Seit Januar 2019 bin ich Mitglied im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks. Hier berichte ich aus meiner Arbeit dort.

Queervertretung in Rundfunkrat und Medienrat

Queervertretung im Rundkunkrat? In Bayern Fehlanzeige. Wieso das problematisch ist und was sich ändern muss, haben wir einem Webinar besprochen.

Kontrollgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sollen die Gesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt abbilden. In Bayern fehlen in Rundfunkrat und Medienrat allerdings Vertreter*innen der LGBTIQ-Community, anders als zum Beispiel bei ZDF und Radio Bremen. Zusammen mit Tessa Ganserer (damalige queerpolitischen Sprecherin der grünen Landtagsfraktion), Christian Linker (Mitglied im Rundfunkrat), Luca Renner (ZDF-Fernsehrät*in), Markus Apel (Landesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands Bayern) und Kai S. Pieck (Initiator der Queer Media Society) haben wir in einem Webinar diskutiert, wieso eine Queervertretung in Rundfunkrat und Medienrat unbedingt nötig ist. Markus Apel und Kai S. Pieck sind die Initiatoren der Petition „Queer und sichtbar in den Medien – LSBTIQ* in die bayerischen Rundfunk- und Medienräte“ für mehr Vielfalt in den Medien.

„Es kommt nicht nur darauf an, DASS wir als LSBTIQ* gesehen werden, sondern auch WIE wir dargestellt werden und WER unsere Geschichten erzählt und umsetzt. Das gilt übrigens für alle Gruppen des Vielfaltsspektrums. Deshalb ist es von enormer Bedeutung, dass LSBTIQ* auch in den Entscheidungsebenen mitreden können.“

Kai S. Pieck, Initiator der Queer Media Society (QMS)

Kampagnenvideo: „Queer und sichtbar in den Medien – LSBTIQ* in die bayerischen Rundfunk- und Medienräte“

Kampagnenvideo: „Queer und sichtbar in den Medien – LSBTIQ* in die bayerischen Rundfunk- und Medienräte“

Pressemitteilung: BR-Rundfunkrat: Sitzung kann endlich live zuhause verfolgt werden

Chillen und dabei Rundfunkrats-Sitzung schauen. Das geht jetzt: die Grüne Initiative von Rundfunkrätin Sanne Kurz MdL ist von Erfolg gekrönt. Öffentliche Sitzungen des BR Rundfunkrates können nun per Internet-Live-Stream verfolgt werden. Rundfunkrätin Sanne Kurz hatte diese Initiative für mehr Transparenz in den Kontrollgremien im Januar 2021 angestoßen.

„Erstmals in der Geschichte des Bayerischen Rundfunks wird eine Vollversammlung des Rundfunkrats für alle Interessierten live im Internet übertragen“, jubelt das grüne Mitglied im BR-Rundfunkrat und Sprecherin für Kultur und Film der Landtags-Grünen, Sanne Kurz, die mit einem Brief (Link) im Januar 2021 für einen öffentlichen Stream geworben hatte.

Der BR-Rundfunkrat tagt grundsätzlich öffentlich, während der Corona-Pandemie aber wurde diese Öffentlichkeit durch einen Stream in den Großen Saal des Münchner Funkhauses hergestellt.

„Interessierte mussten also dorthin kommen, um sich die Sitzung anzusehen. Das kann ja wirklich nicht sein, dass hier trotz Lockdown rumgereist werden muss, während wir Rundfunkratsmitglieder alle sicher im Home-Office an unseren Rechnern sitzen.“

Sanne Kurz, Mitglied BR-Rundfunkrat

Ein Live-Stream ins Netz ist – zum Gesundheitsschutz dazu – zu einer demokratischen Selbstverständlichkeit der Teilhabe-Gerechtigkeit aller Menschen in Bayern geworden.

„Gerade in diesen Zeiten mit Kämpfen gegen demokratiezersetzende, gefährliche Fake-News und der gärenden Debatte um die Finanzierung unseres Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks tut hier Transparenz gut. Ich freue mich sehr, dass unsere Initiative endlich umgesetzt wird und der BR wie schon rbb, SWR und ZDF seinen Beitrag leistet zu mehr Transparenz in den Kontrollgremien.“

Sanne Kurz, Mitglied BR-Rundfunkrat

Für die Grüne Landtagsfraktion nehmen Sanne Kurz und Dr. Martin Runge an der Sitzung des BR-Rundfunkrats teil.

Die Sitzung erste Sitzung mit Live-Stream findet am Freitag, 16. April 2021, ab 13.30 Uhr statt. Mehr Infos: www.br.de/rundfunkrat

Gesetzentwurf: Novelle Bayerisches Rundfunk- und Mediengesetz

2021 sollte der Rundfunkrat alle gesellschaftlichen Gruppen repräsentieren – und niemanden bevorzugen. Derzeit erinnert die Zusammensetzung des Rates eher an ein Gremium der 1950er: Männer und Mauscheln – geht! Möglich wurde das durch die Aufweichung des bayerischen Rundfunk- und Mediengesetzes und eine Gesetzeslücke bei der Unvereinbarkeits-Regelung. Wir Landtags-Grüne wollen mit unserem Gesetzentwurf die Gremien gerechter machen.

Achtung: wer Transparenz und Gerechtigkeit will, bekommt nicht immer alles in mundgerechten Häppchen geliefert. Beim Bayerischen Rundfunk- und Mediengesetz gilt wie bei einem spannenden Beziehungsstatus „it’s complicated“! Damit Du nicht verzweifeln musst, gibt es hier gleich mal zwei Links zu den Haupt-Themen, die wir Grüne im Landtag Bayern gerne verbessern möchten:

Geschlechtergerechtigkeit und Parität im Rundfunkrat

Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist im männerdominierten BR-Rundfunkrat, ebenso wie im Medienrat, weit von der Realität entfernt. Sämtliche Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Ausschüsse und der Vollversammlung des Rundfunkrates sind männlich – von Geschlechtergerechtigkeit fehlt hier jede Spur! Eine einzige Frau – die Schriftführerin – macht den so mit 8 Männern besetzten Ältestenrat auch nicht zu einer Paritäts-Veranstaltung. Dabei wissen doch alle: gemischte Teams arbeiten einfach viel besser und haben bessere Ergebnisse! Im Medienrat ist die Situation nur marginal besser: 14 Vorsitzposten, davon 3 von Frauen besetzt.

Die fehlende Geschlechterparität in den Gremien des Rundfunk- und Medienrats ist auf eine bewusste Aufweichung der vom Bundesverfassungsgericht im sogenannten „ZDF-Urteil“ vorgeschriebenen Paritäts-Regelung im bayerischen Rundfunkgesetz und im Mediengesetz zurückzuführen. – Wer das Gesetz in Bayern damals wohl angepasst hat, damit Frauen endlich mehr Gehör finden…hm…let me think…wer hat hier nochmal die letzten Jahrzehnte regiert?!

Jahrzehntelanges CSU-Versagen

Wir Grünen haben jedenfalls keine Geduld mehr, weitere Jahrzehnte zu warten, bis Männer und Frauen endlich überall gleichgestellt sind! Und hey: das Bundesverfassungsgericht findet das auch! Darum fordern wir in unserem Gesetzesentwurf eine Änderung von Rundfunk- und Mediengesetz. Aktuell ist zwar eigentlich vorgesehen, dass bei neuen Mitgliedern im Rundfunkrat auf einen Mann kein Mann folgen darf. Es steht da aber „soll“ im Gesetzestext. Stellt Euch mal vor, wir hätten das bei Ampeln: „Du sollst bei Rot bitte halten. Also…wenn’s grad passt und nicht stört. Folge der Soll-Regelung: Ein DIN-A4 Blatt mit Floskeln genügt, und schwupp, schon sitzen neue Männer drin, im Rat.

Beliebte Ausreden, warum man leider einen Mann schickt:

  • „Wir haben leider nur Männer“ (Dabei setzt sogar die katholische Kirche, die im Rundfunkrat gut vertreten ist, dank öffentlichen Drucks immer mehr auf Gleichstellung.)
  • „Alle unsere Präsidenten sind männlich“ (Hey, schon mal was von paritätischer Führung gehört? Keiner sagt, dass es keine Präsidentinnen geben darf und keiner schreibt vor, dass man unbedingt den Präsidenten schicken müsste – eine andere Person dürft Ihr auch in den Rundfunkrat schicken!)
  • „Keine Frau wollte“ (Ja, Leute, da muss man Frauen von Anfang an empowern, fördern, coachen. Klar machen, dass es wichtig ist. Und ihnen Jobs abnehmen und Zeit schenken! Dass man neben Care-Arbeit und Vollzeit-Job vielleicht nicht noch ehrenamtlich in ein Gremium will, nur weil das Bundesverfassungsgericht Parität vorschreibt, ist klar. Es sagt aber niemand, dass man als entsendender Verband nicht z.B. Kinderbetreuungskosten erstatten dürfte, um so den Weg für mehr Frauen frei zu machen – auch ohne Rundfunkrat übrigens.)

Die „Wenn wir die Augen einfach zu machen, dann wird das schon irgendwie, irgendwann gerecht“- Haltung ist jedenfalls so gar keine Lösung.

