Schriftliche Anfrage „Cancel Culture der Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus Michaela Kaniber im NAWAREUM Straubing?“
Im Museum für nachwachsende Rohstoffe NAWAREUM in Straubing wurde ein Exponat kurz nach der Eröffnung am 3. März 2023 abgehängt. Es zeigte den Wasserverbrauch für die Herstellung von verschiedenen Lebensmitteln (300 l Wasser für 1 l Bier, 1 000 l für 1 l Milch, 1 800 l für 1 kg Weizen, 6 000 l für 1 kg Schweinefleisch, 17 000 l für 1 kg Schokolade, 19 000 l für 1 kg Kaffeebohnen). Laut Presse (PNP vom 28. Juni 2024) sei das Exponat entfernt worden, weil „diese Darstellung Frau Kaniber nicht gefallen hat“. Auf Nachfrage sei erklärt worden, dass nicht ausreichend zwischen „grünem“ und „grauem“ Wasser unterschieden worden sei. Ein neues Exponat sei in Arbeit.
Die Antwort der Staatsregierung auf die Anfrage von Toni Schuberl Mia Goller, Ludwig Hartmann und mir:
1.1 Wo ist das Exponat aktuell?
Die Bestandteile der Darstellung bzw. des Objekts (Holzteile und Glasflaschen) sind im Depot des NAWAREUM eingelagert, nachdem dieses Mitte Juni 2023 zur Überarbeitung abgenommen wurde.
1.2 Was wird mit diesem geschehen?
Die Bestandteile werden für weitere Verwendungen aufbewahrt.
1.3 Inwiefern ist das Exponat Expertinnen und Experten noch zugänglich?
Die sechs Zahlenwerte sind für Expertinnen und Experten jederzeit in der Literatur zugänglich. Das Objekt ist hierfür nicht vonnöten.
2.1 Welche Stellen sind im NAWAREUM für die Konzeption der Ausstellung zuständig?
Die Konzeption der Ausstellung erfolgte in Eigenverantwortung des Technologie- und Förderzentrums im Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe (TFZ), dem das NAWAREUM als Abteilung zugeordnet ist. Über mehrere Jahre wurden mit einem bis zu 30-köpfigen Team von Fachleuten aus dem TFZ und den beiden anderen Säulen des Kompetenzzentrums die Inhalte der Ausstellungseinheiten erarbeitet.
2.2 Welche Stellen – Verwaltung des NAWAREUM, Museumspädagogik, Kuratorin, andere Staatsministerien, Fachstellen, wissenschaftliche Institutionen usw. – wurden bezüglich der Beseitigung dieses Exponats beteiligt (bitte auch auf Art und Weise der Beteiligung eingehen)?
Die Auswahl der Darstellungsweise des Objektes wurde bereits während einer längeren Phase vor der Eröffnung im Expertenteam und mit anderen Wissenschaftlern des TFZ kontrovers diskutiert. Insofern war dieses Thema schon längere Zeit am TFZ einschließlich dem Ausstellungsteam des NAWAREUM präsent. Als sich in der Pre-Opening-Phase vor der Eröffnung sowie ab dem regulären Betrieb durch Rückmeldungen der Besucherinnen und Besucher bestätigt hatte, dass es evtl. zu Irritationen kommen könnte, hat das TFZ entschieden, das Objekt bis zu einer sorgfältigen Überarbeitung vorübergehend abzunehmen, um weitere Irritationen zu vermeiden.
2.3 Gab es diesbezüglich Widerspruch vonseiten des NAWAREUM, der für die Ausstellungskonzeption zuständigen Stellen, vonseiten anderer Staatsministerien, Fachstellen oder von anderer Seite (falls ja,
bitte mit Angabe, wie mit diesem Widerspruch umgegangen wurde)?
Die Entscheidung des TFZ (siehe Frage 2.2) wurde respektiert und umgesetzt. Andere (externe) Stellen waren in den Vorgang nicht involviert.
3.1 Wie oft ist es in den letzten fünf Jahren geschehen, dass eine Staatsministerin oder ein Staatsminister in die Konzeption der Ausstellung eines Museums eingegriffen hat?
3.2 Wie oft ist es in den letzten fünf Jahren geschehen, dass Stellen des Staatsministeriums in die Konzeption einer Ausstellung eingegriffen haben?
3.3 Falls keine komplette Auflistung dieser Fälle möglich sein sollte, wie viele Fälle an Eingriffen des Staatsministeriums in Ausstellungskonzeptionen sind dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus (StMELF) noch in Erinnerung (bitte mit Angabe, welche Konsequenzen die Eingriffe jeweils hatten)?
Die Fragen 3.1 bis 3.3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Im Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (StMWK) sind keine Eingriffe in die künstlerische oder fachliche Konzeption von Ausstellungen bekannt. Die Entscheidungen über die künstlerische oder fachliche Konzeption von Ausstellungen liegt vielmehr alleine in der Zuständigkeit der Museums- und Sammlungsleitungen sowie der Kuratorinnen und Kuratoren.
4.1 In welcher Weise ist es Staatsministerinnen oder Staatsministern erlaubt, politische Einflussnahme auf fachliche Darstellungen in staatlichen Museen auszuüben (falls ja, bitte mit Angabe etwaiger Richtlinien)?
