NS-Raubkunst, Kulturgüter und Human Remains aus kolonialen Kontexten und Objekte mit ungeklärter Provenienz aus der DDR-Zeit Lagern in unseren Depots, sind in unseren Museen ausgestellt oder in der Hand von Stiftungen oder Privatpersonen. All diese Objekte ungeklärter Provenienz haben eins gemein: Unter Zwang, Druck und oft Gewalt wurde rechtmäßiger Besitz den Besitzenden weggenommen. Die Objekte luden sich mit dem Raub auf mit Scham, Schande und Schuld.

Geraubt, gestohlen, geplündert, weit unter Wert „abgekauft“ – oder auch schon mal Sterbenden vom Hals gerissen und aus Wohnungen geholt, die verwaist waren, weil die Familie die dort wohnte ermordet worden war. Könnten Gegenstände sprechen und würden uns ihre Geschichte beim Betrachten immer wieder ins Ohr wispern, sicherlich hätten wir sämtliche Herausforderungen im Kontext von Provenienzforschung und Restitution im Schatten der uns täglich vor Augen geführten Schrecken längst gelöst.

Sie sind aber leider sehr leise, die Objekte. Wir müssen uns anstrengen, sie zu hören. Müssen umsichtig und vorsichtig und immer wieder an sie heran treten, um zu verstehen. Weil das Zeit kostet, die wir oft nicht haben, und Ressourcen braucht, die wir oft nicht bekommen, müssen wir uns um Hilfe bemühen:

Da draußen in der Welt sind Menschen, die das Zuhören verinnerlicht haben. Menschen, die sie Sprache der Objekte verstehen wie eine Mutter ihr Kind. Menschen, die Teile der Geschichten kennen und gemeinsam mit anderen in einer vernetzten Welt helfen können, Geheimnisse zu lüften, Licht ins Dunkel ungeklärter Provenienz zu bringen und den Dialog über Restitution so anstoßen können.

Darum ist es wichtig, Objekte zu digitalisieren und öffentlich zugänglich zu machen, wo Provenienz nicht geklärt ist.

Restituierte Objekte sind übrigens nicht „weg“. Sie existieren weiter und leben neu. Lösungen können neben Rückgabe zum Beispiel Rückkauf, Dauerleihverträge oder Tausch beinhalten. Wenn Objekte weiter an ihren angestammten Plätzen, z.B. in der Ausstellungen verbleiben, sollte ein Hinweis auf die Provenienz und das Schicksal von Objekt und vormaligen Eigentümer*innen die Präsentation komplementieren.

Den Weg der NS-Raubkunst zur Restitution zeigt seit 1998 die „Washingtoner Erklärung“ (Washington Principles on Nazi-Confiscated Art, „Washington Conference Principles on Nazi-Confiscated Art“ bzw. „Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“). In Deutschland ist wichtigster Akteur das „Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te“ https://www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/Start/Index.html

Weiter gegangen wurde der Weg in Deutschland beim Thema NS-Raubkunst mit der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes insbesondere aus jüdischem Besitz“. https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1999/1999_12_09-Auffindung-Rueckgabe-Kulturgutes.pdf

Zuletzt 2019 wurde in der BRD dazu eine Handreichung publiziert, die „als rechtlich nicht verbindliche Orientierungshilfe zur Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung gedacht“ ist und „sich an Verantwortliche für den Umgang mit Kulturgütern in öffentlicher und privater Hand wie auch an mit der Provenienzforschung befasste Personen“ wendet. (Quelle: https://www.kulturgutverluste.de/Content/08_Downloads/DE/Grundlagen/Handreichung/Handreichung.pdf?__blob=publicationFile)

Der Name der Handreichung ist „Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999, Neufassung 2019“.

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NS-Raubkunst: Best Practices

Was sind die Best Practices für die Washington Principles?

Zum 25-jährigen Jubiläum der Washington Principles wurden im Jahre 2024 sogenannte Best Practices entwickelt, die die praktische Umsetzung der Prinzipien verbessern sollen. Die Best Practices sind rechtlich nicht bindend, aber von großer moralischer Bedeutung und wurden unter Berücksichtigung unterschiedlicher nationaler Rechtssysteme formuliert, so dass jedes Land sie gemäß seinen eigenen Gesetzen anwendet.

Wichtig zu wissen ist, dass die Best Practices die Washington Principles nicht erweitern – sie sind laut Bundesregierung vielmehr Empfehlungen, die die in 25 Jahren gesammelten Erfahrungen mit der Umsetzung der Washingtoner Prinzipien seit 1998 zusammenfassen.1

Die Best Practices in originaler englischer Fassung finden Sie hier.

Washingtoner Konferenz und Prinzipien

Die Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust im Dezember 1998 stellte einen Wendepunkt in der Aufarbeitung des NS-Kulturgutraubs dar. Auf dieser Konferenz wurde die „Washingtoner Erklärung“ mit den konkreten Washington Principles verabschiedet, die den Grundstein für die systematische Provenienzforschung legten und die Rückgabe von NS-Raubkunst an die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben fördern.

Mehr zu den Washington Principles finden Sie hier.


  1. vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marc Jongen, Martin Erwin Renner, Dr. Götz Frömming, Beatrix von Storch und der Fraktion der AfD – Drucksache 20/10886 –, Drucksache 20/11072, 12.04.2024. https://dserver.bundestag.de/btd/20/110/2011072.pdf ↩︎

NS-Raubkunst: Handreichung

Was ist die Handreichung zu den Washington Principles?

Mit der „Gemeinsamen Erklärung“ von Dezember 1999 verpflichteten sich Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände zur Umsetzung der Washingtoner Erklärung und ihrer Prinzipien. Die Handreichung dient als nicht-verbindliche Orientierungshilfe für die praktische Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung. Sie richtet sich vor allem an Verantwortliche in öffentlichen und privaten Kultureinrichtungen sowie an Provenienzforscher und Provenienzforscherinnen. Darüber hinaus bietet sie auch Interessierten einen umfassenden Überblick über die Aufarbeitung des NS-Kulturgutraubs und weiterführende Informationen zur Umsetzung der Washingtoner Prinzipien.

Die 2019 neugefasste Handreichung soll insbesondere Hintergrundwissen über die politischen Aspekte der Aufarbeitung des NS-Kulturgutraubs vermitteln, die Wichtigkeit des Themas darstellen und diejenigen, die sich bisher weniger mit dem Thema befasst haben, an die Themen Raubkunst, Provenienz und Restitution heranführen.

Die gesamte Handreichung finden Sie hier.

Washingtoner Konferenz und Prinzipien

Die Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust im Dezember 1998 stellte einen Wendepunkt in der Aufarbeitung des NS-Kulturgutraubs dar. Auf dieser Konferenz wurde die „Washingtoner Erklärung“ mit den konkreten Washington Principles verabschiedet, die den Grundstein für die systematische Provenienzforschung legten und die Rückgabe von NS-Raubkunst an die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben fördern.

Mehr zu den Washington Principles finden Sie hier.

NS-Raubkunst: Washington Conference Principles

Was sind die Washington Conference und ihre Principles?

Im Dezember 1998 wurde auf der „Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust“ die „Washingtoner Erklärung“ verabschiedet. An der Konferenz nahmen 44 Staaten, zwölf nichtstaatliche Organisationen, darunter insbesondere jüdische Opferverbände, sowie der Vatikan teil. Die Erklärung bestand aus elf Leitsätzen, in denen sich die Unterzeichner verpflichteten, Kunstwerke, die während der NS-Zeit beschlagnahmt wurden, zu identifizieren und die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben zu finden. Zwar sind die Washington Principles rechtlich nicht bindend – jedoch eine ethisch und moralisch verpflichtende Übereinkunft, faire und gerechte Lösungen für NS-Raubkunst zu finden.

Die Washington Principles in deutscher Version finden Sie hier.
Und hier können Sie die Washington Principles im englischsprachigen Original nachlesen.

Handreichung

Neben den Washington Principles existiert auch noch die sogenannte Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS- verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999. Mehr zur Handreichung – der Orientierungshilfe zur Umsetzung der Principles – finden Sie hier.

Best Practices

Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Washingtoner Prinzipien wurden zudem sogenannte „Best Practices“ entwickelt, die die praktische Umsetzung der Prinzipien verbessern sollen. Mehr zu den Best Practices erfahren Sie hier.

Raubkunst_Süddeutsche Zeitung_Restitution_Sanne Kurz_Grüne Fraktion_Landtag_Bayern

Bayerischer Raubkunst-Skandal – das schreibt die Presse

Wie die Süddeutsche Zeitung Mitte Februar enthüllt hat, täuscht die Staatsregierung offenbar seit Jahren die Nachkommen von zumeist Jüdinnen und Juden, die in der NS-Zeit vom Nazi-Regime beraubt wurden. An die 200 Werke in Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sind laut Presseberichten gesichert als Raubkunst eingestuft – dennoch gab es von Seiten der Staatsregierung bisher keinerlei ernstzunehmenden Versuche, diese Werke den Erbinnen und Erben der rechtmäßigen Besitzerinnen und Besitzer zurückzugeben.

Die Bayerische Staatsregierung hat sich zu den Washingtoner Prinzipien, die das Regelwerk für die Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Raubgut sind, bekannt – die derzeitigen Handlungen der Staatsregierung und des Staatsministers für Wissenschaft und Kunst, Markus Blume, stehen jedoch entgegen den Prinzipien.

Hier ein Überblick über die Presseartikel mit Informationen zum Raubkunst-Skandal in Bayern:

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Dringlichkeitsantrag „Geraubt, verschwiegen, verzögert – CSU-FW-Staatsregierung muss ihrer Verantwortung für NS-Raubkunst in den staatlichen Sammlungen endlich gerecht werden!“

Der Landtag wolle beschließen:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, unverzüglich die Rückgabe von NS-Raubgut, insbesondere aus jüdischem Besitz, in die Wege zu leiten. Dazu werden sofort alle Punkte der Washingtoner Prinzipien umgesetzt:

  1. Die Staatsregierung kommt umgehend ihrer Verantwortung nach, macht die Nachkommen der NS-verfolgten ehemaligen Eigentümerinnen und Eigentümer ausfindig und nimmt mit diesen Kontakt auf, um zügig zu “faire und gerechte Lösungen” für die geraubten Kunstwerke im Sinne der Washingtoner Prinzipien zu finden,
  2. Unverzügliche Einwilligung zur Anrufung der Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz in allen bereits laufenden Fällen, damit bis zur Arbeitsaufnahme des Schiedsgerichts NS-Raubkunst keine weitere Verzögerung der Rückgabe entsteht.

Begründung:

Nach einer Recherche der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Donnerstag, 20. Februar 20251, verfügen die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen seit 2020 über eine interne Liste, auf der über 200 Kunstwerke eindeutig als NS-Raubkunst klassifiziert und weitere 800 als Raubkunstverdachtsfälle gekennzeichnet sind. Die Veröffentlichungen der SZ belegen, dass die CSU-FW-Staatsregierung Informationen zurückgehalten und damit die Nachkommen von Personen, die vom NS-Regime verfolgt wurden, wissentlich getäuscht und belogen hat. Hinweise mehrerer Opfer- und Hinterbliebenen-Anwälte weisen ebenso wie Aussagen der Commission for Looted Art in Europe darauf hin, dass diese Vorgänge dem Ministerium seit zum Teil deutlich mehr als zehn Jahren bekannt sind.

Es ist nicht nur die moralische Verpflichtung der Staatsregierung, die Vorkommnisse aufzuarbeiten und die Restitution strittiger Werke sofort einzuleiten. Die Söder-Regierung hat sich laut den Washingtoner Prinzipien und der Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz verpflichtet, alle Informationen zu Werken mit fragwürdiger Provenienz unverzüglich offenzulegen, Nachfahren proaktiv ausfindig zu machen sowie “faire und gerechte Lösungen” für eine Rückgabe zu finden.
Die Veröffentlichungen der SZ stellen diese Selbstverpflichtung als Lüge dar. Der Minister selbst betonte am Dienstag, 25.02.25 “Wir stehen als Bayerische Staatsregierung uneingeschränkt zu unserer historischen Verantwortung, der Wiedergutmachung von erlittenem NS-Unrecht und den Washingtoner Prinzipien.”2 Dabei muss es auch um Rückgabe NS- verfolgungsbedingt entzog enen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz gehen. Dies verpflichtet den Freistaat,

1. aktiv auch unabhängige Restitutionsforschung zu betreiben,

2. Ergebnisse und Zwischenergebnisse stets umgehend zu veröffentlichen, sobald die Provenienz eines Kunstwerks nicht zweifelsfrei geklärt ist, und

3. die Erbinnen und Erben der beraubten Personen zu ermitteln, um eine “faire und gerechte Lösung” herbeizuführen.

Auch die Punkte 2. und 3 müssen von der Söder-Regierung nun unverzüglich angegangen werden.
Der Versuch der Staatsregierung, die Verantwortung für Versagen und Vertuschung auf die Direktion der Staatsgemäldesammlungen abzuwälzen, ist untragbar. Die Direktion ist vom Ministerium lediglich beauftragt, Restitutionsforschung zu betreiben – die endgültige Bewertung obliegt jedoch dem Ministerium. Es ist genau diese Bewertung, die fehlt. Auch dort, wo die Generaldirektion die Restitution empfohlen hat, ist nichts passiert. Daher liegt es auch in der Verantwortung von Kunstminister Blume, für Transparenz und Gerechtigkeit zu sorgen und die Veröffentlichung sowie die Restitutionsmaßnahmen umgehend in die Wege zu leiten. Die Opfer-Familien und Hinterbliebenen tragen über Generationen das Leid ihrer Vorfahren im Herzen. Viele sind hochbetagt und wissen nicht, ob sie den Tag noch erleben, an dem sich Bayern in Fragen zu NS-Raubgut, insbesondere aus jüdischem Besitz, bewegt. Es ist an uns, hier und heute zu handeln und Handeln einzufordern. Weiteres Zögern oder der Verweis auf mögliche zukünftige Verfahren ist in dieser Situation nicht akzeptabel.


1 Süddeutsche Zeitung vom Donnerstag, 20. Februar 2025 – Titelseite
2 Pressemitteilung „Mehr Transparenz und Tempo bei Provenienzforschung und Restitution“ des Bayerischen Staatministeriums für Wissenschaft und Kunst am Montag, 25.Januar 2025

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Antrag „Bayern trägt Verantwortung! – Transparenz und Digitalisierung in der Provenienzforschung vorantreiben“

Der Landtag wolle beschließen:


Die Staatsregierung wird aufgefordert, ihre Bemühungen um die Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut und Aufklärung von Herkünften zu verstärken und die folgenden Maßnahmen umzusetzen:

  1. Staatliche Förderungen zur Provenienzforschung sollen nur gewährt werden, wenn Ergebnisse und auch die Zwischenstände des jeweiligen Forschungsvorhabens regelmäßig veröffentlicht und an Lost Art gemeldet werden. Die staatlich geförderte Forschung muss bestehende Kenntnislücken aufzeigen. Zudem sollen alle in staatlicher oder staatlich geförderter Provenienzforschung gewonnenen Informationen, einschließlich identifizierter Kunstwerke und erzielter Restitutionen, digital und zentral veröffentlicht werden.
  2. Bei der Eintragung in die Lost-Art Datenbank des Bundes ist insbesondere darauf zu achten, dass auch die „Dealer Records“ digitalisiert und veröffentlicht werden.
  3. Bayerische Institutionen mit Publikumsverkehr sind aufzufordern, Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung über die Provenienz der jeweiligen Werke zu informieren.
  4. Öffentliche und private Sammlungen sollten aufgefordert werden, ihre Bestände lückenlos digitalisiert zu veröffentlichen.

Begründung:

Im März 2024 wurde im Rahmen des kulturpolitischen Spitzengesprächs eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um die gemeinsame Verantwortung für die Umsetzung der „Washingtoner Prinzipien“, einer klaren internationalen Vereinbarung zur Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, hinter dem auch Bayern und die Bundesrepublik stehen, voranzutreiben. Die Einrichtung einer Schiedsgerichtsbarkeit wurde mit Beschluss vom 9. Oktober in die Wege geleitet. Diesen Beschlüssen müssen nun Taten folgen. Kultur ist Ländersache. Auch die Staatsregierung ist in der Pflicht, wirkungsvolle Maßnahmen in ihrem eigenen Wirkungskreis zur Klärung von Besitzverhältnissen und Restitution – späte Gerechtigkeit für die Hinterbliebenen und ihre Familien – zu ergreifen.

Um Restitutionsansprüche geltend zu machen, müssen die Nachkommen der Betroffenen im ersten Schritt die derzeitigen Kunst- und Kulturgut Bewahrenden der entzogenen Kulturgüter ausfindig machen. Dabei ist es unerlässlich, dass Details zu fraglichen Kunstwerken öffentlich und online zugänglich sind, auch tiefergehende wissenschaftliche Recherchen müssen für eine breite Öffentlichkeit einsehbar sein – vor allem, wenn sie von der öffentlichen Hand finanziert werden. Oft wissen internationale Stellen wie Lost Art aber nicht mal, dass Forschungen stattfanden, obwohl hier auch in Bayern viele Steuermittel verausgabt werden. Es liegt in der Verantwortung der Staatsregierung, die Digitalisierung der eigenen Sammlungsbestände inklusive vertiefter Daten wie der
„Dealer Records“ und vor allem die umfassende Veröffentlichung in der Lost Art-Datenbank zu ermöglichen und alle vorhandenen Informationen zu fragwürdigen Objekten zu veröffentlichen.
Die Restitution von Kunstwerken, die ihren eigentlichen Besitzerinnen und Besitzern aufgrund der Verfolgung durch die Nationalsozialisten entzogen wurden, ist ein essenzieller Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland. Heutzutage sehen wir eine zunehmende Normalisierung von Antisemitismus und antisemitischen Erzählungen, auch nehmen Anfeindungen und Bedrohungen von Jüdinnen und Juden in Deutschland und auch in Bayern zu. Um dieser gefährlichen Entwicklung glaubwürdig und effektiv entgegenzutreten, ist es unerlässlich, historische Unrechtmäßigkeiten konsequent anzuerkennen, aufzuarbeiten und diesen Diskurs auch in die Gesellschaft zu tragen. Unrecht kann nicht ungeschehen gemacht werden, aber die Staatsregierung kann mit konsequentem Handeln dazu beitragen, Unrecht in Zukunft zu verhindern.