Zukunft gestalten statt Mangel verwalten

Stattdessen muss Parität bei der Besetzung gelten – Punkt. Auch die Führungsebene braucht dringend eine dicke Prise Geschlechtergerechtigkeit! Frauen in Führung – eh klar! Dabei fordern wir Grüne noch nicht mal Mindest-Parität, sondern „nur“ 50/50: Posten der Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden von Ausschüssen und Voll-Gremium in Rundfunk- und Medienrat gilt es in Zukunft gleichberechtigt unter Frauen und Männern aufzuteilen.

Gleiches Recht für alle im Rundfunkrat?

Was ebenso unverständlich bleibt: Wieso gelten im Bezug auf die Unvereinbarkeit – sehr schick Inkompatibilität genannt – für den Rundfunkrat unterschiedliche Regeln für sogenannte „staatsnahe“ und „staatsferne“ Personen? Wieso dürfen sich also eine „staatsnahe“ Personen, wie z.B. Abgeordnete, durch eine Gesetzeslücke schummeln und sich so Zugang verschaffen, wo für andere gilt „in Deinem Fall bitte draußen bleiben“?

Was ist die Inkompatibilitätsregel?

Eigentlich soll durch diese Unvereinbarkeits-Regel verhindert werden, dass wirtschaftliche oder private Interessen der Mitglieder die Entscheidungen im Rat beeinflussen. So dürfen etwa aktuelle Angestellte des Bayerischen Rundfunks nicht im Rundfunkrat sitzen, bei ehemaligen angestellten gilt eine Sperrfrist. Auch Menschen, die für Privatfunk arbeiten haben in einem Gremium, das über Wohl und Wehe unseres Öffentlich Rechtlichen entscheidet und auch sensible Interna und Strategien bespricht, laut Gesetz nichts verloren. – Wenn …

… ja, wenn sie nicht Landtagsabgeordnete sind!

Echt ärgerlich wurde dieses Schlupfloch, als bei der Neuentsendung der vom Bayerischen Landtag entsandten Mitglieder nach der Landtagswahl 2018 eine Person, die im Landtag sitzt, in den Rundfunkrat entsendet wurde, die:

alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter einer privaten Mediengruppe ist. So der Handelsregister Auszug, den ich im Zuge der Debatten um diesen Fall extra besorgt hatte.

Interessenskonflikt ist eigentlich verboten. Trotzdem sitzt dieser Mensch noch als Mitglied des BR-Rundfunkrates in jeder Sitzung, hört mit, entscheidet mit, wählt mit. Obwohl hier eine Interessenkollision mehr als naheliegend sein sollte, greift die Unvereinbarkeitsregelung in diesem Fall nicht. Denn es handelt sich ja um eine „staatsnahe“ Person, die vom Landtag entsandt worden ist.

Wäre dasselbe Rundfunkratsmitglied vom Bauernverband oder der Kirche entsandt worden, dann wäre ihm die Mitgliedschaft aufgrund Inkompatibilität verwehrt worden. – Wem das zu kompliziert ist, der kann es im Gesetzestext nochmal nachlesen:

Art. 5a – Allgemeine Regelungen für Rundfunkrat und Verwaltungsrat

  • (1) 1Dem Rundfunkrat und dem Verwaltungsrat dürfen vorbehaltlich Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 (…) nicht angehören:
    • 1.Mitglieder des Europäischen Parlaments, des Deutschen Bundestags oder eines Landesparlaments,
    • 2.Mitglieder der Europäischen Kommission, der Bundesregierung oder der Regierung eines Landes,
    • 3.hauptamtliche kommunale Wahlbeamte und Vertreter der kommunalen Spitzenverbände auf Leitungsebene,
    • 4.Mitglieder im Vorstand einer politischen Partei auf Bundes- oder Landesebene,
    • 5.Angestellte oder ständige Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks,
    • 6.Personen, die den Organen eines anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalters oder einer Landesmedienanstalt angehören.

Art. 6 Kontrollrecht und Zusammensetzung des Rundfunkrats, Verordnungsermächtigung (gekürzt auf die in Art. 5a erwähnten Ausnahmen – Volltext siehe Link)

  • (…)
  • (3) 1Der Rundfunkrat setzt sich zusammen aus:
    • 1.zwölf Vertretern des Landtags, die dieser entsprechend dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und sonstigen organisierten Wählergruppen nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers bestimmt; jede Partei und sonstige organisierte Wählergruppe stellt mindestens einen Vertreter;
    • 2.einem Vertreter der Staatsregierung;
    • (…)
    • 5.je einem Vertreter des Bayerischen Städtetags, des Bayerischen Landkreistags und des Bayerischen Gemeindetags;
    • (…)

Sehr Ihr das Problem?! – Deshalb fordern wir in unserem Gesetzesentwurf, dass die Unvereinbarkeitsregelung auf alle potenziellen Mitglieder des Rundfunkrates ausgeweitet wird – egal, ob staatsfern oder nicht!

Wieso wir eine regelmäßige Überprüfung der Zusammensetzung brauchen

Aktuell sitzt im Rundfunkrat des BR genau eine Person für Migrationsverbände – 1 von 50. Das entspricht 2%. In Bayern leben aber über 25% Menschen mit Migrationshintergrund. LGTBIQ* Personen sind im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks, anders als in den Rundfunkräten einige anderer Landesrundfunkanstalten, überhaupt nicht vertreten. Auch die Jugend ist mit einer Person eher schlecht als recht repräsentiert. Außerdem bin ich mit meinem 46 Jahren die zweitjüngste in dem sehr männlichen, sehr überalterten Gremium. Und nein, die Jugendvertretung ist nicht jünger als ich – seufz.

Damit die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichturteils zum ZDF-Staatsvertrag – das darüber hinaus allgemeine Regeln zur Staatsferne in Gremien von Rundfunkanstalten aufstellt – erfüllt werden, muss die Zusammensetzung des Rundfunkrats regelmäßig überprüft werden. Dabei sollte im Vordergrund stehen: Werden alle gesellschaftlichen Gruppen gleichmäßig im Rundfunkrat repräsentiert? Wichtig ist, dass diese Überprüfung nicht wie bisher nach Gutdünken und persönlicher Einschätzung erfolgen sollte. Wir brauchen eine institutionalisierte und regelmäßige Überprüfung der Zusammensetzung des Rundfunkrates. Nur so kann garantiert werden, dass der Rundfunkrat immer einen Querschnitt der Bevölkerung abbildet.


Die Erste Lesung zu unserem Gesetzesentwurf – aus der Landtagssitzung vom 2. Dezember 2020 – hier zum Nachhören:

Tagesschau und Bundestag – zwei Exkurse zu geschlechtergerechter Sprache

Kennt Ihr den Witz? Sitzen drei Chemiker an einer Bar, einer davon ist schwanger. – Dieser Witz zeigt das Problem des generischen Maskulins auf. Also einer Sprache, die alle Geschlechter mit der maskulinen Bezeichnung miterfassen will. – Wie Bundestag und Tagesschau mit dem Problem umgehen, lest Ihr hier.

Ich habe im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks laut protestiert, als dort von ganz oben aus der Etage der Führungskräfte (in der wilhelminischen Ära aka „Boy-Group“) mit dem Verbot des sogenannten Gendersterns ein einfacher Weg versperrt wurde, Sprache inklusiv für alle zu formulieren.

Vorbildfunktion ist uns egal – sagen die Chefs.

Nein, man wolle kein Vorbild sein, so der männliche Intendant und der männliche Direktor noch im Dezember. Frauen einfach unsichtbar lassen. Ist das eine Art? Ist das höflich?

Es würde ja schon helfen, wenn Frauen als Frauen erkennbar wären. – In dem Bild hier aus der Tagesschau-App sieht man schön das Problem:

Na, warst Du auch irritiert? Wer ist die Frau auf dem Foto, wenn „die Biologen“ etwas Tolles entdeckt haben? Die Sekretärin??

Ist die Person im Bild die Sekretärin? Und wo ist der andere Biologe?

Bei „die Biologen“ denkt man – etliche Studien zeigen das – an?! – Richtig: Männer! „Die Biologin und ihr Kollege“ würde obendrein Sprache bereichern. Findest Du nicht auch?

Nicht vorkommen und nicht sichtbar sein bedeutet, keine Vorbildfunktion zu haben. Wir können es uns aber als Gesellschaft nicht länger leisten, auf junge Talente zu verzichten, nur weil sie weiblich sind und ihnen bestimmte Perspektiven wegtrainiert werden, kaum dass sie lesen können.

Ich erwarte von einer Tagesschau, aus der das Bild stammt, hier endlich mehr Engagement!

Etwas mehr bemüht sich der Deutsche Bundestag. Er gibt insbesondere auch Menschen mit Geschlechtseintrag divers und jenen, die sich nonbinär verorten u.v.a. mehr, eine Stimme. Gar nicht schwer:

Mit „*“ oder „:“ versuchen wir im Deutschen Menschen, die weder weiblich noch männlich sind, auch in geschriebener Sprache ebenso wie Frauen und Männer zu berücksichtigen. Beim Sprechen macht man eine kleine Pause, die man glottalen Plosiv oder Glottisschlag nennt. Bundestag macht’s, Duden akzeptiert’s – wie steht’s mit Dir Bayerischer Landtag?