4.2 Inwieweit darf die Freiheit von Wissenschaft und Kunst durch solch eine Einflussnahme eingeschränkt werden?
Die Fragen 4.1 und 4.2 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet.
Bei den dem StMWK nachgeordneten staatlichen Museen und Sammlungen findet keine politische Einflussnahme in die künstlerischen oder ausstellungsbezogenen, fachlichen Konzeptionen und Darstellungen statt (vgl. Antwort zu den Fragen 3.1 bis 3.3). Auch wenn es sich bei den staatlichen Museen und Sammlungen um Einrichtungen des Freistaates Bayern handelt, ist aufgrund der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit eine Zurückhaltung des Staatsministeriums im Hinblick auf die präsentierende und vermittelnde Arbeit der staatlichen Museen und Sammlungen angezeigt. Ein Eingreifen wäre allerdings immer dann geboten, wenn die Grenze zu rechtswidrigen oder strafbaren Verhaltensweisen überschritten werden würde, wie z. B. bei volksverhetzenden und/oder antisemitischen Inhalten.
4.3 Welche Abwägung wurde durch das StMELF zwischen der Freiheit von Wissenschaft und Kunst und den persönlichen Vorlieben von Staatsministerin Michaela Kaniber getroffen?
Siehe Antwort zu Frage 4.2. Es gab keine politische Einflussnahme in die künstlerische oder ausstellungsbezogene fachliche Konzeption und Darstellung. Daher bedurfte es auch keiner Abwägung.
5.1 Sind die Zahlen, die auf dem Exponat zu sehen waren, und die Art der Darstellung dieser Zahlen korrekt gewesen (falls ja, bitte mit Angabe, welche Quellen herangezogen wurden)?
Die Zahlen in der Darstellung sind zwar korrekt, beziehen sich aber auf die Summe von sog. „grünem“, „blauem“ und „grauem“ Wasser, was der Grund für die missverständliche Interpretation ist; zudem beziehen sich die Daten nicht auf nationale, sondern auf globale Zusammenhänge. Folgende Hauptquelle kann hier angeführt werden: M. M. Mekonnen and A. Y. Hoekstra (2011): The green, blue and grey water footprint
of crops and derived crop products. Hydrol. Earth Syst. Sci., 15, 1577–1600, 2011.
5.2 Welche falsche Schlussfolgerung befürchteten Staatsministerin Michaela Kaniber bzw. das StMELF bei den Museumsbesuchern konkret?
Durch die nicht kommunizierte Unterscheidung von „grünem“ und „grauem“ Wasser wurden Irritationen und falsche Schlussfolgerungen befürchtet.
6.1 Wann wurde beschlossen, eine Neukonzeption zu erstellen?
Einige Zeit nach der Eröffnung im März 2023, nachdem sich auf der Basis der bereits im Vorfeld kontrovers diskutierten Sachlage und der Rückmeldungen von Besucherinnen und Besuchern die Gefahr missverständlicher Interpretation bestätigt hatte (siehe Antwort zu Frage 2.2). Mit den Überlegungen zu einer klareren Darstellung wurde daraufhin begonnen. Die Überarbeitung der Darstellung ist Teil einer Optimierung der Gesamtausstellung, die in der Startphase eines solchen Hauses üblich ist. Dieser zusammengefasste Prozess ist derzeit noch im Gange und wird bis zur Umsetzung noch eine Zeit dauern.
6.2 Seit wann wird an dieser Neukonzeption gearbeitet?
Siehe Antwort zu Frage 6.1.
6.3 Wann wird die Neukonzeption fertig und im NAWAREUM zu sehen sein?
Siehe Antwort zu Frage 6.1.
7.1 Wer erstellt diese Neukonzeption?
Das Ausstellungsteam des NAWAREUMs zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des TFZ.
7.2 Welche Stellen sind an dieser Neukonzeption beteiligt (bitte auch auf Art und Weise der Beteiligung eingehen)?
Ergänzend zur Antwort auf Frage 7.1 wird die überarbeitete Darstellung mit dem Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) an der Landesanstalt für Landwirtschaft abgestimmt werden. Eine Abstimmung wird außerdem mit Fachreferaten des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus (StMELF) erfolgen. Die Entscheidung und Freigabe wird wiederum durch den Leiter des TFZ erfolgen.
7.3 Nimmt Staatsministerin Michaela Kaniber auch auf die Neukonzeption Einfluss (falls ja, bitte Art und Weise der Einflussnahme erläutern)?
Nein.
8.1 Welche inhaltlichen Vorgaben gibt es für die Neukonzeption (bitte mit Angabe, wer diese festgelegt hat)?
Außer der Vorgabe des TFZ-Leiters, die Überarbeitung auf der Basis einer differenzierten Unterscheidung zwischen sog. „grünem“, „blauem“ und „grauem“ Wasser vorzunehmen: keine.
8.2 Welche Daten enthält diese Neukonzeption?
Es wird auf wissenschaftlich fundierte Daten zurückgegriffen.
8.3 Auf welche Studien oder sonstigen Datengrundlagen stützen sich diese Daten?
Siehe Antwort zu Frage 8.2.