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„Kleine Anfrage“ – AzP „Provenienzforschung III – Zuständigkeit des Schiedsgerichts“

Ich frage die Staatsregierung:

Ich frage die Staatsregierung, ob das in Frankfurt ansässige Schiedsgericht nach Kenntnis der Staatsregierung zur Klärung strittiger NS-Raubgut Fälle auch für solche Fälle zuständig sein wird, in denen Kulturgut nicht direkt von öffentlichen Stellen der NS-Diktatur geraubt wurde, sondern im Verdacht steht, nach 1938 unter Zwang – auch wirtschaftlichen Zwang – respektive in einer Notlage im Exil abgegeben oder veräußert worden zu sein, selbst wenn die Verkäufe im Ausland nach einer Flucht stattgefunden haben, falls Maßnahmen und Abläufe des Schiedsgerichts heute noch nicht definiert sind, wann werden Nachfahren von Kunsthändlerinnen und Kunsthändlern Klarheit erlangen über die Zuständigkeit und Verfahrensweise des Gerichts, insbesondere in Bezug auf Verkäufe, die unter Not im Ausland stattgefunden haben, wie bewertet die Staatsregierung die Kritik von Opferverbänden, insbesondere die verfolgter jüdischer Kunsthändler, nach der Einführung der Schiedsgerichtsbarkeit mit schlechteren Restitutionsaussichten rechnen zu müssen?

Hier geht’s zur Antwort:

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„Kleine Anfrage“ – AzP „Provenienzforschung II – Stehendes Angebot“

Meine Kollegin Julia Post fragt die Staatsregierung:

Wie will die Staatsregierung mit Blick auf die zukünftig einseitig mögliche Anrufbarkeit einer Schiedsgerichtsbarkeit für strittige Fällen von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz, deren Errichtung von Bund und Ländern bei einem Spitzengespräch im Frühjahr 2024 beschlossen wurde und die ab 2025 faire und vor allem rechtssichere Lösungen finden soll, die kommunalen Spitzenverbände in Bayern dabei unterstützen zu erreichen, dass alle öffentlichen Einrichtungen, die Kulturgut bewahren – also auch die, die in kommunaler bzw. bezirklicher Verantwortung liegen und somit alle öffentlich-rechtlich verfassten Träger der in Rede stehenden Institutionen -, gegenüber der Allgemeinheit („ad incertas personas“) eine Willenserklärung abgeben, mit jeder Anspruch stellenden Person in das vorgesehene Schiedsverfahren zu gehen und sich dabei auf Dauer zu binden („stehendes Angebot“) und somit eine Schiedsgerichtbarkeit erst praktisch möglich zu machen, will die Staatsregierung dadurch, dass Förderrichtlinien des Freistaats zukünftig eine Zeichnung des stehenden Angebots – also eine dauerhafte Willenserklärung – verbindlich machen, erreichen, dass sich auch weitere, z.B. private und/oder öffentlich geförderte Akteurinnen und Akteure, die Kulturgut bewahren, sich dieser Willenserklärung und dauerhaften Bindung anschließen, welche Unterstützungsleistungen soll es von Seiten des Freistaats für Kommunen, Bezirke und/oder gemeinnützige freie bzw. öffentlich geförderte Kulturinstitutionen, Stiftungen etc. geben, um der Verantwortung, die der Freistaat Bayern in Bezug auf die NS-Vergangenheit hat, gerecht zu werden und vor allem in diesen Zeiten knapper Kassen die Kosten, die sowohl in Bezug auf die Schiedsverfahren wie auch in Bezug auf die Schiedsergebnisse u.a. auf Kommunen und gemeinnützigen freien Kulturinstitutionen etc. zukommen?

Hier geht’s zur Antwort:

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„Kleine Anfrage“ – AzP „Provenienzforschung I – Werden Zwischenergebnisse auf LostArt gemeldet?“

Meine Kollegin Stephanie Schuhknecht fragt die Staatsregierung:

Wurden bisher Zwischenergebnisse zur Klärung von Werken mit unbekannter Provenienz auf LostArt veröffentlicht (wenn ja bitte die konkreten Werke benennen, wenn nein, bitte begründen warum Zwischenergebnisse nicht öffentlich zugänglich gemacht werden), bei welchen Werken beziehungsweise bei welchen Bemühungen der Provenienzforschung erfolgte bislang keine Veröffentlichung von Zwischenergebnissen und welche Vorgaben existieren für die Veröffentlichung von Zwischenergebnissen (Bitte mit Angabe, ob es Werke gibt, bei denen die Veröffentlichung von Zwischenergebnissen bereits verpflichtend ist)?

Hier geht’s zur Antwort:

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„Kleine Anfrage“ – AzP „Staatsregierung als Vorbild für private Einrichtungen in Restitutionsfragen?“

Ich frage die Staatsregierung:

Wie will die Staatsregierung, mit Blick auf die zukünftig mögliche einseitige Anrufbarkeit einer Schiedsgerichtsbarkeit für strittige Fällen von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz, deren Errichtung von Bund und Ländern bei einem Spitzengespräch im Frühjahr 2024 beschlossen wurde, und die ab 2025 faire und vor allem rechtssichere Lösungen finden soll, die kommunalen Spitzenverbände dabei unterstützen, zu erreichen, dass alle öffentlichen Einrichtungen, die Kulturgut bewahren – also auch die, die kommunaler bzw. bezirklicher Verantwortung liegen und somit alle öffentlich-rechtlich verfassten Träger der in Rede stehenden Institutionen – gegenüber der Allgemeinheit („ad incertas personas“) eine Willenserklärung abgeben, mit jeder Anspruch stellenden Person in das vorgesehene Schiedsverfahren zu gehen und sich dabei auf Dauer zu binden („stehendes Angebot“) und somit eine Schiedsgerichtbarkeit erst praktisch möglich zu machen, will die Staatsregierung dadurch, dass Förderrichtlinien des Freistaats zukünftig eine Zeichnung des stehenden Angebots – also eine dauerhafte Willenserklärung – verbindlich machen, erreichen, dass sich auch weitere, z.B. private und/oder öffentlich geförderte Akteurinnen und Akteure, die Kulturgut bewahren, sich dieser Willenserklärung und dauerhaften Bindung anschließen, welche Unterstützungsleistungen soll es von Seiten des Freistaats für Kommunen und/oder gemeinnützige freie beziehungsweise öffentlich geförderte Kulturinstitutionen geben, um der Verantwortung, die der Freistaat Bayern in Bezug auf die NS-Vergangenheit hat, gerecht zu werden und vor allem in diesen Zeiten knapper Kassen die Kosten, die sowohl in Bezug auf die Schiedsverfahren wie auch in Bezug auf die Schiedsergebnisse auf die Kommunen und gemeinnützigen freien Kulturinstitutionen zukommen?

Hier geht’s zur Antwort:

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Antrag „Bayern trägt Verantwortung! – Unabhängige Anlaufstelle für Nachkommen der Opfer von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut schaffen“

Der Landtag wolle beschließen:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, eine zentrale, institutionsübergreifende, unabhängige Beratungsstelle zur Klärung von Provenienzansprüchen zu schaffen, an die sich Privatpersonen wenden können, die Unterstützung und Hilfestellungen benötigen, um ihre Ansprüche rechtlich geltend zu machen.

Aufgabe dieser Stelle soll, wie bereits in den Washingtoner Prinzipien gefordert, die Beratung von Nachkommen mutmaßlicher Opfer von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, die proaktive Vernetzung der betroffenen Personen mit den relevanten Stellen in Bayern1 und die wissenschaftlich unabhängige Begleitung dieser Fälle sein. Zu den Aufgaben dieser Stelle gehören auch das Erarbeiten einvernehmlicher Lösungen sowie die Begleitung von Fällen vor dem Schiedsgericht in Frankfurt am Main, das im kommenden Jahr seine Arbeit aufnehmen wird.

Bei der Besetzung der Anlaufstelle sollte neben fachlicher und wissenschaftlicher Kompetenz auch die Einbindung von Sachverständigen mit jüdischem Hintergrund sowie Nachfahren von Opfern der NS-Verfolgung berücksichtigt werden.

Begründung:

Im März 2024 wurden im Rahmen eines kulturpolitischen Spitzengesprächs von Bund und Ländern Maßnahmen beschlossen, um die Umsetzung der Washingtoner Prinzipien zur Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut voranzutreiben. Bayern und die Bundesrepublik stehen geschlossen hinter dieser internationalen Vereinbarung von 1998. Im vergangenen Oktober wurden die kommenden Schritte von Bund und Ländern konkretisiert und die Einrichtung einer Schiedsgerichtsbarkeit gemeinsam auf den Weg gebracht. Alleine damit ist es nicht getan. Bayern muss seiner Verantwortung gerecht werden und die nötige Hilfestellung für Betroffene und deren Nachkommen leisten, damit – wenn auch spät – endlich Gerechtigkeit für die Hinterbliebenen gewährleistet wird,

Die Nachkommen der Opfer leben meist nicht in Deutschland, haben oft weder Kenntnisse in deutscher Sprache noch in bayerischen Verwaltungsstrukturen. Dies baut bei der Suche nach verschollenem Kulturgut ebenso wie bei einer etwaigen der Durchsetzung von Rechten, wo keine einvernehmlichen Lösungen gefunden werden, sprachliche, rechtliche und menschliche Hürden auf. Im Land der Täter ist es an der Zeit, die moralische Verpflichtung aus der Vergangenheit anzunehmen, und die Opfer und Hinterbliebenen endlich vollumfänglich zu würdigen, ihrem Suchen nach Eigentum, ihren Fragen zu mutmaßlich geraubten Kulturgütern endlich mit Wertschätzung zu begegnen. Eine zentrale Anlaufstelle, die Betroffene berät und begleitet, sie im bundesrepublikanischen Bürokratie-Dschungel an die Hand nimmt und innerhalb Bayerns Leitlicht ist, ist
notwendig, um diesen Hindernissen entgegenzuwirken. Bayern wäre damit bundesweit Leuchtturm und Vorbild und würde ein Zeichen setzen im verantwortungsvollen Umgang mit den Opfern, den Angehörigen und den Hinterbliebenen der Greueltaten der NS-Diktatur – endlich auch beim Thema NS-Raubgut.

Ein Beispiel für die Dringlichkeit dieser Maßnahmen zeigt der Fall der Familie Bernheimer, die von einem bayerischen Museum hörte, dass die Beweislast bei ihnen liege, obwohl das Museum in die Enteignung („Arisierung“) und den Kunstraub involviert war. Solche Vorkommnisse dürfen sich nicht wiederholen.

Die „Monuments Men“, eine Gruppe von 345 Männern und Frauen, konnte nach dem Krieg mit sehr begrenzten Mitteln in kurzer Zeit mehr als fünf Millionen Einzelstücke an unrechtmäßig entzogenem Kulturgut identifizieren und restituieren. Diese Leistung zeigt, dass auch heute entschlossenes Handeln möglich ist, wo ein Wille besteht.

Die Restitution von Kunstwerken, die ihren rechtmäßigen Besitzerinnen und Besitzern durch die Nationalsozialisten entzogen wurden, ist ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Angesichts der zunehmenden Normalisierung von Antisemitismus in Deutschland und Bayern ist es unerlässlich, historische Unrechtmäßigkeiten konsequent aufzuarbeiten und diesen Diskurs in die Gesellschaft zu tragen.

Eine unabhängige Institution sollte Zugang zu allen relevanten Archiven erhalten und eine zentrale Schnittstelle für alle innerhalb von Institutionen bereits erfolgreich an Provenienzen Forschenden sein. Die Einrichtung zentraler Kontaktstellen, zuletzt vom US Department of State2 gefordert und von der Bundesregierung unterstützt, muss zügig umgesetzt werden.


1 Archive, Bezirke, Kommunen, Institutionen, Forschungsstellen sowie Ansprechpersonen innerhalb vorgenannter Institutionen
2 https://www.state.gov/washington-conference-principles-on-nazi-confiscated-art/

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„Kleine Anfrage“ – AzP „Verzögerung bei der Bearbeitung des Restitutionsersuchens im Fall Alfred Flechtheim“

Vor dem Hintergrund, dass Bayerns Kunstminister Markus Blume öffentlich die Bedeutung der Rückgabe von NS-Raubkunst betont, jedoch laut Süddeutsche Zeitung den Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim – trotz schwerer Krankheit und Kinderlosigkeit des um Restitution bittenden – die Rückgabe von bedeutenden Kunstwerken – darunter Werken von Picasso und Klee – durch das Verschieben auf eine erst in Laufe des Jahres 2025 einzurichten geplante Schiedsgerichtsbarkeit hinauszögert, frage ich die Staatsregierung:

Wie erklärt die Staatsregierung die bisherige Verzögerung bei der Bearbeitung des Restitutionsersuchens, (bitte mit Angabe der seit Juni 2022 ergriffen Maßnahmen, um die Restitution der Flechtheim-Werke zu beschleunigen), wie bewertet die Staatsregierung die Konsequenzen, die sich aus dieser Verzögerung für die bereits hochbetagten Erben ergeben könnten, plant sie, angesichts der ethischen und historischen Verantwortung Bayerns und der Kulturhoheit der Länder, Maßnahmen, wie zB die Nutzung bereits bestehender Schlichtungsverfahren und Claim-Bearbeitungswege, wie die bereits bestehende und von den Ländern selbst eingerichtete Beratende Kommission NS-Raubgut, zu ergreifen, um die Restitution beschleunigt zu ermöglichen (falls nein, bitte mit Angabe der Gründe, die Restitution von Flechtheim-Kunstwerken auf eine erst ab 2025 geplante Schiedsgerichtsbarkeit zu verschieben und nicht – wie international durch die Washingtoner Prinzipien empfohlen – in einem zeitnahen Verfahren)?

Hier geht’s zur Antwort:

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Schriftliche Anfrage „Stellenplan Provenienzforschung“

Provenienzforschung ist Daueraufgabe. Dies zeigt sich auch an der stetig wachsenden Zahl an Institutionen, die dem Forschungsverbund Provenienzforschung angehören oder ein Interesse an einer Mitarbeit angemeldet haben.1 Neben NS- und Kolonialbezügen wird auch die Provenienzforschung zu Objekten mit DDR/SBZ-Hintergrund in Zukunft weiter im Fokus bleiben.2 Die in Zukunft neu bekannt gewordenen Bezüge,
Besitzverhältnisse und Geschichten hinter den Objekten dienen nicht nur der Vergangenheitsbewältigung – sie bereichern die Rezeption. Neben den internationalen Vereinbarungen, die die Bundesrepublik zu Provenienz und Restitution unterzeichnet hat, neben dem ethischen Gebot der Provenienzforschung, unserer Verantwortung gegenüber den Familien, Erbinnen, Erben und Erbengemeinschaften, aber auch gegenüber den Herkunftsgesellschaften und den Verbänden, die Personen und Gruppen vertreten, denen Kunst- und Kulturgüter geraubt wurden, gibt es also auch einen Bildungsauftrag. Provenienzforschung schafft späte Gerechtigkeit, aber auch neue Zugänge zu Kunst und Kultur. Um die staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen in Bayern bei der Daueraufgabe Provenienzforschung zu den im Besitz der Institutionen befindlichen Objekten zu unterstützen, müssen dauerhaft umfassende personelle Ressourcen bereitgestellt werden. Für eine Planungssicherheit, die freies Forschen ermöglicht, sind daher langfristig bereitgestellte Mittel notwendig, die nicht an kurzlebige Projektgelder und Drittmittel gebunden sind.

Antwort der Staatsregierung:

Vorbemerkung: Die Erforschung der Provenienz von Kunst- und Kulturobjekten ist für die staatlichen Museen und Sammlungen sowie die Staatsbibliothek ein beständiger und in seiner Bedeutung kaum zu überschätzender Bestandteil ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Ein Objekt ohne Provenienz ist ein Objekt ohne Geschichte und damit ein Objekt, über das wesentliche und zu seinem Verständnis erforderliche Informationen fehlen. Bei Objekten, in deren Provenienzkette ein NS-verfolgungsbedingter Entzug im Raum steht, kommt eine weitere Dimension und eine besondere moralische Verpflichtung hinzu, historisches Unrecht aufzuklären und wiedergutzumachen: Entsprechend der Washingtoner Erklärung von 1998 und der Gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz, von 1999 (Gemeinsame Erklärung), hat sich der Freistaat Bayern verpflichtet, in seinem Besitz befindliches Kulturgut auf NS-verfolgungsbedingten Entzug hin zu überprüfen, die jeweils geschädigten Personen bzw. deren Erben zu ermitteln und in jedem Einzelfall gerechte und faire Lösungen im Sinne der Grundsätze zu finden.

Zur Stärkung der Provenienzforschung in Bayern wurde bereits 2015 auf Initiative des damaligen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst der Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern gegründet. Der Verbund dient der Vernetzung und dem Austausch der staatlichen Archive, Bibliotheken, Museen und Forschungsinstitute, die sich mit der Forschung zu verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern befassen. Die Mitglieder des Forschungsverbundes veröffentlichen die Ergebnisse ihrer Arbeit u. a. in einem jährlich erscheinenden Tätigkeitsbericht, der auch online verfügbar ist (www.provenienzforschungsverbund-bayern.de).

Für die nichtstaatlichen Museen ist zudem die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen ein wichtiger Ansprechpartner, der Unterstützung bei der Provenienzforschung leistet.

1.1 Wie viele Vollzeitäquivalente gibt es an den staatlichen Museen, staatlichen Wissenschaftseinrichtungen sowie Stiftungen staatlicher Institutionen für die Aufgabe der Provenienzforschung (bitte mit Auflistung des Stellenumfangs und der Eingruppierung)?

Da Provenienz ein zentraler Bestandteil jeder Objektgeschichte ist, ist Provenienzforschung untrennbar mit wissenschaftlicher Arbeit am Objekt verbunden. Die Provenienzforschung gehört anteilig zu den Aufgaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im wissenschaftlichen Bereich, im Rahmen der Bestandserschließung und Erwerbung sowie in der Dokumentation.