Wir Grüne werden weiter dafür kämpfen, dass alle Menschen unserer Gesellschaft sichtbar und hörbar sind.

Diskussion zum Tagesschau-Bild unter meinem Facebook-Post zum funk „Die da oben“ Bericht.
Debatte zum Bundestags-Gendern hier unter meinem Facebook-Post.

Eine Quote für die Kunst: Geschlechtergerechtigkeit für Frauen in Kultur und Medien

Weil es im Koalitionsvertrag steht, hat die Bundestags-GroKo schnell vor der Wahl noch eine Debatte zur Verbesserung der Situation von Frauen in Kultur und Medien auf die Tagesordnung gesetzt. In 15 Minuten war die Sache abgefrühstückt. Darum ging es:

Von „“Geschlechtergerechtigkeit als personalpolitischem Ziel“ sprachen die GroKo-Rednerinnen, und forderten „mehr flexible Kitas“ – das sind mal mutige Ideen! Als gäbe es unter männlichen Kulturschaffenden keine Väter, die – o Wunder! – trotz Vaterschaft Beruf, Karriere und Führungsposition easy hinkriegen. Wir Grüne haben da wenig Hoffnung und forderten heute zum wiederholten Male eine Quote:

„Es gibt sie bereits, die Quote. Eine Männerquote nämlich. Die Kunst ist frei – vorausgesetzt, man ist männlich.“

Erhard Grundl, Kulturpolitischer Sprecher
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bundestagsfraktion

Wir Grüne fordern eine Frauenquote für eine geschlechtergerechte Kulturbranche und gleiche Chancen für Frauen und Männer in Kultur und Medien. Ob Führungsebene, Projektförderung, Ausstellung oder Filme der Öffentlich-Rechtlichen: Frauen machen zwar den Großteil der erfolgreichen Absolvent*innen in kulturbezogenen Studienfächern aus – auf der Entscheidungsebene kommen sie aber nicht an.

Darum haben wir Grüne im Rundfunkrat des BR erfolgreich für die Wahl einer Intendantin gekämpft. Sehr gut geeignete Bewerberinnen gab es viele. Viel zu viele Jahre wurden bereits verschenkt. Jahre, in denen männliche Wissenschaft, männliche Kritik, männliche Juries, männlich dominierte Regierungen und Männerbünde in der Lehre Frauen-Verhinderungs-Politik betrieben. Das Umdenken hat eingesetzt. Auch bei Männern. Ich bin es meinen Töchtern und Söhnen schuldig, dass ihre Zukunft nicht von ihrem Geschlecht abhängt:

3 von 130 Orchestern dirigiert eine Frau

Nur 22% der deutschen Theater werden von einer Frau geleitet, nur 30% der Inszenierungen an diesen Bühnen sind von Frauen, und in mageren 14% der Produktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führen Frauen Regie. Von 130 (Ein-Hundert-Dreißig!) Orchestern in Deutschland werden sage und schreibe drei – DREI! – von Frauen dirigiert.

Da ist sie, die Quote! Es gibt sie nämlich schon. Es ist eine Männerquote: Die Kunst ist frei, vorausgesetzt sie ist männlich.

Ich bin davon überzeugt, dass wir es all den großartigen Frauen im Kulturbereich schuldig sind, uns für Chancengleichheit, für eine Frauenquote einzusetzen.

Den Antrag der Kolleg*innen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus dem Bundestag findet Ihr hier:

Picture of Bet Rourich with camera taken by Jose Haro.


Thank you, my friend from Catalunya, amazing cinematographer Bet Rourich, for letting me use your image! Almost 20 years ago we met during Kodak’s Budapest Cinematography Masterclass BCM. Artists have always been collaborating across borders. Travel restrictions due to the pandemic make this inspiring work hard and many jobs and projects impossible. Needed help does not always take the often international character of creative work in account. Now being a Green Member of Parliament, I try all I can to make ends meet, pushing governments to try harder and match the urgent needs of artists. – To better days, Bet!

Picture of Bet and Sanne by Amandi Wong.

„…die Intendantin, Frau Dr. Katja Wildermuth…“

An diese Worte wird man sich gewöhnen müssen, denn ab 1. Februar 2021 ist die Unternehmensspitze des BR mit einer Frau besetzt. Mit einer Frau, die Inhalte kann, die Programmstrukturen kann, die Führung kann, die Bayern kann. – Die aber auch weiß, was anderswo gut funktioniert und dass die Welt nördlich des Mains nicht aufhört. – Eine Notiz zu einem Neubeginn.

Nach 70 Jahren Bayerischer Rundfunk, BR, reiht sich in die lange Galerie männlicher Intendanten endlich eine Chefin für unseren Rundfunk. Die Personalie Katja Wildermuth ist für den BR und die ARD wichtig, weil Öffentlich Rechtlicher Rundfunk die Perspektiven aller Menschen unserer Gesellschaft abbilden soll – und 50% der Menschen dieser Gesellschaft sind weiblich. Bei Führung in Medien allgemein und bei Öffentlich-Rechtlichen im Besonderen ist noch viel Luft nach oben.

Dass es extrem viele, sehr gute weibliche Führungspersönlichkeiten gibt, zeigte unsere Suche, zeigten alle Kräfte, die bei der Suche nach einer Intendantin halfen. Mit ihrem Service-Tweet rief das #Frauennetzwerk des BR laut die Namen von zig Frauen in die Welt. Auch wir hatten rund 60 weibliche Personen auf unserer Liste und – nein – niemand hatte als Qualifikation, dass sie Mal Regierungssprecherin von CSU/CDU Führungspersonal war…

Starke Wahl. Starke Intendantin.

48 abgegebene Stimmen, davon 38 für Dr. Katja Wildermuth, als dieses Ergebnis bekannt wurde lagen drei Monate Verhandeln, Nachdenken und mit tollen Frauen reden hinter uns. 38 Stimmen für eine starke Intendantin – genau so hatten wir uns das gewünscht. 38 Stimmen – das sind viele Stimmen für die beste Bewerberin und viele Stimmen für Frauen in Führung!

Es warten Herkulesaufgaben

Heute geht es los. Die erste Herkulesaufgabe wird sein, die bestehenden Sparvorgaben für den BR mit der Rundfunkbeitrags-Blutgrätsche aus Sachsen-Anhalt zu vermählen, die tausenden von Angestellten und einem Millionen-Publikum die angemessene Finanzierung für unseren Rundfunk verwehrt.

Bye-bye 50ies, welcome 2021

Der zweite Kraftakt ist die Neuaufstellung der Rundfunkanstalt – oder sollte ich besser sagen, des Medienhauses – für eine Zukunft mit Perspektive. Wenn wir auch in 20, 30 Jahren noch einen BR haben wollen, der Publikum hat, dann müssen wir alle Menschen der Gesellschaft in den Blick nehmen.
Dann darf Diversität nicht mehr nur in der Nische stattfinden, dann müssen sich alle Menschen bei ihrem Sender wiederfinden.

Das Feld schon mal „schön vorbereitet“

Der scheidende Intendant hat mit, sagen wir mal, ungewöhnlichen Entscheidungen, wie zum Beispiel dem Vorschlag der Verlängerung von Verträgen, die erst nach Amtsantritt der neuen Intendantin ausgelaufen wären, ein ganzes Stück seiner Macht bis weit in die Zukunft hinein zementiert.

In diese festzementierten, unter Sparzwang ächzenden Strukturen hinein gestaltend zu wirken, dürfte anstrengend und mühsam und wunderbar und spannend werden. Ich für meinen Teil werde als Rundfunkrätin gerne begleiten und konstruktiv unterstützen.

Weiterlesen:

Wenn der Chef das Reden vorschreibt – Anekdoten eines wilhelminischen BR

„Sitzen drei Chemiker in einer Bar. Einer davon ist schwanger.“ – Diesen Witz erzähle ich wahnsinnig gerne, um zu verdeutlichen, wie Sprache unser Denken bestimmt und dass „mit gemeint“ einfach nicht funktioniert. Jetzt hat der scheidende Intendant des BR in seinem Haus geschlechtergerechte Sprache verboten. – Ein Einblick in Top-Down Befehle par excellence.

Heute tagt der Rundfunkrat des BR – Bayerischer Rundfunk. Der Rat kontrolliert den Sender. Als Rundfunkrats-Mitglied denke ich, dass diesmal der Umgang mit dem Gendersternchen mit auf die Tagesordnung muss. Von oben zu bevormunden und freien Sprachgebrauch zu verbieten – das geht gar nicht, finden mein Rundfunkrats-Kollege Dr. Martin Runge und ich.

50% der Menschheit sind Frauen. Darüber hinaus gibt es Menschen, die sich nicht in das binärgeschlechtliche Schema männlich ♂ / ♀ weiblich hineinpressen lassen. Es gibt in der BRD den Geschlechtseintrag „divers“ und auch in Bayern dürfen diese Menschen so sein, wie sie sind.

