Dringlichkeitsantrag „Weg frei für faire und gerechte Lösungen: klare gesetzliche Regelung für Restitutionen auch in Bayerns Haushaltsrecht schaffen“
Der Landtag wolle beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, einen mit dem Bayerischen Haushaltsrecht und der Bayerischen Verfassung konformen Gesetzesentwurf zur Restitution von NS-Raubgut vorzulegen. Dabei gilt es, die folgenden drei Punkte rechtlich abzusichern:
- Restitutionen, die im Sinne der „Washingtoner Prinzipien“ aufgrund der historischen Verantwortung der Bundesrepublik und des Landes Bayern angezeigt sind, selbst wenn es – wie aufgrund der verstrichenen Zeit unvermeidbar – Lücken in der Provenienz der Werke gibt, sofern eine Empfehlung zur Restitution von einschlägigen Fachleuten aus der Provenienzforschung, jedoch keine juristische Empfehlung vorliegt.
- Restitution auf Basis eines Schiedsspruchs der neuen, zukünftig ihre Arbeit aufnehmenden Schiedsgerichtsbarkeit für NS-Raubgut, jedoch ohne die vom Staatsminister vorgesehene Möglichkeit, den Erlös zwischen der verwahrenden Stelle und der Anspruchsstelle aufzuteilen, falls das Kulturgut veräußert wird.
- Die aus den Restitutionen folgenden Verringerungen des Grundstockvermögens.
Begründung:
Nach Art. 81 Satz 1 der Bayerischen Verfassung ist eine Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern, welche eine Verringerung des Grundstockvermögens bedeutet, nur aufgrund eines Gesetzes möglich.
Daher wurde in Art. 8 Abs. 11 des Haushaltsgesetzes 2021 eine Formulierung aufgenommen, die das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst „ermächtigt, das Eigentum an zum Grundstockvermögen gehörigen und in seiner Verwaltung befindlichen Kulturgütern, die entsprechend der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz von 1999 als NS-verfolgungsbedingt entzogen zu gelten haben, den Berechtigten unentgeltlich zu übertragen.“
Bisher fand dieser Artikel aber nur Anwendung, wenn es die juristische Empfehlung der Zentralen Dienste zur Restitution etwaiger Streitfälle oder eine Empfehlung der Kommission NS-Raubkunst, deren Anrufung die Staatsregierung in einigen Fällen allerdings wiederholt auch entgegen dem Wunsch der anspruchstellenden Familien blockierte, gab.
Im Vordergrund stand in Bayern bisher allein die formaljuristische Beurteilung, nicht aber die Expertise der Fachleute der Provenienzforschung. Im Sinne der historischen Verantwortung des Freistaates, insbesondere gegenüber Jüdinnen und Juden mit familiärer NS-Verfolgungsgeschichte, ist hier ein schneller Paradigmenwechsel nötig. Die durch Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Markus Blume angekündigte Einrichtung eines Runden Tisches „Historische Verantwortung“ verkennt das Vorhandensein bestehender Strukturen, die man umgehend nutzen könnte, wie die Beratende Kommission NS-Raubkunst und die Expertise der Provenienzforschung in Bayern. Die Schaffung neuer, weiterer Gremien wird aktuell zum Teil seit Jahren und Jahrzehnten im Raum stehende Verfahren weiter verzögern.
Für Bayern ist eine breitere, landesgesetzliche Grundlage nötig, um Restitutionen auf Basis internationaler Vereinbarungen, wie den Washingtoner Prinzipien, zu denen der Freistaat sich seit Jahren bekennt, auch in Bayern verfassungskonform zu ermöglichen, ohne beispielsweise durch Teilung von Verkaufserlösen das einst geraubte Eigentum der betroffenen Familien erneut zu schmälern, oder Hinterbliebene von NS-Opfern erneut zur Abgabe ihres Kulturguts, z. B. durch Verkauf, zu drängen. Es muss klar sein: Die Personen, die heute begründete Ansprüche stellen, entscheiden im Falle einer Restitution selbst und frei über den Besitz, der ihren meist jüdischen Familien von den Nazis geraubt wurde.
Der Vorschlag des Staatsministers für Wissenschaft und Kunst Markus Blume in der Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst vom 4. Dezember 2024, der eine neue Rechtsgrundlage fordert, um den Verkauf von Kulturgütern und die Teilung des Erlöses zwischen den Stellen, die das Kulturgut verwahren – also letztlich des Freistaates – und den anspruchstellenden Familien zu regeln, wird den internationalen Vereinbarungen in keiner Weise gerecht und ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Eine lückenlose Beweiskette lässt sich in vielen Fällen auch aufgrund der jahrelangen Verzögerungstaktik des Freistaates heute selten herstellen und es ist ein perfides Anliegen, den Nachkommen wegen der Versäumnisse des Freistaates nur einen Teil ihres rechtmäßigen Eigentums zurückzugeben.