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Quo vadis, Konzerthaus?

Markus Söder in Person begann, die Debatte um den bereits vor einer kleinen Ewigkeit beschlossenen Bau des Konzerthauses München neu zu entfachen. Eine „Machbarkeitsstudie“ müsse her, verkündete er auf der Januar-Klausur 2020. Noch ganz ohne Corona im Nacken brachte er so alte, sicher geglaubte Beschlüsse ins Wanken: Kommt der Bau? Kommt er nicht? Was passiert mit dem kostbaren Grundstück bis zu dem Tag, an dem die CSU sich entschieden hat und die FW die CSU-Idee abnicken? Und wieviel kostet das Zaudern die Steuerzahler*innen? – Wir Landtags-Grünen erwarten klare Ansagen!

Am Aschermittwoch ist alles vorbei?!

Der Politische Aschermittwoch der CSU 2021. Markus Söder im Studio inmitten von Eiche rustikal und Franz-Josef-Strauß-Devotionalien mit einer Prise Star Trek. Austeilen muss man bei so einem Termin, eh klar. Aber auch die Volksseele streicheln, soviel hat der aktuelle Ministerpräsident gelernt. Sanftheit zählt! Was taugt zu Tränen?! Die Kunst! Die hat schon mehrfach das Herz von Markus Söder zum Bluten gebracht, warum nicht auch zum Aschermittwoch noch mal Gas geben?!

So kam es nach wiederholten fluffig-vagen Beteuerungen des stets wandlungsfähigen Ministerpräsidenten zum Bau, nach inbrünstigsten Statements, wie wichtig das Konzerthaus sei – mal wieder zur Volte: „Bei der Kultur werden wir den Schwerpunkt in die Menschen, die Künstlerinnen und Künstler setzen und weniger in Steine und Bauten“1. Da schrillten bei manch einem Konzerthausfan alle Alarmglocken. Zumal das „Zwillingsprojekt“ Konzerthaus Nürnberg bereits sang- und klanglos eingestampft worden war.

Volte der CSU

Doch Söder ist nicht allein – die gesamte CSU gibt sich wandlungsfähig: Der Vorsitzende des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst, Robert Brannekämper, versicherte einst, das „Konzerthaus im Werksviertel findet große Unterstützung“ – jetzt eiert er herum und meint, man müsse die „Zeitschiene im Auge behalten“2. Obwohl er genau weiß, dass Haushaltsmittel zurück in den Staatshaushalt fließen und dann für bayerische Autobahnen oder die Glückwunschkarten-Abteilung von Markus Söder verprasst werden, schiebt er nach: „Wir sollten lieber in Menschen investieren statt in Stahl, Beton und Glas.“3 – nachzulesen hier.

Wenn dann auch noch Josef Zellmeier, CSU-Abgeordneter und Vorsitzender des mächtigen Haushaltsausschusses, von „auf die lange Bank schieben“4 spricht und der Presse mitteilt, das Konzerthaus München sei kein Projekt, zu dem aktuell eine Entscheidung getroffen werden müsse. – Autsch. Denn wir zahlen ja seit einer ganzen Weile schon recht kräftig für das Bauloch ohne Perspektive. Wenn die Staatsregierung nicht mehr zu dem Projekt steht, oder wenn sie vielleicht, irgendwann in 10 Jahren wieder zu dem Projekt steht, dann muss jetzt ein Konzept zur Alternativnutzung oder Zwischennutzung für die Fläche gefunden werden, denn wir zahlen täglich Geld für die Baulücke am Münchner Ostbahnhof!

Aktueller Grüner Antrag fordert Klarheit über Baubeginn – und bei Aufschub Zwischennutzungskonzept und Perspektive für das BRSO

Jährlich fließt immerhin eine mittlere sechsstellige Summe, auch heuer stand im Haushalt wieder eine Million Euro für das Konzerthaus aus Luft. Wir Landtags-Grüne haben darum einen Antrag gestellt: Man möge sich bitte entscheiden, wie man denn wann bauen will. Und wenn man, wie angedeutet, lieber nicht planmäßig mit Bauen beginnen will: Dann möge man dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks BRSO, das sehnlichst auf eine Heimat wartet, den Steuerzahler*innen, den Kulturschaffenden, der Musikhochschule und alle Kunstinteressierten in Bayern bitte mittteilen, wie lange man zu warten gedenkt und wie man das Filetstückchen von Fläche denn in der Zwischenzeit nutzen möchte – wenn man schon dafür zahlt.

Der Witz ist: Mit Corona hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun! Kostenexplosionen waren dem aktuellen Ministerpräsidenten bereits im Winter 2019/2020 bekannt. Ein Blick zurück:

Chronologie eines Verschleppungsmanövers

Das Drama hat einen langen Vorlauf: Rund 15 Jahre waren ins Land gegangen, bis die Entscheidung für das neue Münchner Konzerthaus in trockenen Tüchern war. 15 Jahre! Ein kultureller Super-Super-Leuchtturm, der auf Weltniveau spielt, sollte es in den Augen der damaligen Staatsregierung werden – drunter macht man es nicht. Zumal Horst Seehofer persönlich es sich doch so wünschte, das Konzerthaus! Doch so ein Super-Super-Leuchtturm kostet. Nur wie viel genau? Belastbare aktuelle Zahlen? Und wer soll den Bau in welcher Form nutzen können?