Deutsche Sprache ist reich an geschlechtergerechten Formulierungen

Unsere wunderbare deutsche Sprache hat vielfältige Möglichkeiten, dies auszudrücken: die Polizei war da, Kameraleute haben gefilmt, Lehrkräfte oder Studierende haben protestiert – nur einige Möglichkeiten gendergerechter Sprache. Generisches Maskulin geht für mich leider gar nicht. „Sitzen drei Chemiker in einer Bar. Einer davon ist schwanger.“ – dieser Witz zeigt, dass „mit gemeint“ eben nicht geht. Noch nie ging.

Der sogenannte „Genderstern“ wie in Polizist*innen ist eine moderne Form der Nennung aller Geschlechter. Dass die Nutzung des Gendersterns in Wort und Schrift von oben herab (!) beim BR allen außer PULS , News-WG und bei LGTBIQ*-Angeboten strikt verboten wurde, ist eine vor-vorgestrige Einmischung in die freie Meinungsäußerung. Alle Menschen, insbesondere Kreative in Redaktionen und Studios, sollten so formulieren dürfen, wie sie das wünschen. Ein zeitgemäßer Umgang mit Sprache, ohne einen derartigen Maulkorb, würde auch dem BR mehr als nur gut zu Gesicht stehen.

Hier geht’s zur Diskussion zum Thema Geschlechtergerechte Sprache und Gender-Stern unter dem Facebook-Post.
Hier geht’s zu geschicktgendern.de – der online Plattform für schöne Sprache, die alle einschließt.
Bericht auf queer.de über unsere Grüne Reaktion auf das Sprach-Verbot.
Transkript des Radio-Interviews, in dem sich die BR-Boy-Group (viele Chefs- und eine Chefin-Etage) zu erklären versucht.

Pressemitteilung: Gleichstellung bis in oberste Führungsebenen.

Das sollte nicht nur normal sein, das fordert für die Gremien unserer öffentlich rechtlichen Rundfunk-Anstalten auch immer wieder unser oberstes Gericht. Gestern wurde dem Rundfunkrat der Gleichstsllungsbericht und erstmals ein Diversitätsbericht vorgelegt.

„Dass der Rundfunkrat trotz gesetzlicher Paritätsauflage immer noch zu rund 70% männlich dominiert ist, ist das eine, dass sich das aufs Programm auswirkt, wo auch 70% der vorkommenden Personen von Sendungsgast bis Hauptrolle männlich sind, ist beschämend.“

Sanne Kurz, Grüne Fraktion Bayerischer Landtag


„Ein Ältestenrat, der dem Rundfunkrat eine Führungsriege beschert, bei der von 9 Personen 8 Männer sind, hilft uns hier sicher auch nicht weiter.“

Sanne Kurz, Grüne Fraktion Bayerischer Landtag

Diversität-Checklisten schaffen mehr Vielfalt

Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist die Diversität-Checkliste, die gestern präsentiert wurde: Redaktionen können so leicht prüfen, ob sie hinsichtlich Personal, Programminhalten und Publikum Diversitäts-Mindeststandards einhalten.

„Ein sehr guter Anfang. Wenn man neben Dingen wie Alter, Geschlecht, Herkunft, kultureller Verortung, geschlechtlicher Identität, Religion und sexueller Ausrichtung auch noch die Ethnie, also die Hautfarbe mit auf dem Schirm hätte, wäre das auch ein Zeichen gegen Rassismus. Der BR hätte Vorbildfunktion und könnte Role-Models schaffen für viele junge POCs“

Sanne Kurz, Grüne Fraktion Bayerischer Landtag

Wir brauchen Transparente Ausschreibungen

Selbst aktiv für mehr Geschlechtergerechtigkeit und Diversität auch in Führungspositionen wurde eine Gruppe von 22 Mitgliedern des Rundfunkrates. Angestoßen von Ältestenratmitglied Elke Beck-Flachsenberg verfasste Sanne Kurz gemeinsam mit den Rundfunkrats-Kolleginnen Dr. Martina Eglauer, Klothilde Schmöller und Susanne Zehetbauer ein Schreiben an Verwaltungsrat, Intendant und Rundfunkrats-Vorstand: Die 22 Unterzeichnenden fordern eine Ausschreibung der 2. Führungsebene.

„Gleich und gleich gesellt sich gern. Wir alle stecken in Netzwerken von Menschen, die so sind wie wir. Nur mit transparenten Ausschreibungen kommt man aus der eigenen, z.B. männlichen und weiß dominierten Blase heraus und findet die wirklich besten Köpfe für unseren BR!“

Sanne Kurz, Grüne Fraktion Bayerischer Landtag

Die Rundfunkrätin betont, dass Vorschlagsrecht des Intendanten wolle aktuell niemand antasten. Es sei lediglich eine Anpassung der Dienstvorschrift aus dem Jahre 1997, so die Überzeugung der Grünen Abgeordneten Kurz. Das von knapp der Hälfte der Rundfunkrats-Mitglieder unterstützte Anliegen soll in die kommenden Ausschussitzungen eingebracht werden.

Rundfunkbeitrag: Blutgrätsche aus Sachsen-Anhalt

Der winzige CDU-Landesverband Sachsen-Anhalt hat seinen Ministerpräsidenten zum Einknicken gebracht. Der Ministerpräsident (CDU) hat den alten Politik-Trick angewendet, Dinge einfach nicht auf die Tagesordnung zu setzen und so demokratische Prozesse zu verhindern. Das blockiert nun die Anpassung des Rundfunkbeitrags für 80 Millionen Menschen.

Rund 20.000 Menschen arbeiten alleine in den zur ARD gehörigen Landesrundfunkanstalten. Noch mehr beim ZDF, und etliche auch beim Deutschlandfunk und in den Privaten, denn ja: Deren Lizenzierung und Betriebsgrundlage wird auch mit unseren Rundfunkbeiträgen finanziert.

6.297 Mitglieder hat hat der winzige CDU-Landesverband. Und weder CDU noch CSU schaffen es, auf das Grüppchen einzuwirken, das dort in wilder AfD-Manier die Finanzausstattung unseres Rundfunks, die er zur Erfüllung seines Auftrags braucht, blockiert.

Wir geben dem Rundfunk seinen Auftrag.

Diesen Auftrag, den haben wir als Gesamtgesellschaft selbst gegeben. Wegen unseres Auftrags gibt es Maus– und Elefant-Apps kostenlos und werbefrei, darum gibt es funk und maiLab, und darum gibt es auch BR αlpha und Phoenix, Mediathek und Klangkörper, also z.B. Chöre und Orchester wie das weltbekannte BRSO, heutejournal und Kochsendungen und: Kinofilme! Denn die werden in der BRD maßgeblich von Sendern mitfinanziert.

Wir als Gesellschaft wählen Menschen in die Politik, die mit ihren Mehrheiten bestimmen, was denn unser Rundfunk bitte tun soll und wie der Auftrag, den unsere Verfassung gibt, auszufüllen ist.

Es geht um 86 Cent.

Es geht hier um 86 Cent. Eine Anpassung von 86 Cent, die nach langer Zeit der Senkung bzw. Stagnation der Beiträge weder die Inflationsverluste noch die Tarifabschlüsse noch die Kaufkraftverluste abbildet. Ich habe Rundfunkbeitrag gezahlt, als ich als freischaffende, alleinerziehende Künstlerin kaum Geld zum Überleben hatte. Ich war auch schon befreit von der Rundfunkgebühr. – Immer aber stand ich hinter der soliden Finanzierung unseres öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Ja, man muss regelmäßig Reformen anstreben, überall. So auch im Rundfunk. Man darf aber nicht „Ich will, ich will“ schreien und das, was man bestellt hat, dann nicht finanzieren wollen. Dinge, die man bestellt hat und die bei den „Gästen“ gut ankommen, die will man nur ungern zurückgehen lassen in die Küche: Reformen sind unpopulär, Kürzungen, „die man am Programm nicht sieht“ sollen es richten. Dass das auch zu Lasten sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit geht? Geschenkt.

Wer bestellt, zahlt!

Lasst uns ehrlich sein und gemeinsam in einer öffentlichen Debatte ehrlich den Auftrag unseres Rundfunks gestalten! Bis dahin lasst uns den Auftrag, den wir gegeben haben, auch finanzieren. Weil es richtig ist.

Die Sender werden klagen. Die Sender werden gewinnen. Bis dahin beschädigt man ein ganzes System und spielt den Brandstiftern in die Hände.

Hier kann man einen superguten Fakten-Check der Grünen Fraktion Sachsen-Anhalt herunterladen zu den wichtigsten Eckdaten der Debatte – KEF, Staatsvertrag & Co:

Weiterlesen:

„Kleine Anfrage“ – AzP „ARD Nachhaltigkeitsbericht und BR“

Vor dem Hintergrund der am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN und deren Umsetzung in der BRD sowie der Vorstellung des 1. ARD-Nachhaltigkeitsberichts in der Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen und Medienpolitik des Rundfunkrates des BR vom 17.11.2020 frage ich die Staatsregierung:
Darf der BR auf seinem Gelände in Freimann E-Ladesäulen, an denen Mitarbeiter*innen-Fahrzeuge kostenfrei oder kostenpflichtig geladen werden können, installieren beziehungsweise unterhalten, darf der BR bei Ausschreibungen und Beschaffungen Kriterien, die umweltbezogenen, sozialen und innovativen Belangen in besonderer Weise Rechnung tragen, bei der Vergabe berücksichtigen (vgl. § 97 Abs. 3 GWB und § 2 Abs. 3 UVgO)?

