Demografischer Wohnbau
Sechs Jahre lang wohnte ich mit Ende Zwanzig mit meinen damals zwei kleinen Kindern in einem als „Atelier“ angebotenen Zimmer: 10qm inkl. Bad und WC, die Dachschräge ließ keinen Platz für einen Tisch – aber immerhin Heizung und Fenster. – Willkommen in München!
„Atelier“ war na klar glatt gelogen. Ich nannte es euphemistisch „Büro“, weil ich mir als alleinerziehende Künstlerin nichts anderes leisten konnte. Meine Kinder nannten es wenig liebevoll „Loch“. Rund um mich wohnten einen langen Flur rauf und runter viele Menschen so wie ich, auch Familien. Wir hatten keine Klingeln, nur Briefkästen, die moderne Form der „Briefkasten-Firma“.
Aber günstig! Zumindest zu Beginn der sechs Jahre – denn für Gewerbemietverträge gilt kein Mieterschutz, in sechs Jahren hat der Vermieter die Miete insgesamt verdoppelt – und na klar bei Einzug „Vermittlungsprovision“ als Makler kassiert und bei Auszug die Kaution einbehalten. – Puh.
Anzeigen? Die Situation melden? Dann wären all meine Nachbarn ebenso wie ich obdachlos gewesen.
Etwas anderes als mein „Büro“ hätte ich mir zum Leben mit meinen Kindern damals nicht leisten können. Also lieber Augen zu und weiter. – Retrospektiv haben wir es mal in die Zeitung geschafft: „Münchner Familie leidet im Wohn-Loch“ titelte die tz. Und garnierte den Beitrag mit Bildern, die ich über die Jahre in meinem „Büro“ gemacht hatte und auf meinem Blog postete.
Irgendwann schlief der Blog dann ein. Irgendwann zog ich vom „Büro“ in ein Abriss-Haus (fließend Kalt-Wasser nur im Keller, aber Strom und Garten!). Irgendwann trat ich bei den Grünen ein und beschloss, mich für bessere Lebensbedingungen für alle Menschen einzusetzen.
Politische Arbeit zu Lebensbedingungen
Zwei meiner Herzensanliegen sind bezahlbarer Wohnraum und selbst-bestimmtes Leben im Alter. Wie viele Menschen wuchs ich in einem Einfamilienhaus in einer Kleinstadt auf. Bevor ich geboren wurde, lebten dort drei Familien in drei separaten Wohnungen. Heute gibt es in meinem Elternhaus aber kein Mehrgenerationen-Wohnen, sondern eine alleinstehende, ältere Dame (meine wunderbare Mama) und viel Platz. Platz, den sie gerne mit Menschen teilen würde. Separate Wohn-Einheiten herstellen! So einfach ginge das.
Aber welche Bank finanziert einer noch so fitten Lady Ü70 bitteschön die Rückverwandlung eines hammerschönen Ein-Familienparadieses in drei Mietwohnungen? Und wenn auch die zukünftige Miete noch so leicht Dinge wie separate Bäder, Teilung oder evtl. nötige Außentreppe rein spielen und sogar noch die Rente der Bauherrin aufbessern würde: die Bank schaut aufs Geburtsdatum und zuckt entschuldigend die Schultern.
Das Haus ist die beste Bank
„Altersdiskriminierung!“ schreit da die Grüne in mir und schwupp – schon war aus der Idee ein Antrag gestrickt. Zusammen mit meinem Grünen Kollegen Christian Hierneis vom BUND Naturschutz e.V., der die zweite unglaublich gute Sache an der Idee würdigte: nicht nur Einsamkeit wird vorgebeugt, Leben zieht ein und Gemeinschaft entsteht – es wird auch weniger Natur zubetoniert. Naturschutz, Menschenschutz – und nebenbei kann man sich bei der Gartenarbeit helfen!
#WeLoveDemografischerWohnbau!
Die Idee ist, dass dort, wo Menschen in einem Alter sind, dass Banken den Kopf schütteln, der Staat nicht nur wie bisher Förderkredite und Zuschüsse für barrierefreien Ausbau vergibt. Nein, wir möchten, dass es öffentliche Kredite oder Bürgschaften auch für die Schaffung von Wohnraum gibt, so dass neue Mietwohnungen in bestehenden, selbst-bewohnten Häusern entstehen können. Eigenheim als Flächenreservoir – endlich für alle, die es möchten, nutzbar gemacht. – Hier unser Grüner Antrag Demografischer Wohnbau zum Download!
Was soll ich sagen – nicht nur Christian Hierneis und Sanne Kurz fanden, dass das eine tolle Idee ist – die Münchner Stadtversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nahm unseren Antrag einstimmig an! – Einstimmig. Wer Grüne kennt, weiß, was für eine Auszeichnung das ist. Damit wäre ein Anfang gemacht. – Ich bin Jahrgang 1974 und hoffe, dass ich als ältere Dame schon von diesen guten Ideen profitieren kann!