Eine genaue Bestimmung des Zeitanteils, der auf Provenienzforschung verwendet wird, ist daher meist nicht möglich, wenn die Stellen nicht ausschließlich der Provenienzforschung dienen. Ausschließlich der Provenienzforschung widmen sich folgende Stellen: Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verfügen über drei Stellen mit Schwerpunkt im Bereich der Provenienzforschung, darunter die Leitung der Provenienzforschung, die nach Besoldungsgruppe A 14 besoldet ist. Weiter gibt es eine volle Stelle für eine wissenschaftliche Mitarbeit, die zu 100 Prozent Provenienzforschung betreibt (Tarifver-
trag für den öffentlichen Dienst der Länder [TV-L] E 13). Überdies besteht eine halbe Stelle für eine Mitarbeit der Provenienzforschung (TV-L E 10).

An der Staatlichen Graphischen Sammlung ist eine Vollzeitstelle (TV-L E 13) vorhanden.

Die Provenienzforschung am Museum Fünf Kontinente konzentriert sich derzeit vor allem auf Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Hierfür wurde zum 31. Januar 2023 eine Stelle (TV-L E 13) besetzt.

Im Zentralinstitut für Kunstgeschichte bestehen im Stellenplan und somit im Bereich des festen Stammpersonals keine explizit ausgewiesenen Stellen mit Aufgaben im Bereich der Provenienzforschung. Durchschnittlich befassen sich jedoch etwa 0,5 Vollzeitäquivalente (VZÄ) mit einer Eingruppierung nach TV-L E 14 regelmäßig wiederkehrend mit entsprechenden Fragestellungen.

Zusätzlich gibt es derzeit 1,4 VZÄ mit einer Eingruppierung nach TV-L E 13 im Bereich des drittmittelfinanzierten, befristeten Projektpersonals.

In der Bayerischen Staatsbibliothek belief sich die für NS-Raubgut-Forschung eingesetzte, unbefristete Eigenleistung seit 2003 auf ein halbes Vollzeitäquivalent zunächst nach E 13, dann nach E 15. Die Aufgaben sind gegenwärtig auf mehrere Personen verteilt, die sie neben ihren anderen Funktionen wahrnehmen. Am 1. November 2021 wurde für die Provenienzforschung zu möglichen kolonialen Sammlungskontexten befristet für vier Jahre eine wissenschaftliche Mitarbeit (TV-L E 13) mit der Hälfte der Regelarbeitszeit eines entsprechenden Vollzeitbeschäftigten eingestellt.

1.2 Wie viele Vollzeitäquivalente gibt es derzeit an der Landesstelle für nichtstaatliche Museen (bitte mit Angabe etwaiger Befristung)?

Es gibt ein Vollzeitäquivalent, das derzeit zu jeweils 50 Prozent Teilzeit mit zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern besetzt ist (entfristet seit dem 15. Februar 2024 und seit dem 1. März 2024).

1.3 Wie hoch schätzt die Staatsregierung den Bedarf an Personal für Provenienzforschung an der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in den kommenden zwei, fünf und zehn Jahren?

Den Bedarf an Provenienzforschung und die genaue Themensetzung in der Provenienzforschung legen die nichtstaatlichen Museen in eigener Zuständigkeit anlassbezogen fest, da sie in der täglichen Arbeit mit den Objekten und deren Historie befasst sind. Von dem Bedarf an Provenienzforschung in den nichtstaatlichen Museen zu unterscheiden ist der Beratungsbedarf der Museen an der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen.
Darüber hinaus hängt der Personalbedarf von den Aufgaben der Provenienzforschung, mit denen die Landesstelle für nichtstaatliche Museen befasst ist, ab. Ob in den kommenden Jahren weitere Aufgaben hinzukommen werden, die zusätzlichen Personalbedarf mit sich bringen, lässt sich nicht prognostizieren. Die Staatsregierung wird die Entwicklung begleiten.

2.1 Welche der unter den Fragen 1.1 bis 1.3 abgefragten Stellen sind derzeit nicht besetzt?

In den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ist die Teilzeitstelle 50 Prozent PF TV-L E 10 ist seit Januar 2024 unbesetzt. Die Ausschreibung erfolgt in Kürze.
In der Bayerischen Staatsbibliothek ist die Stelle zur Provenienzforschung seit 1. April 2024 unbesetzt. Eine noch zu bestimmende Nachfolge wird die Forschungsarbeiten fortsetzen.

2.2 Wie hoch sind die Mittel, abgesehen von den Personalkosten, die für die Forschung an Objekten zur Verfügung stehen (bitte nach Institutionen auflisten)?

Für die Mittel, die bei den staatlichen Museen und Sammlungen für Provenienzforschung ausgegeben werden, gilt das gleiche wie für die Provenienzforschung selbst: Sie sind regelmäßig in den allgemeinen Personal- und Sachkosten enthalten, da die Provenienzforschung fester Bestandteil der allgemeinen wissenschaftlichen Arbeit in den Museen und Sammlungen ist. Die Kosten laufen – jenseits des Personals – über die einzelnen Haushaltstitel und lassen sich einzeln nicht spezifizieren.

2.3 Sind die jeweiligen Stellen an den unter der Frage 1.1 vorgenannten Einrichtungen befristet (wenn ja, bitte mit Begründung und Angabe, bis wann die Stellen befristet sind)?

Die Vollzeitstelle in der Graphischen Sammlung ist befristet. Genehmigt wurde eine halbe Stelle TV-L E 13, Stufe 2 für zwei Jahre. Die Stelle wird durch Mittel des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste zur vollen Stelle ergänzt. Die befristete Stelle ist bislang genehmigt bis Ende Februar 2025, wurde für vier Monate für ein sogenanntes Kurzprojekt, das mit Mitteln des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste gefördert wird,
unterbrochen und verlängert sich dadurch bis Ende Juni 2025.

Im Zentralinstitut für Kunstgeschichte sind im Bereich der Drittmittelprojekte 1,4 Vollzeitäquivalente befristet. 1 Vollzeitäquivalent bis 30. September 2024, 0,4 Vollzeitäquivalente bis 31. Oktober 2025. Die Befristungen entsprechen den bewilligten Beschäftigungsmöglichkeiten in den Drittmittelprojekten.

In der Bayerischen Staatsbibliothek wurde die Stelle zur Erforschung von Kulturgut aus möglichen kolonialen Sammlungskontexten befristet für vier Jahre geschaffen, da die Forschungsarbeiten voraussichtlich Ende 2025 abgeschlossen sein werden.

3.1 Welche Forschungsprojekte aus dem Bereich der staatlichen Provenienzforschung sowie der Landesstelle für nichtstaatliche Museen wurden in den letzten zwei Jahren verlängert?

Am Bayerischen Nationalmuseum hat das Projekt „Erbensuche zu 1938/39 eingezogenen und beschlagnahmten Silberobjekten im Bayerischen Nationalmuseum“ mehrere Verlängerungen erfahren. Der ursprüngliche Förderzeitraum wurde am 2. April 2024 nochmals verlängert bis 31. Oktober 2024.

Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte hat eine Verlängerung für folgende Projekte erreichen können:
– LA36-I2018: „Erschließung und Dokumentation des Archivs der Kunsthandlung
Julius Böhler (München, Luzern, Berlin und New York)“
– LA09-II2020: „Rekonstruktion der privaten Kunstsammlung von Jacques, Emma
und Erwin Rosenthal“
Die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen hat das Forschungsprojekt NS-Erstcheck verlängert um den Zeitraum 15. April 2023 bis 14. Februar 2024.

3.2 Welche Projekte wurden nicht verlängert (bitte begründen)?

In diesem Zeitraum ist lediglich im Museum für Franken ein Projekt nicht verlängert worden. Der ursprüngliche Förderzeitraum wurde auf den 1. April 2018 bis zum 31. März 2020 festgelegt. Es erfolgte danach eine Verlängerung bis zum 25. November 2021 sowie eine letztmalige Verlängerung bis zum 25. Januar 2022.

3.3 Hat der Freistaat Bayern in den vergangenen fünf Jahren weitere, hier nicht genannte Provenienzforschungsprojekte beispielsweise mit Forschungsstipendien oder Drittmittelbeteiligungen gefördert (bitte mit tabellarischer Angabe der geförderten Projekte/Vorhaben)?

Eine Förderung im Sinne einer Projektförderung durch Forschungsstipendien nimmt der Freistaat nicht vor. Drittmittel werben die staatlichen Museen und Sammlungen bei Drittmittelgebern ein; im Bereich der Provenienzforschung ist dies regelmäßig das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste. Die Museen betreiben die Provenienzforschung aus den ihnen zugewiesenen Mitteln ohne eine Pflicht zur Meldung der Projekte oder ihrer Forschungsergebnisse gegenüber dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (StMWK).

4.1 Wie viele von Institutionen unabhängige Stellen werden vom Freistaat anteilig finanziert (bitte mit Angabe des Umfangs in Prozent)?
4.2 Wie viele von Institutionen unabhängige Stellen werden vom Freistaat voll finanziert (bitte mit Angabe des Umfangs in Prozent)?
4.3 Mit welchen Finanzierungspartnern teilt sich die Staatsregierung die Kosten (bitte mit Angabe des von den Finanzierungspartnern geleisteten Anteils in Prozent)?

Die Fragen 4.1 bis 4.3 werden gemeinsam beantwortet.

Von Institutionen unabhängige Stellen bestehen nicht.

5.1 Wie hoch sind in den vergangenen fünf Jahren die für die Digitalisierung von Objekten aufgewandten Mittel ohne Personalkosten (bitte mit tabellarischer Angabe pro Institution)?

Für die Mittel, die bei den staatlichen Museen und Sammlungen für die Digitalisierung ausgegeben werden, gilt das gleiche wie für die Provenienzforschung selbst: Sie sind regelmäßig in den allgemeinen Personal- und Sachkosten enthalten, da die Digitalisierung fester Bestandteil der allgemeinen wissenschaftlichen Arbeit in den Museen und Sammlungen und ein laufender Prozess ist. Die Kosten laufen – jenseits des Personals – über die einzelnen Haushaltstitel und lassen sich einzeln nicht spezifizieren.

Vielfach sind Inventare und Archivalia auch bereits umfassend digitalisiert. Nur punktuell können darüber hinaus spezifische Kosten isoliert benannt werden, die hier beispielhaft aufgeführt werden:

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben für die Digitalisierung der Sammlung Dietmar Siegert (Fotografie 19. Jahrhundert) 50.000 Euro ohne Personalkosten aufgewandt, die sie durch Drittmittel finanziert haben.

Im Bayerischen Nationalmuseum fielen für die Bereitstellung der Datenbank (APS) im Jahr 2021 98.374 Euro, im Jahr 2022 109.391 Euro und im Jahr 2023 43.015 Euro an.

Dem Museum Fünf Kontinente entstehen für die Betreuung der Sammlung Onlinekosten in Höhe von etwa 11.500 Euro pro Jahr.

Das Staatliche Museum für Ägyptische Kunst hat im Durchschnitt der letzten fünf Jahre ca. 25.000 Euro pro Jahr für Digitalisierung aufgewendet. Zuletzt wurden in 2023 ca. 60.000 Euro vorwiegend für Fotografie, 3D-Scans, Digitale Rekonstruktionen usw. eingesetzt. Zusätzlich läuft derzeit das Förderprogramm kultur.digital.strategie mit der Fördersumme von ca. 200.000 Euro auf zwei Jahre.

Das Deutsche Theatermuseum investierte in den letzten Jahren in neue Scanner etwa 40.000 Euro.

Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte hat in den vergangenen fünf Jahren für die Digitalisierung etwa 52.000 Euro aufgewendet. Dies beinhaltet sowohl Digitalisierungsmaßnahmen als auch Hardwarekosten.

5.2 Wie ist der Stand der analogen und digitalen Erfassung, Dokumentation und Zugänglichmachung von Kunst- und Kulturobjekten an staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen in Bayern für institutionalisierte Forschung und private Antragstellerinnen und Antragsteller?

Da die Dokumentation von Sammlungsgut ein wesentlicher Bestandteil der Museumsarbeit ist, sind Museen und Sammlungen gut aufgestellt, wenn es um die Dokumentation ihrer Bestände geht.

Wenn sich im Museumsbestand Verdachtsfälle auf NS-Raubkunst ergeben, werden diese öffentlich gemacht und proaktiv der Kontakt zu Vertretern der rechtmäßigen Eigentümer gesucht, wenn diese zu ermitteln sind. Zudem sind Objekte mit verdächtiger Provenienz über die Lost-Art-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste (DZK) öffentlich abrufbar.

Der gesamte Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (BStGS) ist in handschriftlich geführten Inventaren und daraus abgeleitet in der Museumsdatenbank MuseumPlus RIA erfasst. Die aktuellen und historischen Inventare können nach Voranmeldung durch externe Benutzerinnen und Benutzer zu Forschungszwecken eingesehen werden. Ausgewählte Inventarbände der BStGS mit den Zugängen zwischen 1897 und 1953 sind digitalisiert und auf pinakothek.de einsehbar. Außerdem sind die bis 2003 erschienenen Bestandskataloge der BStGS digitalisiert und auf pinakothek.de de einsehbar. Der aktive Bestand der BStGS ist vollständig in der Onlinesammlung auf pinakothek.de recherchierbar. Die Daten basieren auf den Einträgen in der Museumsdatenbank MuseumPlus RIA, die fortlaufend aktualisiert werden. Sie enthalten neben den Basisinformationen auch Angaben zur Provenienz. Die Angaben zur Provenienz der Objekte, die die BStGS in der NS-Zeit erworben und nach 1945 aus dem enteigneten Vermögen von Funktionären und Organisationen der NSDAP übernommen haben (1 500 Werke von den oben genannten 5 301), sind zudem seit dem 5. September 2022 – ergänzend zu den Veröffentlichungen bei der Lost-Art-Datenbank auf
einer eigenen Datenbank der Staatsgemäldesammlungen – online und damit extern einsehbar. Die Onlinestellung wird kontinuierlich erweitert.

Die Staatliche Graphische Sammlung hat 120 000 Objekte in der Museumsdatenbank gespeichert, davon 70 000 mit Digitalisaten. Online gestellt sind 9 979 Objekte.

Im Bayerischen Nationalmuseum (BNM) erfolgt sei den 1980er-Jahren die Inventarisierung ausschließlich digital. Analoge Altbestände (Zugangsbücher und andere historische Inventare) sind bislang partiell für Provenienzprojekte digitalisiert und aufgearbeitet. Besucher der Abteilung Dokumentation-IT mit berechtigtem Forschungsinteresse können die historische Dokumentation einsehen. Die für die Provenienzforschung zu NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut besonders relevanten BNM-Zugangsbücher der 1930er-Jahre sind über das Portal des Forschungsverbundes Provenienzforschung Bayern öffentlich zugänglich. Besuchern der Abteilung Dokumentation-IT mitberechtigtem Forschungsinteresse stehen das hausinterne Sammlungsmanagementsystem mit 192 291 Objektdatensätzen (Stand: 18. Mai 2024) sowie 2 533 Datensätze zur Ablage der historischen Dokumentation zur Recherche zur Verfügung. 25 981 Datensätze (Stand: 18. Mai 2024) der hausinternen Datenbank sind in der Sammlung online öffentlich recherchierbar. Sofern Ergebnisse der Provenienzforschung vorliegen, werden sie dort angezeigt. Das BNM hat aktuell 662 Fundmeldungen online auf Lost Art veröffentlicht.

Das Museum Fünf Kontinente (MFK) hat 2021 mit der Onlinestellung seiner Sammlungen begonnen. Der Onlinekatalog ist als work in progress angelegt, sodass derzeit 8 411 Objekte und historische Fotografien über die Website des Museums recherchierbar sind. Zudem steht ein Großteil der Inventare des MFK (bis 1959) seit Dezember 2020 online und kann über die Website des Museums eingesehen werden. Basisdaten aller im Staatlichen Museum für Ägyptische Kunst vorhandenen Objekte sind analog und digital vorhanden und können bei entsprechenden Anfragen zur Verfügung gestellt werden. Derzeit wird v. a. im Bereich der digitalen Erschließung der Sammlungsbestände (Förderprogramm kultur.digital.strategie) der Datenbestand konsolidiert und weiter ausgebaut. Ab 2026 werden die Daten sukzessive in einer Onlinedatenbank zur Verfügung gestellt.

Im Deutschen Theatermuseum erfolgte 2016 die Digitalisierung des für die Provenienzforschung relevanten, ältesten erhaltenen, im Zweiten Weltkrieg stark beschädigten, Zugangsbuches des Deutschen Theatermuseums. Das Zugangsbuch dokumentiert Zugänge der Bibliothek und Sammlungen und wurde am 1. April 1936 begonnen. Der späteste Eintrag dieses Buches lautet auf den 31. Mai 1944. Diese nun gezielt durchsuchbaren Digitalisate stehen bei Nachfrage durch Externe im Deutschen Theatermuseum der Öffentlichkeit und für Recherchezwecke zur Verfügung.

Die Tiefe der Erfassung unterscheidet sich je nach Bereich und Beständen, analog ist dies weit fortgeschritten, digital ist bislang vor allem der für Provenienzforschung relevante Teil der Erwerbungen aufgearbeitet.

In der Staatlichen Münzsammlung befinden sich 950 Bücher aus früherem Reichsbesitz. Es handelt sich um Dauerleihgaben der Oberfinanzdirektion München, die der Münzsammlung überstellt wurden, nachdem es dem Central Collecting Point in der Nachkriegszeit nicht möglich war, ihre ursprünglichen Besitzer zu ermitteln. Über den Bestand existieren zwei maschinenschriftliche Listen mit den Titelangaben. Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen in Berlin hat 2016 diesen Bestand dokumentiert und online gestellt.