Hier geht’s zur Antwort:

AzP „ARD Nachhaltigkeitsbericht und BR“

Medien machen Menschen

Ich sitze seit geraumer Zeit in einem Rundfunkrat. Wir wundern uns – als Gesellschaft und als Rundfunkräte – wieso öffentlich-rechtliches Programm nicht (mehr?!) alle Menschen der Gesellschaft erreicht. – Eine Notiz aus meinem Kommentar zur Initiative #NichtmeinTatort

Dass Film es leisten könnte, normative Vorbilder für alle gesellschaftlichen Gruppen zu skizzieren, statt normative Klischees zu zementieren und rückwärtsgewandt zu agieren, ist leider keineswegs Konsens. Wir (zu Recht!) krittelnden und mäkelnden Rundfunkratsmitglieder werden vertröstet, Programmverantwortliche ducken sich weg, bis der Sturm weiterzieht.

Programmverantwortliche ducken sich weg, bis der Sturm weiterzieht.

Öffentliche Mittel im öffentlichen Rundfunk aber sollten so verwendet werden, dass sie für alle gesellschaftlichen Gruppen sinnhaft im Sinne des Verfassungsauftrags Einsatz finden – und positiv im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes gesellschaftliche Modelle skizzieren:

Wo es heute in der realen Welt noch wenige Ermittlerinnen mit asiatischen Wurzeln, wenig Schuldirektorinnen mit afrikanischen Urahnen gibt, braucht es für junge Menschen diese Vorbilder in den Medien umso dringender, damit sie den Schritt wagen, dorthin zu gehen, wohin sie möchten – und nicht dorthin, wo „ihresgleichen“ vermeintlich hingehöre und wegen eines Racial Bias über Jahrzehnte verortet wurde.

Racial Bias ist nicht einfach „nur Rassismus“.

Racial Bias reicht von Selbstunterschätzung wegen Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe über strukturellen Rassismus und Alltagsrassismus bis hin zu positiven und negativen Vorurteilen. Unbewusste Vorbehalte – Unconcious Bias – gibt es nicht nur im Hinblick auf Aussehen/Hautfarbe. So wurde ich als Kamerafrau regelmäßig gefragt, ob „die Kamera nicht schwer“ sei. Meine Schwägerin, Altenpflegerin von Beruf, wird sehr selten gefragt, ob „der Patient nicht schwer“ sei.

Racial Bias und andere Formen der Diskriminierung wie z.B. Antisemitismus, Sexismus, Homophobie, Islamfeindlichkeit, Diskriminierung von Menschen mit Behinderung oder „Doppel-Diskriminierungen“ wie z.B. bei älteren Frauen können durch Medien zementiert werden – oder aber überwunden.

Vorbilder schaffen.

Nur mit Medien, die vermeintlich „überrepräsentieren“, können übrigens auch Menschen wie ich unbewusste Vorurteile nachhaltig begraben. Menschen wie ich, die keine BPoCs sind, keinerlei Akzent sowie einen sehr deutsch klingenden Namen haben – und die wie ich (positive wie negative) unbewusste, auf äußere Merkmalen beruhende Vorurteile aufgrund ihrer bisherigen kulturellen, familiären wie auch gesellschaftlichen Erfahrungen noch in sich tragen.

Rundfunkräte diverser aufstellen.

Dazu braucht es Redaktionen und Filmschaffende, die divers sind. Dazu braucht es öffentliche Mittel, deren Vergabe an Diversität geknüpft wird. Und last not least: Rundfunkräte, in denen nicht wie beim BR-Rundfunkrat nur eine Person von 50 Mitgliedern alle Migrant*innen des Freistaats Bayern mit 13 Millionen Menschen, 20% davon mit Migrationshintergrund, vertritt!

1/5 statt 1/50! – Das schreibe ich hier für meinen Rundfunkrats-Kollegen und Freund, Hamado Dipama – Du machst einen Super-Job für das Fünftel! Ich wünsche Dir Kolleginnen!

Der Bayerische Rundfunk entscheidet nicht, wer im Rundfunkrat sitzt.

Der BR jedenfalls kann überhaupt nichts dafür, wer im Rundfunkrat sitzt. Die Zusammensetzung der Räte regeln Landesgesetze. Diese Landesgesetze machen die Landesparlamente. In Bayern also ein Parlament, das seit gefühlten Ewigkeiten vor allem konservative Haltungen repräsentiert. Ob das einer sich wandelnden Welt gerecht wird? Die aktuelle Zusammensetzung des Rundfunkrats fasst Wikipedia hier zusammen, der BR hier. Ein Kollegium, mit dem ich sehr gerne arbeite. Es lohnt, die Mitglieder einzeln zu googeln. Trotzdem sind wir aktuell nicht repräsentativ für die Gesellschaft, in der wir leben. Da nehme ich mich selbst gar nicht aus, sondern lade ein zur breiten, öffentlichen Debatte: Braucht es eine regelmäßige, automatische Kontrolle und Anpassung der Zusammensetzung unserer Rundfunkräte an unsere sich wandelnde Gesellschaft?

Vorbilder schaffen statt Klischees zementieren!

Gesellschaft repräsentieren. Alle erreichen. Vorbilder schaffen statt Klischees zementieren! – Was hilft? Petitionen an Landesparlamente stellen, Protestbriefe an Landesregierungen schreiben, Verbände einschalten, das Thema in den Fokus rücken, laut werden, dran bleiben.


Weiterlesen:
„Racial Bias and Discrimination: From Colorism to Racial Profiling“ auf ThoughtCo. in englischer Sprache (Google Translate hilft – aber auch für einen Volkshochschulkurs Englisch oder Sprachlerntools wie z.B. Duolingo ist es nie zu spät! Ich habe als erwachsene Frau Niederländisch und Hebräisch gelernt – You can do it!! – Sprachen bereichern. Entdecke die Welt!)

#wirwarenimmerda – warum ARTEs Erklärung, die den Frauen-Kurzfilmwettbewerb retten will, leider nicht hilft

Sicher wisst Ihr, dass ich Filmemacherin bin. Momentan ist gerade wenig Zeit dafür, aber 25 Jahre Filme Machen – das bleibt. Als Filmemacherin ist man an der Filmhochschule von vielen Kolleginnen umgeben. Frauen stellen knapp über die Hälfte der Studierenden. Dann, bis zum 2. oder 3. Film, ist man entweder selber weg, oder die Kolleginnen sind weg – oder: beides.

Denn Frauen werden in der BRD seltener gefördert, bekommen seltener Senderaufträge, bekommen weniger öffentliche Mittel, bekommen weniger diverse Rollen und werden dort, wo man sie in Crews anstellt, schlechter bezahlt. Oft, weil sie nicht die Kamerafrau oder die Tonmeisterin sind, sondern in Bereichen arbeiten, die schlechter bezahlt sind, z.B. in „weniger wichtigen“ (= schlechter bezahlten) Bereichen oder nicht eingesetzt als HoD / Head of Department – oder: weil sie für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommen. Denn den Gender-Pay-Gap gibt es auch beim Film. Leider.

ARTE hatte jetzt eine tolle Idee: Wenn wir so wenige Filmemacherinnen haben, machen wir doch mal einen Wettbewerb für sie! Vielleicht zu einem Thema… hm… irgendwas mit Frauen! Ja, genau:

„Unbeschreiblich weiblich“-Wettbewerb löst Proteststurm aus

Unbeschreiblich weiblich, das wäre doch was! – Liebes ARTE-Team: Kein Wunder, dass sich hier gerade alle Frauen, die Filme machen, sehr, sehr ärgern. Zu Recht! Denn #wirwarenimmerda! (Wer den Offenen Brief an ARTE der Initiative #nichtmeintatort lesen will und/oder sich an der Protestaktion beteiligen -> hier lang)

Wir Frauen stellen schon immer die Hälfte der Bevölkerung, seit langem die Hälfte der Studierenden und quasi seit Ewigkeiten machen wir auch Filme!

Wie bekommt Ihr Filme von Frauen, liebes ARTE-Team? Bei 100 Stoffideen, die über den Schreibtisch wandern, und 10 Filmen, die man machen möchte, solltest Du, liebes ARTE-Team, 5 Stoffe von Frauen umsetzen.

Oder, auch eine gute Idee: Von jedem Euro, den Du für Produktionen und Lizenzen ausgibst, 50 Cent an Frauen geben. Dazu müsstest Du Dich ein wenig umsehen, liebes ARTE-Team, bissi schau’n. Aber eigentlich, ja:

So einfach ist das!

