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Rede zum FDP-Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Rundfunkgesetzes und des Bayerischen Mediengesetzes

Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrtes Präsidium!

Starke und unabhängige freie Medien sind eine sehr wichtige Säule unserer Demokratie. Es ist sehr löblich, dass sich die FDP hier im Parlament mit ihren Ideen einbringt und Vorschläge unterbreitet, wie wir Grüne es unter anderem auch schon mit unserem Gesetzentwurf, der endlich auch in den Kontrollgremien des Bayerischen Rundfunks für Parität gesorgt hätte, getan haben. Einige Ideen der FDP sind gut, andere halten wir Grüne für problematisch, und manche würden aus unserer Sicht den Fortbestand eines starken, freien und unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefährden.

Ziemlich lustig ist, dass Frau Kollegin Eiling-Hütig davon spricht, dass im Gesetzentwurf die Unterhaltung fehlt, weil sich ja die Fraktionsvorsitzenden der Unionsfraktionen der Länder gerade erst in Rostock zusammengefunden haben. Herr Kollege Kreuzer schwänzte an diesem Tag den Vorsitz des Ausschusses für Grundsatzfragen und Medienpolitik des Kontrollgremiums, den er hätte leiten sollen. Er ging lieber nach Rostock, um dort ein Eckpunktepapier zu beschließen, in dem die Unterhaltung überhaupt nicht mehr vorkommt! Insofern verwundert es mich, dass das jetzt hier kritisiert wird, weil die Fraktionsvorsitzenden der Unionsfraktionen, hier der Fraktionsvorsitzende der CSU, die Unterhaltung offenbar auch am liebsten absägen und dort die Axt ansetzen würden.

(Staatsminister Dr. Florian Herrmann: So, wie es halt im Gesetz steht!)

Das steht aber nicht im Eckpunktepapier. In dem Eckpunktepapier – ich habe es hier, ich kann es gerne vorlesen – steht – ich zitiere –: keine Anhebung des Rundfunkbeitrags ab 2025. Da steht auch:“[…] Fokus auf Kernauftrag mit qualitativ hochwertiger Grundversorgung in den Bereichen Information, Bildung und Kultur“. Ich kann hier kein einziges Wort zur Unterhaltung finden.

Jetzt ist es aber nicht nur so, dass wir hier eine sehr starke Filmbranche haben und wir in Bayern ein sehr starker Medienstandort sind, der selbstverständlich auch Unterhaltung produziert – im Idealfall sehr hochwertige Unterhaltung, auf die wir auch sehr stolz sind –; sondern wir brauchen auch dringend Unterhaltung, um Menschen, die wir nicht erreichen, reinzuholen und an uns zu binden. Das ist das alte Prinzip von Brot und Spiele. Da hat man schon im alten Rom gewusst, die Leute kommen, und dann kann man sie natürlich erreichen. Deshalb muss da die Unterhaltung unserer Meinung nach auch mit drinstehen.

Wie gesagt, es ist gut, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass Sie nicht nur draußen durch die Lande ziehen, polemisieren und populistisch die Axt an die Öffentlich-Rechtlichen ansetzen, sondern sich auch hier zu Wort melden, hier, wo es unsere Pflicht ist – oder zumindest unsere Pflicht wäre –, die Verantwortung zu übernehmen. Dieses Verantwortungsbewusstsein wünsche ich mir auch von den Unionsfraktionen, dass sie nicht nur in Rostock populistisch herumagieren, sondern hier auch sagen, was sie wirklich wollen, damit die Bürgerinnen und Bürger erfahren können, was die CSU eigentlich mit ihrem Bayerischen Rundfunk plant.

Bei der Sache mit dem Verantwortungsbewusstsein frage ich mich schon so ein bisschen – wenn da AfD-Framings übernommen werden, wenn die Unionsfraktion hier plötzlich Umerziehung vorwirft und wenn in diesem Eckpunktepapier als großer Wurf für die Reform, die dann alles rettet, das Verbot der Gender-Sprache mit drinsteht –, wie wir eigentlich einen guten Öffentlich-Rechtlichen zusammen erhalten wollen.

