Antrag: Muslimische Kinder und Jugendliche verdienen Gleichstellung – jetzt die Weichen für einen konfessionellen islamischen Religionsunterricht stellen!
Der Landtag wolle beschließen:
Der Landtag bekräftigt, dass im Sinne einer Gleichstellung der Religionen die Einführung eines konfessionell gebundenen islamischen Religionsunterrichts nach Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz (GG) das Ziel des Freistaates Bayern ist. Der aktuell vorliegende Gesetzentwurf der Staatsregierung (Drs. 18/15059), welcher auf eine Überführung des
bisherigen Modellversuchs „Islamischer Unterricht“ in ein Wahlpflichtfach ohne bekenntnisorientierte Inhalte abzielt, wird vor diesem Hintergrund als Interimslösung erachtet.
Die Staatsregierung wird aufgefordert,
- Bereits heute die notwendigen Maßnahmen und Schritte einzuleiten, damit zukünftig auch in Bayern ein konfessionell gebundener islamischer Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 GG eingerichtet werden kann.
- Mittels staatlicher Gestaltungsmöglichkeiten auf eine verfassungskonforme Erteilung eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts hinzuwirken (vgl. Drs. 18/12018), sofern es weiterhin nicht gelingen sollte, einen geeigneten institutionalisierten Partner auf muslimischer Seite zu identifizieren, welcher den Anforderungen nach Art. 7 Abs. 3 GG gerechnet wird.
- Verstärkt in den Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern der muslimischen Community in Bayern zu treten und geeignete Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen.
- Im Sinne der angestrebten hohen Akzeptanz des neuen Wahlpflichtfaches „Islamischer Unterricht“ ein konsultatives Gremium von muslimischen Expertinnen und Experten einzurichten. Ein konkreter Vorschlag zur personellen Besetzung eines entsprechenden Gremiums wurde bereits vom wissenschaftlichen Beirat des Departments Islamisch-Religiöse Studien (DIRS) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg unterbreitet (vgl. Schreiben vom 12.08.2020, adressiert an Staatsminister für Unterricht und Kunst Prof. Dr. Michael Piazolo).
- Den muslimischen Schülerinnen und Schülern in Bayern einen individuellen Anspruch auf Erteilung des neuen Fachs einzuräumen, soweit an der jeweiligen Schule eine vorab zu definierende Mindestzahl von interessierten Schülerinnen und Schülern sowie ein ausreichendes Angebot an geeigneten Lehrkräften gegeben ist.
- Im Zuge der bevorstehenden Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) die bisher im Modellversuch „Islamischer Unterricht“ befristet beschäftigten Lehrkräfte mit sofortiger Wirkung zu entfristen. Liegen die entsprechenden Voraussetzungen vor, sind Verbeamtungen vorzunehmen
- Die nötigen Voraussetzungen zur Etablierung eines weiteren bayerischen Universitätsstandortes zur Ausbildung von Lehrkräften für den „Islamischen Unterricht“ zu schaffen, um den Bedarf an qualifiziertem Lehrpersonal decken zu können.
- Auf eine Änderung des § 49a Lehrerprüfungsordnung I (LPO I) hinzuwirken, damit das neue Wahlpflichtfach „Islamischer Unterricht“ auch zeitnah in der gymnasialen und beruflichen Oberstufe erteilt werden kann und den Schülerinnen und Schülern das Ablegen von Reifeprüfungen ermöglicht wird.
Begründung:
Kinder und Jugendliche brauchen einen Ort, um über ihre Religion und alles, was dazu gehört, zu reden und zu reflektieren. Das gilt für Kinder und Jugendliche jeder Religionszugehörigkeit. Im Sinne einer Gleichstellung der Religionen verdienen auch die mehr als 160 000 muslimischen Schülerinnen und Schüler in Bayern („Bayerns Schulen in Zahlen 2019/2020“, S. 21) einen echten, konfessionell gebundenen Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 GG.
Der aktuell vorliegende Gesetzentwurf der Staatsregierung (Drs. 18/15059), welcher auf eine Überführung des bisherigen Modellversuchs „Islamischer Unterricht“ in ein Wahlpflichtfach ohne bekenntnisorientierte Inhalte abzielt, kann vor diesem Hintergrund lediglich als Zwischenschritt betrachtet werden, auf den unmittelbar weitere Schritte und
Maßnahmen folgen müssen.
