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Heimat! – Rede im Plenum zu einem AfD-Gesetzentwurf für ein Bayerisches Sprachschutzgesetz

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liewes Präsidium, liewe Kollechinne und Kolleche!

Die AfD will uns hait vorschreiwe, wie mir do bei uns in Bayern zu redde hän. Die Herre do vun ganz vum rechde Rand, wenn dodebei am liebschte glei ä Mundverboods-Gsetz erlosse: Wu ä Gsetz ist, do kann dann ach die Sprochbolizei vum Höcke glei vorbeikumme, hän Sie sich vielleicht gedänkt.

Sie sagen, das versteht kein Mensch? Die Pfalz war viele Hundert Jahre länger bayerisch wie Frange. Un es wär ä Aufgabe vun de Staatsregierung, de Dialekt mal so zu pfleche, dass mer ach den pfälzische Dialekt do wieder versteht bei uns hait im Landtag dodrin. Das änziche Probläm von dene do driwwe is: Mir Abgeordnede von den demokratische Fraktione machen bei ihre Schpielcher ned mit!

Sprache als Ausdruck von Heimat und Identität

Sproch, liebe Laid, is ebbes, was mit Heimat und Idendidäd zu due hot. Äbbes, wu mer kä AfD braucht, um zu lerne, was es is. Nä: Mer braucht en Babbe un e Mamme, un mer braucht änner, wu em gän hot un mit äm red. Liebe, mein lieber Herr Kollege, des is ebbes, was ganz viel domid zu due hot, was Sproch is. Mei Kollechin hot mir vorhin noch gsacht: Mit Dialekt werd mer diskriminiert. Ich hab ned gedenkt, dass ich vun der CSU diskriminiert werd, weil ich do halt Pfälzisch red. Des find ich uumechlich.

Sheet, Blatt, Folie – eine Sache, mehrere Bezeichnungen

Sinnvolle Beiträch zu Sproch hat man von Lait wie Ihne do rechts noch net ghert. Sie, Herr Professor Hahn, zum Beispiel hän im Ausschuss unser Dichidaal-Minischderin ämmol gnadelos genervt, awwer ned zum Thema! Sondern dozu, wie sie ebbes gsacht hot. Jetzt froch ich aich emmol, liewwe Kollechinne und Kolleche von de andere Fraktione, von de demokratische: Derf ä Minischderin net babble, wie se will? Muss do die AfD die Schproch-Bolizei spiele? Und dann wars ach noch verkehrt, wann de Herr Hahn gsacht hot: „Sheet hääßt Folie.” Und do debai wäß er noch neddemol, dass des uf Daitsch „Blatt“ häßt. Bläddelcher als Folie hänn uns nämlich die Römer erscht vergliggert. Sheet, Blatt, Folie: Es hot noch käm gschaad, drei Werder fer ä Sach zu kenne, und des is ach sehr gut für die Hirntätichkait.

Beispiel Norwegen

Awwer zurigg zu dem, was sie do gschriwwe hän, liebe AfD: Ern Gesetzentwurf is waitgehend abgschriwwe aus änre dpa-Meldung vum Februar, Lesezeit: eine Minute” Sie hän sich awwer ned ämol die Mih gemacht un gegoogelt, wie die des in Norweche iwwerhaupt machen: dreihunnert Johr lang war Norweche Däl vun Dänemark. Do hot mer dann hait zwä Schbroche, ennie, die mehr am Dänische orientiert is, wann mer do ebbes schraiwt. Außerdem sin vun de fünf ä halb Millione Lait, die in Norweche wohnen, ugfähr 50.000 Sami. Es hot elf Sami Schbroche. Vun denne sin awwer bloß drei in Norweche offiziellie Sproch.

Komischerweis läst mer awwer in ihrm Babierle kä Wort zu de in Bayern offiziell anerkannte Minderhaide-Schproche. Sie wissen schun, dass do in Bayern Sinti und Roma wohnen, die wu schun sechshunnert Johr un länger do gewohnt hän? Länger als die mänschte Famillie, die vun ihne do wohnen, Kollechinne und Kolleche. Und ganz sicher länger, als de AfD do im Landtach schon Rabbatz macht!

Die bayerischen Wurzeln der Pfalz

Rabbatz is ä gudes Stichwort: Mir is jo glai de Hut-Bennel nuff gange, wie ich er Idee fer des naie Gsetz geläse hab. Weil ich do nämlich mit käm Word drin vorkum. Ned, weil ich ä Fra bin un die AfD jo noch ned gemerkt hot, dass Fraue ach do sin uff de Welt. Nä, weil sie komplett ignorieren, dass die Palz hunnnert Johr lang und mehr bayerisch war, länger wie Frange. Mai Dialekt, mai Pälzisch basst in de enge Kopp vun de AfD in Bayern ned mit nei. Derf ich do jetzt dann nimmie mitmache? De CSU deed des vielleicht ach gfalle, wann mer ignoriert und nausgschmisse wärn. Awwer soweit is es noch ned kumme.

Heimat kann auf der ganzen Welt sein

Bei uns dehäm in de schäne Palz am Rhai babbeln die Lait schun immer, wie ihne de Schnawwel gewachse is. Dehäm, genau, wu is dann dehäm? – Heimat, des is do, wu du de Baam vorm Haus kennscht un im Schadde vun demm Baam mit de annere Mädle in de Klass Gligger gschpielt hoscht. Heimat is für mich ach do, wu ich haimlich abghaut bin vun dehäm un dann am Brunne mit de Buwe boussiert hab. Awwer mit ihne von de AfD, do boussiert kenner!

Heimat kann uff de ganze Welt sai. Fer manche isses ach mä wie än Ort. Mai Kinner hän ihr Haimat do bei uns. Mit ihre Vädder babbeln se awwer – un jetzt muss die AfD ganz, ganz tapfer sai, sehr tapfer – Russisch, Hebräisch un Englisch. Un wann se Dialekt babble, ach in de Schul, dann dürfen se des und sogar ach dort.

