Politikerin kommt zum Arbeiten vorbei: mein Rent-a-MdL-Sommer 2024
Vereine, Läden, Feuerwehren, NGOs, Kitas, Ehrenamtliche, Firmen – sie alle konnte mich in diesem Sommer im Rahmen meiner Aktion „Rent-a-Abgeordnete“ stundenweise oder tageweise “mieten”. Für Arbeiten, die eh anfallen oder die man schon immer gerne abgeben wollte: Keller ausmisten, Biotonne raus bringen, Formulare ausfüllen – aber auch Weißwürste machen, Bürgergeldanträge stellen, Zahnarzthelferin oder TV-Praktikantin sein. Mein Ziel war es, Einblicke in ganz unterschiedliche Alltagskontexte zu gewinnen und zu verstehen, wie wir durch unsere Politik die Arbeitsbedingungen der Menschen verbessern können. Zudem ist es mir sehr wichtig, dass Politik, nahbar und zugänglich ist, um Menschen zu Beteiligung, Kommunikation und zur Äußerung ihrer Bedürfnisse zu ermutigen. Wir alle sind Politik! Darum habe ich mich auf eine spannende Reise durch verschiedene Lebens- und Arbeitswelten begeben – von der Freiwilligen Feuerwehr bis zur Arztpraxis.
„Rent a Abgeordnete – Sanne Kurz zu mieten. Kaum plakatiert, schon Stadtgespräch
So schien es mir zumindest, denn so viele Menschen sprachen mich auf die Mietaktion Rent-a-Abgeordnete an, dass man hätte glauben können, es sei Wahlkampf. Viele waren nur neugierig, ziemlich schnell aber fassten sich erste ein Herz, „mieteten“ mich über meine Homepage sanne-kurz.de und die Aktionswoche war rasch ausgebucht.
Der erste Stopp der Rent-A-MdL-Aktion führte mich zum AKA e.V. in den Formularservice. Der AKA ist ein gemeinnütziger Verein im Münchner Osten, der sich aktiv für die interkulturelle Verständigung und Gleichberechtigung von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland einsetzt, direkt vor Ort! Vereinsamung, aber auch bürokratische Hürden und soziale Schwierigkeiten meistert man gemeinsam. Ehrenamtliches Engagement bei AKA macht jedenfalls riesigen Spaß und ist extrem erfüllennd, das kann ich bestätigen. Euch Honorarkräfte für München Ost sucht der AKA immer wieder für seine gute und wichtige Arbeit.
Was bei mir den stärksten Eindruck hinterlassen hat? – Die bürokratischen Hürden bei Anträgen und Formularen. Wie aufreibend und auch entwürdigend es sein kann, sich durch den bürokratischen Dschungel schlagen zu müssen, weiß ich aus meiner eigenen Vergangenheit, als alleinerziehende studierende Mutter mit zwei Kindern, nur zu gut. Dass man sich für Unterstützung durch 64-seitige Formulare durchkämpfen und dabei für jedes Kind auf vier Seiten auch absurde Fragen, wie die nach bestehender Schwangerschaft (selbst von Dreijährigen!), ausfüllen muss, ist ein Zumutung! Oder? Umso wertvoller ist es, wenn alle, die im Bürokratiedickicht Hilfe benötigen, diese Hilfe auch bekommen – so wie dank des AKA- Aktiv für interKulturellen Austausch e.V.
Back to the Roots: einen Tag Praktikantin im TV
Beim Regionalfernsehen Oberbayern (rfo) war ich wenige Tage später, dank meiner langjährigen Erfahrungen in der Film- und Fernsehbranche, auf mir vertrautem Terrain unterwegs. Richtig gut war aber, den Alltag als Praktikantin im Lokalfernsehen kennen zu lernern! Praktikantin beim Lokalfernsehen – damals beim Westerwald-TV, das war tatsächlichn mein aller erster Job in den Medien, gleich nach dem Abi damals in der Pfalz. In Rosenheim beim Fernsehsender rfo durfte ich Nachrichten aus der Region recherchieren, Ton aussteuern bei der Aufzeichnung im Studio, beim Dreh einer neuen Serien dabei sein – und fühlte mich sofort als Kollegin akzeptiert und willkommen. – Und wer die sogenannten „NIFs“ kennt, Nachrichten im Film, die in den Abendnachrichten vorgelesen werden, der weiß, ich habe außer Stative schleppen wirklich alles gemacht an dem proppevollen, herrlich ereignisreichen Tag. Wusstet Ihr, dass rfo Mitinitiator des Nachhaltigkeits-Pakts für Lokalrundfunk ist? – Alleine die Dachterrasse, wo wir Abends noch einen Geburtstag gemeinsam feierten, hat den Einsatz gelohnt. Ein Interview mit Sanne Kurz – Rent a Abgeordnete findet ihr hier.