Damit nicht einfach alte, christliche, heterosexuelle, nicht-behinderte, weiße Männer durch alte, christliche, heterosexuelle, nicht-behinderte weiße Frauen ersetzt werden, könntest Du, liebes ARTE-Team, wenn Du schon mal dabei bist, Dir über die Verwendung öffentlicher Mittel für alle Menschen der Gesellschaft Gedanken zu machen. Dabei könntest Du z.B. das Diamond System des Creative Diversity Network einsetzen – just an idea. Viele große Sender nutzen das bereits.

Alte, christliche, heterosexuelle, nicht-behinderte, weiße Männer?!

Bei dem Diversitäts-System geht es grob gesagt darum, alle Aspekte gendergerecht und divers hinzubekommen. Es geht darum:

  • wer die Filme macht, also nicht nur, wer Regie führt, sondern auch wer Kamera, Ton, Drehbuch, Produktion u.v.a.m. macht, und wie diese Menschen jeweils bezahlt werden
  • wer vor der Kamera zu sehen ist und wessen Geschichten wir sehen, also Haupt- und Neben-Rollen sowie Protagonist*innen
  • wessen Geschichten wir erzählen, was also unsere Inhalte sind
  • wen wir erreichen, wohin unsere Produktionen also ausstrahlen, und wer sie nutzt
  • Das Ganze muss man nicht als „soll“ und „kann“ aufziehen, sondern einer Dokumentation und einem Monitoring unterziehen, damit es wirkt. Gilt übrigens auch für Filme von Frauen, über Frauen, mit Frauen – messen und verbessern.

Generell aber: 1€ ausgeben, 50 Cent davon für Frauen. So einfach ist das. Mit 50/50 anfangen, wäre mal ein erster Schritt. Mit einem Kurzfilmwettbewerb („Nenne 10 Personen, die mit Kurzfilmen ihren Lebensunterhalt verdienen!“ Halt… war nur ein Witz!) zu dem Thema „Unbeschreiblich weiblich“ bringt man sicher nicht die 50% der Filmhochschulabsolventinnen der letzten 10, 20, 30 Jahre in Arbeit und Brot, die jeden Tag aufs Neue versuchen, mit ihren Dokumentarfilmen sich und ihre Familien zu ernähren.

Warum nur zeichnet sich Realität bisher nicht auf Bildschirmen ab?

Du erklärst, liebes ARTE-Team, ganz richtig:

Fakt ist, dass viel zu wenig Dokumentarfilme von Frauen auf ARTE gezeigt werden. Ganz besonders gilt dies für die Primetime. Und das, obwohl viele extrem talentierte und sehr engagiert arbeitende Filmemacherinnen sich an Journalismus- und Dokumentarfilmschulen ausbilden lassen.

ARTE Kurzfilmwettbewerb für Regisseurinnen

Dass Du, liebes ARTE-Team, mit der Schlüssel zum Problem bist, erkennst Du nicht. Denn weiter fragst du:

Warum nur zeichnet sich diese Realität bisher nicht auf den Bildschirmen ab? Und welche Bedeutung kann dem Genre Dokumentarfilm beigemessen werden, wenn es den weiblichen Blick nicht ausreichend miteinbezieht?

ARTE Kurzfilmwettbewerb für Regisseurinnen

Das fragen wir Filmemacherinnen uns auch. Und schlagen vor, dass Du, liebes ARTE-Team, einfach in Zukunft 50% Deiner Ausgaben in weibliche Produktionen steckst. Wir freuen uns auf Dich und Deine Anfragen!

50/50 – Dann klappt es auch mit dem weiblichen Blick.

Apropos weiblicher Blick: Leserinnen erkennen vielleicht die Dame im Bild. Sie heißt Alice Guy Blaché. Filmemacherin! Frau! Sie lebte 1873-1968 und war Erfinderin, Innovatorin, eine der ersten Regisseurinnen, erste weibliche Studiobesitzerin.

Die Ideen zur Gleichstellung sind alle da. Man muss nur wollen.

Seither gab es sehr, sehr viele Frauen. Gibt es sehr, sehr viele Filmemacherinnen. Weitere kostenfreie Ideen: Festivals auffordern, auf Gendergleichgewicht zu achten, Förderungen auffordern, gendergerechtes Budgeting und Quotierungen einzuführen, auf Verbände von Filmemacherinnen zugehen (PQF, WIFTG, DigitalMediaWomen, Cinematographinnen, WomenInMedia u.v.a.m.) und um Kooperationen bitten, an der ARTE-Spitze die „Gläserne Decke“ aus Beton sprengen und Präsidentinnen ernennen oder zumindest paritätisch besetzen und nicht in 2021 mit *null* Frauen an der Spitze versuchen, einen Stich zu machen – und und und.

Auch eine Präsidentin würde ARTE sehr gut tun.

P.S. – Deine Presseerklärung zur Klarstellung der Intention des Kurzdokumentarfilmwettbewerbs „Regisseurin gesucht!“ – ARTE-Statement haben wir wohl gelesen. Es scheint, Du verstehst nicht, liebes ARTE-Team, dass wir Filmemacherinnen schon immer da waren, nicht erst gesucht werden müssen und: keine Peanuts wollen, sondern die Hälfte Deiner Screentime und die Hälfte Deines Geldes – und die Hälfte Deines Präsidiums!


Weiterlesen:
Frankfurter Rundschau vom 11.11.2020: „Seit 1896“
Homepage der Initiative #Wirwarenimmerda
Homepage von Pro Quote Film


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It’s a woman! – Der BR hat eine neue Intendanz.

Frauen in Führung. Frauen in Medien. Dass man darüber im 21. Jahrhundert noch diskutieren muss, ist bitter, das 50/50 eine Ewigkeit entfernt. Weil Geduld nicht meine Stärke ist, habe ich mich im Sommer drangemacht und über 60 hochqualifizierte Medienfrauen recherchiert, mit 20 davon telefoniert, 6 davon mit meinen Grünen Kolleg*innen getroffen und 1 davon als neue Intendantin des BR vorgeschlagen. Auch das Frauennetzwerk des BR und das Rundfunkrats-Kollegium schoben kräftig mit an. Am Ende standen zwei Männer und eine Frau am Start im Rennen um die Intendanz des BR. Wie es lief und was in der Sitzung entscheidend war, lest Ihr hier.

Gleich vorweg: ich bin nicht der Meinung des Rundfunkratsvorsitzenden, wir hatten „bei dieser Wahl ein „Luxusproblem“ (…) [und] es sei eine Entscheidung zwischen sehr guten Kandidaten gewesen.“

Drei Kandidierende, eine Intendantin.

Nein: Wir Grüne haben alle drei Kandidierenden getroffen und ihre Bewerbungen intensiv diskutiert. Ja, es gab andere, sehr gute Kandidierende. Aber wir Grüne fanden nicht nur, nach 70 Jahren Männer-Dominanz ist es Zeit für eine Chefin für unseren Rundfunk, nein, wir fanden auch Dr. Katja Wildermuth bringt eindeutig die besten fachlichen Qualifikationen für den BR mit. Sie ist für uns die Persönlichkeit, die die Herausforderungen der kommenden fünf Jahre meistern wird. Für uns wichtige Werte wie Transparenz oder gute Unternehmenskultur haben für sie ebenso hohen Stellenwert wie der kluge Einsatz von Ressourcen: Investitionen dort, wo man stärker werden muss.

Es braucht. Mehr. Frauen in Führung.

Endlich eine Frau in Führung zu bekommen, spielt für uns Grüne ebenfalls eine große Rolle. Gemischte Teams sind widerstandsfähig und stark, divers aufgestellt heißt krisenfest aufgestellt. Dass man immer und überall fantastische weibliche Führungspersönlichkeiten findet, wenn man nur will, hat unser Findungsprozess gezeigt. Wie weit man kommen kann, wenn alle an einem Strang ziehen, war wiederum der Erfolg einer breiten Koalition. Unterstützt und angeregt vom Frauennetzwerk des BR kamen schon früh weibliche Führungspersönlichkeiten in den Fokus der internen und öffentlichen Debatte. Gemeinsam mit Frauen (und auch einigen Männern!) des Rundfunkrats haben wir dann gesucht, beraten, Netzwerke geschmiedet und Begegnungen gehabt, die über den Findungsprozess hinaus lange nachhaltig wirken werden.

Wir Grüne gratulieren!

Wir Grüne gratulieren Dr. Katja Wildermuth zur neuen Position und dem BR zur neuen Intendantin! Mit großer Freude werden wir das Haus und die Intendantin auf der Reise in die Zukunft begleiten.