Grumbeere, Dubbeglas und Persching

Nadierlich hab ich uffgebasst, dass se ach wissen, was e Grumbeer is, en Botschamber, ä Gummer oder ä Dubbeglas. Sie wissen des alles, un se wissen ach, dass se mer kä Vissemadente mache sollen un dass – wann Bolligo is – ufgeraamt werre muss un dass mer sich nochm Persching die Schnuud abzubuzze hot. Sie kennen ach des Pälzer Lied singe – mit hochdaitschem Akzent –, awwer main Babbe un mai Mamme frän sich trotzdem, wann die Engel do sin un singen, trotz hochdaitschem Akzent. Sie mergen: Haimat un Schbroch is Liebe. Do kommt von Ihne do driwwe rechts ned viel.

Alla hopp, ich kumm zum Schluss, mer lähnen den Kabbes ab!

Bayerischer Landtag_Sitzungssaal_Expertenanhörung_Sanne Kurz

Meine Rede zum AfD-Antrag „Expertenanhörung zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“

Vielen Dank. – Herr Präsident, liebes Präsidium, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte hier natürlich auch eine Rede mit tatsächlichen Sachargumenten vorbereitet.

(Zurufe der Abgeordneten Wolfgang Fackler (CSU) und Berthold Rüth (CSU))

– Geht das Gelächter jetzt von meiner Redezeit ab?

Es ging darum, dass man selbstverständlich Eingaben machen konnte; dass die Rundfunkkommission der Länder natürlich Expertinnen und Experten, Sachverständige, angehört hat und schon im Oktober 2021 Reformvorschläge gemacht hat; dass auch die AfD bis 14. Januar 2022 Zeit hatte, Eingaben zu machen. Es ist übrigens schon zum zweiten Mal, dass hier mehr Transparenz, mehr Beteiligung entstanden ist, was wir Grüne schon seit vielen Jahren gefordert haben.

Über 2.600 Initiativen, Parteien und Einzelpersonen, haben es auch geschafft, Eingaben zu machen und sich einzubringen. Wir Grüne diskutieren übrigens schon über diese Eingaben. Viele von denen stehen nämlich im Netz. Man kann Sachverständige einladen und sich über dieses Thema unterhalten, wenn man will. Die nächste Online-Beteiligung, wenn die AfD mal etwas arbeiten möchte, geht bis zum 20. Juni. Ich sehe, Herr Hahn schreibt fleißig mit, damit er uns gleich wieder mit Fragen belustigen kann.

Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil er überhaupt nicht zielführend ist. Als ich Ihren Redebeitrag hörte, habe ich gemerkt, worum es eigentlich geht. Es geht um eine reine Provokation. Sie wissen ganz genau, dass die Politik das Programm nicht beeinflussen darf. Deshalb ist es völlig unerheblich, welche Serien Sie oder Sie oder Sie gerne schauen. Sie haben nicht über das Programm zu bestimmen. Da können Sie noch so viele Expertenanhörungen zu diesem Thema beantragen.

Das Programm ist frei vom Einfluss der Politik. Sie können sich aber sehr wohl einbringen, nämlich über die Kontrollgremien, in denen auch Sie eine Vertretung haben. Sie könnten dort einmal etwas sagen. Seichteste Unterhaltung aus der Mottenkiste, das war wirklich nur das, was Sie heute Abend hier geboten haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die neuen Rechtsextremen, die laufen nicht mehr mit Springerstiefeln rum. Wir sehen nämlich jeden Tag, wie die aussehen, wenn wir hier nach rechts schauen.

(Ulrich Singer (AfD): Vorsicht!)

Noch ein kleiner Hinweis zur Belehrung, was wir denn schauen. Ich kann die „Tagesschau“ und den „Weltspiegel“ empfehlen. Ich kann auch die Doku „Tänzer der New Yorker Ballettkompanie ‚Les Ballets Trockadero‘“ oder das Insta-Angebot „Workin‘ Germany“, „Logo“ für Kinder – eine fantastische Nachrichtensendung – oder die vielen sehr guten Hörfunkprogramme des „Deutschlandfunks“ empfehlen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der AfD)

– „Logo“ ist ein Angebot, das im Kinderkanal läuft. Vielleicht schauen Sie einmal in die Öffentlich-Rechtlichen rein, statt sich die ganze Zeit in der rechten Schwurblerblase rumzutreiben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Rede zum Haushaltsplan 2022 – Einzelplan 15 für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die bayerische Documenta, die bayerische „Berlinale der Superlative“ hat der Ministerpräsident ganz schnell bei der Hand. Aber auch bei der Staatsregierung grüßt das Murmeltier. Dazu will ich kurz auf die Eimer hier oben zeigen, an die ich schon vor einem Jahr erinnert habe. Damals war es ein Eimer. Heute habe ich, glaube ich, sieben gezählt. Hier im Bayerischen Landtag wird seit ungefähr 14 Tagen saniert, aber im Rest Bayerns sieht es leider anders aus. Es ist ganz schön, dass die Hochbauvorlage beschlossen wurde. Aber allein Hochbauvorlagen zu beschließen, macht noch keine Sanierung. Es wäre wichtig, dass mal gehandelt wird. Was man beschlossen hat, muss man nämlich auch ausführen. Da sieht es leider schlecht aus. Bei den Mitteln springt jetzt übrigens beim Residenztheater die aus Bayern kommende Kulturstaatsministerin Claudia Roth aus Berlin ein und hilft.

Aber ist es des Kulturstaats Bayern würdig, auf Rettung aus Berlin zu warten? Die ganzen Projekte, die hier beschlossen wurden, sind von Kostenexplosionen geprägt. Wir Grüne wünschen uns da seriöse Kalkulationen mit einberechneten Preissteigerungen, solide Zeitpläne und deren Einhaltung.

Zu den Zeitplänen: Um Biotopia wurde es ganz ruhig. Beim Konzerthaus für Bayern, der weltweit ersten Digital Concert Hall, befand sich Markus Söder schon im Januar 2020 in einer Denkpause, als er mitten in den laufenden Planungen aus der Hüfte heraus noch einmal die Forderung nach einer Machbarkeitsstudie herausschoss. Seither torpedieren die CSU-Ausschussvorsitzenden munter den Konzerthaus-Beschluss und zeigen, dass hierzu keine wirkliche Haltung da ist. Ich denke hier an die Filmwirtschaft: Ich erinnere mich an die Coen Brothers, die in dem Film „A Serious Man“ auf den wichtigsten Mann im Raum deutend, den Rabbi, gesagt haben: The Rabbi is busy. He is sleeping.