Konzept?! Bei diesem Reizwort werden die Lippen der Verantwortlichen in der CSU-FW-Staatsregierung ganz schnell schmal. Auch über die Kosten redet man nicht so gerne: 370 Millionen EUR standen seit 2016 im Raum.

„Machbarkeitsstudie“ zu Konzerthaus deutlich vor Corona-Pandemie von Söder gefordert

Mit der Notwendigkeit einer „Machbarkeitsstudie“ verkündete Markus Söder dann auf der CSU-Winterklausur auch, es werde wohl deutlich teurer5 – ohne aber konkret zu werden. Zudem schlug unser baumumarmender Ministerpräsident bei der Gelegenheit auch noch vor, beim Innenausbau möglichst viel Holz zu nehmen. Dass der Vorschlag zur Verwendung von Holz schon 2016 (!) im Kabinett von Helmut Brunner (CSU – StM Landwirtschaft und Forsten) und Ludwig Spaenle (CSU – StM Kunst) beraten worden war, jedoch nie weiterverfolgt wurde, sei nur als Anekdote am Rande erwähnt. – Ja! Auch olle Kamellen sind für Marketing gut – das jedenfalls kann man von Markus Söder wunderbar lernen!

Was ist tatsächlich machbar beim Konzerthaus?

Kaum war die Verkündung des aktuellen Ministerpräsidenten im Januar abgedruckt, hakten wir Grünen nach und wollten mit einem Berichtsantrag wissen, was denn jetzt der Plan sei und was genau man von einer Machbarkeitsstudie zu erwarten habe. Der Bericht im Landtag am 27. Mai 2020 brachte leider keine Aufklärung, die wesentlichen Fragen nach Zeitplan, Nutzungskonzept, künstlerischem Gesamtkonzept und vor allem: Gesamtkosten – nach wie vor offen.

Ein mittlerer sechsstelliger Betrag landet jährlich in der noch nicht ausgehobenen Kiesgrube

Immerhin erfuhren wir, dass bis zu dem Zeitpunkt bereits rund 8 Millionen EUR geflossen waren. Millionenbeträge und kein einziger Stein bewegt! Jahr für Jahr wird nun eine mittlere sechsstellige Summe im Baustellenkies verklappt. Plus PR Kosten und „Planungskosten“. Auch heuer steht wieder eine Million im Haushalt – für nichts.

Die mittlere sechsstellige Summe – ja… die fällt im Rahmen des Erbbauvertrags zwischen dem Freistaat Bayern und dem Eigentümer des Grundstücks an – und zwar auf Dauer. Immerhin kann Bayern nach rund einem halben Jahrhundert theoretisch aussteigen. Das macht dann an Kosten für vielleicht nichts… ui, der Taschenrechner glüht. Genau: eine ganze Menge Geld, dafür, dass bisher nicht wirklich was passiert ist. Und ich betone noch mal: Mit Corona hat das nichts zu tun.

Was jetzt?

Die Machbarkeitsstudie, die man noch vor der Sommerpause 2020 abgeschlossen haben wollte, lässt weiter auf sich warten. Die Verzögerungstaktik scheint wohl selbst den Regierungsfraktionen peinlich zu sein. Faul will man nicht sein, nein, man engagiert sich total und arbeitet viel für die Kultur! Darum haben CSU und FW „schon“ am 30. September 2020 einen eigenen Bericht zum Stand der Planungen nachgeschoben.

Schluss mit Wenn, Aber und Vielleicht!

Bislang letzter Akt des Dramas: Am 24. Februar haben wir Grüne im Bayerischen Landtag einen weiteren Antrag eingebracht, um endlich eine Entscheidung herbeizuführen

  • entweder in Form eines Bekenntnisses, auf Basis transparenter Informationen und belastbarer Zahlen
  • oder aber, bei Aufschub und weiterer Bauverzögerung, ein tragfähiges Zwischennutzungskonzept
  • oder gar, bei Abkehr vom Projekt, solide, langfristige Alternativen für die Kultur in Bayern, die Musikhochschule und ein Spitzenorchester wie das BRSO.

Denn eine so wertvolle Fläche vergammeln und leerstehen zu lassen, ein so hochkarätiges Orchester aus der Presse Zweifel erfahren zu lassen, während sich drumherum die Konzertsäle in München fruchtbar und im Zeit- und Kostenplan vermehren – das geht nicht. „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ – das gilt auch im Umgang mit Menschen: Dass man der Öffentlichkeit vorgaukelt, arme Kulturschaffende mit gesparten Mitteln aus Kulturbauten zu retten, ist schlicht eine Lüge. 1 Milliarde für die Autobahnen Bayerns im Pandemiejahr verraten, wo Haushaltsmittel dieser Regierung in Wahrheit hinfließen.

Noch vor der Sommerpause soll es angeblich Neuigkeiten geben. Man darf gespannt sein.



1 Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 21. Februar 2021
2 Quelle: AZ vom 13. Februar 2021
3 ebd.
4 Quelle: Bauwelt 3/2021
5 Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 15. Januar 2020