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Schriftliche Anfrage „Umgang des Freistaates Bayern mit Grundstücken und Gebäuden aus (ehemals) jüdischem Besitz“

Mit der Einrichtung eines Schiedsgerichts im Jahr 2025 wird es erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein geordnetes Verfahren mit rechtskräftigen Beschlüssen zur Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern geben. Doch auch in anderen Bereichen wurde von den Nazis verfolgten Personen Eigentum entzogen oder abgepresst. Die Aufarbeitung ist auch hier dringend nötig. So gibt es Hinweise darauf, dass Immobilien, die in der Zeit des Nationalsozialismus enteignet wurden, nicht an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben worden sind und sich teilweise noch im Besitz des Freistaates Bayern befinden.

Antwort des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat, zu den Fragen 1.3 bis 2.3 in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr vom 16.04.2025, auf die Anfrage von meiner Kollegin Claudia Köhler, meinem Kollegen Tim Pargent und mir


1.1 Wie viele Immobilien hat der Freistaat Bayern ab dem Jahr 1949 auf Grundlage der Kontrollratsdirektive an sich selbst statt an die früheren Eigentümer überschrieben (bitte tabellarisch auflisten)?

Es existiert keine statistische Erfassung der ab dem Jahr 1949 durchgeführten Rückerstattungsverfahren. Die entsprechenden Rückerstattungsakten befinden sich mittlerweile in den bayerischen Staatsarchiven.

1.2 Wie ist der Freistaat Bayern in dieser Zeit bis heute mit den Rückgabeersuchen der ehemaligen Eigentümer umgegangen (bitte tabellarisch pro Immobilie angeben)?

Vergleiche Antwort zu Frage 1.1.

1.3 Wie wird die Villa in der Möhlstraße 12a in München-Bogenhausen aktuell genutzt?

Aktuell befinden sich in der Immobilie sechs Mietwohnungen im Bestand der Gesellschaft für den Staatsbedienstetenwohnungsbau in Bayern mbH (Stadibau).

2.1 Sollte die Villa zu Wohnzwecken genutzt werden, besteht ein Mietverhältnis zwischen dem Freistaat und den Bewohnern und Bewohnerinnen?
2.2 Ist eine Anmietung der Wohnungen über den freien Markt möglich oder ist dies Beamtinnen und Beamten des Freistaates vorbehalten?
2.3 Wenn Frage 2.2 mit ja beantwortet wird, welche Kriterien müssen diese Personen erfüllen, um für eine Anmietung der Räumlichkeiten zu Wohnzwecken infrage zu kommen?

Die Fragen 2.1 bis 2.3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam wie folgt beantwortet.

Die Wohneinheiten wurden der Stadibau zum 1. Januar 1995 vom Freistaat Bayern im Pachtverhältnis übertragen und unterliegen dem Belegungsrecht der staatlichen Wohnungsfürsorge. Die Mieter werden durch die Wohnungsfürsorgestelle des Landesamts für Finanzen benannt, der Mietvertrag wird direkt mit der Stadibau geschlossen. Wohnungsfürsorgeberechtigt sind gemäß den Bayerischen Wohnungsvergaberichtlinien die Beschäftigten des Freistaates Bayern, der Uniklinika und der Bayerischen Staatsforsten.

3. Welche Bemühungen unternimmt die Staatsregierung, um die eigene Rolle von Enteignungen von Verfolgten des NS-Regimes in Bezug auf Immobilien aufzuarbeiten?

Beim Umgang des Freistaates Bayern mit Grundstücken und Gebäuden aus (ehemals) jüdischem Besitz bestehen aus Sicht der Staatsregierung entscheidende Unterschiede zu den Grundsätzen für die Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern. Für die Rückgabe von Immobilien in Deutschland nach dem Jahr 1945 wurden spezifische gesetzliche Regelungen – angefangen mit dem Gesetz Nr. 59 der Militärregierung im amerikanischen Kontrollgebiet vom 10. November 1947 – geschaffen, die klare Antragsfristen und rechtliche Verfahren vorsahen. Beruhend auf den vorhandenen gesetzlichen Grundlagen wurde in jedem Fall, in dem Rückerstattungsansprüche angemeldet wurden, ein individuelles Entschädigungsverfahren vor den Wiedergutmachungsbehörden durchgeführt. Hintergrund dieser Vorgehensweise war, dass der Belegenheitsort von Immobilien stets bekannt war, während Kulturgüter bzw. Kunstwerke oftmals nicht mehr auffindbar waren und als verschollen galten. Aus diesem Grund beschränken sich die Washingtoner Erklärung und die weiteren Bemühungen zur Provenienzforschung auf Kulturgüter. Immobilien sind von diesem Regelwerk nicht umfasst.