Ganz dringend wäre es, dass die Staatsregierung bei den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz aufwacht. Für uns Grüne gehen Klimaschutz und Denkmalschutz Hand in Hand. Dafür braucht es im Landesamt für Denkmalpflege ein Referat für energetische Sanierung. Wir brauchen eine Unterstützung der Kommunen für den Klima- und Denkmalschutz, zum Beispiel bei der Solarsatzung oder bei der Umgestaltung historischer Stadtplätze. Gartendenkmäler leiden unter Hitze und Trockenstress. Für diese Zwecke brauchen wir Stellen.

Frau Kollegin Dr. Weigand hat gesagt, dass im Denkmalbereich seit den Neunzigerjahren kaputtgespart worden ist, was irgendwie geht. Wir fordern 8 Millionen Euro für die kleine Denkmalpflege und 5 Millionen Euro für die Erhöhung des Entschädigungsfonds.

Die Kultur muss ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Herr Kollege Prof. Dr. Bausback hat gerade von unserer Info-Reise nach Großbritannien erzählt. Dort weiß jedes einzelne Museum, jede einzelne Institution und jede einzelne Sammlung, dass fossile Energie keine Zukunft hat. Jede einzelne Institution, jedes Museum und jede Sammlung hat dort eigene Klimaziele, und die braucht es auch. Wir Grüne fordern Stellen für die Beratung und eine Unterstützung mit Projektmitteln für den generell unterfinanzierten Kultursektor, gerade auch die freie Szene. Wir fordern aber auch eine Würdigung und eine Auszeichnung dort, wo es gut klappt mit dem Aufbruch in Richtung ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Wir fordern einen Fair Green Cultural Deal.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Rede zur Zweiten Lesung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Feiertagsgesetzes

Verehrte Frau Präsidentin, liebes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wer auf YouTube „Politischer Aschermittwoch CSU“ eingibt, der findet brechend volle Hallen, rhythmisch klatschende, im Takt skandierende Massen. Auch Musik gibt es selbstverständlich. 2019 zum Beispiel eröffnete die Blaskapelle. Auf den Tischen: Maßkrüge. Die Stimmung? Nun denn, besonders still oder pietätvoll schaut es nie aus an diesem „stillen Tag“ bei der CSU in Passau. So, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellt sich die CSU stille Tage vor.

Im November haben wir Grüne unseren Gesetzentwurf für eine Reform der stillen Tage eingebracht. Die hierfür nötige Neugestaltung des bayerischen Feiertagsgesetzes hat zum Ziel, nicht mehr einseitig, von oben herab, das, was gerade genehm ist, als „dem stillen Tag angemessen“ zu definieren. Während Kollege Dünkel in seiner Erwiderung unseren Gesetzentwurf stets „Antrag“ nannte und mit keinem Wort auf meine Einlassungen einging; während er fälschlich behauptete, Tanzverbote gäbe es – ich zitiere hier aus dem Protokoll – „natürlich in Europa und in unzähligen Kulturen“, kamen mir doch erhebliche Zweifel, ob er mir zugehört hatte oder sich überhaupt je mit der Materie „stille Tage“ befasst hat. Im Ausschuss gab Kollege Taubeneder dann ein besseres Bild ab, auch wenn er sich auf die Aufzählung gesetzlicher Grundlagen beschränkte und nicht auf die dringend notwendige Gleichstellung von Kultur mit Sport, die wir voranbringen wollen, einging.

Noch einmal zur Begriffserklärung: Was sind stille Tage? Artikel 140 des Grundgesetzes enthält den Artikel 139 der Weimarer Reichsverfassung. Darin steht:

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Artikel 147 der Bayerischen Verfassung besagt:

Die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der seeli- schen Erhebung und der Arbeitsruhe gesetzlich geschützt.

Das bayerische Feiertagsgesetz definiert dann in Artikel 3 die sogenannten stillen Tage.

Sie haben von „stillen Tagen“ noch nie gehört? Das kann daran liegen, dass Sie an diesen stillen Tagen arbeiten müssen; denn viele stille Tage, zum Beispiel der Gründonnerstag, der Buß- und Bettag und der Karsamstag, sind ganz normale Werktage und eben keine Sonn- und Feiertage, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie der Tag der Deutschen Einheit, Fronleichnam, der 1. Mai, Pfingstmontag, Heilige Drei Könige und der Ostermontag. Die stillen Tage sind „nur“ still. Ich wohne in Hörweite einer achtspurigen Autobahn. Glauben Sie mir: Ein paar mehr wirklich stille Tage würden mich und meine Familie sehr freuen.

Wie still muss es an stillen Tagen sein? Das ist eigentlich die Kernfrage. Ist das öffentliche Gruppenbesäufnis der CSU in Passau still und deshalb am Aschermittwoch total okay? Verstehe nur ich das falsch?

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Stephan Oetzinger (CSU))

Das Feiertagsgesetz erklärt in Artikel 3 Absatz 2 – Kollege Oetzinger, Sie haben ja gleich noch das Wort –:

An den stillen Tagen sind öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt, wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist. Sportveranstaltungen sind jedoch erlaubt […]

Nicht nur Kollege Dünkel stellte unsere Initiative zur Schärfung und Reform des Feiertagsgesetzes in die Ecke: „Die Grünen wollen die stillen Tage abschaffen.“ Aber nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, das wollen wir keineswegs. Stille, beispielsweise auf achtspurigen Autobahnen, finden wir gut. Entschleunigung tut gut, und zwar nicht nur auf der Autobahn. Das Tanzverbot ist es, das wir abschaffen möchten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Tanzverbote sind im Iran oder in Afghanistan probate Mittel. Kein anderes Land in Europa kennt das Tanzverbot, Herr Dünkel. Lediglich sechs Schweizer Kantone – von 26! – kennen ein Tanzverbot. Tanzverbote resultieren, wie ich im November versucht habe darzulegen, aus einer überkommenen, dualistischen Weltsicht des Mittelalters: „böser Tanz“ und „guter Tanz“. Wollen wir das heute wirklich noch so?