Die Staatliche Antikensammlung und Glyptothek digitalisieren aktuell ihre Bestände in einem noch laufenden Projekt. Die digitale Datenbank wird zu jedem Objekt eine „digitale Dateikarte“ beinhalten, deren Informationen je nach Zugangsberechtigung für die Datenbank unterschiedlich umfangreich ausfallen. Eine öffentlich zugängliche Onlinedatenbank ist bislang noch nicht geplant. NS-verfolgungsbedingt entzogenes
Kulturgut ist bislang nicht identifiziert worden, was insbesondere mit der Sammlungsgeschichte der Häuser und der Konzentration des NS-Kunstraubs auf andere Arten von Kunstobjekten zusammenhängt.

Das Bayerische Armeemuseum hat aktuell etwa 45 000 Objekte in der museumsinternen Datenbank MuseumPlus erfasst. Alle derzeit bekannten Inventarbücher, Sammlungsbelege, Zugangsbücher etc. sind digitalisiert und stehen Forscherinnen und Forschern nach entsprechender qualifizierter Anfrage offen. Eine öffentliche Sammlungsdatenbank befindet sich über die Plattform MuseumDigital im Aufbau, umfasst Stand 17. Mai 2024 jedoch nur eine kleine Auswahl von 192 Objekten.

Im Museum für Abgüsse sind die Objekte vollständig in einer eigenen Onlinedatenbank erfasst und zugänglich für Forschung und Öffentlichkeit auch für Fragen der Provenienzen. Die erfassten Daten (Digitalisierung) entsprechen den zuvor vorhandenen Daten auf Karteikarten und werden sukzessive inhaltlich erweitert; insbesondere die Durchführung von Forschung an Einzelobjekten ist typischerweise Anlass zur Digitalisierung. Die Digitalisierung mit Foto- und 3D-Dokumentation ist nicht vollständig umgesetzt: ca. 40 Prozent der Objekte sind mit Fotos (auch alten) erfasst, rund 30 Objekte mit 3D-Modellen.

Im Museum für Franken ist die analoge und digitale Erfassung sowie Dokumentation parallel erfolgt. Für die Forschung und private Antragstellerinnen und Antragsteller ist das Archiv nach Absprache einsehbar. Das Museum für Franken bietet die Möglichkeit, anhand von digitalisierten Inventarbüchern und Findbüchern vorab eine Recher-
che durchzuführen.

Der Gesamtbestand der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) ist online erschlossen und weltweit über die Discoverysysteme der BSB recherchierbar. Mit aktuell 4,3 Mio. digitalisierten Werken (von mittelalterlichen Handschriften bis zu bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erschienenen Büchern) besitzt die BSB den mit weitem Abstand größten digitalen Datenbestand aller deutschen Bibliotheken. Die Digitalisate sind für
die Öffentlichkeit kostenfrei zugänglich und stellen so eine herausragende Quelle auch für die Erforschung von Provenienzen dar.

Die Provenienz aller speziell untersuchten Bestände ist im lokalen Katalog der BSB dokumentiert, ein großer Teil der restituierten Bücher wird von der Bibliothek weiterhin als Digitalisat zugänglich gemacht. Die Bestände, bei denen der NS-Raubgutverdacht nicht eindeutig ausgeräumt werden konnte („evtl. NS-Raubgut“ und „NS-Raubgut“), sind auch in der Lost-Art-Datenbank des DZK nachgewiesen. Es handelt sich um insgesamt 911 Einträge (Stand: Dezember 2021). Eine neue Liste mit insgesamt 1 350 Einträgen (auch Handschriften und Musikalien) wurde Mitte Mai 2022 erstellt und wird dem DZK nach Aktualisierung zum Austausch bereitgestellt.

Als außeruniversitäres Forschungsinstitut für Kunstgeschichte verfügt das Zentralinstitut für Kunstgeschichte nicht über Kunst- und Kulturobjekte per se, sondern hält (Forschungs-)Materialien vor, wie Publikationen, Fotografien und Datenbanken, die zur Erforschung von Kunst- und Kulturobjekten dienen bzw. genutzt werden. Die über 700 000 Bände in der Bibliothek sind seit Ende der 1990er-Jahre im OPAC bzw. kubikat online recherchierbar; Teile der rund 900 000 Medieneinheiten in der Photothek sind über www.artsandculture.google.com3 online sowie vollständig vor Ort konsultierbar.

5.3 Wie bewertet die Staatsregierung die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für Familien und Betroffene, die Informationen in Provenienzfragen zu Objekten aus Beständen staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen suchen?

Private können sich an das von Bund und Ländern eingerichtete Deutsche Zentrum Kulturgutverluste (DZK) wenden. Neben dem Betrieb der öffentlich zugänglichen Datenbank „Lost Art“ ist das DZK in der Beratung und Unterstützung von öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie von Einzelpersonen zur Erreichung von fairen und gerechten Lösungen tätig.

Zudem ist die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen im Bereich der Provenienzforschung unmittelbar unterstützend tätig. Eine Mitarbeiterin berät, forscht und unterstützt selbstständig und vor Ort in den jeweiligen Museen und (Haus-)Archiven. Die Sammlungen und Archivalien werden auf einschlägige Verdachtsobjekte überprüft, es wird allgemein zur Sammlungspflege und historischen Aufarbeitung der Sammlung beraten, ein Abschlussbericht erstellt sowie bei der Erstellung von Förderanträgen für eine Zuschussfinanzierung durch das DZK unterstützt. Über diese Maßnahmen werden die Gebietsreferenten auf dem Laufenden gehalten. Sofern durch die Landesstelle ein Bedarf zu langfristiger Provenienzforschung an den jeweiligen Museen festgestellt wird, erfolgt durch die Gebietsreferenten eine Aufstellung der möglichen Fördergelder durch die Landesstelle (10 bis 40 Prozent der Gesamtkosten des Provenienzprojekts).

6.1 Ist geplant, die Mittel für Provenienzforschung in den kommenden Entwürfen zum Haushaltsgesetz der Staatsregierung sowie in den kommenden Entwürfen zu Nachtragshaushalten aufzustocken (bitte Planungen begründen)?
6.2 Ist geplant, befristete Stellen für Provenienzforschung an staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen in Bayern in den kommenden Entwürfen zum Haushaltsgesetz der Staatsregierung sowie in den kommenden Entwürfen zu Nachtragshaushalten zu verstetigen (bitte Planungen begründen)?
6.3 Ist geplant, die Mittel für Personal für Provenienzforschung in den kommenden Entwürfen zum Haushaltsgesetz der Staatsregierung sowie in den kommenden Entwürfen zu Nachtragshaushalten aufzustocken oder Mittel aus den Globaletats der Institutionen zu nehmen (bitte Planungen begründen)?

Die Fragen 6.1 bis 6.3 werden gemeinsam beantwortet.

Ziel ist, auch in künftigen Haushalten Mittel für die Provenienzforschung zu veranschlagen. Die Entscheidung bleibt künftigen Haushaltsverhandlungen sowie dem Landtag als Haushaltsgesetzgeber vorbehalten.

7. Ist geplant, die Etats der betroffenen Institutionen bei Schaffung von Provenienz-Dauerstellen um die Summe, die den Arbeitgeberkosten entspricht, in den kommenden Entwürfen zum Haushaltsgesetz der Staatsregierung sowie in den kommenden Entwürfen zu Nachtragshaushalten zu erhöhen (bitte Planungen begründen)?

Die Schaffung künftiger Stellen bleibt künftigen Haushaltsaufstellungsverfahren vorbehalten.


    1 Vgl. S. 8 Tätigkeitsbericht 2022 des Provenienzforschungsverbunds Bayern.
    2 Vgl. ebd. S. 103 ff.
    3 https://artsandculture.google.com/partner/zentralinstitut-fuer-kunstgeschichte

    Logo Bayerischer Landtag Sanne Kurz Grüne Fraktion Bayerischer Landtag Kultur Film

    „Kleine Anfrage“ – AzP „Schärfung der Washingtoner Prinzipien zum 25. Jubiläum – Position der Staatsregierung“

    Ich frage die Staatsregierung:

    Wird die Staatsregierung ihre Haltung zur Anrufung der Beratenden Kommission NS-Raubgut bzgl. der Zustimmung des Freistaats Bayern zur Anrufung der Kommission im Falle des Gemäldes „Madame Soler“ von Pablo Picasso vor dem Hintergrund der auch von der BRD ratifizierten, strikteren Nachfassung und Schärfung der Washingtoner Prinzipien („BEST PRACTICES FOR THE WASHINGTON CONFERENCE PRINCIPLES ON NAZI-CONFISCATED ART“, veröffentlicht am 5. März 2023), ändern, welche Schlüsse zieht die Staatsregierung explizit aus den in Passus B und C formulierten Definitionen von ‚NS-Raubkunst‘ und der präzisierten Formulierung zur unfreiwilligen Übertragung von Eigentum (B: “ Nazi-confiscated” and “Nazi-looted” refer to what was looted, confiscated, sequestered, and spoliated, by […] through various means including but not limited to theft, coercion, and confiscation, and on grounds of relinquishment, as well as forced sales and sales under duress, during the Holocaust era between 1933-45 – zu Deutsch: „von den Nazis beschlagnahmt“ und „Nazi-Raubgut“ beziehen sich auf das, was von den Nazis […] auf verschiedene Weise geplündert, konfisziert, beschlagnahmt und enteignet wurde, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Diebstahl Zwang, Beschlagnahme und Verzicht sowie Zwangsverkäufe und Verkäufe unter Zwang in der Zeit des Holocaust zwischen 1933-45″ I Passus C: Taking into account the specific historical and legal circumstances in each case, the sale of art and cultural property by a persecuted person during the Holocaust era between 1933-45 can be considered equivalent to an involuntary transfer of property based on the circumstances of the sale – zu Deutsch: „Unter Berücksichtigung der spezifischen historischen und rechtlichen Umstände in jedem einzelnen Fall kann der Verkauf von Kunst- und Kulturgütern durch eine verfolgte Person während der Zeit des Holocausts (1933-45) aufgrund der Umstände des Verkaufs als unfreiwillige Übertragung von Eigentum angesehen werden.“) und wie plant die Staatsregierung diese Schärfung der Washingtoner Prinzipien in der eigenen Arbeit zu Provenienzforschung und Restitution, insbesondere mit Blick auf den Passus H und I (Passus H: Where queries are made […]. Provenance research, particularly regarding potential claims, should be conducted by an independent research body to avoid possible conflicts of interest“ – zu Deutsch: “ Wenn Anfragen gestellt werden […]. Die Provenienzforschung, insbesondere im Hinblick auf mögliche Ansprüche, sollte idealerweise von einer unabhängigen Forschungseinrichtung durchgeführt werden, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden. Eine solche unabhängige Einrichtung sollte Zugang zu allen relevanten Archiven erhalten, unabhängig davon, ob diese öffentlich oder privat sind.“ und I Countries are encouraged to create an independent expert body whose composition may be the states’ responsibility – zu Deutsch „Staaten sollten zentrale Kontaktstellen einrichten,um Informationen, Rat und Hilfe bei allen Fragen zu Kunst, Aufzeichnungen, Archiven und Ansprüchen bereitzustellen, deren Zusammensetzung in den Verantwortlichkeiten der Länder liegen könnte.“) umzusetzen?

    Hier geht’s zur Antwort:

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    „Kleine Anfrage“ – AzP „Umgang mit der neuen Bundesregelung zur einseitigen Anrufung der Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz“

    Ich frage die Staatsregierung,

    ob sie vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Kulturstaatsministerin Claudia Roth für durch Bundesmittel begünstigte Kulturverbände und Projekte sowie für durch Weitergabe von Bundesmitteln an Dritte Begünstigte, beispielsweise durch Kooperationen oder Projektförderungen, mit Jahresbeginn 2024 verbindlich die neue Verpflichtung eingeführt hat, eine einseitige Anrufung der Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz, jeweils umfangreich mitzutragen sowie von der BKM unterstützte Institutionen und Dritte, die von Bundesmitteln profitieren, verpflichtet hat, möglichen Anträgen auf Einschalten der Beratenden Kommission jeweils zuzustimmen, diese Maßnahme begrüßt, ob sie eine ähnliche Verpflichtung für Kultureinrichtungen in Bayern, die Landesmittel erhalten oder in staatlicher Hand sind, vor oder nach den geplanten gemeinsamen Vereinbarungen von Bund und Ländern zur Restitution im Frühjahr 2024, plant und ob die Staatsregierung bei einer ggf ablehnenden Haltung gegenüber einer Selbstverpflichtung zur generellen Zustimmung zur Anrufung der Beratenden Kommission bei bisheriger Begünstigung durch Bundesmittel wie z.B. bei dem Kooperationsprojekt der Staatsgemäldesammlung mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, welches Bundesmittel erhält, in Zukunft dann wegen erhaltenen Bundesmitteln einseitigen Anrufungen zustimmen wird oder fehlende Bundesmittel ersetzen wird?

    Hier geht’s zur Antwort:

    Madame Soler_Picasso_NS_Raubkunst_Sanne Kurz_Grüne_Bayerischer Landtag

    Meine Rede zur Eingabe „Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts“

    Verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrtes Präsidium!

    Verjährung und Rechtsfrieden – das ist nicht das, worum es in dieser Petition geht. Es geht darum, gehört zu werden. 25 Jahre ist es her, dass am 3. Dezember 1998 44 Nationen in Washington zusammenkamen. Sie berieten zum Umgang mit NS-Raubkunst. NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut ist weit mehr als Gemälde, Skulpturen oder Zeichnungen. Zigtausende Bücher, Kunst- und Kulturobjekte wurden oft gezielt geraubt oder geplündert (Robert Brannekämper (CSU): Das ist aber nicht das Thema! Hören Sie doch zu, was der Kollege Bausback gesagt hat!), wobei unterschiedliche NS-Organisationen konkurrierten. Ich will den Hintergrund kurz erklären. – Ich habe zugehört, was der Kollege gesagt hat; im Übrigen habe ich das Wort. – Danke.

    Objekte wurden auch aufgrund von Verfolgungsdruck oder zur Rettung der Objekte weggegeben. Mit privater Erpressung wurden Eigentumswechsel erzwungen, oder es wurden Notverkäufe getätigt, um beispielsweise eine Flucht zu finanzieren. Die Verfolgten der NS-Diktatur verloren dabei nicht nur materielle, sondern auch ideelle Schätze. Wer je ein Kunstwerk oder ein Instrument besessen und geliebt hat, weiß: Trennung fühlt sich oft an wie der Verlust eines Körperteils. Wir, die Personen, die keiner Opfergruppe angehören und nicht verfolgt wurden, profitierten damals oft von dieser grausamen Situation. Wir sollten uns heute in Demut fragen, ob eine Eigentumsübertragung auch ohne NS-Diktatur erfolgt wäre, ob ein Verkauf, auch zu marktüblichen Preisen, ohne die Not von Deportation und Völkermord getätigt worden wäre. Aus heutiger Sicht ist das oft schwer einzuordnen. Niemand, den ich hier im Bayerischen Landtag kenne, hat als erwachsenes Mitglied einer Opfergruppe die Schrecken der NS-Diktatur am eigenen Leib erfahren.

    Ich schildere dies, verehrter Kollege Brannekämper, weil man verstehen muss: Es ist kompliziert mit NS-Raubkunst. Wir stehen in einer tiefen moralischen Verantwortung. Einfache Lösungen zum Nulltarif gibt es nicht. Auch ein Restitutionsgesetz wird viele Fälle nicht lösen, auch diesen nicht. Die Washingtoner Konferenz, die vor 25 Jahren tagte, mündete in einen Beschluss, die Washingtoner Erklärung. Die beschlossenen Prinzipien sollten uns allen eine Richtschnur sein. Ja, es braucht natürlich gesetzliche Regelungen. Es braucht natürlich ein Restitutionsgesetz. Angesichts der vielen Fälle, die sich sehr komplex darstellen – vielleicht zu komplex für Sie, Herr Singer von der AfD –, wird jedoch die Beratende Kommission nicht überflüssig werden. Auch in Zukunft wird sie damit vollauf beschäftigt sein.

    Die Beratende Kommission wurde von Bund und Ländern eingerichtet. Auch Bayern hat unabhängige Sachverständige bestellt. Es sind hochangesehene Persönlichkeiten; man kann auf der Seite nachsehen, wer es ist. Auch das Verfahren ist öffentlich einsehbar. Vorsitzender ist Professor Dr. Hans-Jürgen Papier. Der Anrufung der Kommission müssen immer beide Seiten zustimmen: die Seite, die zum Zeitpunkt der Anrufung über das Kulturgut verfügt – in diesem Fall: der Freistaat Bayern –, und die Seite, die Ansprüche geltend macht, in diesem Fall: die Petentinnen und Petenten. Jetzt wird es spannend; denn da greift die Petition in der Sache von Picassos „Madame Soler“ uns, den Bayerischen Landtag, an. Die einzige Forderung dieser Petition ist, der Freistaat Bayern möge bitte der Anrufung der Kommission zustimmen.

    In sämtlichen anderen Fällen rund um die Kunstsammlungen Paul von Mendelssohn-Bartholdy haben sich für die Werke gütliche Lösungen gefunden. Bayern hingegen zog in den USA vor Gericht – Ergebnis: das Gericht ist nicht zuständig –, reagierte jahrelang nicht auf Anfragen der Erbinnen und Erben und nahm schließlich das Schicksal des Bildes selbst in die Hand, forschte und kam zu dem
    Schluss: Ist gar keine NS-Raubkunst! Es geht aber in dieser Petition weder um Rückgabe oder Ausgleich noch um Verjährung noch um die Frage: Ist es Raubgut – ja oder nein? Es geht lediglich um die Zustimmung des Freistaates zur Anrufung der Beratenden Kommission. Wie man die Nutzung einer Institution, die für genau solche Fälle von einem selbst eingerichtet wurde, verweigern kann, ist mir völlig unerklärlich. Ich glaube, Bayern muss endlich aus seiner Schmollecke herauskommen und für Probleme dieser Art eine Lösung auf Augenhöhe anstreben.