Mein nächster Einsatzort war die Freiwillige Feuerwehr München-Michaeliburg, direkt bei mir daheim. Ich bin schon oft an dem Feuerwehr-Gerätehaus vorbei geradelt, auch an den Tagen der Offenen Tür kann man unsere Freiwilligen Feuerwehren ja immer toll kennen lernen. Beim monatlichen Ehrenamtlichen Einsatz dabei sein und helfen dürfen war aber doch nochmal ein ganz besonderes Erlebnis. Nachdem der Feuerwehralltag ja längst nicht nur aus Lösch-, Rettungs- oder Bergungseinsätzen besteht, war meine Lernkurve riesig! Ich durfte den ehrenamtlichen Aktiven der Freiwilligen Feuerwehr einen Abend lang bei der Wartung der Fahrzeuge, Überprüfung des Materials und beim Putzen der Halle helfen. Sauerstoff-Flaschen Prüfung und wie ein Manometer für Druckluft-Messung funktioniert, wer genau warum wo sitzt, wie man in Neuperlachs Hochhäuser im Notfall rein geht, was es mit dem Blaulicht auf sicht hat – wow. Hammer Einblicke, viel gelernt, Und natürlich hatte ich auch viel Spaß, z.B. beim Hands-on Ausprobieren der Atemschutz-Ausrüstung, beim Spritzen-Test, Infrarot-Sichtgerät-Check oder beim Kontrollieren der Dachbox – mit Aussicht. Und nicht zuletzt im Gespräch über das Landes-Feuerwehrgesetz in Bayern habe ich einige wertvolle Informationen für meine Stimmkreisarbeit mitnehmen können. – Ich hoffe, ich habe mir die Fachbegriffe einigermaßen korrekt gemerkt. Falls nein, komme ich gerne wieder vorbei – Übung macht bekanntlich den Meister. – Wusstet Ihr, dass man auf den Seiten der Freiwilligen Feuerwehr Michaeliburg immer lesen kann, was an Einsätzen los war? Einfach mal reinschauen, oder gleich bei der wirklich coolen Truppe bunt gemischter Jungs und Mädels, Männer und Frauen vorbeischauen.
Gerne wieder
Am nächsten Tag dann ein komplett anderer Kontext im Sprachcafé des Nachbarschaftstreffs Perlach. Der Nachbarschaftstreff liegt in einem Neubauviertel zwischen Friedhof, Autobahn und altem Dorfkern. Ich habe selbst in der Messestadt gewohnt, als da alles neu war. Darum weiß ich: Nachbarschaft braucht Raum zum Wachsen. Im Nachbarschaftstreff Perlach gibt es diesen Raum. Ich durfte dort bei einem Angebot mitarbeiten, traf auf Frauen mit Migrationshintergrund und tauschte mich mit ihnen über die Möglichkeiten des Mitmachens in unserer Demokratie aus. Politik war für viele der Frauen weit weg. Je nach Herkunftsland kannte die ein oder andere Frau auch nur Regierungen, wo ganze Stadtviertel abgeriegelt werden, wenn ein Politiker oder eine Politikerin vorbei kommt. Politik zum Anfassen und mitmachen, Politik, bei der Teilhabe gewünscht und notwendig ist, das war vielen neu. Auch einige Mädchen waren dabei – die kannten natürlich Klassensprecher-Wahlen, waren sich aber auch oft unsicher, wie sie Mitgestalten können. Eine große Rolle spielen im Viertel vor allem Fragen des kreativen Mitgestaltens des eigenen Wohnumfelds – und der persönlichen Möglichkeiten politischen Engagements für das, was den Alltag betrifft, zu Beispiel Kitas, Bildung und Schule. Starke Frauen! Toller Tag.
