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Meine Rede zum AfD-Antrag „Rundfunkbeitrag aufgrund der steigenden Inflation aussetzen“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrtes Präsidium, Herr Präsident!

Herr Hahn, ich war 15 Jahre lang alleinerziehend und solo-selbstständig. Ich habe dort gelebt, wo der von Ihnen oft zitierte kleine Mann ist. Ich weiß, wie es dort ausschaut – im Gegensatz zu Ihnen!

(Prof. Dr. Ingo Hahn (AfD): Haben Sie die GEZ bezahlt?)

Man wird befreit, wenn das Einkommen nicht ausreicht. Auch dazu gibt es Regelungen. Ich brauche garantiert keine AfD, die hier wieder von rechtsaußen herumpolemisiert, um mir zu erklären, wie der Hase läuft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in ganz Europa sind unabhängige Medien als Säule der Demokratie Zielscheibe rechtspopulistischer Bewegungen. In Polen übernahm der staatliche Ölkonzern PKN Orlen 2020 Polska Press. 20 von 24 Tageszeitungen, 120 Wochenzeitungen, 500 Internetportale sind seither in Staatsbesitz. Unter der PiS-Regierung hat die Pressefreiheit durch juristische Schikanen und physische Angriffe gelitten: Entzug staatlicher Anzeigen, Manipulation beim Vertrieb und regulatorische Diskriminierung. – So das International Press Institute 2021. „Reporter ohne Grenzen“ setzt Polen daher auf der Weltrangliste der Pressefreiheit 2021 auch nur noch auf Platz 64. Deutschland liegt im selben Jahr auf Platz 13.

In Ungarn beschloss die Orbán-Regierung schon 2010 ein repressives Gesetz zur staatlichen Medienkontrolle. Gleichzeitig begann der Staat mit Anzeigenentzug in kritischen Medien. Kritische Sender wurden bei der Vergabe von Frequenzen gezielt benachteiligt. Mehrere TV- und Radio-Sender wurden zu einem Anbieter mit gemeinsamer „Superredaktion“ vereinigt. Die Chefredaktion dieses Anbieters ist nun komplett in der Hand von Orbáns Gefolgsleuten. Noch 2018 war dieser Orbán übrigens Gast bei der CSU-Klausur. Bei kritischen Berichten ausländischer Korrespondenten über die ungarische Regierung interveniert Orbán gerne mal direkt bei den jeweiligen Auslandsredaktionen.

Deutsche Journalistinnen und Journalisten in den ARD-Auslandsstudios erleben solche Vereinnahmungsversuche täglich in ihrer Arbeit, zum Beispiel in Russland, wo nach AfD-Manier Pressefreiheit beschnitten wird und das Wort „Krieg“ für den Überfall auf die Ukraine verboten ist. Aber nicht nur die Putins und Orbáns der Welt torpedieren unabhängige Medien: Boris Johnson hat es fertiggebracht, eine Medienministerin zu installieren, die einen vermeintlichen sogenannten „Elitismus“ der BBC öffentlich beklagt, die bei „I’m a Celebrity…Get Me Out of Here!“ – der britischen Version des Dschungelcamps – teilnimmt und wenig später mit Boris-Johnson-Support die Finanzierung der britischen BBC, des weltweit ältesten und traditionsreichsten Senders, einstampft. Mit diesem Angriff auf die Finanzierung ist nicht nur die unabhängige Berichterstattung, sondern auch der ganze Bestand dieses öffentlich-rechtlichen Senders in Gefahr, eines Senders, der für uns Deutsche in Zeiten von Krieg und Diktatur, als wir hier keine unabhängige und freie Presse hatten, täglich Informationen lieferte.

Warum erzähle ich von Boris Johnson? – Weil sich die AfD – wir haben es gerade gehört, und das ist der eigentliche Warnschuss heute – in Ihrem Antrag auf eine Steilvorlage der CSU bezieht. Dieser Parlamentarische Geschäftsführer, der gefordert hat, den Rundfunkbeitrag auszusetzen, gab in seinen weiteren Ausführungen, wo er als CSU-Bundespolitiker übrigens gar nicht zuständig ist, denn die Staatsverträge werden von den Ländern verhandelt, gleich noch mit, wohin seiner Meinung nach die Reise geht. Eine Verschlankung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei – so der CSU-Mann – unabdingbar. Was aber wie reformiert werden soll, um den so wichtigen Schritt des Öffentlich-Rechtlichen in die Zukunft des Non-Linearen zu sichern, davon sprach er nicht.

Ja, liebe CSU, Sie sind hier dringend gefordert, sich mit Lösungen zu befassen, statt nur Kleinholz zu produzieren und Steilvorlagen für die AfD zu liefern.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Andreas Winhart (AfD))

Ich möchte die AfD dabei allerdings ausdrücklich ausladen. Die hat nämlich bisher noch keinen einzigen sinnvollen Beitrag geleistet.

(Zurufe von der AfD: Oje!)

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach festgehalten, dass unsere Öffentlich-Rechtlichen auskömmlich finanziert werden müssen.

Lieber Kollege Dorow, allerdings wurde der Auftrag gerade eben final verhandelt. Die CSU-geführte Staatsregierung – aktuell CSU-besetzt – hat hier ja mitverhan-delt. Das heißt, die dringend benötigten Reformen waren jetzt gefragt. Es stehen auch dringend nötige Reformen drin im Entwurf des neuen Medienstaatsvertrags. Wie wir das dann finanzieren, wird im nächsten Schritt weiter geklärt.

Ja, die Bürde auf den Schultern der Menschen wiegt hier und heute schwer. Die Bundesregierung hat auch einiges unternommen: 15 Milliarden Euro Entlastung: Grundfreibeitrag bei der Einkommensteuer massiv erhöht – das hilft übrigens nicht nur niedrigen Einkommen, sondern auch Solo-Selbstständigen –; die Energiekostenpauschale; Kinderbonus von 100 Euro pro Kind; Tankrabatt; 9-Euro-Ticket; Einmalzahlung für Menschen, die Sozialleistungen beziehen, und und und.

Niemand muss unseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk torpedieren, um die großen und schweren Herausforderungen unserer Zeit zu lösen. Ganz im Gegenteil: Gerade in Zeiten tiefer Krisen brauchen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, weil er unsere Demokratie frei vom Auf und Ab des Werbemarktes resilient macht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das duale System hat sich bewährt, ob das der AfD passt oder nicht. Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)