Facts & Figures:

Am 22. Oktober 2020 wurde Katja Wildermuth vom Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks mit 38 von 48 Stimmen zur neuen Intendantin des Bayerischen Rundfunks gewählt. Sie wird den Sender mit seinen über 3000 Angestellten, sowie etlichen TV-, Radio- und Digitalangeboten als erste weibliche Intendantin nach 70 Jahren männlicher Intendanz führen. Ihre Amtszeit beginnt am 1. Februar 2021 und dauert planmäßig fünf Jahre. Dr. Katja Wildermuth tritt die Nachfolge von Ulrich Wilhelm an, der nach zehn Jahren nicht mehr für eine Kandidatur zur Verfügung stand

Weiterlesen:

Pressemitteilung: Eine Chefin für unseren Rundfunk

Sanne Kurz:Zeit für ein weibliches Gesicht in der Galerie der Intendanten des BR“

Am 31. Januar 2021 endet die Amtszeit des derzeitigen BR-Intendanten Ulrich Wilhelm. In der Sitzung des Rundfunkrats am 16. Juli kündigte er an, dass er zehn Jahre als Intendant des Bayerischen Rundfunks als ausreichend empfindet und es Zeit sei für eine Veränderung an der Spitze des BR. Rundfunkrätin Sanne Kurz, MdL appelliert an ihre Kolleginnen und Kollegen im Rundfunkrat: „Nutzen wir diese Chance und lassen endlich eine Frau ans Ruder! Die Galerie der sieben Herren, die den BR seit seiner Gründung 1947 geleitet haben, braucht ein weibliches Gesicht.

Dass es an kompetenten Kandidatinnen nicht mangelt, habe sich schnell herausgestellt, daher wundert sich Sanne Kurz sehr über die politisch motivierten Vorschläge, die aus CSU-Kreisen ins Feld geführt werden: „Wir haben uns mit einer langen Liste ans Werk gemacht. Es ist spannend zu sehen, wie viele gute Frauen es in Führung gibt. Wir wünschen uns, dass es auch beim BR ein klares Bekenntnis zu führungsstarken Frauen gibt. Wir brauchen eine Intendantin!

Für Sanne Kurz ist maßgeblich, dass die strukturelle Situation des BR bei der Suche nach einer geeigneten Führungskraft berücksichtigt wird: „Auswahlkriterien sind neben der Leidenschaft für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Teamstärke und Führungsqualitäten, die sich auf rechtliche Fragestellungen und dem Umgang mit Finanzen erstrecken. Wir Grüne erwarten von der künftigen Intendantin, Kompetenz und Erfahrung bei Inhalten und eine klare Vision, wie der Bayerische Rundfunk zukunftsfest aufgestellt werden kann: inhaltlich, personell, konzeptionell und finanziell.

Laut Kurz stecke der BR in einer Umbruchphase mit einem großen Potenzial: „Die Grenzen zwischen unterschiedlichen medialen Angeboten sind längst verwischt. Die Zielgruppe der unter 30jährigen – das Publikum von morgen, nimmt sich, was gefällt, ohne nach Anbietern zu fragen. Gleichzeitig gibt es viele ältere Menschen, denen das analoge Angebot lieb und teuer ist. Hier gilt es, gemeinsam mit dem Haus, mit allen, die beim und für den BR arbeiten und zusammen mit der ARD einen Masterplan zu entwickeln.

Visual Literacy statt Analphabetismus – richtiges Betrachten von Bildern

Das Wort „Literacy“ beschreibt im Englischen das Gegenteil von Analphabetismus. Es beschreibt aber noch mehr, nämlich

die Fähigkeit gedruckte oder geschriebene Texte zu identifizieren, verstehen, interpretieren, selbst zu schaffen; zu kommunizieren und Rechner zu nutzen und dabei geschriebene und gedruckte Materialien mit unterschiedlichen und sich verändernden Kontexten zu nutzen.

vgl UNESCO Publikationen zur Bildung, Education for all: literacy for life; EFA global monitoring report, 2006, Kapitel 6, Seite 149 ff

Als solche Fähigkeit ist Literacy ein Menschenrecht, das fast 20% der Weltbevölkerung vorenthalten wird. In Zeiten von Internet, Massenmedien, Fake News und Social Media kommt in diesem Kontext der Fähigkeit, Bilder zu lesen, der Visual Literacy, eine immer größere Bedeutung zu.

Seit rund einem Jahr sitze ich für uns Grüne im Rundfunkrat. Das Thema seriöse Berichterstattung bzw. Fake News beschäftigt mich dort sehr. Man braucht weder Trump noch PI-News, um zu wissen, wie wichtig eine Sensibilisierung im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt von Nachrichten ist. Denn Information und Desinformation sehen sich zuweilen verdammt ähnlich.
Dieser kritische Blick kommt nicht von alleine, er will – wie Lesen oder Schreiben – geübt sein. Erwachsene, Kindern und Jugendliche müssen die Chance haben, Literacy, und in unserer visuellen Medienwelt eben vor allem auch Visual Literacy zu erwerben.

Deshalb ist eine gemeinnützige Organisation wie die Lie Detectors , die sich der digitalen Bildung verschrieben haben, so ungemein wichtig. Die politisch neutralen und unabhängigen „Lügendetektoren“ gehen z.B. in Schulen und helfen, digitale Medienkompetenz zu schärfen. Ein toller Bericht darüber findet sich hier. Ich glaube fest daran: Es kann gelingen, Fakten, Meinungen und Meinungsmache voneinander zu trennen. Die Bayerische Landeregierung schläft auf diesem Gebiet – leider – komplett.

Vielleicht möchten Sie die Lie Detectors ja auch zu sich holen? Um z.B. eine Unterrichtsstunde anzufordern, wenden Sie sich bitte an info@lie-detectors.org. – Wir jedenfalls wollen die Lie Detectors auf meine Initiative hin in unseren Grüne Fraktion Bayern, Arbeitskreis für Bildung und Kultur einladen. Ich freue mich darauf und werde berichten!


Das für diesen Artikel verwendete Bild „Migrant Mother“ der Fotografin Dorothea Lange hat eine Geschichte. Mehr zu dieser Geschichte und den Nutzungsrechten findest Du hier.

Die besten Köpfe für den BR! Über Gleichstellung in Führungspositionen

Mit öffentlichen Mitteln finanzierter Rundfunk muss alle Teile der Gesellschaft abbilden. Darum müssen auch in den Kontrollorganen alle Teile der Gesellschaft repräsentiert sein. Was „alle Teile“ sind, darüber gibt es immer wieder Debatten. Sicher ist: Frauen sind die Hälfte der Gesellschaft! – Ein Offener Brief an Intendant Ulrich Wilhelm über Frauen in Führung und die besten Köpfe für den BR!

Gleichstellung und gar mit Quotierung erreichte Gleichstellung treibt vielen den Blutdruck nach oben. Quoten-Fans wie ich kennen etliche Studien, wissen, dass gemischte Teams bessere Ergebnisse erzielen und dass bis hin zur Menge von Redebeiträgen und Repräsentanz in Führungspositionen ohne Quote Schneckentempo in der Umsetzung der Gleichstellung herrscht – so denn überhaupt etwas voran geht.

Mit Menschen, die der Quote negativ gegenüberstehen, muss man dabei subtil und sensibel umgehen, um tausende Jahre Patriarchat, die schwer auf Frauen wie Männern lasten, nicht zu unvermittelt aus den Hirnwindungen der Leute zu reißen – wir wollen ja nicht, dass jemand Schaden nimmt. Wie kann es also gehen? Eine Umsetzung der Gleichstellung und zwar nicht erst in 100 Jahren?

Besinnung auf gemeinsame Werte

Der Trick: Fokus auf das, was (fast) alle wollen! In unserem Fall, ich war schwer enttäuscht von der gefühlt 100sten Gleichstellungs-Debatte im von 8 männlichen und einer weiblichen Führungskraft bestimmten Rundfunkrat des BR, tat ich mich mit mehreren gleichgesinnten Rundfunkrätinnen zusammen. Wir schlossen die Reihen und tauschten uns aus mit Frauen In-House, also jenen, die den BR von innen täglich erleben und Strukturen sehr gut kennen. Welche Ideen könnten zur Gleichstellung beitragen? Was kann für Geschlechtergerechtigkeit in den Führungsetagen sorgen?

Auch der geschätzte Rundfunkrats-Kollege Thomas Habermann (CSU), entsandt vom Bayerischen Landkreistag, warf sich für Gleichstellung in die Bresche und legte am 11.07.2019 mit einem Brief zur Gleichstellung nach. Fast wie beim Tennis schlug Intendant Ulrich Wilhelm am 19.07.2019 mit einem Eckpunkte-Papier Gleichstellung zurück. Alles für meinen Geschmack ein bissi dünn – wie kommen wir zu Taten?

Eine Insiderin hatte dann den heißen Tipp: die Dienstanweisung! Diese „Dienstanweisung“ beschreibt, wie die Intendanz, die das alleinige Vorschlagsrecht für Führungspersonal hat, welches dann vom Rundfunkrat in „Friss oder stirb“ Manier meist nur noch abgenickt wird, zu Personalvorschlägen kommt.

Bisher: aufklappen des Intendanten-Adressbuchs, Kumpels abtelefonieren.

Also: sehr salopp gesagt. Denn natürlich handelt es sich um hoch dotierte Stellen, da nennt man das Kumpels Abklappern gerne mal „Head Hunting“ und es muss na klar extrem diskret passieren, das sehen sogar krasse Transparenz-Feministinnen wie ich ein. „Ups, die Unternehmensführung will vielleicht zum BR wechseln – das stand in der Zeitung!“ – solche Schlagzeilen helfen eher nicht beim Finden von top Führungspersonal.

