Grüne Bayern Landtag Dringlichkeitsantrag Missbrauchsgutachten katholische Kirche

Grüner Dringlichkeitsantrag zum Missbrauchsgutachten

Selbst erfahrene Sachverständige bezeichnen das Münchner Missbrauchsgutachten als „Bilanz des Schreckens“. Die Strukturen der katholischen Kirche haben nicht nur versagt, sondern Vertuschung und Machtmissbrauch gefördert. Jetzt muss endlich unabhängig aufgeklärt werden. Wenn über viele Jahrzehnte hinweg fast 500 Kinder und Jugendliche in Bayern seelische, körperliche und sexualisierte Gewalt und Missbrauch erlebt haben, dann muss das nun endlich Konsequenzen haben. Wir Grüne haben dazu einen Dringlichkeitsantrag im Bayerischen Landtag gestellt.

In unserem Dringlichkeitsantrag fordern wir Landtags-Grüne, dass sowohl der Bayerische Landtag als auch die Staatsregierung ihre eigene Verantwortung annehmen, sich ihr bewusst werden und konsequent sowie an mehreren Stellen tätig werden. Es ist für die Bewertung egal, ob Taten vor zehn, zwanzig oder vierzig Jahren passiert sind. Opfer leiden ihr Leben lang.

Konkret fordern wir in unserem Dringlichkeitsantrag:

  • eine unabhängige Kommission, die neben der Aufklärung der Missbrauchsfälle auch die Versäumnisse aller Verantwortlichen aufarbeitet, insbesondere auch die staatlicher Stellen wie Behörden, Staatsanwaltschaften oder Gerichte. Dabei sollen auch Opfervertreter*innen mit einbezogen werden.
  • Außerdem fordern wir die Staatsregierung auf,
    • im Rahmen von Strafverfolgung jegliche Schonbehandlung von möglichen Tätern aus dem Kreis der katholischen Kirche zu beenden.
    • dem Landtag soll Bericht über die genaue Zahl von eingeleiteten Ermittlungsverfahren sowie über die Gründe für fehlende Konsequenz bei Verdachtsfällen innerhalb der Kirche erstattet werden.
  • Last not least soll eine unabhängige Stelle mit kostenlosen Beratungsangeboten für Betroffene und deren Angehörige eingerichtet werden.

Der Bericht zeigt, dass die Verantwortlichen in der katholische Kirche immer wieder mit Samthandschuhen angefasst wurden. Aber die Zeiten von Wegschauen und Vertuschen sind vorbei.

Zeit des Wegschauens und Vertuschens vorbei

Für mich als Mitglied des Rundfunkrats, des Kontrollgremiums des Bayerischen Rundfunks, ist insbesondere die Rolle von Dr. Lorenz Wolf bedeutsam. Er war rund 30 Jahre lang Offizial, also oberster Kirchenrichter, sein Name taucht im Missbrauchsgutachten mehr als 600 Mal auf. Das Missbrauchsgutachten ist mit seinen rund 1900 Seiten sehr sorgfältig gemacht. Zunächst wurden Akten gesichtet und Zeitzeugen befragt. Daraus ergab sich für jede der genannten Leitfiguren ein (Anfangs-)Verdacht, den die Gutachterinnen und Gutachter darlegen. Das Gutachten betont: Hierbei handelt es sich nur um einen (Anfangs-)Verdacht.

Alle im Gutachten genannten Führungspersönlichkeiten wurden hernach von den Gutachterinnen und Gutachtern mit den Erkenntnissen konfrontiert. Sie hatten in den zwei Jahren der Erstellung des Gutachtens ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme, zum Teil über Monate hinweg. Auch die Stellungnahme und die abschließende Bewertung auf Basis von Stellungnahme und (Anfangs) Verdacht bekommen im Gutachten ausreichend Raum. Alle im Gutachten genannten kirchlichen Verantwortlichen äußerten sich zur Sache. Bis auf Dr. Lorenz Wolf. Der Mann ist Jurist: Er schickte, so das Gutachten, keinerlei inhaltliche Stellungnahme, sondern eine Unterlassungserklärung, unterstützt von Rechtsbeistand Gauweiler, der am Tag der Veröffentlichung des Gutachtens erst mal seinen „Freund, den Papa emeritus Benedikt im Münchner Dom besucht und als Zeichen der Solidarität ein paar Blumen“[1] mitbringt. Um was?! Um seine Solidarität mit – den Tätern! – zu bekräftigen?

Opfer müssen Gehör finden – unabhängig von der Institution der Täter

Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft, als Landtag und, ja, auch als Kirche viel mehr Opfer unterstützen, Gehör zu finden! Dabei müssen auch die Strukturen, die Missbrauch jahrzehntelang ermöglichten, benannt werden. Dass die Identität eines Opfers vom obersten Kirchenrichter recherchiert wird, um dieses Opfer dann wegen Erpressung anzuzeigen, dass daraufhin die Wohnung des Opfers durchsucht wird, während bei den Verantwortlichen der Kirche bis zum heutigen Tag um Herausgabe der Akten „gebeten“ wird, macht mich nicht nur fassungslos, nein, es wirft auch Fragen zur Arbeit staatlicher Ermittlungsbehörden auf. Hier dranzubleiben ist unsere Aufgabe als Landtag.

Prälat Wolf als Rundfunkrats-Vorsitzender nicht tragbar – wir fordern Rücktritt

Meiner Meinung nach kann Dr. Lorenz Wolf, ein Mann, der Unterlagen umdatiert hat, der stets in dubio pro clerico entschied, der laut Opferaussagen derart agierte, dass Opfer re-traumatisiert wurden, nicht Vorsitzender des Rundfunkrats des Bayerischen Rundfunks bleiben. Dr. Lorenz Wolf, der sein Amt „ruhen“ lässt, aber Stand heute nicht zurücktreten will, hat nicht die Integrität, Vorsitzender eines so wichtigen Gremiums zu sein. Darum habe ich mit meinem Rundfunkrats-Kollegen Dr. Martin Runge Prälat Wolf in einem Brief zum Rücktritt aufgefordert.

Presseberichte zum Missbrauchsgutachten, findet Ihr auf meiner Presse-Seite. Unten ein Zusammenschnitt der Rede meines Kollegen Toni Schuberl, Sprecher für Rechtspolitik, zu unserem Dringlichkeitsantrag.


1 Quelle: Selbstauskunft von Peter Gauweiler auf Facebook