    Die Verfahrensordnung der Kommission sagt ganz klar – ich zitiere –: Eine Befassung der Kommission mit dem Antrag setzt voraus, dass seitens des über das Kulturgut Verfügenden:

    • der verfolgungsbedingte Entzug und
    • die Berechtigung der Antragsteller gemäß der Orientierungshilfe der „Handreichung“ von 2001 in ihrer jeweils geltenden Fassung geprüft wurde …

    Ja, geprüft hat Bayern. Was, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hat Bayern in der Debatte um „Madame Soler“ denn bitte zu verlieren? Ungeschehen machen, was die Verbrechen der NS-Diktatur im kulturellen Leben unseres Landes zerstört haben – das können wir nicht. Dass wir es aber als unsere moralische Pflicht begreifen, Nachkommen und Hinterbliebenen in ihrer Suche nach Gehör und Gerechtigkeit auf Augenhöhe zu begegnen, ist das Mindeste. Momentan scheint das Gemälde, das online in der Ausstellung nicht mehr zu sehen ist, für die Öffentlichkeit verloren zu sein. Wann und wie man es wieder hervorzaubern will, steht in den Sternen.

    Es ist unsere moralische Verpflichtung, gemeinsam Lösungen zu finden. In Bayern – für unsere Kinder – wollen wir Werke hinterlassen, die Geschichte mit einer guten Wendung zu Ende erzählen. Bitte gehen Sie in sich und nutzen Sie diese historische Chance! Das müssen Sie tun. Schließen Sie sich dem Ausschussvotum nicht an! Erklären Sie die Eingabe nicht gemäß § 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung für erledigt!

    Madame Soler_Picasso_NS_Raubkunst_Sanne Kurz_Grüne_Bayerischer Landtag

    Picassos „Madame Soler“: eine Frage der Verantwortung

    Picassos „Madame Soler“ sorgt seit bald 15 Jahren für Streit. Besser gesagt: der Umgang der jeweils CSU-geführten Staatsregierung mit den Erbinnen und Erben des jüdischen Kunstsammlers Paul von Mendelssohn-Bartholdy, in dessen Besitz sich das Gemälde einst befand, dieses Verhalten sorgt für Streit. Die sture, rückwärtsgewandte und beharrliche Weigerung der CSU, der Anrufung einer vom Freistaat selbst mit eingerichteten, explizit für solche Streitfälle installierten, unabhängigen Sachverständigen-Kommission zuzustimmen, ist absolut inakzeptabel und beschämend.

    25 Jahre ist es her, dass am 3 Dezember 1998 44 Nationen und etliche NGOs in Washington zusammenkamen. Sie berieten zum Umgang mit NS-Raubkunst. NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut, das sind weit mehr als „nur“ Gemälde, Skulpturen oder Zeichnungen. Zig Tausende Bücher, Kunst und Kulturobjekte wurden oft gezielt geraubt und geplündert, wobei unterschiedliche NS-Organisationen konkurrierten.

    Wer Vorfahren hat, die in der damaligen Zeit im damaligen Deutschland lebten, weiß, dass mannigfach auch Objekte erzwungenermaßen oder zur Rettung der Objekte weggegeben wurden, Eigentumswechsel erzwungen oder Notverkäufe getätigt wurden. Die Verfolgten der NS-Diktatur verloren dabei nicht nur materielle, sondern auch ideelle Schätze. Wer je ein Kunstwerk oder ein Instrument besessen hat, weiß: Trennung fühlt sich oft an wie der Verlust einer Gliedmaße.

    Wir, die Personen, die keiner Opfergruppe angehören, wir, die wir nicht verfolgt wurden, wir profitierten allzu oft von dieser untragbaren Situation. Ja, auch dort, wo ein Erwerb zu damals handelsüblichen Marktpreisen beispielsweise einer Familie die finanziellen Mittel zur Flucht verschaffte, auch dort ist doch ein Kauf nicht ebenbürtig auf Augenhöhe erfolgt, war das „ja, ich will verkaufen“ eines, was ohne Verfolgung und Schrecken der NS-Diktatur nicht gesagt worden wäre.

    Ich schildere dies, weil man verstehen muss: Es ist kompliziert, mit dieser NS-Raubkunst. Einfache Lösungen zum Nulltarif gibt es nicht.

    Die vor 25 Jahren tagende Washingtoner Konferenz mündete in einem Beschluss: den Washington Principles on Nazi-Confiscated Art, zu Deutsch Washingtoner Erklärung. Die beschlossenen Prinzipien sollten uns allen Richtschnur und Kompass sein. Ja, es braucht gesetzliche Regelungen und ein Restitutionsgesetz. Mit den vielen, vielen Fällen, die sich komplex darstellen, wird jedoch der „Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz“, oft auch „Limbach-Kommission“ genannt, die Arbeit nicht ausgehen.

    Die Beratende Kommission NS-Raubgut

    Diese Kommission wurde von Bund und Ländern fünf Jahre nach der Washingtoner Erklärung eingerichtet. Auch Bayern wirkte maßgeblich an ihrer Einsetzung mit. Die von Bayern mit bestellten unabhängigen Sachverständigen sind hochangesehene Persönlichkeiten. Ihre Namen sind ebenso wie das Verfahren öffentlich einsehbar. Vorsitzender ist Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier.

    Einer Anrufung der Kommission müssen immer beide Seiten zustimmen: die Seite, die zum Zeitpunkt der Anrufung über das Kulturgut verfügt, und die Seite, die Ansprüche geltend macht. Hier wird es spannend, denn hier greift die Petition in der Sache Picassos „Madame Soler“ an den Bayerischen Landtag.

    Forderung der Petition zu Picassos „Madame Soler“: Bayern möge bitte der Anrufung der Beratenden Kommission NS-Raubgut zustimmen

    Mit ihren Restitutionsansprüchen hinsichtlich Picassos „Madame Soler“ laufen die Erbinnen und Erben in Bayern gegen eine Wand. In sämtlichen anderen Fällen aus dem gleichen Vorgang rund um die Kunst-Sammlung von Paul von Mendelssohn-Bartholdy haben sich rund um die Werke gute, gütliche Lösungen gefunden. Bayern zog hingegen in den USA vor Gericht (Ergebnis: das Gericht ist nicht zuständig), Bayern reagierte zum Teil jahrelang nicht auf Anfragen der Erbinnen und Erben, Bayern nahm sein Schicksal letztlich selbst in die Hand und kam zu dem Schluss: Ist gar keine NS-Raubkunst!

    Ja, das kann sein. Aber es geht in der aktuellen Petition gar nicht um Rückgabe oder Ausgleich, sondern lediglich um die Anrufung der Beratenden Kommission NS-Raubgut! Wie man die Nutzung einer Institution verweigern kann, die man für genau solche Fälle selbst eingerichtet hat – das ist mir völlig unerklärlich.

    Bayern muss aus seiner Schmollecke endlich herauskommen und eine Lösung von Problemen auf Augenhöhe angehen!

    Wir Landtags-Grüne haben die Petition unterstützt und für eine Berücksichtigung gestimmt. Leider wurden wir überstimmt. Seither habe ich Briefe geschrieben, auch an Markus Söder und Markus Blume, mit Looted Art in der Sache diskutiert und auf vielerlei Wegen versucht, doch noch zu einer gütlichen Lösung zu kommen. CSU und FW blieben stur, von Einsicht keine Spur, von historischer Verantwortung leider ebensowenig.

    Als Ergebnis dieses unrühmlichen und peinlichen Gezerres haben wir Grüne im Bayerischen Landtag einen Antrag eingebracht: Wir fordern ein klares Bekenntnis zu geltenden nationalen wie auch internationalen Vereinbarungen wie der Washingtoner Erklärung. Wir fordern, dass Bayern dem Beispiel der Bundesregierung folgt: Bayerische staatliche Institutionen und Institutionen, die staatliche Förderung erhalten, sollte standardisiert immer einer Anrufung der Beratenden Kommission NS-Raubgut zustimmen. Das sind wir als Land, als Freistaat, – als Menschen – den Opfern und ihren Nachfahren schuldig.

    Zustimmung zur Anrufung muss Standard werden

    Eine weitere wichtige Forderung ist ein erleichterter Zugang zu Archiven für die internationale Provenienz-Forschung, eine vollumfängliche Kooperation auch bei eigenen Ermittlungen von möglichen Erbinnen und Erben, eine Digitalisierung von musealen Beständen und Zugänglichmachung online.

    Es geht um gute Lösungen für kommende Generationen

    Was hat man bei der Debatte um „Madame Soler“ zu verlieren? Die Sachlage ist komplex, ja. Aber Mediation macht ja gerade bei komplexen Fragen Sinn. Auch das dringend notwendige Restitutionsgesetz, an dem Kulturstaatsministerin Claudia Roth aktuell intensiv arbeitet, wird nicht allen Fällen gerecht werden können. Das zeigt der Blick auf die Länder, die solche Gesetze bereits haben. Gerade auch deshalb braucht es die mit hochangesehenen Fachleuten besetzte Beratende Kommission. Deren Befassung mit Fällen strittiger Provenienz von Kunstwerken ist rechtlich möglich und sachgerecht. Darüber hinaus ist sie vor allem aber auch aus moralisch-ethischen Gründen zwingend. Denn es darf nicht nur um die Interpretation von Paragraphen gehen oder um Ablenkungsmanöver, indem man alle Verantwortung auf den Bund abschiebt.

    Wollen wir unseren Kindern Werke hinterlassen, die – wie jetzt Picassos „Madame Soler“ – jahrelang in Depots vor sich hinstauben und dem Publikum sogar in ihrer Digital-Version entzogen wurden? Oder wollen wir unseren Kindern Werke hinterlassen, die eine neue Heimat in Herzen und Hirnen bekommen haben und deren Geschichte mit einer guten Wendung zu Ende erzählt wurde?

    Unser Antrag zum verantwortungsvollen Umgang mit NS-Raubgut wurde von CSU und FW abgelehnt. Bei der Bewertung der Petition geben wir uns noch nicht geschlagen. Darum haben wir die Petition auf die Tagesordnung der Plenarsitzung von Mittwoch, dem 19.07.2023 setzen lassen.

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    Antrag „NS-verfolgungsbedingte Kulturgutverluste: In NS-Raubkunst-Fällen bestehende Mediationsverfahren nutzen“

    Der Landtag wolle beschließen:

    Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich hinter geltende nationale und internationale Vereinbarungen zur gerechten Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu stellen.

    Das umfasst insbesondere:

    •  die „Washingtoner Erklärung“ von 1998, die von 44 Staaten, inklusive Deutschland, unterzeichnet wurde
    • die Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur „Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ von 1998
    • die Gemeinsame Erklärung der USA und der BRD zu den Washingtoner Prinzipien von 2018, die beinhaltete, dass alle Museen und Kulturgut bewahrende Einrichtungen, die von der Bundesregierung gefördert werden, auf Ersuchen des Anspruchstellers einer Mediation durch die Limbach-Kommission zustimmen müssen
    • die Verfahrensordnung der Limbach-Kommission, die sich auf oben genannte Vereinbarungen stützt und die Grundlage für die Arbeit der Kommission bildet.

    Die Staatsregierung wird weiterhin aufgefordert, der Anrufung der vom Freistaat selbst mit ins Leben gerufenen Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz (Limbach-Kommission), in Zukunft in Streitfällen im Einflussbereich des Freistaates in Vorbildfunktion stets zuzustimmen.

    Begründung:

    Seit 10 Jahren sind die Nachkommen des jüdischen Kunstsammlers Paul von Mendelssohn-Bartholdy bemüht, die beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz (Limbach-Kommission), anzurufen. Die Familie erhebt Restitutionsansprüche auf das Picasso-Gemälde „Madame Soler“, das sich aktuell im Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlung befindet. Die Limbach-Kommission, die 2003 in Absprache von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden gegründet wurde, um bei Fragen im Zusammenhang mit der Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Raubgut zu beraten, soll bei Streitfällen eine unabhängige, rechtlich nicht bindende Empfehlung abgeben. Damit die Kommission tätig wird, müssen beide Parteien einer Anrufung zustimmen.

    Im Falle der Streitigkeiten um das Picasso-Gemälde „Madame Soler“ weigert sich die Bayerische Staatsgemäldesammlung, einer Anrufung der Limbach-Kommission zuzustimmen. Diese Weigerung ist vor dem Hintergrund der „Washingtoner Erklärung“ und insbesondere der gemeinsamen Erklärung der BRD und der USA von 2018 unverständlich.

    Da es in Deutschland bisher keinerlei rechtliche Möglichkeiten gibt, verjährte Restitutionsansprüche von Kunstobjekten geltend zu machen, sind die Nachkommen auf den guten Willen der heutigen Besitzer angewiesen. Dieser Zustand ist auch aufgrund der besonderen Verantwortung, die Deutschland und auch Bayern bei jeglicher Debatte um NS-Verfolgungsschäden trägt, nicht hinnehmbar, die Weigerung der Anrufung der Beratenden Kommission NS-Raubgut absolut inakzeptabel. Es ist die Pflicht des Kulturstaates Bayern, der in der Vergangenheit häufig seine eigenen Initiativen zur Restitution hervorgehoben hat, hier Vorbild zu sein und der Anrufung der Kommission zuzustimmen und sich bedingungslos hinter die geltenden Vereinbarungen zu stellen.

    Positionspapier_Grundsätze Grüner Kulturpolitik_Titelblatt

    Grundsätze Grüner Kulturpolitik für Bayern


    Wir leben in Zeiten, wo nichts mehr sicher scheint. Wir müssen uns mit plötzlich auftretenden Krisen
    und weltumgreifenden Problemen auseinandersetzen. In solchen Zeiten müssen wir umdenken.
    Manche scheinen auf Kultur als Erstes verzichten zu wollen.
    Dass uns Kultur im Umgang mit Problemen aber hilft und gerade ihr Fehlen rückwirkend Krisen
    vertieft, merken wir erst später.
    Das Schützen und Fördern von Kultur ist deshalb am Vorabend neuer, großer Herausforderungen so wichtig wie nie.
    Nicht allein deshalb fördern wir Kunst und Kultur der Vergangenheit und Gegenwart. Wir fördern
    Kunst in ihrer Vielfalt und Komplexität. Wir fördern das Experiment und den Gang ins Risiko. Wir
    fördern Kultur als Motor für Standorte, Regionen und ein künstlerisches Forschen.
    Internationaler Austausch und Spitzen-Kultur sind dabei ebenso wichtig wie der Austausch der
    Regionen und die Kooperation von Stadt und Land. Sie befruchten sich gegenseitig.
    Bayerns Kunst und Kultur sind reich, vielfältig und kraftvoll. Sie sind der Spiegel unserer
    Gesellschaft. Diesen Schatz gilt es zu bewahren und in die Zukunft zu tragen. Und zwar so, dass alle
    Menschen, die in Bayern leben, daran teilhaben können.
    Der Zugang zu Kunst und Kultur ist ein universelles Menschenrecht. Alle Menschen sollen sowohl
    teilhaben an den vielfältigen Ergebnissen künstlerischen Schaffens als auch selbst die Chance
    haben, ihr kreatives Potential zu entfalten. Nur so kann Kunst inmitten unserer Gesellschaft
    Diskursraum und Experimentierfeld unserer Demokratie sein.
    Ein zentraler Baustein unserer Kulturprogramme ist deshalb die Vermittlung.
    Den Zugang zu den Schätzen unseres reichen bayerischen Sammlungserbes und Brauchtums wollen
    wir für alle Menschen in Bayern ausbauen. Das bedeutet, das Wissen um unsere Sammlungen zu
    verbreiten, die Wertschätzung und das Verständnis für ihre Relevanz zu vertiefen und bei allem
    Barrierefreiheit zu garantieren.
    Bei allen Prozessen staatlicher Initiativen und Institutionen, bei allen Zielen, Entscheidungen und
    Maßnahmen muss eines selbstverständlich sein: Transparenz.

    Kunst ist frei. Kunst dient niemandem. Sie lässt sich nicht auf ihren materiellen Wert reduzieren. Kunst ist
    vielfältig, deutungsoffen und nie homogen, sie ist dynamisch, hybrid und niemals statisch. […] Wir
    schützen die Freiheit der Künste und wenden uns dagegen, Kultur und die Künste vereinheitlichen zu
    wollen oder alleinige Deutungshoheit über sie zu beanspruchen.“

    Grundsatzprogramm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

    BOTTOM UP – DIALOG KOMMT ZUERST


    Ein zentraler Schatz von Kunst und Kultur ist der Diskursraum, den sie eröffnen. Entsprechend soll
    Dialog die Basis von Kulturpolitik sein.
    Dabei reicht es nicht, Verbändeanhörungen abzuhalten, in engem Kontakt zur Kulturszene des
    Landes zu stehen, fleißig Kulturorte zu besuchen und Landtags-Anhörungen auszuwerten.
    Es braucht Strukturen, die regelmäßig Kreative wie Publikum einbeziehen und diese auf Augenhöhe
    miteinander in Dialog treten lassen. Mit den Ergebnissen können dann Leitplanken für
    kulturpolitische Entwicklungen gesetzt werden und Handlungsfelder für Kulturpolitik in einer sich
    wandelnden Welt immer wieder neu erkannt und nachgeschärft werden. Bottum up: Entscheidungen,
    Ideen, Lösungen kommen von unten, von individuellen Beteiligten und werden nicht von
    Entscheidungsbefugten aufgepfropft.
    Dabei müssen Kommunen, Regionen, Kulturschaffende, Verbände und Zivilgesellschaft in diesen
    dialogischen Formaten als Querschnitt aller Menschen unseres Landes zum Beispiel auch
    Jugendliche, Studierende und Menschen mit den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen
    einbeziehen.
    Dialogforen können regionalisiert stattfinden oder Regionen vernetzen. Sie können Kooperationen
    verbessern, Potentiale entdecken und helfen, neue Standards für die Kulturpolitik festzulegen.
    Dokumentation und Auswertung der dialogischen Arbeit ist die Basis, um kulturpolitische
    Handlungsfelder immer wieder neu zu definieren.