Genau: Tanzsport ist als Sport an stillen Tagen erlaubt, Tanz in der Live-Musikspielstätte verboten, obwohl Trinken in Bars übrigens erlaubt ist, trotz Besinnlichkeit am stillen Tag. Unser Vorschlag steht für ein Ende dieser Doppelstandards.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser grüner Vorschlag für Artikel 3 Absatz 2 des Feiertagsgesetzes lautet:

Sport- und Kulturveranstaltungen sowie Veranstaltungen in Live-Musikspiel- stätten und Clubs sind jedoch erlaubt, ausgenommen am Karfreitag und am Buß- und Bettag.

Sehen Sie? Tut es besonders weh, Sport mit Kultur gleichzustellen, Musik in Live- Spielstätten und Clubs sowie das Tanzen zu erlauben, egal ob beim Cheerleading-Wettbewerb, beim Turniertanz oder in Clubs, in denen man an einem stillen Tag trinken darf, aber tanzen nicht?

Danken will ich der SPD, die sich – immerhin – inzwischen mit unserem Gesetzentwurf beschäftigt und sich nach anfänglicher Ablehnung im Ausschuss zu einer Enthaltung durchgerungen hat. Weder im Grundgesetz noch in der Bayerischen Verfassung ist übrigens von „stillen Tagen“ die Rede; „Sonn- und Feiertage“ sind dort zu finden.

Die jüngste Novelle des Feiertagsgesetzes gab es 2013. Liebe Damen und Herren, wir haben inzwischen 2022. Fast zehn Jahre sind ins Land gegangen. Nehmen Sie unseren Gesetzentwurf bitte zum Anlass, selbst über zeitgemäße und gerechte Regelungen für unser Land nachzudenken. Wir freuen uns darauf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

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Rede zur Ersten Lesung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Feiertagsgesetzes

Sehr geehrtes Präsidium, Frau Präsidentin, verehrtes Kollegium,

wir wollen hier heute über eine Neuregelung für die neun stillen Tage in Bayern sprechen, über die von uns vorgeschlagene Novelle des bayerischen Feiertagsgesetzes. Es ist nicht die erste Veränderung an diesem Gesetz. Darum will ich präzisieren, worum es uns hier geht: Es geht uns keineswegs um die Abschaffung der stillen Tage. Es geht uns um eine Gleichstellung von Kultur und Sport, die des Kulturstaats Bayern würdig ist.

Es ist gute Tradition, dass man die Regeln, nach denen wir in unserer Gemeinschaft zusammenleben wollen, von Zeit zu Zeit überprüft. Zuletzt geschah dies beim Bayerischen Feiertagsgesetz im Jahr 2013. Eine breite, parlamentarische Debatte über alle Parteigrenzen hinweg und eine Sachverständigenanhörung begleiteten die Reform.

Weg von überkommener Polemik, hin zu einer Gleichstellung der Kultur

Wer sich die Mühe macht, das Protokoll der Sachverständigenanhörung vom 15. Mai 2013 zu lesen, erkennt tiefe Gräben. „Einschränkung,Bevormundung“ rufen die einen – „christliche Werte, Kraft schöpfen, Regeneration“ die anderen. – Es ist kaum zu glauben, dass um die zwei nächtlichen Stündchen Neuregelung damals so ein Wind gemacht wurde. Dabei sehen wir christliche Werte nicht in Gefahr, Besinnung ist unsebenso wichtig. Es geht uns eben nicht um ein salamitaktik-artiges Abknapsen, um ein Zurückschneiden und Zurechtstutzen der stillen Tage, um Exzess bis zum Umfallen. Es geht uns um die Bedeutung von Kultur – und um das Tanzverbot.

“Ubi est saltatio, ibi est diabolus” – Wo der Tanz ist, ist der Teufel. Zum Tanzverbot führt Wikipedia neben deutsch und englisch nur noch einen niederländischen Artikel auf. Wer diesen niederländischen Wikipedia-Artikel zu Rate zieht, findet unter “Dansverbod” neben der Situation in Deutschland noch die Regelungen für den Iran und Afghanistan. Schauen wir ansonsten gerne mit kritischem Blick auf insbesondere islamisch geprägte Länder, und bekritteln, wo diese religiöse Traditionen in staatliche Regelungen überführen, machen wir uns hier in Bayern doch ein Tanzverbot zueigen.

Eklatante Schieflage bei der Definition von „still“

Aber woher kommt das überhaupt? Wo hat sie ihren Ursprung, diese Sonderbehandlung und tiefe Ablehnung des Tanzes? Und ja, es ist eine Sonderbehandlung, das Tanzverbot. Denn die stillen Tage sind ja keineswegs still – denn vieles ist erlaubt, die Pietät dabei höchst diskutabel:

So sind Sportveranstaltungen erlaubt – auch mit musikalischer Umrahmung. Ob Boxkampf, Fußball, Schützenwettbewerb oder Cheerleading und Turniertanz. – alles erlaubt! Auch Bars dürfen öffnen. Die Kollegin Guttenberger darf ich mit ihrer Aussage von 2013 zitieren: “Wir müssen uns immer vor Augen führen, dass es nur um das Tanzen geht. Ich darf jede Bar offenhalten, und ich darf jede Lounge-Musik spielen, auch das stört den ernsten Charakter nicht.” Ja, werte Frau Kollegin! Sie haben recht! Auch trinken geht: In Passau klagt man seit Jahren über das politische Besäufnis am Aschermittwoch – und sich auch außerhalb Passaus zu betrinken steht in Bayern nicht im Widerspruch zu stillen Tagen in ihrer aktuellen Gestaltung. Allein beim Heiligen Abend hat man’s gemerkt, dass das mit der Pietäts-Kombi irgendwie ungut ist – da beginnt die “Stille” erst um 14:00h, nachdem man sich zuvor noch im Endspurt-Shopping um die letzten Christbaumkerzen in der vollgestopften Einkaufsmeile geprügelt hat.

Die geschichtlichen Wurzeln des Tanzverbots

Woher kommt also dieses Tanzverbot, dass übrigens unsere alpenländischen Nachbarn in Österreich nicht kennen?Die Historikerin Dr. Valeska Koal untersucht mit “DETESTATIO CHOREAE – Abscheu vor Tänzen” -, einem Aufsatz zu einer Predigt des 14. Jahrhunderts im Kontext mittelalterlicher Tanzpolemik, die historischen Hintergründe des Tanzverbots.So interpretierten Kirchenautoritäten wie Origenes, Clemens von Alexandria, Eusebius von Caesarea, Gregor von Nazianz, Ambrosius von Mailand und Johannes Chrysostomus das Tanzen als vollkommenen Ausdruck religiöser Hingabe. Die Abgrenzung von “gutem” und “bösem” Tanz fiel dabei schon immer schwer: Konzilien und Synoden erließen dann seit dem 4./5. Jahrhundertin immer wieder Verbote gegen das Tanzen. Geheiligte Orte und Friedhöfe unterlagen dem Bann – aber auch gegen tanzenden Klerus, gemischtgeschlechtliche Reigen heidnischer Tradition oder professionelle Tänzerinnen galt es vorzugehen. Trotz dieser Tanzverbote lebte insbesondere im Katholizismus eine lange und starke Tradition sakraler Tänze auch in Tradition des Priestertanzes vor der Bundeslade fort. Dr. Valeska Koal spannt hier den Bogen der “Tanz-Freundlichkeit” von der Frühzeit des Christentums bis zum Teil weit ins 17./18. Jahrhundert hinein.

Was bringt uns Tanz? Welchen Mehrwert hat er? Der Franziskaner Astesanus de Asti erkennt Tanzen als heil- und gesundheitsfördernd an. Psalmen loben Tanz: Psalm 149 «Israel soll sich über seinen Schöpfer freuen, die Kinder Zions über ihren König jauchzen. Seinen Namen sollen sie loben beim Reigentanz, ihm spielen auf Pauken und Harfen»; Psalm 150: «Lobt ihn mit Pauken und Tanz, lobt ihn mit Flöten und Saitenspiel»; Psalm 30: «Da hast du mein Klagen in Tanzen verwandelt, hast mir das Trauergewand ausgezogen und mich mit Freude umgürtet» Ein Tanzverbot ist also mitnichten biblisch-christlicher Natur. Denn erst im späten 14. und im 15. Jahrhundert nimmt die Anti-Tanzbewegung so richtig Fahrt auf. Weltliche und geistliche Rechtsverordnungen beginnen, dem Tanz an den Kragen zu gehen. Dabei spiegelt sich das dualistische Weltbild des Mittelalters wider, das auf dem Gegensatz von Himmel und Hölle, rechts und links, Körper und Spiritualität aufbaut. Totentanz-Darstellungen beispielsweise zeigten oft eine Links-Drehung.

“Guter” Tanz versus “böser” Tanz. Leben wir das noch heute? Tanz in der Chearleader-Gruppe oder beim Turniertanz = gut. Tanz im Club = böse. Musik an der Bar beim Trinken = gut, Musik im Club = böse. – Ist das noch zeitgemäß, Kolleginnen und Kollegen?

„Seelische Erhebung“geht beim Turniertanz genauso wie im Club

Blicken wir auf die gesetzliche Grundlage der stillen Tage, müssen wir ebenfalls weit zurückschauen: Es ist die Weimarer Reichsverfassung, deren Sätze hier ins Grundgesetz übernommen wurden, wo es heißt: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“ “Seelische Erhebung”. Was ist das, meine Damen und Herren? Wer sind wir festzulegen, wo ein Individuum seine persönliche “seelische Erhebung” findet? Ist es im Sport? Ist es beim Fußball, Turniertanz oder beim Cheerleading? Alles an stillen Tagen erlaubt!? Oder am Tresen einer Bar mit Hintergrundmusik? Auch das ganz legal am stillen Tag möglich? Oder, liebe Kolleginnen und Kollegen, schöpfen Menschen nicht auch Kraft, finden Regeneration und “seelische Erhebung” im Tanz?

Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, da läuft etwas schief im Kulturstaate Bayern. Gleichberechtigung und Gleichstellung von Tanz, eine Abschaffung des Tanzverbots, daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Ich freue mich daher sehr auf die Beratung in den Ausschüssen und bin gespannt auf die jeweiligen Lösungen der unterschiedlichen hier im Bayerischen Landtag vertretenen Fraktionen zur Novelle des Feiertagsgesetzes.

Packen wir’s an – ich freu’ mich drauf. Dankeschön.

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Weihnachten_Weihnachtsmarkt_Corona_Sanne Kurz_Grüne

Meine Rede zum SPD-Antrag „Planungssicherheit für Weihnachtsmärkte“

Verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Dringlichkeitsantrag der SPD fordert Deutlichkeit. Dem kann man sehr gut zustimmen, weil Deutlichkeit keine wirkliche Haltung ist. Dies ist ein Zurücklehnen in der Oppositionsrolle. Man sagt: Macht einmal, Hauptsache deutlich. Deutlichkeit wäre schön. Dann werden wir sehen, ob wir es gut finden oder nicht.

Es ist noch keinen Monat her, dass es eine deutliche Regelung gab. Wir Grüne haben schon im September eine deutliche Regelung gefordert, allerdings nicht ein „Alles-ist-wunderbar-die-Pandemie-ist-vorbei“, sondern eine deutliche Regelung, die Weihnachtsmärkte anderen Veranstaltungen gleicher Größe gleichstellt. Dann wüssten wir nämlich, was bei anschwellender und abschwellender Pandemie zu tun ist. Was bietet ein Weihnachtsmarkt neben seiner traditionellen Funktion als Kulturgut? – Er bietet Outdoor-Shopping, wo Indoor-Shopping erlaubt ist. Er bietet Outdoor-Gastronomie, wo Indoor-Gastronomie erlaubt ist. Er bietet Flanieren im Freien, wo im Moment sogar Flanieren auf Indoor-Messen oder in Freizeitparks erlaubt ist.

Seien wir doch einmal ehrlich: Nicht die Weihnachtsmärkte überlasten momentan unser Gesundheitssystem, sondern die fehlenden Konzepte zum desaströsen Impffortschritt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich wünsche mir sehr, dass man kreativ wird, dass man ein bisschen Gas gibt. Nehmen wir zum Beispiel den Familien-Plärrer in Augsburg, der hat es gezeigt. Da gab es an einem Wochenende Impfbusse. Da kam es zu vielen, vielen Tausend Erstimpfungen. Der Verband der Münchener Kulturveranstalter – VDMK – hätte so etwas auch gerne bei Clubs gemacht. Die Staatsregierung hat gesagt: Finden wir gut, wenn Ihr es bezahlt, bitte schön. – Deshalb: Deutlichkeit sehr gerne. So einem Antrag stimmen wir sehr gerne zu. Helfen Sie, liebe Staatsregierung, den Kommunen, dass unsere Weihnachtsmärkte erhalten bleiben, zu Bedingungen, die hier in der Pandemie möglich sind.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Nachtkultur Clubs Subkultur Öffnung Corona 3G Sanne Kurz Grüne Bayern Landtag Rede

Dringlichkeitsantrag: „Jugend und Subkultur nicht in die Illegalität drängen“

Markus Söders „zuhause mit der Partnerin tanzen“ zeugt von eklatantem Realitätsverlust. Mit unserem Dringlichkeitsantrag fordern wir Grüne Bayern Landtag, Nachtkultur endlich als Teil der Lösung zu begreifen und nicht als Teil des Problems.

Ja, wer mit 3G Clubs öffnet, hilft mit bei der Pandemie-Bekämpfung!

Wo am Arbeitsplatz anders als von uns Grünen gefordert keine Testpflicht besteht, wird dank 3G öfter getestet. Wo Impfungen aus Nachlässigkeit oder Unwillen nicht angegangen werden, klemmt man sich dahinter. Das Virus zieht den Kürzeren. – Meine Rede im Landtag und unser Dringlichkeitsantrag.

Sanne Kurz – Rede zur Nachtkultur im Bayerischen Landtag hier zum Nachlesen

Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrtes Präsidium,
endlich Sommer, die Inzidenzen unten, die Temperaturen hoch. In
unseren bayerischen Städten sind die Zentren in den Hitze-Nächten
voll, sehr voll. Es sind nicht Hunderte, die sich zum Feiern draußen
treffen, es sind Tausende.

Festivals aus dem Nichts.

In einigen Städten wie aktuell in Augsburg, vorher aber auch schon in München oder Regensburg schlug das friedliche Gemeinschaftsgefühl der sich über alle senkenden Nacht durch einzelne Randalierende in Gewalt um. Daher warnt man ganz rechts nun pauschal vor zunehmender
“Aggressivität junger Feiernder”, fragt nach “Konsequenzen” und
streckt reflexartig die Fühler aus nach Sündenböcken aus. Das, meine Damen und Herren, das sind leider genau die falschen
Fragen, den Antrag lehnen wir ab!

Grüne DNA: gewaltfreie Konfliktlösung

Gewaltfreie Konfliktlösung gehört zur Grünen DNA. Auf Verhärtung, Polarisation und Drohstrategien reagiert man nicht mit Law und Order, sondern mit Deeskalation – und noch besser: mit präventivem Konfliktmanagement, das Szenarien der Eskalation vorausschauend vermeidet. Dazu gehört, klamme Kommunen mit Mitteln zum Konfliktmanagement auszustatten!

Aber auch, gerechtfertigte Bedürfnisse “junger Feiernder” endlich
anzuerkennen! Wo liegen die Ursachen der jüngsten Ereignisse? Warum treffen sich Menschen aktuell insbesondere an Wochenenden nachts im
Freien, hören gemeinsam Musik, erzählen, lachen, trinken – die
Haut oft noch heiß vom langen Sommertag am Wasser?

Krümel am Kindertisch der Pandemie

Die SZ schrieb gestern von der langen Solidarität jüngerer
Menschen mit der Risikogruppe. Von “Krümeln am Kindertisch der
Pandemie” spricht die SZ. Und ja es stimmt: nicht mehr als Krümel
bekommen die, die durch ihr laut SZ “besonnenes, vernünftiges
und vor allem solidarisches Verhalten gegenüber den
„Vulnerablen“ seit Jahr und Tag” zur Pandemiekontrolle beitragen.

Und die jetzt? Die jetzt wie mein Sohn seit einem Jahr studieren
und noch keinen einzigen Tag eine Uni von innen gesehen
haben! Die wie mein Ältester eine Ausbildung machen und in die
Ausbildungsstätte kommen dürfen, ja müssen! Aber am Abend
sollen sie wieder Abstand zum Leben halten und wie von unserem
Ministerpräsidenten empfohlen “zu Hause mit der Partnerin”
tanzen!

Zuhause mit der Partnerin tanzen

Was es braucht nach fünfzehn Monaten geschlossener
Nachtkultur sind pandemie-gerechte Freiräume und Angebote –
damit sich Druck gar nicht erst aufbaut.

Denn all diese Menschen, die sind nicht neu nachts in der Stadt! Sie
waren schon immer da! Sie fanden nur vor Corona in Clubs,
Diskotheken oder auf Festivals Orte, an denen sie sein durften,
Orte, an denen keiner ihre Kreise stört. Und wo sie auch nicht
störten: denn die Nachtkultur ist seit Jahrzehnten Partnerin im
Umsetzen von Regeln: Ob Jugendschutz, Nichtrauchergesetze oder Emissionschutz – verlässliche Partner der Behörden? Die Clubs! Trotz dieser Kontrolle bieten sie Raum für sinnstiftende Identitätsfindung, sind für Viele zentraler Dreh- und Angelpunkt der persönlichen
Biografie und des eigenen Lebensstils.

Geschmack der Freiheit.

Freiheit, die seit fünfzehn Monaten verwehrt bleibt. – Tanzen als
Sport? Erlaubt! Geburtstag feiern? Erlaubt! In der Bar trinken?
Erlaubt! Auf Stühlen Musikveranstaltungen besuchen? Erlaubt!
Natürlich müssen Rettung und Polizei ihren Job machen können!
Kann es nicht sein, dass Randalierende Menschen attackieren und
die sich friedlich Treffenden stören! – Wir müssen Druck aus dem
Kessel nehmen:

Druck aus dem Kessel nehmen: Subkultur mit 3G gestatten

Warum, liebe Staatsregierung, warum erlauben Sie nicht
unbestuhlte Kultur? Im Stehen gar? Mit Menschen, die sich
nach 3G-Regel geimpft, getestet, genesen mit Abstand und
Maske bewegen wie bereits in Niedersachsen, Berlin und
Österreich? Warum dürfen nicht mal Städte kommunale,
konsumfreie, kontrolliere Räume für Nachtkultur schaffen?
Warum reden Sie nicht endlich mit der Szene? Warum begreifen
Sie Clubs nicht als Teil der Lösung in der beim Infektionsschutz, statt als Problem?

Dem CSU Nachzieher stimmen wir zu. Danke.

Vielfalt Debattenkultur Demokratie Medien Netz Sanne Kurz Bayerischer Landtag

Rede zur Aktuellen Stunde: Debattenkultur braucht Vielfalt

Sehr verehrte Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen,

Die inhaltliche Auseinandersetzung ist Grundnahrungsmittel einer lebendigen Demokratie.

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Meinungsfreiheit aber ist keine Rechtfertigung für Ausgrenzung und Beleidigung. Wer die Würde anderer Menschen infrage stellt, äußert keine Meinung und will sich nicht inhaltlich auseinandersetzen, sondern betreibt geistige Brandstiftung. Widerspruch und klare Kante in der Debatte sind bei geistiger Brandstiftung wichtig und richtig. Denn Demokratien sterben heute nicht mehr laut – sondern leise.

„Tinder für Politik“

Ziemlich genau vor vier Jahren war es, im Angesicht der Bundestagswahl 2017, als sich die Redaktion von Zeit-Online um die Diskurse in unserem Land so sorgte, dass sie beschloss, etwas zu verändern. 

Dass wir alle Fakten gerne ausblenden, die nicht unserer Überzeugung entsprechen, haben zahlreiche Studien belegt. Dass es also nicht ausreicht, Fake-News richtig zu stellen, ist die Folge daraus. Die Redaktion überlegte sich: Wie können wir den Zentrifugalkräften unserer Gesellschaft entgegenwirken? Eine Art “Tinder für Politik” war die Lösung, “Deutschland spricht” war geboren. 
Unter der Prämisse “Würden Sie gerne einen Nachbarn treffen, der komplett andere Ansichten hat, als Sie?” trafen sich so seit Beginn des Projekts über 60.000 Menschen zum persönlichen Gespräch. In mehr als acht Ländern gibt es das Konzept inzwischen. Etliche weitere Medienpartner sind dabei. 

Zuspruch für Erfolgsmodell: Diskurs Augenhöhe

Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts zeigte: ja, rund zwei Drittel überdenken eine festgefahrene Meinung. Und ja, es macht allen Spaß, die zum Treffen gekommen sind.

Doch die Redaktion der Zeit musste  erkennen, dass auch sie eine Filterblase ist. Dass auch in den Anmeldungen zum “Polit-Tinder” “Deutschland spricht” nur ganz bestimmte Menschen gematcht wurden. Weil nämlich nur bestimmte Personen sich überhaupt angemeldet hatte. Woran liegt das? Das liegt daran, dass die Zeit nicht von allen Menschen in diesem Land gelesen wird.

In einer funktionierenden Demokratie müssen wir marginalisierten Gruppen zuhören und lernen

Ja, für eine gute Demokratie braucht es menschliche Interaktion, Konflikt, Argumente und Debatte. – Aber es braucht auch eine breite Beteiligung unserer Gesellschaft, eine Sichtbarkeit und Hörbarkeit marginalisierter Gruppen, ein Raum geben für Stimmen, deren Biografie eine andere ist als meine, die anders aussehen als ich, anders leben, lieben oder glauben. Alle diese Menschen müssen gehört werden und das an den unterschiedlichsten Orten!

Ich will Ihnen ein Beispiel geben: ich sitze im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks. Unter uns Mitgliedern ist eine einzige Person nicht weiß. Behindertenverbände entsenden eine einzige Person. Queerverbände niemanden. Auch eine muslimische Vertretung gibt es dort nicht. 
In Medienhäusern, seien es Zeitungen, Zeitschriften oder Fernsehsender, sowohl die privaten als auch die öffentlich-rechtlichen, haben wir eine sehr ähnliche Situation. 

Bisher spiegelt sich unsere vielfältige Gesellschaft nicht in den Medien ab

Das ist ein Problem. Das bildet nicht die Wirklichkeit ab, in der wir leben – nicht die Lebensumstände und nicht die Meinungen, der Menschen mit denen wir zusammenleben. Es gibt nun erste zaghafte Versuche, auch jenen eine Stimme zu geben, die zu lange aus Bequemlichkeit, Gewohnheit oder Angst vor dem ungewohnten Fremden als irrelevante Minderheit abgetan wurden. Doch auch da ist es wieder die Filterblase, die diese Stimmen oft erstickt, weil sie nicht laut sind, nicht populistisch sondern sich nur einreihen wollen, nur anmerken, was sonst noch bedacht werden sollte.

In meinem Stimmkreis leben Menschen aus über 100 Nationen friedlich zusammen. In der Moderation von Sendungen des BR oder als Figuren fiktionaler Angebote, bei denen die Herkunft keine Rolle spielt, kommen sie nicht vor. Auch gibt es fast keine Figuren, die eine Behinderung haben, ohne dass das explizit Teil der “Problematik” einer Rolle ist. Oder eine Lehrerin, die einfach so eine Transfrau ist – warum sehe ich das nicht? 

Geben wir allen Menschen den Raum, der ihnen zusteht!

Offene Debattenkultur lebt davon, wie vielstimmig eine Gesellschaft ist. Vielfalt in Film und Fernsehen, im Radio und in Zeitungen hat sehr viel mit dieser Vielstimmigkeit zu tun. 

Wenn wir viele Stimmen zu lassen, ihnen Raum, Sichtbarkeit und Gehör geben in unseren Medien, dann haben wir die Chance statt der schrägen Kakophonie der wenigen Lauten den Vielklang aller zu hören, der unsere Demokratie stärkt und bereichert.