Wir brauchen eine Reform. Wir müssen das diskutieren. Deshalb noch mal vielen Dank für den Vorschlag hier. Vielleicht hat die CSU noch nicht gemerkt, dass sie einen Medienminister hat, der auch in der Rundfunkkommission sitzt und sich dort auch einbringen könnte. Er sitzt auch im Rundfunkrat. Auch dort könnte er sich einbringen. Aber vielleicht ist es ja ein großes Glück, dass sie das noch nicht getan und gemerkt hat.

Zurück zur FDP: Hörfunkwellen – sieben Programme. Ich habe mal durchgezählt. Was soll denn da weg? Da wünsche ich mir ein bisschen mehr Verantwortungsbewusstsein und dann auch ruhig den Mut zu sagen: Okay, wir haben mehr als sieben. Dann soll BR24 Radio weg – ehemals B5 aktuell –, oder Bayern 3 soll weg, oder Bayern 1 soll weg, BR-Klassik soll weg oder vielleicht Bayern 2 oder BR Heimat oder BR Schlager. – Was würden Sie denn gerne kürzen, liebe FDP? Da wünsche ich mir konkrete Vorgaben.

Zu den Kontrollgremien komme ich gleich noch. Das ist eine riesengroße Baustelle, die wir wirklich dringend angehen müssen. Aber ich finde auch noch ganz wichtig, und das steht hier nicht drin: Es wäre ganz wichtig, dass wir in dem Bayerischen Rundfunkgesetz etwas implementieren, mit dem man einen Hinweis gibt, wie KEF-Anmeldungen funktionieren sollen. Mir ist klar, das muss über Medienstaatsverträge geregelt werden. Aber wir könnten zumindest eine Denkanregung in unser Gesetz aufnehmen, weil wir im Moment bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs eine Situation haben, wo der Beitrag unabhängig festgelegt wird. Wenn wir ehrlich sind: Der ganze Streit kommt ja vor allem wegen des Beitrags. Ich wünsche mir sehr, dass wir inhaltlich nach vorne denken, aber die meisten interessieren sich ja nur für den Beitrag. Da müsste man zum Beispiel wie jedem anderen Medienunternehmen auch erlauben, Investitionen zu tätigen, nach vorne zu denken, damit man den Rundfunk in eine gute Zukunft führen kann.

Ganz kurz zu den Gremien: Bei uns in den Gremien fehlt Parität. Es fehlen Frauen, und nein – jetzt ist die Kollegin Eiling-Hütig weg –, es sind nicht 30 %, es sind 32 % staatsnah im BR-Rundfunkrat. Inzwischen sind es, weil der DGB jetzt wieder statt einer Frau einen Mann geschickt hat, auch wieder nur 33 % Frauen; migrantische Personen – eine Person von 50; Menschen unter 40 – eine Person; Menschen mit Behinderung – eine Person.

Das sind alles Dinge, die ein großes Problem sind. Deshalb danke für die Vorschläge. Viele Probleme – ich freue mich auf die Diskussion in der nächsten Legislatur. Wir lehnen den Gesetzentwurf im Augenblick ab.

Rede zur Zweiten Lesung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Feiertagsgesetzes

Verehrte Frau Präsidentin, liebes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wer auf YouTube „Politischer Aschermittwoch CSU“ eingibt, der findet brechend volle Hallen, rhythmisch klatschende, im Takt skandierende Massen. Auch Musik gibt es selbstverständlich. 2019 zum Beispiel eröffnete die Blaskapelle. Auf den Tischen: Maßkrüge. Die Stimmung? Nun denn, besonders still oder pietätvoll schaut es nie aus an diesem „stillen Tag“ bei der CSU in Passau. So, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellt sich die CSU stille Tage vor.