    Unser Anspruch:

    • Dialogprozesse zwischen Politik, Entscheidungsbefugten, Kreativen und Publikum starten
    • gemeinsam Leitplanken für kulturpolitische Entwicklungen setzen
    • dauerhafte Strukturen für dialogische kulturpolitische Formate schaffen

    FREIE KUNST UND KULTUR BRAUCHT VERLÄSSLICHE STRUKTUREN


    Das Grundsatzprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert: „Kultur und die Künste brauchen
    öffentliche Förderung auf Grundlage transparenter Kriterien“ in einem Umfeld, das Kultur als Rohstoff
    von Demokratie respektiert und ermöglicht.
    Für Bayern bedeutet das, klare Ziele staatlicher Kulturpolitik zu formulieren.
    Unser Kulturbegriff ist dabei offen und breit. Er umfasst Musik, Theater, Tanz, Museen, Bildende
    Kunst, Literatur, Soziokultur, Jugendkultur, Film und Medien, Performance und Sound, Archivwesen,
    Laienmusik und Amateurtheater, Festivals, Nachtkultur und Kinos, Brauchtum und die Tradition
    unserer Feste und Märkte; alle künstlerischen Sparten und alle Typen von Kultur, von Institutionen,
    Initiativen, Vereinen und Bräuchen in ganz Bayern – ob frisch angekommen oder schon lange hier
    beheimatet.
    Um die Freiheit der Kunst zu bewahren, braucht es für „Kulturschaffende eine verlässliche und
    angemessene soziale Absicherung“ (Grundsatzprogramm).
    Mindestgage muss selbstverständliche Minimalanforderung bei freier Tätigkeit sein, genau wie
    tarifvertragliche Bezahlung bei Festanstellung.
    Öffentliche Finanzierung darf keine prekären Verhältnisse fördern! Das betrifft freiberufliche
    Leistungen in allen Kulturbereichen, auch in Sparten, die bisher keine Honorare vorsehen, wie z.B.
    Ausstellungen. Bei staatlichen Aufträgen nehmen wir deshalb die Honorierung der beteiligten
    Kreativen besonders in den Blick.
    Die Gestaltung der Verträge muss sich hierbei orientieren an sozialer Nachhaltigkeit, insbesondere
    Geschlechtergerechtigkeit und Familienfreundlichkeit. Auch die Höhe und Bedingungen von
    Stipendien und Preisen, die zum Beispiel oft nicht kompatibel sind mit der Lebenswirklichkeit von
    Eltern, überprüfen wir.
    Für Daueraufgaben wie Bildungs- und Beratungsangebote an staatlichen und nichtstaatlichen
    Museen richten wir Dauerstellen ein. In der freien Kulturarbeit geht unser Ziel weg von Dauer-
    Projektisierung hin zu einer nachhaltigen Entwicklung, Festigung und Verstetigung von Strukturen.
    Dazu gehört auch, den Staatshaushalt im Vorjahr des jeweiligen Haushaltsjahres zu verabschieden,
    damit Gelder rechtzeitig zur Verfügung stehen, wenn sie ausgegeben werden müssen.


    Unser Anspruch:

    ● angemessene soziale Absicherung für Kunst- und Kulturschaffende durch
    Mindesthonorare in allen Sparten, insbesondere für Solo-Selbstständige, durch faire
    Verträge auf Augenhöhe und durch Nachwuchsprogramme überall, wo staatliche
    Mittel fließen
    ● Verankerung von Grundsätzen sozialer Nachhaltigkeit in staatlichen
    Förderrichtlinien, insbesondere Geschlechtergerechtigkeit und
    Familienfreundlichkeit
    ● Weg von der Dauer-Projektisierung hin zur nachhaltigen Entwicklung und
    Verstetigung von Strukturen

    VERNETZUNG UND VERBESSERUNG VON STRUKTUREN


    Unsere Welt ist schnelllebig. Auch unsere Kultur ist dem ausgesetzt: Knappe Planungshorizonte,
    Unsicherheit und ständige Veränderung gehören zum Alltag.
    Diese Veränderungen wirken auch auf staatliche Institutionen, auf ihren Aufbau, ihre Verwaltung,
    ihre Organisation. Allerdings sind hier die Strukturen oft träge und können nicht angemessen auf
    diese Veränderungen reagieren. Deshalb braucht es Transformations-Prozesse auf allen Ebenen.
    Damit diese gelingen und unsere Institutionen fit für die Zukunft machen, wollen wir beim
    Entwickeln solider Strukturen unterstützen.
    Intern können Methoden und Strukturen immer wieder überdacht werden: Hilft es vielleicht, weg
    von starren Hierarchien zu kommen und mehr Agilität zu gewinnen? Warum nicht alle die
    miteinbeziehen und binden, von denen Kulturorte leben: das Publikum, das angestellte Team, die
    Nachbarschaft, die Mitglieder, Aktiven oder den Freundeskreis. Sind Formate oder Strukturen
    denkbar, an denen sie konkret beteiligt sind?
    Aber der Blick muss auch nach außen gerichtet werden: Lassen sich Prozesse anstoßen, von denen
    Gesellschaft und Institution wechselseitig profitieren? Wo zum Beispiel können sich Institutionen als
    öffentlicher Raum etablieren, welche Kooperationsformen mit Schulen, Vierteln, Betrieben, etc. sind
    möglich? Wen erreicht man noch nicht, und wie könnte man diese Personen noch erreichen?
    Ziel ist ein Wachsen und Bestehen in dieser sich rasch wandelnden Zeit.
    Wir schaffen hierfür beratende Formate für die Organisationsentwicklung, die für alle Bereiche
    unseres Kulturlebens zugänglich sind.

    Grundsätzlich wollen wir Bewährtes sichern und Neues ermöglichen. Eine weitere Baustelle sind hier
    die Fördermodelle, die diese zentrale Aufgabe von Kulturpolitik vielfach nicht erfüllen. Häufig sind
    Mittel gebunden oder werden nur für kurzfristige Projekte zur Verfügung gestellt.
    Deshalb wollen wir zusätzliche Fördermöglichkeiten schaffen, die nachhaltig und verlässlich wirken.
    Sie sollen mehrjährig den Aufbau neuer, besonders innovativer oder interessanter Initiativen
    unterstützen und ihre Weiterentwicklung ermöglichen.
    Organisationsentwicklung und die Verbesserung von Strukturen betreffen auch die staatliche
    Verwaltung. Für nachgeordnete wie übergeordnete Verwaltung gilt: Jede Einheit kann sich durch
    Reflektion, Analyse, Benennung von Handlungsfeldern, Zuständigkeiten und Zielen verbessern,
    Doppelstrukturen vermeiden und die mannigfaltige Expertise bündeln.
    Eine Verschlankung von Abläufen wird viel bewirken. Ein weiterer Punkt ist eine bessere Verzahnung
    von Zuständigkeiten und Anlaufstellen.
    In all den Jahrzehnten der Dominanz in Bund, Land, Bezirken und Kommunen gelang es
    insbesondere der CSU nicht, die gutsherrenartige Mittelvergabe zu einer serviceorientierten
    Kulturpolitik umzugestalten:
    Zuständigkeiten sind zersplittert. Die Suche nach Unterstützung für Kulturschaffende ist oft eine
    Tortur. Antragstellung ist selten digital möglich. Abrechnungen sind nicht standardisiert und viel zu
    kompliziert.
    Ein Beispiel sind hier die Initiativen der kulturellen Bildung, die für unsere Kinder und die Zukunft
    unserer Gesellschaft so wichtig sind. Sie sind verwaltungsseitig schlecht vernetzt. Eine zentrale
    Anlaufstelle gibt es nicht.
    Es gilt aber auch für die Kultur- und Kreativwirtschaft, die sowohl im Fokus der Kultur- als auch der
    Wirtschaftspolitik steht. Um im gewollten Maße zu wachsen, braucht sie eine sinnvolle Verzahnung
    der Ressorts und Verwaltungsebenen.
    Dabei ist es die Aufgabe der Politik, die Menschen, die ihre Expertise und Erfahrung in den Dienst
    des Staates gestellt haben, bei der Weiterentwicklung unserer Staatsverwaltung zu einer agilen
    Organisation zu unterstützen.

    Unser Anspruch:

    • Beratungsangebote für Transformationsprozesse unserer Kulturinstitutionen
    • Verzahnung und Bündelung von Kompetenzen der Verwaltung für den kulturellen Bereich
    • Abbau von Bürokratie, einheitliche Standards zur Abwicklung und Abrechnung von Förderungen
    • Förderung von mehrjährigem Strukturaufbau für Kulturprojekte und Kulturinitiativen

    RAUM FÜR KULTUR


    Kulturorte gehören zu den Dritten Orten, die wir als Gesellschaft neben dem Zuhause (Erster Ort)
    und dem Arbeitsplatz (Zweiter Ort) brauchen, weil sie uns Räume der Begegnung und Gemeinschaft
    bieten und so unser Leben bereichern.
    Waldbühne, Festival-Wiese, Kino, Wirtshaus-Nebenraum, Theater, Museum, Comic-Laden,
    leerstehender Supermarkt, Bibliothek, Dorfplatz, Staatstheater, Club, Scheune, Bibliothek, Bus und
    viele andere mehr: Lebendige Orte für Kultur schaffen Identität und Zusammenhalt. Auch gut
    etablierte Kulturorte sind dabei oft gefährdet. Es ist Aufgabe von Kulturpolitik, sie zu sichern und zu
    vernetzen.
    Mehr Raum und besseren Raum für Kunst und Kultur schaffen und erhalten bedeutet: in die Zukunft
    blicken, bauen, sanieren, neu und anders nutzen. Wo Räume knapp sind, soll zeitgemäße
    Mehrfachnutzung gefördert werden. Laufende Bauvorhaben müssen genauso vorangetrieben werden
    wie die beschlossenen und notwendigen Sanierungs- und Neubauvorhaben für Bayern, die noch
    immer auf einen Startschuss warten.
    Eine große Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, die Räume zeitgemäß anzupassen.
    Dazu gehören die Förderung der Barrierefreiheit, energetische Sanierung, Generalsanierung und die
    bedarfsgerechte Erweiterung von Liegenschaften in Staatsbesitz. In Zukunft werden die Räume für
    Kultur anders aussehen, sie werden offener sein und von verschiedenen Gruppen auf
    unterschiedliche Weise genutzt. Die Pläne für eine künftige Nutzung müssen Teil der Sanierung sein.
    Gerade kommunale und ehrenamtliche Raum-Initiativen müssen hier unterstützt werden.
    Raum für Kultur braucht örtliche Ansprechpersonen im ganzen Land, die Kultur ermöglichen und
    vernetzen, die Ressourcen für öffentlichen und privaten Raum drinnen wie draußen kennen. Wir
    nennen sie Regionalmanagement: Ansprechpersonen, die lokal und regional nach innen und außen
    wirken, Kulturschaffende kennen, Räume vor Ort, Ehrenamtliche, den Kulturkalender vor Ort und
    mehr. Aktuell ist es oft leichter, mit Kreativen im Ausland zu kooperieren, als die Oberpfalz und
    Schwaben oder zwei Nachbar-Landkreise für ein gemeinsames Kulturprojekt zusammenzubringen.
    Das wollen wir ändern.

    „Kulturorte sind für die Gesellschaft unverzichtbar“

    (Grundsatzprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Unser Anspruch:

    • bestehende Kulturorte schützen
    • bedarfsgerechte Räume für Kulturschaffen
    • sinnvolle Mehrfachnutzungs-Konzepte staatlicher Räume
    • Sanierungsstau bayerischer Kulturinstitutionen abbauen
    • Regionalmanagement in ganz Bayern etablieren

    STADT LAND CHANCE


    Bayern hat in ländlichen Räumen ein gewachsenes, vielfältiges und starkes Kunst- und Kulturleben,
    das häufig von engagierten Ehrenamtlichen getragen wird. Diese haben natürlich wenig Ressourcen
    zur Verfügung, um steigende Mieten oder personelle Engpässe aufzufangen.
    Dabei leisten Kulturorte hier viel: Sie geben Impulse für ganze Regionen. Das passiert natürlich auch
    durch die Wiederbelebung leerstehender Gebäude und Ortsmitten. Eine alte Brennerei, die Bühne
    wird, ein wenig genutztes Lager, das sich Lesungen öffnet, ein leerstehender Firmensitz, der
    Ausstellungen beheimatet, ein von Schließung bedrohtes Kino, das sich zum Begegnungszentrum
    weiterentwickelt.
    Kulturorte, die aktiv sind und sich an Besonderheiten und Bedürfnissen der Gemeinschaften vor Ort
    orientieren, schaffen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Auch eine staatliche Institution kann die
    Gesellschaft einladen und offen sein für Kooperationen und vielfältige Nutzungen. Soziale und
    kulturelle Aspekte befruchten sich gegenseitig im Zusammenspiel von Bildung und Genuss.
    Kulturarbeit ist hier immer auch Soziokultur-Arbeit. Vielerorts ist der Zugang zu Kultur- und
    Begegnungsorten bisher nur durch die Fahrt in das nächstgelegene Zentrum möglich. Gerade hier kann
    eine soziokulturelle Nutzung von Räumen, die bislang gar nicht, kaum oder nur für einen
    Zweck genutzt werden, integrative Kräfte mobilisieren und Identität stiften.
    Was gewinnen wir, wenn wir neue Orte für Kultur erschließen oder bestehende breiter aufstellen?
    Wir gewinnen neue Perspektiven, schaffen niederschwellige Zugänge, beziehen neue Zielgruppen
    mit ein und inspirieren zu frischen Partnerschaften.
    Soziokultur-Arbeit braucht hier lokale, regionale und spartenübergreifende Netzwerke, die
    professionell organisiert sind, aber nach individuellem Bedarf vor Ort genutzt werden können.
    Denkbar ist vieles – von Angeboten in den Ferien, Jugendkultur bis hin zu generationsübergreifenden
    Projekten oder Angeboten für Menschen in hohem Alter.
    Bei der Entwicklung spezieller Förderinstrumente für solche Dritten Orte kann der Freistaat in
    Partnerschaft mit Landkreisen, Städten und Gemeinden von den Erfahrungen anderer Länder sowie
    der Kulturstiftung des Bundes profitieren.
    Unabdingbar ist dabei die Unterstützung finanzschwacher Kommunen durch die Begrenzung des
    Eigenanteils. Das Programm “Aller.Land”, das die Bundesregierung im Frühjahr 2023 auf den Weg
    gebracht hat, nimmt die Kulturförderung ländlich geprägter Räume in den Fokus. Hier werden
    Regionen und kleine Kommunen gezielt dabei unterstützt, beteiligungsorientierte Kulturprogramme
    zu entwickeln und umzusetzen. Ähnlich kann auch auf Landesebene Kulturförderung in ländlich
    geprägten Regionen und kleinen Kommunen gelingen und Kulturinstitutionen vor Ort für neue
    Aufgaben, Inhalte und Kooperationen öffnen. Auch hochwertige Gastspiele tragen zu einer Stärkung
    der kulturellen Infrastruktur im ländlichen Raum bei. Diese wollen wir finanziell und strukturell
    fördern.
    Ländliche Räume und urbane Zentren brauchen passgenaue Kulturförderung. Dazu gehört
    insbesondere in kleineren Kommunen auch das Bewahren einer lebendigen Nachtkultur mit ihren
    Musikbühnen, Festivals, Clubs und Kinos.
    Wir schaffen leicht zugängliche Beratungen zur Monetarisierung digitaler Angebote. Wir fördern
    transparent technologische und nicht-technologische Innovationen. (Warum sollen nur
    rückenverstellbare Kinosessel gefördert werden, nicht aber ein innovatives Kino-Seniorenprogramm
    am Morgen? Andere Länder tun dies, Bayern nicht.) Die Nachtkultur unterstützen wir dabei, Barrieren
    abzubauen, außerdem kümmern wir uns darum, dass diese Orte auch mit dem ÖPNV gut zu
    erreichen sind. Und wir unterstützen dort, wo es zum Beispiel Nutzungs- oder andere Konflikte gibt,
    durch ein allparteiliches Konfliktmanagement (AKIM).
    Metropolen weltweit speisen ihre Attraktivität nicht zuletzt aus Spitzenkultur, Weltklasse
    künstlerischer Leistungen, aus denen unser kulturelles Erbe hervorgehen wird und die auf Top-
    Niveau zeitgenössische wie tradierte Kunst praktizieren und so auch Innovation anstoßen können.
    Von Spitzenkultur mit internationaler Strahlkraft profitiert unser gesamtes Land auf
    unterschiedlichen Ebenen: Arbeit für freie Kreative, Tourismus, Motor für die Wirtschaftsleistung
    einer Region mit Arbeitsplätzen, Ausbildungsangebot und Kaufkraft, aber auch Ansehen, Image und
    Identität.
    Neben der Spitzenkultur, die in Zukunft noch tiefer in die Gesamtgesellschaft als Angebot für alle
    hineinwirken sollte, darf aber das gesamte Kulturangebot in den größeren urbanen Zentren des
    Freistaats in seiner Differenziertheit, Vielfalt und eigenen Innovationskraft nicht aus dem Blick
    geraten.
    Insbesondere die Freie Szene leistet hier seit Jahren unter oft großen persönlichen Entbehrungen
    Enormes; kulturelle Bildung und soziokulturelle Arbeit finden auf hohem Niveau statt – trotz lange
    fehlendem und inzwischen hart erkämpftem, schmalem Zugang zu Landesmitteln für die Freie Szene
    in den beiden größten Kommunen im Land, trotz fehlender Landesförderung für Soziokultur, wie andere
    Bundesländer sie leisten.

