10 Millionen Menschen und kein Club – beschlossene Hilfen greifen nicht
Gestern, 13.03.2020, gab es umfangreiche Hilfszusagen für die Wirtschaft und die Kulturszene.
Schon am 11.03.2020 kam der Hilferuf des Verbands der Münchener Kulturveranstalter (VDMK e.V.) mit aktuell über 70 Mitgliedern, deren 15.000 Kulturveranstaltungen von Klassik bis Rock und Pop, von Kino bis Straßen-Festival pro Jahr rund 10 Millionen Menschen besuchen.
Service-Hinweise an die Regierungen: Eure Hilfen sind echt ein guter Anfang! Bei den sehr speziellen Bedarfen der Kulturszene kommen etliche der Hilfen aber nicht an und greifen nur bedingt. Hier eine Service-Liste mit Infos aus der Branche:
Kurzarbeitergeld greift nicht
- Kurzarbeitergeld greift nur bei Angestellten und Arbeiter*innen – Es ist keine Lösung für Selbstständige, Saisonkräfte, Studierende und Menschen mit Minijob. Minijob oder Kleinunternehmen – in immerhin 7 von 11 Teilbereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft ist das die Realität für rund 50% der Erwerbstätigen und in 2 Teilbereichen für rund 70% der Erwerbstätigen. Für all diese Menschen greift dieses Instrument nicht!
Banken geben keine Kredite – KfW kann nicht helfen
- Unbegrenzte Kreditzusagen helfen nur jenen, die von Banken auch Kredite bekommen sowie jenen, die Kredite auch zurückzahlen können. Im Kulturbereich bewegt sich aber ein Löwenanteil im Mini-Sektor: Rücklagen gleich null, Möglichkeiten, weitere Lasten abzustottern, gleich Doppel-Null. Finanziert wird oft mit Brauereien, ab und an mit Crowd-Funding, selten mit Genossenschaftsmodellen, noch seltener mit Banken.
Handschlag besiegelt Abmachungen
- Etliches im Kreativbereich wird per Handschlag besiegelt. Das ist ein Fehler, der sich heute rächt. Aber mit Besserwisserei kommen wir jetzt nicht weiter. Auch bei mündlichen Zusagen müssen Hilfen möglich sein.
Kulturelle Bildung, Darstellende Kunst: öffentliche Mittel für unter 25€/h auf Rechnung – Anrechnungs-Tage für ALG-I fehlen
- Kulturelle Bildung und Lehraufträge sind ein enorm wichtiges Standbein für Künstler*innen. Hier arbeitet man auf Rechnung oder mit „Entschädigungen“, oft zu Stundensätzen, die keinerlei Mindestgagen entsprechen und nach Abzug der Kosten weit unter dem Mindestlohn für Angestellte oder Arbeiter*innen liegen. Oft handelt es sich – ja! – um öffentliche Aufträge zum Mini-Tarif. Das jahrzehntelange Versagen fairer Entlohnung rächt sich jetzt. Ein Kredit hilft hier nicht, wenn alle Aufträge wegfallen.
- Die Anrechnungstage für Arbeitslosengeld bekommen wegen der Kleinteiligkeit der Aufträge selbst gut beschäftigte Theater- und Filmleute fast nie zusammen. Bei Auftrags-Wegfall stehen diese Menschen vor dem Nichts.
Veranstaltungs-Verbot kommt Enteignung gleich
- Kulturveranstaltungen, die öffentliche Fördermittel erhalten, müssen immer auch Eigenanteile erbringen. Sie verlieren nicht nur alle Einnahmen und Umsätze, auch die öffentliche Hand hat bisher nur zugesagt, schon getätigte Ausgaben zu decken. Nicht verausgabte Mittel rückfordern bedeutet einen weiteren Einkommenseinbruch, da niemand die laufenden Kosten (Handlungskosten/Overhead) deckt und meist nur Projektmittel bewilligt werden.
- Ein Verbot von Veranstaltungen kommt einer Enteignung gleich. Es muss wie bei Enteignungen entschädigt werden.
Kultur ist kein Selbstzweck:
auch an Millionen von Nutznießer*innen denken
Allein in München besuchen pro Jahr laut Auskunft des Verbands der Münchener Kulturveranstalter (VMDK e.V.) rund 10 Millionen Menschen die Kulturveranstaltungen der über 70 Mitglieder des VMDK.
Ist die Kultur erst einmal weg, werden alle merken, dass man zum Klimpern von Geld nicht tanzen kann.
Meine aktuellen Forderungen und tägliche Info-Updates zur Corona-Krise der Kulturszene in meinem Corona Service-Post.
21.04.2020 – Grünes Webinar „Veranstaltungsverbote und Drehstop: Wer zahlt die Zeche?“ mit Sanne Kurz MdL Grüne Fraktion Bayern, Erhard Grundl, Musiker und Mitglied des Bundestages, David Süß, VDMK und Stadtrat, Annette Greca, ver.di filmunion und Satu Siegemund, Bundesverband Regie. Info und Anmeldung hier.