Im November haben wir Grüne unseren Gesetzentwurf für eine Reform der stillen Tage eingebracht. Die hierfür nötige Neugestaltung des bayerischen Feiertagsgesetzes hat zum Ziel, nicht mehr einseitig, von oben herab, das, was gerade genehm ist, als „dem stillen Tag angemessen“ zu definieren. Während Kollege Dünkel in seiner Erwiderung unseren Gesetzentwurf stets „Antrag“ nannte und mit keinem Wort auf meine Einlassungen einging; während er fälschlich behauptete, Tanzverbote gäbe es – ich zitiere hier aus dem Protokoll – „natürlich in Europa und in unzähligen Kulturen“, kamen mir doch erhebliche Zweifel, ob er mir zugehört hatte oder sich überhaupt je mit der Materie „stille Tage“ befasst hat. Im Ausschuss gab Kollege Taubeneder dann ein besseres Bild ab, auch wenn er sich auf die Aufzählung gesetzlicher Grundlagen beschränkte und nicht auf die dringend notwendige Gleichstellung von Kultur mit Sport, die wir voranbringen wollen, einging.

Noch einmal zur Begriffserklärung: Was sind stille Tage? Artikel 140 des Grundgesetzes enthält den Artikel 139 der Weimarer Reichsverfassung. Darin steht:

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Artikel 147 der Bayerischen Verfassung besagt:

Die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der seeli- schen Erhebung und der Arbeitsruhe gesetzlich geschützt.

Das bayerische Feiertagsgesetz definiert dann in Artikel 3 die sogenannten stillen Tage.

Sie haben von „stillen Tagen“ noch nie gehört? Das kann daran liegen, dass Sie an diesen stillen Tagen arbeiten müssen; denn viele stille Tage, zum Beispiel der Gründonnerstag, der Buß- und Bettag und der Karsamstag, sind ganz normale Werktage und eben keine Sonn- und Feiertage, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie der Tag der Deutschen Einheit, Fronleichnam, der 1. Mai, Pfingstmontag, Heilige Drei Könige und der Ostermontag. Die stillen Tage sind „nur“ still. Ich wohne in Hörweite einer achtspurigen Autobahn. Glauben Sie mir: Ein paar mehr wirklich stille Tage würden mich und meine Familie sehr freuen.

Wie still muss es an stillen Tagen sein? Das ist eigentlich die Kernfrage. Ist das öffentliche Gruppenbesäufnis der CSU in Passau still und deshalb am Aschermittwoch total okay? Verstehe nur ich das falsch?

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Stephan Oetzinger (CSU))

Das Feiertagsgesetz erklärt in Artikel 3 Absatz 2 – Kollege Oetzinger, Sie haben ja gleich noch das Wort –:

An den stillen Tagen sind öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt, wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist. Sportveranstaltungen sind jedoch erlaubt […]

Nicht nur Kollege Dünkel stellte unsere Initiative zur Schärfung und Reform des Feiertagsgesetzes in die Ecke: „Die Grünen wollen die stillen Tage abschaffen.“ Aber nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, das wollen wir keineswegs. Stille, beispielsweise auf achtspurigen Autobahnen, finden wir gut. Entschleunigung tut gut, und zwar nicht nur auf der Autobahn. Das Tanzverbot ist es, das wir abschaffen möchten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Tanzverbote sind im Iran oder in Afghanistan probate Mittel. Kein anderes Land in Europa kennt das Tanzverbot, Herr Dünkel. Lediglich sechs Schweizer Kantone – von 26! – kennen ein Tanzverbot. Tanzverbote resultieren, wie ich im November versucht habe darzulegen, aus einer überkommenen, dualistischen Weltsicht des Mittelalters: „böser Tanz“ und „guter Tanz“. Wollen wir das heute wirklich noch so?

Genau: Tanzsport ist als Sport an stillen Tagen erlaubt, Tanz in der Live-Musikspielstätte verboten, obwohl Trinken in Bars übrigens erlaubt ist, trotz Besinnlichkeit am stillen Tag. Unser Vorschlag steht für ein Ende dieser Doppelstandards.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser grüner Vorschlag für Artikel 3 Absatz 2 des Feiertagsgesetzes lautet:

Sport- und Kulturveranstaltungen sowie Veranstaltungen in Live-Musikspiel- stätten und Clubs sind jedoch erlaubt, ausgenommen am Karfreitag und am Buß- und Bettag.