    Unser Anspruch:

    • Antrags- und Abrechnungsstrukturen von Freistaat und kommunalen Ebenen harmonisieren
    • lokale und lebendige Nachtkultur bewahren und die Zugänglichkeit durch besseren ÖPNV
      und Abbau von Barrieren verbessern
    • stetig gewachsene Vielfalt regionaler Kulturangebote parallel zu bayerischer Spitzenkultur
      von Weltrang fördern
    • regionale Ansprechpersonen für Kulturschaffende, die vernetzen und koordinieren helfen
    • Landesförderung von Soziokultur wie in anderen Bundesländern

    KULTURFONDS

    “Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat. Er dient dem Gemeinwohl.“

    Verfassung des Freistaats Bayern, Art. 3

    Gut 8 Millionen Euro aus Mitteln des Kulturfonds wurden 2023 in Bayern verteilt. Bei einem
    Haushaltsvolumen von 71 Milliarden Euro sind das gerade einmal 0,0112%. 2023 floss über die Hälfte der
    Kulturfonds-Mittel in Bauprojekte. Mangelnde Transparenz und fehlende Jury-Verfahren
    verstärken den Anschein von Kulturförderung nach Gutsherren-Art und Stimmkreis-Wahlgeschenken.
    Soll der Kulturfonds allerdings allen Kulturschaffenden und Menschen in Bayern dienen, bedarf es einer
    grundlegenden Reform:
    Es braucht zunächst eine transparente Vergabe nach nachvollziehbaren Kriterien durch Fachjurys.
    Digitale Antragsverfahren wären absolut zeitgemäß und würden endlich mehr Klarheit und Fairness
    schaffen.
    Eine Aufstockung des Kulturfonds ist ohnehin an der Zeit.
    Einhergehend sollte er geöffnet werden für München und Nürnberg als Landeshauptstadt und
    Frankenmetropole. Von deren besonders hoher Dichte an Kunstschaffenden könnte das ganze Land
    profitieren – eine Synergie, wie sie die bisherigen Richtlinien des Kulturfonds nicht geschaffen
    haben. Wir wollen dabei die Fördersummen analog zur Einwohnerzahl deckeln. Die Öffnung des
    Kulturfonds für Kreative aus München und Nürnberg ist auch ein entscheidender Hebel beim Zugang
    zur sogenannten Stadt-Land-Bund-Förderung, bei der sich Bund, Land und Kommunen jeweils
    anteilig beteiligen, wenn alle drei Ebenen fördern.
    Auch Künstlerhonorare und Handlungskosten sollten förderfähig sein.
    Es braucht eine konsequente Öffnung für Spartenübergreifendes außerhalb der in den Richtlinien
    des Kulturfonds genannten Formate. Kunst entwickelt sich in ihren Ausdrucksformen ständig weiter,
    allein schon durch den Fortschritt der Technik. Neue Formate werden bislang aber nicht
    berücksichtigt.
    Grundsätzlich muss eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Höhe der Mittel stattfinden,
    um dieses wichtige Instrument über die Jahre zu bewahren.


    Unser Anspruch:

    • bayerischen Kulturfonds mit digitalem Antragsverfahren, transparenten und
      nachvollziehbaren Vergabekriterien und Fachjurys reformieren
    • Kulturfonds für die Metropolregionen Nürnberg und München gedeckelt öffnen
    • Erhöhung und regelmäßige Anpassung der Mittel des Kulturfonds
    • Öffnung des Fonds für alle Sparten und neue Form

    FINANZIERUNG


    Politik ist Priorisierung. Der Kultursektor krankt an struktureller Unterfinanzierung, es gibt bisher in
    Bayern allerdings kaum politische Überlegungen und Leitlinien dazu, was staatliche Kulturpolitik
    leisten soll und wie sich die Finanzierung dieser Aufgaben im Staatshaushalt widerspiegeln müsste.
    Wenn ein Markus Söder von einer „bayerischen Documenta“ oder einer „bayerischen Berlinale“
    fabulierte, folgte den Ankündigungen nie ein Handeln. Kulturpolitik muss aber mehr leisten, als alle
    fünf Jahre eine neue Intendanz zu wählen und in Wahljahren die Mittel zu erhöhen.
    Kulturpolitik nach Gutsherrenart ist nicht mehr zeitgemäß.
    Freistaat und Kommunen teilen sich vielfach die Verantwortung für öffentliche Kulturförderung.
    Während die Kommunen die lokale Kulturförderung tragen, konzentriert sich der Freistaat auf
    überregional und in ganz Bayern wirkende Einrichtungen und Aktivitäten. Staat und Kommunen
    ergänzen sich und handeln vielfach gemeinschaftlich oder fördern komplementär.
    Aber Staat und Kommunen sind sehr ungleiche Partner: kommunale Haushalte unterliegen anderen
    Bedingungen und Zwängen als staatliche, weil sie immer ausgeglichen sein müssen. Außerdem
    gilt Kunst und Kultur immer noch als freiwillige Aufgabe – kommt also erst zum Zug, wenn alle Pflichtaufgaben
    gedeckt sind. Andere Bundesländer sind hier schon weiter.
    Eine Herausforderung der Zukunft ist deshalb, Kommunen so auszustatten, dass sie Kunst und Kultur
    als Teil der Daseinsvorsorge stemmen können. Kultur darf nicht länger freiwillige Leistung sein, sie
    muss kommunale Pflichtaufgabe werden.
    Wie kann Finanzierung zustande kommen? Förderung von Kunst und Kultur muss als Kernaufgabe
    staatlichen Handelns verstanden werden. Deshalb brauchen wir auch einen Diskurs zu Aufgaben und
    Zielen staatlicher Kulturförderung. Darauf aufbauend kann dann entschieden werden, wie viele
    Mittel auf den jeweiligen Ebenen für Kunst und Kultur zur Verfügung gestellt werden und woraus
    diese Töpfe sich speisen.
    Landeskultur-Entwicklungspläne, die Visionen und Ziele staatlichen Handelns definieren, und
    Kulturfinanzberichte, die die Ausgaben für diese Ziele im Blick haben, gehören zu einem modernen
    Verständnis solide legitimierter, gut finanzierter staatlicher Kulturpolitik.


    Unser Anspruch:

    • Landesentwicklungspläne Kultur: Diskurs mit Zivilgesellschaft, Verbänden, Kreativen,
      Institutionen und Verwaltung zu Aufgaben und Zielen von Kulturförderung vorantreiben
      und verbindliche Leitlinien schaffen
    • Kulturfinanzberichte etablieren, wie sie in anderen Bundesländern schon existieren
    • Kommunen bei Kunst- und Kulturförderung dauerhaft stützen
    • Kultur als kommunale Pflichtaufgabe verankern

    DIE KREATIVWIRTSCHAFT UND DIE KULTUR


    Kunst und Kultur brauchen Raum für Experimente ohne Ziel; Raum für Scheitern und Wachsen. Die
    Innovationskraft und Resilienz der Künste hat immense Bedeutung für unser Land. Vielfach öffnet
    sich die Kulturszene für andere Bereiche und geht neue Partnerschaften ein, um innovativ zu
    bleiben.
    Diese Agilität wirkt auch in andere Sektoren unserer Gesellschaft.
    Kunst und Kultur sind Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft. Wie bei Sozialunternehmen ist auch bei
    Kulturunternehmen der Mehrwert nicht immer ein materieller.
    Kultur- und Kreativwirtschaft generiert ökonomischen Mehrwert, eine vor Ort starke
    Bruttowertschöpfung. Und sie generiert sozialen Mehrwert.
    Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist Standortfaktor und wichtig für das Image einer Region –
    niemand will dort leben, wo Bibliothek oder Kino eine Autostunde entfernt sind. Kultur- und
    Kreativwirtschaft schafft Bildungsangebote im Sinne von lebenslangem Lernen und Krisenresilienz.
    Diese enorme Kraft, die Dynamik und das große Potential der Kultur- und Kreativwirtschaft spiegeln
    sich bisher nicht in adäquater und passgenauer Förderung wider. Eine koordinierte, gezielte und
    strategische staatliche Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft als Teil von Standortpolitik ist
    daher für Bayern überfällig:
    Wir wollen einen besseren Zugang zu Wirtschaftsförderung und Förderprogrammen, die auf die
    Branche zugeschnitten sind. Ein Beispiel sind Förderungen für nicht-technologische Innovationen:
    Wieso gibt es bisher in Bayern zum Beispiel Geld für neue Kino-Lautsprecher, aber nicht für
    innovative inhaltliche Angebote wie z.B. Kulturstreaming in den Kinosaal? Eine koordinierte,
    institutionalisierte Kooperation von Wirtschaftsministerium und Kunstministerium istfür eine
    gelungene Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft unabdingbar.
    Die Kultur- und Kreativwirtschaft braucht wie jeder Wirtschaftszweig Forschung und Entwicklung.
    Eigene künstlerische Forschung und Experiment fördern wir ebenso wie eine Zusammenarbeit der
    Kultur- und Kreativwirtschaft mit Wissenschaft und Forschung, wie zum Beispiel im Bereich der
    Künstlichen Intelligenz oder bei soziologischen Themen.
    Grundlagen erfolgreichen Wirtschaftens sollten in Zielvereinbarungen der Ausbildung von Kreativen
    fest verankert werden. Bis Kreative, die wirtschaftlich arbeiten möchten, am Markt etabliert sind,
    vergehen oft viele Jahre, gleichzeitig sind Budgets in Teilbranchen der Kultur- und Kreativwirtschaft
    oft deutlich geringer als in klassischen Industrien. In Förderprogrammen sind daher
    Gründungsphasen zu flexibilisieren und Bagatellegrenzen möglichst zu vermeiden.
    Kultur- und Kreativwirtschaft profitiert von freien Künsten: Kreative Prozesse und freie künstlerische
    Arbeit verbinden innovative Wirtschaft, sich wandelnde Gesellschaft, moderne Bildung im Sinne
    einer BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung) sowie agile Wissenschaft und Forschung. Kunst
    und Kultur können Diskursräume öffnen und Fragen der Ethik, der Ziele wirtschaftlichen Schaffens
    wie auch gesellschaftlichen Handelns und der Verantwortung verhandeln. Reallabore können dies
    unterstützen. Auch freie Künste dienen so als Motor von Wirtschaft und als Teil der Kultur- und
    Kreativwirtschaft.
    Diese Dualität von freier Kunst und Wirtschaftskraft gilt auch für den Medien- und Filmbereich,
    einen wesentlichen Teil unseres kulturellen wie wirtschaftlichen Lebens in Bayern. Und sie gilt für
    Architektur und Werbung, wo Stadtbild und Zugehörigkeit verhandelt und Images für
    gesellschaftliche Gruppen oder Lebensräume geschaffen werden.


    Unser Anspruch:

    • Kultur- und Kreativwirtschaft als resilienten Wachstums-Motor und Standort-Faktor
      anerkennen und wie andere anerkannte Wirtschaftszweige fördern
    • Vernetzung mit anderen Branchen und der Wissenschaft voranbringen
    • Zugang zu Wirtschaftsförderung im nicht-technologischen Bereich für Kultur- und
      Kreativwirtschaft etablieren
    • wirtschaftliche Basics in Ausbildungs-Zielvereinbarungen berücksichtigen

    DIGITALISIERUNG GEHÖRT DAZU


    Nachhaltigkeit bedeutet auch Zukunftsfestigkeit. Digitalität ist dabei selbstverständlich Teil von
    Kunst und Kultur.
    Die Möglichkeiten der Monetarisierung digitaler Angebote hinkt der Nutzung digitaler Angebote
    massiv hinterher. Die digitale Transformation begann lange vor der Pandemie und wurde durch
    diese enorm beschleunigt.
    Wie erleichternd wäre es für Kreative, von bleischweren Antrags- und Zuwendungs-Nachweis-
    Papierbergen befreit zu werden. Das Publikum erfährt durch umfassende digitale Services nicht nur
    ein verbessertes Kulturerlebnis, es kann auch gezielt nach veränderten Interessen oder einer
    Besuchserfahrung befragt werden. Das hilft, die Angebote unserer staatlichen und staatlich
    geförderten Einrichtungen weiter zu verbessern.
    Bühnen, Museen, Bibliotheken, Archive, Kinos, Theater, Konzert- oder Opernhäuser: Wir stehen für
    eine ganzheitliche Strategie in den Kultureinrichtungen aller Sparten, um den digitalen Wandel und
    die daraus erwachsenen Bedarfe zu stemmen.
    In Teams und beim Publikum brauchen in diesem Prozess Digital Natives und weniger digitalaffine
    Menschen gleichermaßen Raum.

    Unser Anspruch:

    • Coaching- und Beratungsleistungen für digitale Angebote lancieren
    • Monetarisierung digitaler Angebote voranbringen
    • Ehrenamts- und Profi-Kultur aller Sparten den digitalen Wandel ermöglichen
    • Anlaufstellen und Fördertöpfe für diese Transformation schaffen
    • digitale Antrags- und Abrechnungsprozesse etablieren
    • Digital Ticketing und digitale Evaluation der Besuchserfahrungen bei staatlichen Angeboten

    EHRENAMT


    Eine starke Demokratie lebt von den Menschen, die sie tragen. Ehrenamt und demokratisches
    Engagement stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie verlässlich zu fördern, ist unsere
    Aufgabe, auch im Bereich Kunst und Kultur.
    Wir GRÜNE finden, bürgerschaftliches Engagement soll kein Ersatz für staatliche Förderung werden.
    Aber wenn das Ehrenamt schon dort hilft, wo sich der Staat in der Vergangenheit zurückgezogen hat,
    muss es zumindest unterstützt werden.
    Das betrifft bei Bedarf zum Beispiel Unterstützung dabei, sich professioneller zu organisieren und zu
    strukturieren.
    Oft fehlen Ehrenamtlichen Ressourcen für Administration. Hier kann auch der Vorschlag der
    Bundestags-Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ für den Ehrenamtsbereich helfen,
    bürgerschaftliches Engagement als Eigenleistung anzuerkennen und die Verwendungsnachweise
    von Mitteln zu vereinfachen.
    Ein reges Engagement der Zivilgesellschaft im Ehrenamt fördert das Kunst- und Kulturverständnis
    vor Ort. Alle Formen von Kooperationen zwischen Kultur und Gesellschaft sind deshalb zu fördern –
    sei es inhaltlich, organisatorisch, räumlich oder finanziell.
    Neben dem traditionellen Ehrenamt in gewachsenen Strukturen wächst in Bayern projektbasiertes
    ehrenamtliches Engagement, aber auch die ehrenamtliche Beteiligung an Partizipationsformaten,
    wie beispielsweise Open Stages. Diese neuen Formen der Beteiligung und Interaktion werden für die
    gesamte Kulturszene immer wichtiger. Wir wollen darum Partnerschaften zwischen
    Kultureinrichtungen, Initiativen, Vereinen, interessierten Laien, engagierten Gruppen, usw.
    unterstützen und fördern.
    Auch hier sollen verbesserte Qualifizierungsangebote, Abbau von Hürden in Förderstrukturen und
    niedrigschwellige Beratungs- und Vernetzungsangebote Wissen bündeln und eine Grundlage für
    flexiblere Förderung sein.

    Unser Anspruch:

    • Ehrenamt im kulturellen Bereich inhaltlich, organisatorisch und räumlich stützen
    • neue Beteiligungs- und Partizipationsformate aufgreifen
    • Partnerschaften zwischen ehrenamtlichen und professionellen Kulturschaffenden sowie
    • Institutionen durch Qualifizierungsangebote, Abbau von Hürden in Förderstrukturen und
    • Beratungsangebote verbessern

    CORONA


    Die Corona-Politik der CSU-FW-Regierung hat in Bayern zu einem massiven Vertrauensverlust der
    Kultur in die Politik und zu einer nie dagewesenen Schrumpfung im für die Liquidität von
    Kulturbetrieb nötigen Vorverkauf geführt. Gleichzeitig ist das Publikum ins Private und Digitale
    abgewandert, ohne dass es tragfähige Konzepte für die Monetarisierung digitaler Kulturangebote
    gäbe. Das Ende dieser Entwicklungen deutet sich aktuell nur zögerlich an.
    Entsprechend ist jetzt eine gemeinsame Anstrengung gefragt, bestehende Strukturen zukunftsfähig
    zu machen, neue Publika zu erschließen und alte zurückzugewinnen.
    Veränderung ist immer auch eine Chance. Die Kulturpolitik muss dabei begleiten, unterstützen und
    Ressourcen für die Transformation dort, wo sie fehlen, bereitstellen. Die kulturelle Vielfalt in Land
    und Stadt sicherzustellen, bleibt dabei eine wichtige Aufgabe.


    Unser Anspruch:

    • die Kulturbranche nach Krisen beim Wiederaufbau unterstützen
    • die einmalige Chance zur strukturellen Transformation der Kulturbranche nutzen und
      abseits von Nachwuchssorgen und Mitteldebatten zukunftsfest machen

    KUNSTFREIHEIT

    Die Kunst ist frei. Sie unterliegt keinem Zweck und steht für sich selbst. Sie bildet und stärkt und
    wirkt mit ihren Diskursräumen und Angeboten gegen die Kräfte, die an unserer Demokratie zerren.

    „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“

    Art. 5 Absatz 3 Grundgesetz

    Der Nationalsozialismus markiert auch für Bayern den stärksten Bruch unserer Zivilisation und Kulturgeschichte.
    Durch Mord und Vertreibung wurden verschiedene künstlerische und ästhetische Traditionslinien eliminiert,
    die unsere bayerische Kunst und Kultur mitgeprägt haben. Aus diesen Erfahrungen erwächst eine
    besondere Verantwortung für den elementaren Wert der Freiheit der Kunst in Werk und Wirken.
    Aktuelle kulturpolitische Debatten, aber auch das reflexhafte Schließen unserer Kulturorte mit den Wellen
    der Pandemie zeigen, dass die im Grundgesetz festgeschriebene Kunstfreiheit keine Selbstverständlichkeit ist.
    Wir wollen ein politisches und gesellschaftliches Umfeld für Kunst und Kultur bewahren, das Kunst
    nicht in den Dienst nimmt für Interessen von Ausgrenzung, Hass oder Nationalismus. Es ist unsere
    Aufgabe, Kunst und Kultur als Möglichkeits-Räume zur freien und zukunftsfähigen Entwicklung zu
    schaffen.