Jeder Nachbarschaftstreff ist anders und besonders
Beim Nachbarschaftstreff Ramersdorf-Süd in der Balanstraße wiederum gab es weniger zum Reden – aber ich konnte ordentlich mit anpacken! Nicht nur die Teilnahme an der Seniorinnengymnastik (krass, wie man Finger trainieren muss, damit sie bis ins hohe Alter gelenkig und stark bleiben!), sondern auch die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung eines zünftigen Weißwurstfrühstücks standen auf der Tagesordnung. Ich habe länger in der Küche einer Gastro mit Kleinkunstbühne gearbeitet als junge Frau. Darum fühlte sich dieser Rent-a-Abgeordnete Job echt supergut an. Danach gab es noch eine spannende Gesprächsrunde zum Thema Seniorenarbeit und kommunale Senior:innenpolitik.
Meinen letzten Einsatz hatte ich schließlich bei der Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung (MMM), in der Zahnarzt-Abteilung in Berg am Laim Streitfeldstraße. Hier war ich einen Nachmittag lang bei der Unterstützung des ehrenamtlich arbeitenden Empfangspersonals gefordert. Neben den ehrenamtlichen Ärztinnen und Ärzten engagieren sich auch Assistentinnen und Assistenten, Krankenpflegende, Sprechstundenhilfen sowie Dolmetscherinnen und Dolmetscher ehrenamtlich in der MMM. Was mich überrascht hat: auch ungelernte Personen wie ich sind hoch willkommen als Ehrenamtliche! Der Job macht Spaß und für jeden gibt es etwas, was sich schnell lernen lässt. Spannende Erkenntnis für mich: 80% der Hilfesuchenden haben einen Deutschen Pass und leben in München – und können mangels Versicherung trotzdem nicht wie ich und Du zum Arzt – das finde ich schlimm. Der Empfang der MMM ist für Patient:innen oft die erste und einzige Anlaufstelle für Verletzungen, Krankheiten, Gesundheitsfragen. Darüber hinaus hat man hier auch ein offenes Ohr für alle möglichen Schwierigkeiten. Die Beratung vor der eigentlichen Behandlung ist ein entscheidender erster Schritt, um ihre individuellen Bedürfnisse zu verstehen und ihnen die bestmögliche Unterstützung zu bieten – auch sozial über den Besuch hinaus. Dementsprechend ist der Malteser Hilfsdienst eine offene Beratungsstelle nicht nur für medizinische, sondern auch für soziale und sozialpsychologische Aspekte – und das alles auch von vielen Ehrenamtlichen getragen! Ich will hier auf jeden Fall bald wieder im Einsatz sein, denn selten hat man das Gefühl, so sinnvoll und leicht helfen zu können.
Fazit
Was lässt ich zusammenfassend sagen zu Rent-a-Abgeordnete? Dass ich einen ganzen Packen voller wertvoller und wichtiger Erfahrung aus dem Rent-A-MdL-Aktion mitgenommen habe. Bei den Einsätzen ging es mir vor allem immer auch darum, eine transparente und nahbare “Politik zum Anfassen“ anzubieten und zu erfahren, wie es den Leuten vor Ort in ihrem Alltag geht. Denn die persönlichen Begegnungen sowie der direkte Austausch von Politik mit Bürgerinnnen und Bürgern ist ein wichtiges Grundprinzip einer lebendigen, stabilen Demokratie. Diese Praxis pflegen und stärken zu können ist gerade in einer Zeit, in der viele das Gefühl haben,von der Politik entfremdet zu sein, ein entscheidender Schritt. – Kommendes Jahr werde ich die Aktion undbedingt wiederholen! Vielleicht seid Ihr ja 2025 dabei?!
Zualler erst aber mein herzlichster Dank an alle Organisationen und Beteiligten, die sich entschlossen haben, mit mir in diesen Austausch zu treten!