Sehen Sie? Tut es besonders weh, Sport mit Kultur gleichzustellen, Musik in Live- Spielstätten und Clubs sowie das Tanzen zu erlauben, egal ob beim Cheerleading-Wettbewerb, beim Turniertanz oder in Clubs, in denen man an einem stillen Tag trinken darf, aber tanzen nicht?

Danken will ich der SPD, die sich – immerhin – inzwischen mit unserem Gesetzentwurf beschäftigt und sich nach anfänglicher Ablehnung im Ausschuss zu einer Enthaltung durchgerungen hat. Weder im Grundgesetz noch in der Bayerischen Verfassung ist übrigens von „stillen Tagen“ die Rede; „Sonn- und Feiertage“ sind dort zu finden.

Die jüngste Novelle des Feiertagsgesetzes gab es 2013. Liebe Damen und Herren, wir haben inzwischen 2022. Fast zehn Jahre sind ins Land gegangen. Nehmen Sie unseren Gesetzentwurf bitte zum Anlass, selbst über zeitgemäße und gerechte Regelungen für unser Land nachzudenken. Wir freuen uns darauf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

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Rede zur Ersten Lesung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Feiertagsgesetzes

Sehr geehrtes Präsidium, Frau Präsidentin, verehrtes Kollegium,

wir wollen hier heute über eine Neuregelung für die neun stillen Tage in Bayern sprechen, über die von uns vorgeschlagene Novelle des bayerischen Feiertagsgesetzes. Es ist nicht die erste Veränderung an diesem Gesetz. Darum will ich präzisieren, worum es uns hier geht: Es geht uns keineswegs um die Abschaffung der stillen Tage. Es geht uns um eine Gleichstellung von Kultur und Sport, die des Kulturstaats Bayern würdig ist.

Es ist gute Tradition, dass man die Regeln, nach denen wir in unserer Gemeinschaft zusammenleben wollen, von Zeit zu Zeit überprüft. Zuletzt geschah dies beim Bayerischen Feiertagsgesetz im Jahr 2013. Eine breite, parlamentarische Debatte über alle Parteigrenzen hinweg und eine Sachverständigenanhörung begleiteten die Reform.

Weg von überkommener Polemik, hin zu einer Gleichstellung der Kultur

Wer sich die Mühe macht, das Protokoll der Sachverständigenanhörung vom 15. Mai 2013 zu lesen, erkennt tiefe Gräben. „Einschränkung,Bevormundung“ rufen die einen – „christliche Werte, Kraft schöpfen, Regeneration“ die anderen. – Es ist kaum zu glauben, dass um die zwei nächtlichen Stündchen Neuregelung damals so ein Wind gemacht wurde. Dabei sehen wir christliche Werte nicht in Gefahr, Besinnung ist unsebenso wichtig. Es geht uns eben nicht um ein salamitaktik-artiges Abknapsen, um ein Zurückschneiden und Zurechtstutzen der stillen Tage, um Exzess bis zum Umfallen. Es geht uns um die Bedeutung von Kultur – und um das Tanzverbot.

“Ubi est saltatio, ibi est diabolus” – Wo der Tanz ist, ist der Teufel. Zum Tanzverbot führt Wikipedia neben deutsch und englisch nur noch einen niederländischen Artikel auf. Wer diesen niederländischen Wikipedia-Artikel zu Rate zieht, findet unter “Dansverbod” neben der Situation in Deutschland noch die Regelungen für den Iran und Afghanistan. Schauen wir ansonsten gerne mit kritischem Blick auf insbesondere islamisch geprägte Länder, und bekritteln, wo diese religiöse Traditionen in staatliche Regelungen überführen, machen wir uns hier in Bayern doch ein Tanzverbot zueigen.

Eklatante Schieflage bei der Definition von „still“

Aber woher kommt das überhaupt? Wo hat sie ihren Ursprung, diese Sonderbehandlung und tiefe Ablehnung des Tanzes? Und ja, es ist eine Sonderbehandlung, das Tanzverbot. Denn die stillen Tage sind ja keineswegs still – denn vieles ist erlaubt, die Pietät dabei höchst diskutabel:

So sind Sportveranstaltungen erlaubt – auch mit musikalischer Umrahmung. Ob Boxkampf, Fußball, Schützenwettbewerb oder Cheerleading und Turniertanz. – alles erlaubt! Auch Bars dürfen öffnen. Die Kollegin Guttenberger darf ich mit ihrer Aussage von 2013 zitieren: “Wir müssen uns immer vor Augen führen, dass es nur um das Tanzen geht. Ich darf jede Bar offenhalten, und ich darf jede Lounge-Musik spielen, auch das stört den ernsten Charakter nicht.” Ja, werte Frau Kollegin! Sie haben recht! Auch trinken geht: In Passau klagt man seit Jahren über das politische Besäufnis am Aschermittwoch – und sich auch außerhalb Passaus zu betrinken steht in Bayern nicht im Widerspruch zu stillen Tagen in ihrer aktuellen Gestaltung. Allein beim Heiligen Abend hat man’s gemerkt, dass das mit der Pietäts-Kombi irgendwie ungut ist – da beginnt die “Stille” erst um 14:00h, nachdem man sich zuvor noch im Endspurt-Shopping um die letzten Christbaumkerzen in der vollgestopften Einkaufsmeile geprügelt hat.

Die geschichtlichen Wurzeln des Tanzverbots

Woher kommt also dieses Tanzverbot, dass übrigens unsere alpenländischen Nachbarn in Österreich nicht kennen?Die Historikerin Dr. Valeska Koal untersucht mit “DETESTATIO CHOREAE – Abscheu vor Tänzen” -, einem Aufsatz zu einer Predigt des 14. Jahrhunderts im Kontext mittelalterlicher Tanzpolemik, die historischen Hintergründe des Tanzverbots.So interpretierten Kirchenautoritäten wie Origenes, Clemens von Alexandria, Eusebius von Caesarea, Gregor von Nazianz, Ambrosius von Mailand und Johannes Chrysostomus das Tanzen als vollkommenen Ausdruck religiöser Hingabe. Die Abgrenzung von “gutem” und “bösem” Tanz fiel dabei schon immer schwer: Konzilien und Synoden erließen dann seit dem 4./5. Jahrhundertin immer wieder Verbote gegen das Tanzen. Geheiligte Orte und Friedhöfe unterlagen dem Bann – aber auch gegen tanzenden Klerus, gemischtgeschlechtliche Reigen heidnischer Tradition oder professionelle Tänzerinnen galt es vorzugehen. Trotz dieser Tanzverbote lebte insbesondere im Katholizismus eine lange und starke Tradition sakraler Tänze auch in Tradition des Priestertanzes vor der Bundeslade fort. Dr. Valeska Koal spannt hier den Bogen der “Tanz-Freundlichkeit” von der Frühzeit des Christentums bis zum Teil weit ins 17./18. Jahrhundert hinein.

Was bringt uns Tanz? Welchen Mehrwert hat er? Der Franziskaner Astesanus de Asti erkennt Tanzen als heil- und gesundheitsfördernd an. Psalmen loben Tanz: Psalm 149 «Israel soll sich über seinen Schöpfer freuen, die Kinder Zions über ihren König jauchzen. Seinen Namen sollen sie loben beim Reigentanz, ihm spielen auf Pauken und Harfen»; Psalm 150: «Lobt ihn mit Pauken und Tanz, lobt ihn mit Flöten und Saitenspiel»; Psalm 30: «Da hast du mein Klagen in Tanzen verwandelt, hast mir das Trauergewand ausgezogen und mich mit Freude umgürtet» Ein Tanzverbot ist also mitnichten biblisch-christlicher Natur. Denn erst im späten 14. und im 15. Jahrhundert nimmt die Anti-Tanzbewegung so richtig Fahrt auf. Weltliche und geistliche Rechtsverordnungen beginnen, dem Tanz an den Kragen zu gehen. Dabei spiegelt sich das dualistische Weltbild des Mittelalters wider, das auf dem Gegensatz von Himmel und Hölle, rechts und links, Körper und Spiritualität aufbaut. Totentanz-Darstellungen beispielsweise zeigten oft eine Links-Drehung.

“Guter” Tanz versus “böser” Tanz. Leben wir das noch heute? Tanz in der Chearleader-Gruppe oder beim Turniertanz = gut. Tanz im Club = böse. Musik an der Bar beim Trinken = gut, Musik im Club = böse. – Ist das noch zeitgemäß, Kolleginnen und Kollegen?

„Seelische Erhebung“geht beim Turniertanz genauso wie im Club

Blicken wir auf die gesetzliche Grundlage der stillen Tage, müssen wir ebenfalls weit zurückschauen: Es ist die Weimarer Reichsverfassung, deren Sätze hier ins Grundgesetz übernommen wurden, wo es heißt: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“ “Seelische Erhebung”. Was ist das, meine Damen und Herren? Wer sind wir festzulegen, wo ein Individuum seine persönliche “seelische Erhebung” findet? Ist es im Sport? Ist es beim Fußball, Turniertanz oder beim Cheerleading? Alles an stillen Tagen erlaubt!? Oder am Tresen einer Bar mit Hintergrundmusik? Auch das ganz legal am stillen Tag möglich? Oder, liebe Kolleginnen und Kollegen, schöpfen Menschen nicht auch Kraft, finden Regeneration und “seelische Erhebung” im Tanz?

Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, da läuft etwas schief im Kulturstaate Bayern. Gleichberechtigung und Gleichstellung von Tanz, eine Abschaffung des Tanzverbots, daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Ich freue mich daher sehr auf die Beratung in den Ausschüssen und bin gespannt auf die jeweiligen Lösungen der unterschiedlichen hier im Bayerischen Landtag vertretenen Fraktionen zur Novelle des Feiertagsgesetzes.

Packen wir’s an – ich freu’ mich drauf. Dankeschön.

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Tanzen Club Tanzverbot Feiertag Stille Tage bayern Sanne Kurz Grüne Landtag Feiertagsgesetz FTG

Tanzverbot abschaffen

Obwohl Tanz schon seit Jahrhunderten als „sündig“ unter Dauerverdacht steht, ist es die im Grundgesetz erhalten gebliebene Weimarer Reichsverfassung, die uns bis heute Tanzverbote beschert. Bayern, Spitzenreiter in fast allem, spielt auch beim Tanzverbot selbstverständlich gleich ganz vorne an der Weltspitze mit. Was Deutschland in der niederländischen Wikipedia unter den Schlagwort „Tanzverbot“ sogar die fragwürdige Alleinlistung mit dem Iran und Afghanistan eingebracht hat. Warum Tanz schlechterstellen als Sport? – Ein Plädoyer für die Bewegung!

Es ist vermutlich nicht der FDP anzukreiden, dass sie als kleiner Koalitionspartner unter der Schwarzen Rute der CSU 2013 nur die zwei Stündchen Lockerung hinbekommen hat – mehr Augenwischerei als wirkliche Veränderung und gut für Wirtsleute, die zwei Stunden länger Umsatz machen können. Für die Tanzenden aber hat sich wenig geändert.

Ein Blick auf die Fakten im Oktober 2021

Bayern hat eines der strengsten Feiertagsgesetze der Republik. Rechtsgrundlage des Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage – „Feiertagsgesetz“ (FTG) ist das Grundgesetz (GG), welches sich bei diesem Thema auf die Weimarer Reichsverfassung (WRV) beruft: Art. 140 GG, in Verb. mit Art. 139, WRV besagen:

Art. 140 GG: „Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.“


Art. 139 WRV:„Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“

Feiertag  ≠  stiller Tag

Bayern ist spitze! Das gilt auch für die Feiertage – Bayern hat, zählt man die regionalen Feiertage wie Mariä Himmelfahrt mit, die meisten Feiertage der gesamten Republik. Dazu kommt eine üppige Zahl sogenannter „stiller Tage“, an denen man zum Teil sogar arbeiten muss. Die über den regulären Sonntagsschutz hinausgehende Bedeutung der sogenannten „stillen Tage“ ist überholt. Es dürfen bisher z.B. sehr wohl am laufenden Band Schweinehälften bei hoher Geschwindigkeit zerteilt werden – tanzen aber ist an diesen „stillen Tagen“ aktuell ab 2:00h in der Früh verboten. Grund: damit die „seelische Erhebung“ ab 2:00h geschützt bleibt. Obwohl manche Clubbing-Fans doch wissen, dass eigentlich nur beim Tanzen die seelische Erhebung wirklich garantiert ist.

Ganz legal: öffentliches Besäufnis an stillen Tagen

Unterhaltung ist übrigens bisher generell an stillen Tagen nur erlaubt, wenn dadurch der „ernste Charakter“ dieser Tage gewahrt bleibt. Das alljährliche öffentliche CSU-Besäufnis in Passau am stillen Tag Aschermittwoch ist natürlich erlaubt – es ist ja auch keine Unterhaltung, sondern „Politik“. Und „Politik“, insbesondere in Verbindung mit Bier, wahrt den „ernsten Charakter“. Nicht wahr?! Diese hochinteressante Bewertung stiller Tage durch den (erlaubten) Politischen Aschermittwoch haben wir Grüne bereits 2013 bei der letzten Überarbeitung des FTG kritisiert, wo in dem bereits erwähnten “Reförmchen“ eine windelweiche und willkürliche Anpassung mit der Verschiebung der Sperrstunde von 0:00h auf 2:00h eingeführt wurde.

Gesellschaft ist permanent im Wandel, darum sollten wir auch die Regeln, nach denen wir zusammenleben möchten, regelmäßig überprüfen. Einige unserer Feiertage sind zum Teil erst wenige Jahre alt und durch eine geschichtlich jüngere Neubewertung entstanden. „Das war aber doch schon immer so“ ist also für mich kein Argument, Dinge so zu lassen, wie sie sind. Zumal Feiertage und stille Tage keineswegs „schon immer“ so waren, wie sie sind. Viele dieser besonderen Tage sind noch jung, einige, wie der Josefitag, dem heute noch mit dem Starkbieranstich „gedacht“ wird, oder der Buß- und Bettag, an dem in Bayern immer noch schulfrei ist, wurden erst in jüngster Zeit als Feiertage abgeschafft.

Viele Kulturen und Religionen kennen Tage des Innehaltens, der Ruhe und der stillen Einkehr. Was ist z.B. mit dem jüdischen Buß-Tag Yom Kippur, an dem in ganz Tel Aviv kein Auto fährt? Dass Tage der Ruhe rein christlich definiert werden, ist nicht mehr zeitgemäß.

Gegen Abschaffung stiller Tage – aber für Gleichstellung von Tanz und Sport

Wir Grüne fordern jedoch keine Abschaffung oder generelle Umstellung, wohlwissend, dass Feiertage und stille Tage für viele Menschen immer noch eine große Bedeutung haben. Was wir fordern, ist eine Gleichstellung der Kultur und insbesondere des Tanzes. Denn: Sport ist an den stillen Tagen in Bayern schon lange erlaubt. Öffentliche Wettbewerbe im Boxen, Karate oder Schießen finden also zurecht statt, während Tanzen verboten ist? Das müsste sogar der Schwarz-Orangenen Koalition auffallen, dass hier eine Schieflage herrscht.

Allzu gerne blicken wir moralisch überlegen hinab auf Länder, in denen Religion staatliches Agieren stark beeinflusst. So genießt die Haltung einiger islamisch geprägter Länder zum Tanz in Deutschland sehr wenig Ansehen. Kaum kommt in Bayern ein stiller Tag daher, verbieten aber auch wir den „sündigen“ Tanz?! Da wünsche ich mir doch ein wenig mehr Mut, meine Damen und Herren der CSU! Die Freien Wähler regieren im Bund ja nicht mit, die wissen es also nicht besser. Darum hier zur Info noch mal:

Clubs sind Kulturorte. Sagt der Deutsche Bundestag.

Clubs werden durch die Entscheidung des Bundestags vom Mai 2021 kulturellen Einrichtungen gleichgestellt und als Kulturorte anerkannt. Der Beschluss ging auf eine interfraktionelle Initiative aller demokratischen Parteien zurück. Die „Zuhause mit der Partnerin tanzen“-Staatsregierung zeigte in der Pandemie wenig Verständnis für die Fans der Nachtkultur. Vielleicht ändert sich das ja mit unserer Initiative. Eine Schlechterstellung von Nachtkultur gegenüber Sport und anderen Bereichen des Lebens ist jedenfalls nicht mehr länger hinzunehmen.

Das Bundesverfassungsgericht pfiff Bayern bereits 2016 mit seiner damals in der BRD singulär besonders strengen Regelung zurück. Jegliche Ausnahme vom Schutz eines stillen Tages von vorneherein auszuschließen widerspreche dem Grundgesetz. Seither kann man eine Demo für den Tanz anmelden und so sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch in Bayern und auch an stillen Tagen ausüben. Was ich mir wünsche, wäre ein Weniger an Regulierungswut und ein Mehr an …

… einfach tanzen!


Weiterlesen:

November-Service Feiertage/stille Tage

  • Allerheiligen „Still“,Gesetzlicher Feiertag in 5/16 Ländern; 1. November. Kath. Gedenktag für alle vom Papst heiliggesprochenen Menschen.
  • Allerseelen „Still“, Gedenktag der kath. Kirche für Tote + deren Seelen; 2. November. Gesetzlicher Feiertag in 0/16 Ländern.
  • Buß- und Bettag Prot. Feiertag zur Besinnung in 1/16 Ländern. 1995 bundesweit abgeschafft (Ausnahme: Sachsen), schulfrei in Bayern.
  • Reformationstag Prot. Feiertag am 31.10. in 9/16 Ländern, Gedenken an die Reformation – ca. 400 Jahre alt. Als ges. Feiertag mehrfach eingeführt und abgeschafft, letzter Wechsel 2018
  • Volkstrauertag „Still“; Gedenktag am vorletzten Sonntag des evgl. Kirchenjahres. Eingeführt Im frühen 20. Jhdt.; Gedenken der durch Kriege und unterdrückerische Regime Verstorbenen. Zentrale Gedenkstunde im Bundestag.
  • Totensonntag Prot. Feiertag zum Totengedenken, eingeführt im frühen 19. Jhdt.

„Stille“ Feiertage im November – nicht alle arbeitsfrei:

  • Allerheiligen (1. November)
  • Allerseelen (2. November)
  • Volkstrauertag (2 Wochen vor dem 1. Adventssonntag)
  • Buß- und Bettag (Mittwoch vor dem 23. November)
  • Totensonntag (1 Woche vor dem 1. Adventssonntag)

Bayern-Service Feiertage/stille Tage

Feiertage BY (arbeitsfrei)Stille Tage BYLaufende Nr.
Neujahr 1
Heilige Drei Könige 2
 Aschermittwoch3
 Gründonnerstag4
KarfreitagKarfreitag5
 Karsamstag6
Ostermontag 7
1. Mai 8
Christi Himmelfahrt 9
Pfingstmontag 10
Fronleichnam 11
Tag der Deutschen Einheit 12
AllerheiligenAllerheiligen13
 Volkstrauertag14
 Totensonntag15
Buß- und Bettag (nur schulfrei, nicht arbeitsfrei)Buß- und Bettag16
 Heiliger Abend17
Erster Weihnachtstag 18
Zweiter Weihnachtstag 19
Mariä Himmelfahrt (im Vgl. zur protestant. überwiegend kath. Bevölkerung) 20
Friedensfest (nur in Augsburg) 21

Sowie: