldern.
- Das HdK darf nicht zur Wertsteigerung von Privateigentum genutzt werden!
- Besitzverhältnisse von Leihgaben sind transparent zu machen,anstatt zu verschleiern!
7. Der Künstlerverbund im Haus der Kunst e.V. muss besser in die Strukturen des Hauses eingebunden werden
Die Geschichte des Künstlerverbunds im Haus der Kunst beruht auf den Prämissen der Selbstorganisation, der Partizipation und des weltweiten Kulturtransfers. In der Vergangenheit wurde der Künstlerverbund sukzessive seiner Rechte beschnitten. Er ist Gesellschafter der Stiftung, wird aber nicht als solcher behandelt. Es gilt, die Position der im Haus ansässigen bayerischen Künstler*innen zu stärken. Sie bieten dem Haus die herausragende Möglichkeit, den Austausch zwischen Künstler*innen in Bayern mit der internationalen Kunstwelt zu forcieren. Dies ermöglicht einen für alle Seiten gewinnbringenden Kulturaustausch, der sich sowohl in Ausstellungen als auch in individuellen Beziehungen manifestiert.
- Die Position der im Haus ansässigen bayerischen Künstler*innen muss von der Staatsregierung gestärkt werden: Büro! Hauptamtliche! Entschädigungen für Ehrenamtliche!
- DenKünstlerverbund als Gesellschafter ernst nehmen: unabhängige rechtliche Prüfung der mit dem Künstlerverbund geschlossenen Verträge und Verdienstausfall-Entschädigung für die Aufsichtsratsvertretung des Künstlerverbundes!
8. Das Museum muss mit der Sanierung in den Stadtraum integriert werden
Das Haus der Kunst hat Zukunft als Institution, die sich programmatisch und künstlerisch mit den umfassenden Veränderungsprozessen der Gegenwart auseinandersetzt. Dabei bietet der Umbau des Hauses die Chance, neuzu definieren, was eine Kunstinstitution und was Wissensformen leisten können. Der Umbau des Westflügels sowie die von Enwezor mit dem Architekten Chipperfield konzipierte Multifunktionsbühne setzen hier die institutionelle Entwicklung des Hauses fort. Nach jahrelanger Ignoranz und verfehlter Kulturpolitik geschuldetem Investitionsstau tut eine Sanierung von Baukörper und Technik Not. Zentraler Maßstab des geplanten Umbaus, und somit der zukünftigen Integration des Hausesin die bauliche Struktur der StadtMünchen, ist das Bewusstsein für die Geschichte des Gebäudes.
- Die Stadtgesellschaft muss in die Umbaupläne eingebunden werden!
- Personal, dass die neuen Möglichkeiten bespielt, muss mitgedacht werden!
9. Das Haus der Kunst ist ein zentraler Bausteinbayerischer Kulturpolitik
Als renommiertes Haus auf dem Gebiet der internationalen Gegenwartskunst stellt das Haus der Kunst einen zentralen Baustein in der bayerischen Kulturpolitik dar. Wie kaum eine andere Kulturinstitution in Bayern steht das Haus im Fokus der internationalen Öffentlichkeit. Es ermöglicht, die Auseinandersetzung der bayerischen Gesellschaft mit seiner wechselhaften Geschichte weit über die Landesgrenzen hinaus sichtbar zu machen. Es ist im Interesse des Freistaat Bayerns, die mit dem Haus der Kunst verbundene Erfolgsgeschichte fortzusetzen.
- Die Staatsregierung braucht ein Gesamtkonzept, welches Ziel sie mit dem Engagement für das Hauses verbindet!
- Als Zentrum für internationale Gegenwartskunst darf das Haus nicht unter der Konzeptlosigkeit der Staatsregierung für gegenwärtige, post-koloniale und feministische Kunst leiden!
10. Die Krise als Chance –Künstler*innen an die Macht
Seit über einem Jahr ist das Haus auf dem künstlerischen Auge blind. Dabei bietet die Krise die Chance, an die erfolgreiche Nachkriegszeit imHaus der Kunst anzuknüpfen. Unter dem kaufmännischen Gründungsdirektor Peter A. Ade genossen die im Haus ansässigen Künstler*innen umfassende Autonomie und Mitspracherechte. Künstler*innen, Betroffene und Expert*innen in eigener Sache, waren die künstlerische Leitung. Man vertraute ihnen. Die institutionelle Krise bietet die einmalige Gelegenheit, die Rechte und die Rolle der Künstler*innen im Haus der Kunst zu stärken.
- In der Zeit der künstlerischen Vakanz soll der Künstlerverbund wie in der erfolgreichenNachkriegszeit in die Geschäftsführung des Hauses aufgenommen werden!
- Ein Impuls mit Signalwirkung aus München: Stärkung von Künstlergruppen weltweit