Letztes Wochenende war ich auf der LAG Integration, Flucht & Migration der Grünen in Bayern in Augsburg. LAGs – Landesarbeitsgemeinschaften – sind Arbeitsgruppen, die auf Landesebene inhaltlich bestimmte Themen beackern. Dieses Mal berichtete die Christine Kamm von der Grünen Landtagsfraktion und Beate Walter-Rosenheimer aus dem Bundestag:
Vielen unbekannt war, dass bei den Sondierungen zur Neuauflage der GroKo quasi „Transitzentren light“ beschlossen wurden: Lager, in die die Menschen kommen, bis ihr Fall bearbeitet ist. – Also: nicht irgendwelche Menschen natürlich. Geflüchtete sollen in die Lager, bis über ihren Antrag entschieden wurde. – Ja, auch Kinder, Frauen, Familien, Schwangere und LSBTIQ* – also Menschen, die Liebe und Sexualität nicht im hetero-normativen Sinne erleben – sollen dort hin. Bis zu zwei Jahre lang sollen sie sitzen, in den Lagern. Vorbild ist Bayern.
Wie sie sich im Lager integrieren sollen und wo hinein sie sich integrieren sollen – mir ist das ein Rätsel. Wie kann ich etwas mitgestalten, meine Fähigkeiten, mein Wissen, meine Kultur und meine Interessen einbringen, wenn das, was ich mitgestalten soll, hinter einem vier Meter hohen Zaun und Stacheldraht liegt?
Mein Sohn meint, Gruppenunterkünfte seien doch ganz ok. Man könne das ja auch gut organisieren. Das angebliche Ziel einer geregelten Antragsbearbeitung und Entscheidung aber, es wird mit den Lagern nicht erfüllt (siehe auch „Gerichte kassieren fast die Hälfte der abgelehnten Asylbescheide“ in der SZ vom 14.01.2018). Man hat nichts im Griff, wehrt Integration ab, missachtet Menschenrechte und Minderheitenschutz. Man verhindert schlicht, Heimat zu schaffen in einem Land, in dem es über Jahrtausende Wanderungsbewegungen waren, die Heimat geschaffen haben. Heimat für neu eingewanderte Bajuwarische Stämme im Landstrich nördlich der Alpen, Heimat für vertriebene Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg, Heimat für jene, die als dringend gebrauchte Hilfe in den 60ern geholt wurden.
António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, schreibt dazu:
„Migration zu bewerkstelligen, ist eine der bedeutendsten Herausforderungen (…) unserer Zeit. Migration treibt Wirtschaftswachstum an, reduziert Ungleichheiten und verbindet unterschiedliche Gesellschaften. Dennoch ist sie auch eine Quelle politischer Spannungen und menschlicher Tragödien.“
„Der demografische Druck und der Einfluss des Klimawandels auf verletzliche Gesellschaften werden wahrscheinlich zu weiterer Migration in den kommenden Jahren führen. Als globale Gemeinschaft stehen wir vor einer Wahl: Wollen wir Migration als Quelle von Wohlstand und internationaler Solidarität sehen, oder als Inbegriff der Unmenschlichkeit und sozialer Brüche?“
(den ganzen Gastbeitrag „Vorteile von Migration erkennen“ von António Guterres lesen in der FR vom 12.01.2018 hier)
Wer sich Bilder des Lagerinnenlebens ansieht und wer die Berichte der Menschen, die im Lager leben, liest, dem wird rasch klar, was da der Inbegriff der Unmenschlichkeit ist und dass gerade das Wohl der Schwächsten gefährdet ist. – Und die angehende GroKo will Kinderrechte im Grundgesetz verankern lassen…bei gleichzeitiger bundesweiter Einführung von Lagern. – Scheinheilig.
Auch die Leipziger Volkszeitung hat unter dem Titel „Wo Integration unerwünscht ist“ den einzigen Zweck der Lager schon erkannt: Die GroKo will bundesweit Menschen in Lagern sammeln „damit sie hierzulande nicht heimisch werden. In Bayern gibt es die umstrittenen Lager bereits. Die Erfahrung zeigt: Eine Garantie für schnellere Abschiebungen geben sie nicht.“
Christine Kamm hat gerade die bayerischen Lager besucht. Auch das eigentlich gut geführte „Vorzeigelager“ in Bamberg. Besuch öffentlicher Bildungseinrichtungen wird verwehrt – man könnte ja Deutsche kennen lernen und heimisch werden. Aus Brandschutzgründen lassen sich alle Türen rund um die Uhr von außen öffnen. Auch zur Dusche. Keine Privatsphäre, wo sich doch ohnehin schon 1300 Menschen eine Bleibe und 16 Menschen ein Klo, ein Bad und eine kleine Küche ohne Herd teilen. Kein Essen auf den Zimmern, auch kein Müsli-Riegel, der vom Abendessen übrig ist. Überhaupt darf nicht selbst gekocht, dürfen keinerlei Lebensmittel von draußen mit ins Lager gebracht werden. Auch kein Eis für die Kinder und keine Zwischenmahlzeit für Diabetiker. – Trotz all dem Brandschutz starb erst im November ein Mann im Bamberger Lager in einem Feuer. – Hoppla.
Während der Jamaika Sondierungen hat dann auch der Bamberger OB in einem Brandbrief die Parteien eindringlich vor weiteren Massenunterkünften gewarnt. Solche Lager könnten nur zu sozialen Spannungen und Problemen führen. Leider wurde es mit Grün in der Regierung dann ja nix. Jetzt wird munter ge-transit-lagert. In der Frankfurter Rundschau warnte auch der Sprecher der unmittelbaren Anwohner auf die Frage, ob die Unterkunft als Modell tauge, lediglich „Davon kann ich nur abraten. Würde man 1300 deutsche junge Männer auf so engem Raum zusammensperren, was wäre da wohl los?“ – Und das ist Bamberg. Das Vorzeige-Lager.
Aktuell leben wir in einem Bundesland, in dem eine Regierung mit absoluter Mehrheit herrscht. Lager suggerieren lediglich „Wir haben alles unter Kontrolle“. In Wahrheit sind es Menschen verachtende Integrations-Verhinderungs-Maschinen. Wir Grüne fordern zumindest Mindeststandards in den Lagern einzuhalten!
Bei den kommenden Landtagswahlen habt Ihr es in der Hand: es ist nicht Gott gegeben, dass Bayern von der CSU regiert wird. Regierungen kann man abwählen. Lager kann man abschaffen.
Mach‘ mit!
…mehr zum Thema…
Christine Kamm ist Sprecherin für Asylpolitik, Integrationspolitik und Europapolitik der Grünen Fraktion im bayerischen Landtag. Die Augsburgerin ist in der LAG und in der BAG Migration & Flucht aktiv. Auf Ihrer Homepage spricht sie über die Grüne Forderung nach Mindeststandards in den sogenannten „Transitzentren“ hier. Ihre Seite als Landtagsabgeordnete findest Du hier.
Beate Walter-Rosenheimer ist Abgeordnete im Bundestag. Die Ingolstädterin schreibt auf ihrer Homepage über Grüne Themen und aus Berlin. Ihre Seite als Bundestagsabgeordnete findest Du hier.
Bericht aus dem CSU-Vorzeigelager in Bamberg in der Frankfurter Rundschau vom 15.01.2018 hier. Bilder und Berichte von Menschen, die in den Lagern leben findest Du hier. Man kann sie anklicken und groß ansehen. – Auch die Süddeutsche Zeitung hat über die „Terra Incognita“ der Lager berichtet und zeigt Bilder hier. Den Artikel der Leipziger Volkszeitung findest Du hier. António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, schreibt für die Frankfurter Rundschau zu Flucht hier.
Das Sondierungspapier findest Du an vielen Orten im Netz, z.B. hier. Auf Seite 21 wird die Einführung von Lagern als glorreiches Ziel gepriesen.
Wie wir von Uganda (ja, Du liest richtig: Uganda, ein Land mit einem monatlichen Pro-Kopf-Einkommen von 42€) lernen können, wie man Aufnahme und Gastfreundschaft gut gestalten kann, und wie man dort 1,2 Millionen Flüchtlinge aus dem Südsudan erfolgreich integriert, liest Du in der Frankfurter Rundschau hier.
Bei LAGs darf jeder und jede mitmachen. Ideal zum „Reinschnuppern“ für Dich, wenn Du Dich für Grüne Ideen und ein bestimmtes Thema begeisterst. Die Seite der LAG Integration, Flucht, Migration in Bayern findest Du hier. Die Grüne BAG Migration & Flucht hier. Mitmachen bei den Grünen kannst Du hier.
Oh und nächste Abschiebung aus Bayern ins „sehr sichere“ Afghanistan geplant für den 23.01.2018 ab Düsseldorf, da merkt man es weniger, wenn Bayern in NRW abschiebt. Weitere Infos hierzu und aktuelle Meldungen zu Abschiebungen hat der Bayerische Flüchtlingsrat.