Antrag „Symbol für Justiz-Unrecht der NS-Diktatur: museale Präsentation der Guillotine von Stadelheim ermöglichen“
Der Landtag wolle beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit den zuständigen Staatsministerien sowie geeigneten kulturellen Einrichtungen, Museen, Sachverständigen der Erinerungskultur und Bildungseinrichtungen, die museale Ausstellung der Guillotine, die derzeit im Depot des Bayerischen Nationalmuseum aufbewahrt wird, in einem angemessenen und respektvollen Kontext zu ermöglichen. Ziel der Ausstellung soll es sein,
die historische Bedeutung der Guillotine und die rund 1 000 damit verbundenen menschlichen Schicksale angemessen aufzuarbeiten und die Erinnerung an die Opfer
der NS-Justiz wachzuhalten.
Die Staatsregierung wird außerdem aufgefordert, den historischen Kontext der Guillotine vor dem Hintergrund der rund 12 000 in der NS-Diktatur vollstreckten Todesurteile aufzuarbeiten und sie im Rahmen eines Bildungs- und Gedenkprogramms zugänglich zu machen.
Begründung:
Die Guillotine in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim ist ein eindrückliches Symbol für das Unrecht und die Grausamkeit der NS-Justiz. Sie wurde bis zum Kriegsende 1945 für die Vollstreckung von Todesurteilen verwendet, darunter auch die Hinrichtung von Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern der Weißen Rose wie Hans und Sophie Scholl.
Das Mordinstrument galt lange als verschollen, bis der Bayerische Rundfunk (BR) vor nunmehr 10 Jahren aufdeckte, dass das Staatsministerium der Justiz seit Jahrzehnten von der Existenz der Guillotine wusste und sie dennoch aus der öffentlichen Diskussion herausgehalten hat. Laut Berichterstattung des BR aus dem Jahr 2014 war das Fallbeil nach dem Krieg zunächst nach Straubing verfrachtet worden, hernach weiter in die JVA Regensburg.1 Seit 1974 lagert es im Bayerischen Nationalmuseum. Diese jahrzehntelange Zurückhaltung behindert die Aufarbeitung und die notwendige Auseinandersetzung mit den Taten der NS-Justiz.
Nach öffentlichem Bekanntwerden der Lagerung des Fallbeils im Bayerischen Nationalmuseum berief der damals zuständige Staatsminister für Unterricht und Kultus Ludwig Spaenle einen runden Tisch ein. Hernach sprach der damalige Staatsminister Ludwig Spaenle ein Verbot der Präsentation aus, ein bundesweit einzigartiger Fall, entscheidendoch normalerweise Fachleute aus Museen und nicht Regierungen über präsentierte Objekte. Nun, 10 Jahre später, gibt es aktuelle Entwicklungen:
Die Urenkelin eines tschechischen NS-Opfers sprach sich kürzlich in einem öffentlichen Aufruf nachdrücklich für eine Ausstellung aus, um ihren Urgroßvater und die anderen rund 1 000 Opfer zu würdigen.2 Sie betonte, wie wichtig es sei, die Erinnerung lebendig zu halten, um daraus Lehren für die Gegenwart zu ziehen. „Eine solche Ausstellung wäre ein Zeichen der Anerkennung für alle, die von der NS-Justiz verfolgt wurden,“ erklärte sie in einem bewegenden Interview.
Mehrere Historikerinnen und Historiker sowie Fachleute für Erinnerungskultur haben sich in den vergangenen Jahren für eine museale Präsentation ausgesprochen. Der Historiker Dr. Stefan Höhne betonte: „Die Guillotine von Stadelheim ist ein belastetes Objekt von unschätzbarem historischem Wert, das im Rahmen einer sensiblen und aufklärerischen Ausstellung dazu beitragen kann, die Grausamkeiten der NS-Justiz zu ver-
anschaulichen und das Gedenken an ihre Opfer zu bewahren.“
Der Autor und Journalist Ulrich Trebbin, der ein Buch über diese Guillotine schrieb, betonte, „dass es im Dritten Reich über 40 Delikte gab, auf die die Todesstrafe stand. Neben Widerständlern wurden auch Kleinkriminelle, ‚Asoziale‘ oder Zwangsarbeiter wegen Bagatellen hingerichtet.“3
Auch zum begreiflich Machen des Weges, den wir als Bundesrepublik seit 1945 beschritten haben, könne das Objekt genutzt werden, so Trebbin weiter: „Wir haben Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung und keine Todesstrafe mehr. Darauf können wir stolz sein und das müssen wir schützen.“ – Insbesondere vor dem Ende der Ära der Zeitzeugenschaft und mitwachsenden neuen Herausforderungen der Bildung zur NS-Ge-schichte und des in die Zukunft Führens der Erinnerungskultur wird die museale Präsentation der Guillotine täglich dringlicher.
Die anhaltende Lagerung der Guillotine im Depot des Bayerischen Nationalmuseums wurde zuletzt in einem Artikel von September 2021 kritisiert, der die Frage aufwarf, warum dieses historisch relevante Objekt weiterhin der Öffentlichkeit vorenthalten wird.4
Ein rein musealer Kontext, in dem das Unrecht der NS-Zeit aufgearbeitet und die Einzelschicksale der Opfer erzählt werden, ist dringend notwendig, um die Erinnerung an die Opfer zu ehren und dem Vergessen entgegenzuwirken. Es geht nicht darum, Grausamkeiten zu verherrlichen, sondern Schrecken der Vergangenheit sichtbar zu machen und daraus zu lernen.
Eine sachgemäße und einfühlsame Ausstellung bietet die Chance, die Erinnerungskultur in Bayern zu stärken und ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen. Insbesondere junge Menschen können dadurch für die Verbrechen der NS-Zeit sensibilisiert und für die Bedeutung von Menschenrechten und Demokratie gewonnen werden.
Es ist unsere Verantwortung als Freistaat Bayern, uns für eine lebendige und selbstkritische Erinnerungskultur einzusetzen und den Opfern der NS-Justiz eine Stimme zu geben.
1 01.01.2014 – Guillotine der Geschwister Scholl aufgetaucht: https://www.br.de/presse/inhalt/pressemittei-
lungen/geschwister-scholl-guillotine-100.html
2 03.11.24 – Urenkelin von NS-Opfer fordert Ausstellung der Guillotine: https://www.br.de/nachrichten/bay-
ern/urenkelin-von-ns-opfer-fordert-ausstellung-der-guillotine,USyu7UM
3 Evangelische Zeitung vom 21.02.2023: https://www.evangelische-zeitung.de/gehoert-eine-guillotine-aus-
der-ns-zeit-ins-museum
4 19.09.21 – Guillotine von Stadelheim bleibt weiter im Depot, Guillotine von Stadelheim bleibt weiter im
Depot | BR24: https://www.br.de/nachrichten/bayern/guillotine-von-stadelheim-bleibt-weiter-im-depot,ShZ56Gf