    Unser Anspruch:

    • freie Erprobungs- und Möglichkeitsräume schaffen
    • Kunst und Kultur ohne Zweck, als Wert an sich fördern
    • Kunstfreiheit sichern

    HISTORISCHE VERANTWORTUNG

    „Die Erinnerungskultur einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft zeigt sich offen für die vielstimmigen
    Geschichten und Erzählungen sowie die unterschiedlichen historischen Erfahrungen der Menschen, die hier leben.
    Auch die kritische Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit und der damit verbundenen Verbrechen muss
    selbstverständlicher Teil unserer (…) Erinnerungskultur sein. Das ist Voraussetzung für eine Gesellschaft, in
    der alle Menschen frei von Rassismus leben können. Deutschlands Kolonialvergangenheit ist auch im
    Kulturbereich viel zu wenig aufgearbeitet. “


    Grundsatzprogramm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

    Zeitgenössische Kunst ermöglichen und kulturelles Erbe bewahren – beides muss gleichzeitig gelingen, auch
    wenn die Ressourcen knapp sind. Archive, Bibliotheken, Museen, aber auch Neuinterpretationen
    historischer Stoffe leisten hier einen wichtigen Beitrag.
    Die Aufarbeitung unserer kolonialen Geschichte und Verantwortung bleibt in engem Schulterschluss
    von Museen, Hochschule, Forschung und Initiativen in Bayern und in den ehemals kolonisierten
    Ländern wichtige Aufgabe.
    Kooperation auf Augenhöhe und gegenseitiger Respekt dabei kann wiederum neue, produktive
    Kooperationen möglich machen – international, aber auch vor Ort.
    Prägend für Deutschland bleibt auch der Zivilisationsbruch der Shoa. Ein starkes Land wie Bayern
    sollte denen, die es lieben, keine weiteren Überraschungen im Bereich der NS-Raubkunst kredenzen.
    Oberste Priorität hat deshalb ein Ampelsystem für als unbelastet geklärte Kunst, Kunst mit unklarer
    Provenienz und Raubkunst. Es braucht den politischen Willen, damit Datenbanken und Archive
    endlich zugänglich gemacht werden.
    Bei strittigen Fällen ist die Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-
    verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts (“Limbach-Kommission”), die der Freistaat mit ins Leben
    gerufen hat, anzurufen. Private Stellen sind aufgefordert, dies dem Freistaat nachzutun.
    Für belastete Objekte muss rasch und unbürokratisch eine individuelle Lösung (Rückführung oder
    Entschädigung) mit den Hinterbliebenen der rechtmäßigen Eigentümer*innen gefunden werden.
    Digitale Datenbanken müssen künftig für alle zur Verfügung stehen. Nur dann können auch die Erben
    von Eigentümer*innen aktiv werden und die Provenienzforschung selbst voranbringen. Mehr
    als sechzig Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer und in Erwartung des 50. Jahrestages ihres Falls
    tritt auch die Aufarbeitung dieses Teils der Geschichte in den Blick der Aufarbeitung: Pilotprojekte
    wie das zur Untersuchung kritischer Provenienzen aus SBZ und DDR in nichtstaatlichen Museen des
    Freistaats Bayern sind daher begrüßenswert.

    Unser Anspruch:

    • Provenienz-Ampelsystem für Kunstwerke
    • Objekte noch stärker digitalisieren, Archive und Datenbanken zugänglich machen
    • Lösungen für die Hinterbliebenen der rechtmäßigen Eigentümer*innen von belasteten Objekten finden
    • Kooperation mit der Beratenden Kommission

    GESCHLECHTERGERECHT UND FAMILIENFREUNDLICH!


    Gleichberechtigung bedeutet Sichtbarkeit, Repräsentanz und Chancen. Strukturelle Benachteiligung
    von Frauen beginnt oft mit der Elternzeit und setzt sich bei der Altersdiskriminierung junger oder
    älterer Frauen fort.
    Gerade im Kunst- und Kulturbereich, wo Förderungen oft ans Lebensalter gekoppelt sund, genauso
    wie bei Stipendien und Residencies, wenig an die Realitäten von Menschen mit Familie angepasst
    sind, braucht es Korrekturen, um strukturellen Wandel zu ermöglichen.
    Kinderbetreuungsmodelle sind deshalb förderfähig zu machen, um Frauen, die immer noch einen
    großen Teil der Care-Arbeit leisten, Zugang zum Arbeitsmarkt Kultur zu erleichtern.
    Kinder und die Zeit, die man mit ihnen verbringt, dürfen für Stipendien und Förderungen kein
    Hindernis mehr sein.
    Wo Förderung und freiwillige Selbstverpflichtung nicht greifen, sind Quoten ein wichtiges
    Instrument, in der Hoffnung, dass sie sich eines Tages selbst überflüssig machen.


    Unser Anspruch:

    • Kriterien staatlicher Förderungen, Stipendien und Residency-Programme an die Realitäten
      von Menschen mit Familie anpassen
    • Maßnahmen zur Familienfreundlichkeit bei Kulturproduktion förderfähig machen
    • wenn nötig, Quoten als Instrument für Parität einsetzen

    DIVERS!


    Kulturelle Teilhabe muss für alle möglich sein. Und alle bedeutet ALLE –

    1. im kreativen Prozess, sei es in Laienkultur oder im Profibereich,
    2. in der künstlerischen Ausbildung und kulturellen Bildung,
    3. durch Sichtbarkeit in Inhalten und
    4. als Zielgruppe und Publikum

    Umfassende Teilhabe mit all ihrer Diversität bereichert künstlerische Prozesse um neue
    Perspektiven, Orte, Ideen und Möglichkeiten. Teilhabe ist ein Prozess. Wo sie noch nicht umgesetzt
    ist, sind wir gefordert, sei es an sichtbaren Stellen oder auch in internen Strukturen.
    Geschlechtergerechtigkeit und Diversität braucht es in allen Bereichen unserer Institutionen, in
    Teams, aber auch in allen Führungsebenen und in der Besetzung von Gremien und Jurys. Wo
    Gremien und Jurys klein sind, kann es helfen, durch Leitfäden, Schulungen oder Hinzuziehung der
    Expertise Betroffener unterschiedliche Perspektiven abzubilden oder neue Zielgruppen zu
    erschließen.
    Öffentliche Mittel sind für alle Teile der Gesellschaft da. Deshalb darf eine Vergabe von
    Fördermitteln geknüpft sein an konkrete Konzepte zur Weiterentwicklung von Institutionen und
    Organisationseinheiten im Sinne von Diversität und Geschlechtergerechtigkeit.
    Erfahrungen anderer Bundesländer zeigen, dass die Einbeziehung jüngerer Perspektiven und
    Erfahrungen von Menschen mit unterschiedlichen Bildungsbiografien oft schon zu einer
    Diversifizierung in vielen anderen Bereichen führt.
    Diversitäts-Beauftragte können bei einer Öffnung hin zu mehr Teilhabegerechtigkeit helfen.
    Ebenso hilfreich wäre die staatliche Förderung von Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogrammen
    für Kunst- und Kultureinrichtungen und Kommunen zur teilhabeorientierten Öffnung und
    diversitätsbewussten Entwicklung.


    Unser Anspruch:

    • Teilhabe im kreativen Prozess, in der künstlerischen (Aus-)Bildung, der inhaltlichen
    • Repräsentation und der Rezeption ermöglichen
    • Maßnahmen für die Sensibilisierung von Entscheidungsträger*innen auf den Weg bringen
    • Konzepte für Diversität und Geschlechtergerechtigkeit bei Mittelvergabe
    • entsprechende Förderungen von Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogrammen für Kunst-
      und Kultureinrichtungen sowie Kommunen
    • Kommunikation staatlicher Kultureinrichtungen an Weltstandards anpassen und auf solide
      und zeitgemäße Füße stellen

    KULTURELLE BILDUNG


    Ästhetische Bildung ist eine Bildung, die das Verständnis für Kunst und Kultur und die kritische
    Auseinandersetzung damit fördert. Sie hilft, kreatives Denken, Sensibilität und Analysefähigkeit zu
    entwickeln. Sie sorgt gleichsam für die Entwicklung von Publika als auch für das Wachsen
    künstlerischen Nachwuchses. Ästhetische Bildung wirkt ganzheitlich, gewährleistet nachhaltiges
    Lernen und inneres Wachstum. Sie macht stark und klug.
    Alle Gruppen der Gesellschaft sollen deshalb Zugang zu ästhetischer Bildung haben, aber auch auf
    individuelle Weise von kulturellen und künstlerischen Angeboten angesprochen werden. Deshalb
    gilt es, Angebote in Kulturinstitutionen, aber auch in Einrichtungen der Zivilgesellschaft – in
    Gruppen, Vereinen und Initiativen – zu stärken und Zugänge zu ermöglichen.
    Kulturpolitik ist immer auch Gesellschaftspolitik. Wir haben in Bayern mehrfach erlebt, wie
    Ausgrenzung und Diskriminierung, Hass und Hetze in Gewalt umschlagen können. Kulturelle Bildung
    stärkt Demokratie und schützt vor Diskriminierung, gruppenbezogenem Menschenhass und
    Populismus. Kunst und Kultur können zwischen Kulturen vermitteln und helfen, andere zu
    verstehen.

    In einer Welt, die immer schneller wird, mit einem Überfluss an Angeboten ist es für Kinder
    und Heranwachsende nicht leicht, eine Orientierung zu finden. Kunst und Kultur können eine solche geben.
    Bei der kulturellen Bildung geht es um den ganzen Menschen, um die Bildung seiner
    Persönlichkeit, um Emotionen und Kreativität. Ohne kulturelle Bildung fehlt ein Schlüssel zu wahrer Teilhabe.
    Deshalb ist auf keinem Feld die Verantwortung des Staates, aber auch der Zivilgesellschaft und der
    Kultureinrichtungen größer. Kulturelle Bildung macht nicht nur stark, sondern auch klug. Denn sie hat gleichermaßen
    Auswirkungen auf Persönlichkeitsentwicklung und Lernfähigkeit. Ein besonderes Augenmerk auf die Belange
    kultureller Bildung zu legen war deshalb für viele von uns Herzensangelegenheit. Dabei darf der Blick nicht
    nur auf Kinder und Jugendliche gelegt werden.

    Grundsatzprogramm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

    In Institutionen wie Landesjugendkunstschulen oder Musikschulen wird bereits viel geleistet. Die
    kulturelle Bildung muss aber in allen Bereichen öffentlichen Lebens als Handlungsfeld begriffen
    werden, das in die Gesellschaft hineinwirken kann.
    Stichwort ist hier “Outreach und Community”: Outreach als die Kommunikation nach außen – also
    gezielt auf Menschen zuzugehen, um sie zu erreichen und sie teilhaben zu lassen. Community als die
    Gemeinschaft – also Menschen zusammenzubringen, die bereits miteinander verbunden sind über
    eine in irgendeiner Weise gemeinschaftliche Identität, lokal, regional oder auch virtuell. Dafür braucht es
    eine solide Grundfinanzierung von Institutionen, die Outreach und Community, kulturelle
    Bildung und Vermittlung miteinschließt.

    Wir werden unserem Anspruch nicht gerecht, solange kulturelle Bildung hauptsächlich aus
    Drittmitteln finanziert wird, also überhaupt nicht im Fokus der Kulturpolitik liegt.
    Es gibt keine Ansprechpersonen auf höchster Ebene für kulturelle Bildung, denn sowohl das
    Bildungs- als auch das Kunstministerium sind irgendwie verantwortlich, aber niemand richtig. Die
    Staatskanzlei macht kulturelle Bildung, wenn es um Medien geht, das Finanzministerium mischt mit,
    sobald “Heimat” drauf steht, das Sozialministerium macht kulturelle Bildung für sozial schlechter
    Gestellte, usw. Die Koordination der Bemühungen unterschiedlichster Verwaltungen auf lokaler,
    regionaler und staatlicher Ebene funktioniert ohne zentrale Ansprechpartner und ohne Vernetzung
    der Zuständigkeiten unterschiedlicher Ministerien nicht.
    Kulturelle Bildung braucht einen zentralen Ort, der institutionsübergreifend Ansprechpersonen und
    Vernetzung bietet: ein eigenes Kompetenzzentrum kulturelle Bildung für Schulen, private und
    kommunale Bildungseinrichtungen und Kulturlandschaft.
    Diese zentrale Anlaufstelle zu schaffen ist drängend und wichtig, um Schulen, Kitas,
    Volkshochschulen, Sing- und Musikschulen, Jugendkunstschulen sowie alle weiteren
    außerschulischen Verbände und Organisationen sowie Kulturinstitutionen stärker in staatliches
    Handeln einzubeziehen und vielfach parallel agierendes staatliches Handeln zentral zu vernetzen.
    Dieses Kompetenzzentrum kann Transformation begleiten – zum Beispiel 2026 die Umstellung auf
    Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern. Es kann die zentrale Einrichtung im Freistaat werden für
    Beratungs- und Qualifizierungsleistungen sowie für die Vernetzung im gesamten Themenspektrum
    der kulturellen Teilhabe und Bildung.
    Wir müssen in Bayern im Bereich kulturelle Bildung inhaltlich wie finanziell an die Standards
    anderer Bundesländer aufschließen.
    Überall dort, wo der Staat tätig wird, sind die Entwicklungen wissenschaftlich zu begleiten und
    stetig zu evaluieren, um bei Bedarf angepasst werden zu können.


    Unser Anspruch:

    • kulturelle Bildung als festen Baustein der Kulturförderung verstetigen
    • Stellen für kulturelle Bildung an allen staatlichen Kulturinstitutionen schaffen und ausbauen
    • Expertise und Wissen bündeln: zentrale Anlaufstelle für Initiativen der kulturellen Bildung schaffen

    FAIR GREEN CULTURAL DEAL


    „Ihr Herrn, die ihr uns lehrt, wie man brav lebenUnd Sünd und Missetat vermeiden kann
    Zuerst müßt ihr uns was zu fressen geben
    Dann könnt ihr reden: damit fängt es an.“

    Bertold Brecht.,„Wovon lebt der Mensch?“ Zweites Dreigroschen-Finale

    Die bayerische Staatsregierung hat im Juli 2021 Klimaneutralität bis 2040 als Ziel für Bayern gesetzt.
    Dieser Anspruch muss von Handeln begleitet werden und wirkt in alle Bereiche unseres Lebens. Wir
    Grüne sehen Nachhaltigkeit dabei ganzheitlich und betrachten sowohl die soziale als auch die
    ökologische Nachhaltigkeit. Um alle Menschen mitzunehmen, ist ein gemeinsames, paralleles
    Entwickeln von sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit unabdingbar. Das betrifft auch den Kulturbereich.
    Staatliche Einrichtungen brauchen personell und finanziell die richtige Unterstützung für die Erarbeitung
    eines in Zukunft verbindlichen Nachhaltigkeitskonzepts für Klima, Umwelt und soziale Strukturen. Wir
    brauchen den Fair Green Cultural Deal.

    Um die Transformation im Kulturbereich zu fördern, möchten wir spezielle Beratungsangebote
    ebenso etablieren wie die Qualifizierung von Fachkräften auf dem Gebiet des
    Transformationsmanagements.
    Kunst braucht Austausch. Wo Mobilität nötig ist, versuchen wir die Umweltkosten-Nutzen-Rechnung
    in Richtung einer positiven Nutzung des CO2-Budgets zu verschieben. Dafür braucht es inhaltliche
    und zeitliche Verbesserungen: Es hilft, mit der Bahn zu fahren, es hilft aber auch, nicht nur für einen
    einzigen Termin zu reisen oder Objekttransporte zu bündeln. Für Gastverträge ermöglichen wir
    umweltfreundliches Reisen durch Anerkennung der Reisetage als Arbeitszeit, sofern nicht geflogen
    wird.
    Materialinitiativen, die in Kunst und Kultur benötigte Materialien sammeln, aufbereiten und der
    Mehrfachnutzung zuführen, etablieren wir bayernweit als Standard.
    Nachhaltigkeit ist mehr als CO2 und Müll: Sozial-ökologische Nachhaltigkeit ebenso wie
    Klimafreundlichkeit sind Aspekte, die bei staatlicher Kulturförderung in Bayern förderfähig werden
    müssen. Anreize sind wichtig, um unsere gesteckten Ziele zu erreichen.
    Die Kultur ist ein Bereich, dem in der Vergangenheit vielfach neue Aufgaben aufgebürdet wurden
    und dem trotz struktureller Unterfinanzierung nie automatisierte Anpassungen an Inflation oder
    Kostendruck zuteil wurden. Deshalb braucht die Kultur Unterstützung, um diese wichtigen Aufgaben
    stemmen zu können.


    Unser Anspruch:

    • Nachhaltigkeit in allen Dimensionen fest in der Struktur von Kulturinstitutionen verankern
      – Transformationsmanagement als Weiterbildung anbieten und Stellen in diesem
      – Bereich finanzieren
      – Nutzung von Material-Initiativen zum Standard machen
      – Nachhaltigkeits-Konzepte etablieren, finanzieren und umsetzen
      – Handlungsfelder für Transformationsprozesse für jede Institution festlegen
      – Green Culture Desk auf Landesebene als zentrale Koordinationsstelle etablieren
    • staatliche und nichtstaatliche Institutionen bei der Transformation unterstützen
    • Maßnahmen für Nachhaltigkeit bei staatlichen Förderungen förderfähig machen
    • Beratung zur Nachhaltigkeit förderfähig machen
    • in allen Bezirken Ansprechpersonen für Nachhaltigkeits-Beratung für solo-Selbständige
    • Kreative einrichten
    • Mittel für Nachhaltigkeitsmaßnahmen bereitstellen
    Logo Bayerischer Landtag Sanne Kurz Grüne Fraktion Bayerischer Landtag Kultur Film

    „Kleine Anfrage“ – AzP „NS Raubkunst: Digitalisierung von Provenienzforschungsmaterial, Vermittlung durch Limbach-Kommission“

    Ich frage die Staatsregierung:
    Wie ist der Stand der Digitalisierung und Veröffentlichung von für die Provenienzforschung relevanten Zugangsbüchern, Unterlagen, Akten, Briefen, et cetera aus der Zeit 1933-45 (bitte Aufschlüsse nach Institution, Art des digitalisierten Materials und ggf. Jahr der Veröffentlichung), wie ist die Einsicht für externe Stellen zu Unterlagen, Materialien, Daten etc. geregelt, die bisher nicht veröffentlicht sind, wie oft riefen bayerische Institutionen die Limbach-Kommission seit ihrer Gründung im Jahr 2003 an (bitte aufschlüsseln nach Fällen, in denen die Limbach-Kommission insgesamt eingeschaltet wurde und Fällen, in denen ein Antrag durch Dritte an bayerische Institutionen herangetragen wurde, aber folgenlos blieb)?

    Hier geht’s zur Antwort: