Gehen Sie ins Gefängnis oder eben auch nicht - Massregelvollzug Schuld und Strafe

MRV – Strafe, Schuld und Sonderopfer

Gerichte richten über Leute: Menschen, die gegen geltendes Recht verstoßen haben, Personen, die eine strafbare Tat begangen haben, werden nur dann bestraft, wenn sie Schuld trifft. Die anderen gehen aber im Regelfall nicht munter nach Hause. Ein Bericht aus dem Maßregelvollzug in Haar über Strafe, Schuld, Krankheit, Sucht und Sonderopfer.

Strafe

Strafe ist eine Sanktion für die schuldhafte Verletzung von Gesetzen oder anderen Normen. Strafe wird einer Person für ihr eigenes, schuldhaftes, rechtswidriges Nicht-Tun oder Tun auferlegt. Sie kann ausschließlich vom Staat durch richterliches Urteil oder richterlichen Strafbefehl wegen einer Straftat verhängt werden.

Ich bin keine Juristin – schlau gemacht habe ich mit bei der Bundeszentrale für politische Bildung, bei „Duden Recht A-Z“ und auf einem Forensik-Symposium der kbo Isar-Amper-Klinikum Haar, wobei „kbo“ für Kliniken des Bezirks Oberbayern“ steht.

Die Forensik ist auf der Seite des Bezirkskrankenhauses Haar nicht leicht zu finden, wenn man die Seite von Forensik bzw. Maßregelvollzug dann entdeckt hat, sieht man martialische Gebäude, die an ein Gefängnis erinnern, aber kein Gefängnis sind.

Krankheit und Sucht

Denn die Männer, die hier leben, sind keine Gefangenen, sondern Patienten. Sie werden nicht bestraft, sondern therapiert, Ziel ist Heilung und Möglichkeit des straffreien Lebens – also auch eine Ungefährlichkeit der Patienten für die Allgemeinheit. (Es gibt unterschiedliche Abteilungen und unterschiedliche Gründe, im Maßregelvollzug (MRV) zu sein, Krankheit oder Sucht z.B.; ich beschreibe hier nur grob und bitte um Studium der Seite zum MRV des Bezirkskrankenhauses Haar für detaillierte Infos.)

Der Weg zu Entlassung und straffreiem Leben ist lang und gelingt auch nicht immer. Die Männer sind hier in Haar, weil sie zwar eine Straftat begangen haben, aber so krank sind, dass sie keine Schuld trifft. Passiert sind also keine Unfälle, keine Fahrlässigkeiten. Passiert sind echte Straftaten, an denen die Personen, die die Straftat begangen haben, aber nicht schuld sind. Schuld gibt es im ethischen und moralischen, aber eben auch im rechtlichen Sinn.

Schuld

Die Schuld ist die Vorwerfbarkeit der Willensbildung des*der Täter*in. Sie setzt voraus, dass die handelnde Person statt des rechtswidrigen einen normgemäßen Handlungswillen hätte bilden können. Die Schuld ist – neben Tatbestand und Rechtswidrigkeit – die dritte zwingende Voraussetzung für die Verwirklichung eines Straftatbestandes. Und ohne Straftatbestand kein Schuldspruch, keine Strafe. Denn in der Bundesrepublik gilt der Schuldgrundsatz „nulla poena sine culpa“ [lat. „Keine Strafe ohne Schuld“]. Jede*r, der*die schuldlos handelt, muss straffrei bleiben.

Aber: Manche Menschen, die schuldlos handeln, sind so gefährlich, dass sie zum Schutz der Allgemeinheit ein sogenanntes „Sonderopfer“ erbringen müssen – grob gesagt die Behandlung im Maßregelvollzug. In hauchdünnen Scheibchen werden die Patienten in Haar wieder an ein „normales“ Leben herangeführt. Rückschläge sind unvermeidbar. Fortschritte geben Hoffnung. Die Patienten sind im Durchschnitt viel länger in Behandlung als nicht straffällig gewordene Kranke. Die Behandlung dauert oft auch länger als die Gefängnisstrafe, die sie erwartet hätte, wenn sie ihre Straftat gesund und voll schuldfähig begangen hätten.

Sonderopfer

Man sieht: It’s complicated. Alle probieren alles so gut zu machen, wie es geht. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Weder absolute Sicherheit, dass man zu Recht Patient ist, und zwar nur so lange wie unbedingt nötig, noch absolute Sicherheit, dass man ungefährlich ist, wenn man nach vielen Jahren Behandlung und ewig langsamer Lockerung wieder außerhalb der Forensik lebt. Um die externe Kontrolle noch zu verbessern, wurden Maßregelvollzugsbeiräte eingeführt. Ich bin stellvertretende Vorsitzende des Maßregelvollzugs im Bezirkskrankenhaus Haar, kbo Isar Amper Klinikum.

Weiterlesen

Über mein erstes Forensik-Symposium könnt Ihr hier weiterlesen.
Hier geht es zur Infoseite des Zentrum Bayern Familie und Soziales.

Hier die Infobroschüre „Hinweise für untergebrachte Personen im Maßregelvollzug“ des Zentrum Bayern Familie und Soziales – die wir Grüne übrigens schon sehr, sehr lange zusätzlich in Leichter Sprache fordern…

Und hier das „Kurzgutachten zum Maßregelvollzug in Bayern“ von Dr. Rolf Marschner im Auftrag von Grüne Fraktion Bayern 2013