Vielen Dank.

Rede Haushaltsdebatte Baustopp Kultur Bayerischer Landtag Sanne Kurz

Rede zur Haushaltsdebatte 2021: Nachhaltig in Kultur investieren statt aufschieben

Wir Grüne denken nachhaltig. Das, was da ist, erhalten und fit für die Zukunft machen. Dort, wo Infrastruktur fehlt, investieren für die, die nach uns kommen.

Das betrifft auch staatliche Kulturbauten. Denn wenn eins gerade in der Pandemie an allen Ecken und Enden fehlt, ist es Raum für Kultur. Damit meine ich aber nicht nur pandemie-gerechte staatliche Flächen für Kultur, wie wir sie bereits im Sommer 2020 gefordert haben

Nachhaltigkeit bedeutet auch, Werte zu erhalten, statt sie vergammeln zu lassen: Von 2017 bis 2019 schrumpften aber die Ausgaben für Große Baumaßnahmen im Bereich Kunst und Kultur um knapp 40 Prozent. 

Sanierungsstau schon lange vor Corona

Ich sage das bewusst für die Vergangenheit: denn mit Corona hat das ganz und gar nichts zu tun. Die Bugwelle der geschätzten Baukosten, die diese Staatsregierung bereits vor der Pandemie vor sich herschob, beläuft sich laut unserer Anfrage auf sagenhafte 1,28 Milliarden Euro. Wer je ein Haus renoviert hat, weiß, dass die Substanz nicht besser wird, wenn man das Loch im Dach mit einem Eimer drunter flickt.

Wenn sich Markus Söder also als großer Macher feiert, dann tut er das auf Kosten verrottender Fundamente, auf denen unser Bayern gebaut ist.

Dank Corona merkt die Öffentlichkeit eh gar nicht genau, was los ist. Selbst dort, wo gebaut werden sollte, passiert nichts: die Neue Pinakothek seit knapp zwei Jahren zu – “Bau”, Kunstverbände schon vor über zehn Jahren aus dem Haus der Kunst geflogen – “Bau”, die Galerie der Künstler Rausschmiss aus staatlichen Räumen – “Bau”, das vor Jahren beschlossene Konzerthaus München immer noch eine Kiesgrube – was sag ich: ein Kies- Parkplatz – “Bau”?! – Nein! Es wurde in all den Jahren nicht mal ein Kilo Steine bewegt!  

Stillstand geht gar nicht, wenn der Kostenzähler weitertickt

Das wäre gut, wenn der Stillstand kostenneutral wäre. Seit Beschlussfassung zum Konzerthaus sind aber bereits über acht Millionen Euro im Kies versickert. Und täglich fließt mehr Geld ins Nichts: 672.000 Euro, unter anderem für die laufende Erbpacht. 300.000 Euro für PR zur Kaschierung des Desasters. Die Vorsitzenden von Haushalts- und Kunstausschuss des Bayerischen Landtags reden gar von Verschiebung des Baus  – bei laufenden Kosten. 

Im gesamten Haushalt fehlendes Anpacken: Überfällige Projekte werden nicht angegangen, neue aufgeschoben, geflickt wird nur, was zusammenfällt. Beispiele:

Haus der Kunst Sanierungsmaßnahmen: eingestellt 1,4 Millionen Euro – bei Schätzkosten von 146,5 Millionen Euro.

Nationaltheater / Staatsoper. Der Intendant schätzt nur die Kosten für die Auswechslung der klimaschädlichen Uralt-Technik auf 160 Millionen Euro. Ansatz im Haushalt Sanierung Starkstromanlagen: 300.000 € – 2020 waren es noch 3 Millionen. Ich kann Sie nur noch mal daran erinnern: Es wird nicht billiger werden, wenn die Substanz immer mehr leidet! Aber vielleicht warten Sie ja auch einfach darauf, dass diese Verantwortung dann jemand anders tragen darf?

Eimerchen unter tropfende Dächer stellen statt Dachdecker*in rufen

Wenn Sie schon, liebe Kolleg*innen der Staatsregierung, nicht in der Lage sind, die Bauten und Denkmäler des Freistaats in Schuss zu halten, wie können wir Eigentumserhalt dann von Privatleuten und Kommunen erwarten? Die stemmen das nicht alleine. Staatsminister Sibler hat selbst zugegeben, dass hier die Fördermittel nicht ausreichen. Ihr Hilfe-Plan: 

  • Erstens, Sie lehnen die Forderung des Städtetags nach Erhöhung des Entschädigungsfonds um 5 Millionen ab.
  • Zweitens, Sie lehnen unseren Vorschlag, die „Kleine Denkmalpflege“ um 8 Millionen aufzustocken, ab. Immerhin gibt man gnädig 1 Million – aber halt, stop! Die hatten Sie ja im letzten Haushalt weggekürzt!
  • Drittens, Sie verweigern die Unterstützung der Kommunen beim Ankauf gefährdeter Objekte mit dem Argument, das brauchen die doch gar nicht. Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die zusehen müssen, wie ihre Denkmäler verfallen, wie die maroden Leerstände ihre Ortszentren verschandeln! 

Fazit

Kreativität und Schaffenskraft, Innovationsfreude und Gestaltungswille, das hat Sie bei der Aufstellung dieses Haushalts nicht geleitet. Ich sagen Ihnen Herr Staatsminister: Das wäre gerade jetzt so nötig gewesen für die Kultur in Bayern, für die Menschen, die Kultur machen, und jene, die sich danach sehnen, Kultur wieder erleben zu können! Stattdessen aufschieben, abwarten und unters tropfende Dach ein Eimerchen stellen. Getreu dem Motto: Nach uns die Sintflut. Ein Armutszeugnis.

Sanne Kurz Grüne Landtag Bayern Kultur Politik Abgeordnete YouTube

„Fangen Sie an, mit ihren eigenen Zahlen Politik zu machen!“

„Krise meistern – Zukunft sichern!“ – Noch immer gibt es für erlassene Verbote keine Entschädigung. Dabei sind Veranstaltungsverbote Tätigkeitsverbote – und zu entschädigen! – Meine Rede zum Thema hier.