Zweifelsohne kann Islamischer Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs.3 GG nur in Übereinstimmung mit den Grundsätzen einer islamischen Religionsgemeinschaft eingerichtet werden. Offenkundig konnte bislang noch kein geeigneter institutionalisierter Partner auf Seite der islamischen Verbände identifiziert werden. Obwohl dieser Zustand primär ein innermuslimisches Phänomen darstellt, ist die Situation nicht so alternativlos, wie sie von der Staatsregierung beschrieben wird. Das Land Baden-Württemberg hat mit der Errichtung der Stiftung „Sunnitischer Schulrat“ bereits bewiesen, dass der Staat in dieser Frage durchaus gestaltend tätig werden kann. Eine verfassungskonforme
Adaption dieses Modells für den Freistaat Bayern sollte daher eingehend geprüft werden (vgl. Drs. 18/12018).
Darüber hinaus ist es zwingend erforderlich, dass die Staatsregierung im Hinblick auf zukünftige Überlegungen zur Weiterentwicklung des „Islamischen Unterrichts“ an Bayerns Schulen muslimischen Vertreterinnen und Vertretern mehr Gehör schenkt. Eine diesbezügliche schriftliche Anfrage vom November 2020 verdeutlicht, dass dies im Vorfeld der Neukonzeptionierung des Wahlpflichtfaches nur unzureichend geschehen ist (vgl. Drs. 18/9942, Frage 4.1). Die Einberufung eines konsultativen Gremiums von muslimischen Expertinnen und Experten ist vor diesem Hintergrund zielführend, um den gemeinsamen Dialog zu befördern und eine hohe Akzeptanz des neuen Faches zu garantieren.
Darüber hinaus ist der Begründung des Gesetzentwurfes der Staatsregierung zu entnehmen, dass „Schülerinnen und Schüler sowie Eltern beim Islamischen Unterricht […] keinen individuellen Anspruch auf Einrichtung dieses Faches an der Schule“ haben (Drs. 18/15059, S. 5). Es liegt auf der Hand, dass das neue Fach sinnvollerweise nur bedarfsgerecht eingeführt wird. Es erschließt sich jedoch nicht, dass die Schulleitungen
und Schulämter ohne feste Kriterien über die Einführung des Faches an den jeweiligen Schulen entscheiden sollen.
Zudem soll „das neue Fach in den Jahrgangsstufen 11 bis 13 der Gymnasien und der beruflichen Oberschulen mit Blick auf die Lehrerversorgung nicht angeboten“ werden, da gemäß § 49a LPO1 bislang keine Prüfung für das vertiefte Unterrichtsfach vorgesehen ist. Somit werden Schülerinnen und Schüler, die künftig den „Islamischen Unterricht“ in der Oberstufe besuchen, gegenüber anderen benachteiligt, die entweder einen
konfessionellen Religionsunterricht oder den regulären Ethikunterricht besuchen. Ihnen ist es folglich nicht möglich, die Reifeprüfung im „Islamischen Unterricht“ abzulegen. Zusätzlich ist gerade die Erteilung des Faches in der Oberstufe relevant, um zukünftige Kandidatinnen und Kandidaten für das entsprechende Lehramtsstudium zu gewinnen.
Im Hinblick auf die Lehrkräfteversorgung zeichnet sich bereits jetzt ab, dass im September 2021 nicht ausreichend Lehrerinnen und Lehrer für eine flächendeckende Einführung des neuen Wahlpflichtfaches zur Verfügung stehen werden. Zu begrüßen ist daher die Möglichkeit der Entfristung der bisherigen Lehrkräfte des Modellversuchs. Darüber hinaus ist es auch wünschenswert, dass die Lehrkräfte nach Möglichkeit verbeamtet werden, um die nötige Kontinuität zu gewährleisten und zusätzliche Anreize zu schaffen. Unabhängig davon wird bei der angestrebten hohen Akzeptanz des neuen Faches jedoch mehr Fachpersonal benötigt werden, um eine Deckung des Bedarfs an
Lehrkräften über alle Schularten hinweg gewährleisten zu können. Vor diesem Hintergrund sollte zeitnah die Möglichkeit eines zweiten Studienstandorts in Betracht gezogen werden.