Zukünftig: Ausschreibung freiwerdender Führungspositionen

Transparente Ausschreibung führt dazu, dass nicht Gleiche Gleiche suchen, vorschlagen und einstellen, sondern dass alle Teile der Gesellschaft überhaupt erfahren, dass es frei werdende Positionen gibt. alle sind aufgefordert: mache bekannt, dass du das willst! Bewirb dich! Bringe dich ins Spiel!

Freilich bringt das alleine noch keine Gleichstellung – Ihr erinnert Euch: ich liebe die Quote! Aber zumindest gäbe es ein offizielles, transparentes Bewerbungsverfahren, die Frauenbeauftragte hätte ein Veto-Recht, z.B., wenn gar nicht erst genügend Frauen eingeladen würden und in die engere Wahl kämen.

Zu fünft verfassten wir einen Brief: Gemeinsam mit meinen wunderbaren Rundfunkrats-Kolleginnen Elke Beck-Flachsenberg, die auch Mitglied des Ältestenrates ist, Klothilde Schmöller, Susanne Zehetbauer und Dr. Martina Eglauer forderten wir darin keineswegs sowas infames wie 50% der Macht den Frauen. Sondern klar „Die Besten Köpfe für den BR„.

„Die Besten Köpfe für den BR“

In dem Brief taucht kein einziges Mal das problematische „Reizwort“ Frau oder gar der feministische Kampfbegriff „Gleichstellung“ auf. Trotzdem hat er Sprengkraft, denn er soll in Zukunft dafür sorgen, dass eben nicht mehr ein Mann sein Adressbuch aufschlägt und seine Kumpels abtelefoniert.

Der Brief soll dafür sorgen, dass Bewerbung mit gleichen Chancen für Frauen und Männer überhaupt möglich wird – ich kann es kaum glauben, dass ich das im 21. Jahrhundert schreiben muss.

Obwohl wir den Brief also maximal niedrigschwellig gehalten haben, haben von 50 Mitgliedern des Rundfunkrats nur 23 Männer und Frauen unterzeichnet. Wenn man die Nordkorea-artigen Zustimmungsquoten bei Neubesetzungen auf Vorschlag der Intendanz – trotz geheimer Wahl oft über 80% Zustimmung, was ich auf das oben beschriebene „Friss oder stirb“ Prinzip zurück führe – kennt, könnte man aber auch ruhigen Gewissens von einem großartigen Erfolg sprechen:

46% aller BR-Rundfunkrats-Mitglieder unterstützen unser Anliegen

23 Mitglieder des Rundfunkrats fordern von der Intendanz offen eine andere, gerechtere Art, Führungspositionen zu besetzen! Das ist ein offenes Aufbegehren von immerhin 46% des Rundfunkrats.

Es sollte dann nur noch rund sechs Monate dauern, bis rechtliche Fragen geklärt waren, Intendant und Justitiar aus der „Ausschreibung“ eine „Bekanntmachung“ gemacht hatten (nicht, dass sich am Ende noch so eine qualifizierte Frau einklagt…) und alles, alles endlich in trockenen Tüchern war.

Demokratie ist ein echt ultra-zähes Geschäft. Aber es tut auch so gut, wenn man mal kleine Erfolge feiern kann. Denn: der Brief war der Auftakt einer langen Reihe prägender Ereignisse, an deren Ende nach 70 Jahren Männerbünden im BR die Wahl einer Intendantin stand.


Mehr lesen zu Gleichstellung. | Mehr lesen zum BR Rundfunkrat.

Volle Breitseite gegen „Hindafing“

Wenn mir Menschen mailen, weil es Missstände, Probleme, Fragen gibt, finde ich das sehr gut. Bayern ist groß. Nicht alles aus allen Winkeln bekomme ich mit. Auch im Stimmkreis kann ich nicht immer überall sein.

Ich bekomme aber auch viel Post, die ist gar nicht persönlich an mich gerichtet, sondern geht mit der Gießkanne an Viele. Erst kürzlich hat so ein Gießkannen-Brief den Vogel abgeschossen:

In langen, sich träge Seiten herunter windenden Sätzen prangerte ein Mitglied des Rundfunkrats, dem ich auch angehöre, allen Ernstes an, das Bild von Politik und Kirche werde in „Hindafing“ verzerrt dargestellt. Schrieb’s und untermauerte es in einer langen, sich über etliche Seiten hinziehende Predigt: „Hindafing“! Gefahr!

Dass die mehrfach preisgekrönte Serie jetzt zum Anschauungs- und Untersuchungsobjekt zur Darstellung von Politik und Kirche in den Medien werden soll, halte ich für einen Treppenwitz.

  • Hat eigentlich jemand mal „Hindafing“ gesehen?
  • Sollte man die Darstellung von Politik und Kirche gerade in Bayern nicht lieber an Dahoam is Dahoam untersuchen?
  • Hat eigentlich schon mal jemand gelesen, was Satire soll, will und kann?

Servicepost von Sanne zu: „Satire“

Satire ist eine künstlerische Form, vorwiegend in Literatur und Darstellender Kunst, in welcher individuelle oder allgemein-menschliche Laster, Tollheiten, Verfehlungen und Unzulänglichkeiten erhöht werden, um zu kritisieren, mit Mitteln wie Hohn, Spott, Parodie, Ironie, Karikatur und anderer Methoden, manchmal mit dem Ziel, gesellschaftliche Verbesserung herbeizuführen.

Elliott, Robert C, „The nature of satire“, Encyclopædia Britannica, abgerufen Winter 2019/2020

Rand-Notiz: Satire ist für gewöhnlich humoristisch gemeint. Das Ziel ist meist aber nicht (nur) Unterhaltung, Gelächter und Witz. Der weit größere Zweck von Satire ist oftmals konstruktive Gesellschaftskritik.


Fotocredit: Hana H. / hanakirana CC BY 2.0

Pressemitteilung: Gleichstellung beim BR

Trotz des schlechten Ergebnisses von 25 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen wurde Tassilo Forchheimer als Leiter des Studio Franken vom Rundfunkrat bestätigt. Details über die Personalie waren bereits vor der Sitzung des über die Neubesetzung beratenden Ausschusses nach außen gedrungen. – Vielerseits scharf kritisiert der erneute Versuch der Positionierung eines Mannes. Zwischen der Ausschuss- und der Vollsitzung legte Ulrich Wilhelm daher nach: in einem Eckpunktepapier zur Gleichstellung versuchte er Frauenförderung zu präzisieren. – Leider ungenügend:

„Gleichstellung bedeutet, die gläserne Decke muss weg. Wir brauchen Frauen auch in den Chefetagen! Das Eckpunktepapier enthält keine einzige konkrete Maßnahme. Als Zeitrahmen sind 10 Jahre abgesteckt. – Dass dann unter Einbeziehung der zweiten und dritten Führungsebene des BR die Zahlen schön gerechnet werden, das ist beschämend.“

Sanne Kurz, Rundfunkrätin, Bündnis90/Die Grünen

Seit 1999 fanden sich beim BR genau drei Mal Frauen in der obersten Führungsebene. Lediglich in rund 11% der Fälle waren die sechs Direktions-Posten und die Intendanz in den 20 Jahren mit einer Frau besetzt. Die oberste journalistische Leitung obliegt aktuell gar zu 100% Männern.

„Parität ist bei der Besetzung von Führungspositionen des BR nicht vorgeschrieben. Auch die Gleichstellungsbeauftragte hat – anders als beispielsweise bei der Berufung an bayerischen Hochschulen – kein Mitspracherecht. Ein Armutszeugnis und ein Vorgehen, dass sich heute so kein Unternehmen mehr leisten kann.“

Sanne Kurz, Rundfunkrätin, Bündnis90/Die Grünen

Im Gleichstellungsbericht 2017 hieß es von Wilhelm noch vollmundig, Gleichstellung sei „…nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch ein wichtiger Faktor für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit“. Bei intransparent und autokratisch getroffenen Personalentscheidungen, mit Forchheimer präsentierte Wilhelm einen langjährigen Weggefährten, ist von diesem Bekenntnis nichts zu spüren. Auch die im Netz zu findenden Angebote der BR Gleichstellungsbeauftragten richten sich – bis auf eines – an Frauen und Männer, fördern also nicht speziell Frauen. Kurz kennt das Problem:

„‘Es gibt keine kompetenten Frauen. Frauen haben nicht die nötige Erfahrung. Frauen wollen nicht. Qualität ist nicht quotierbar.‘ – Immer wieder höre ich gleiche, mantraartig wiederkehrende Argumente, die Frauen klein halten. Ja, Qualität ist nicht quotierbar. Sie ist aber auch nicht über 50 und männlich. Ich fordere ganz konkrete Förderungen auch für die oberen Hierarchieebenen! Programme für die Förderung von Frauen – und zwar nur von Frauen! An männlicher Führung haben wir wirklich keinen Mangel.“

Sanne Kurz, Rundfunkrätin, Bündnis90/Die Grünen

Im Oktober soll der neue Gleichstellungsbericht vorgelegt werden. Auch zur Diversität beim BR soll erstmals berichtet werden. Bleibt zu hoffen, dass den Worten endlich Taten folgen.